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Die Bibliothek am Mount Char (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
496 Seiten
foliant Verlag
978-3-910522-99-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Bibliothek am Mount Char -  Scott Hawkins
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Ein verschwundener Gott. Eine Bibliothek mit den Geheimnissen des Universums. Eine Frau, die zu beschäftigt ist, um zu merken, wie ihr das Herz entgleitet. Carolyn ist nicht viel anders als die Menschen um sie herum. Sie mag Guacamole, Zigaretten und Steak. Sie weiß, wie man ein Telefon benutzt. Kleidung ist ein bisschen knifflig, aber alle sagen nette Dinge über ihr Outfit mit dem Weihnachtspullover über den goldenen Fahrradhosen. Schließlich war sie selbst einmal eine normale Amerikanerin. Das war natürlich vor langer Zeit. Bevor ihre Eltern starben. Bevor sie und die anderen vom Mann, den sie Vater nannten, aufgenommen wurden. In den Jahren seitdem hatte Carolyn nicht viel Gelegenheit, rauszukommen. Stattdessen wurden sie und ihre Adoptivgeschwister nach den alten Bräuchen Vaters erzogen. Sie haben die Bücher in seiner Bibliothek studiert und einige seiner Geheimnisse gelernt. Und manchmal haben sie sich gefragt, ob ihr grausamer Lehrer heimlich Gott sein könnte. Jetzt ist Vater verschwunden - vielleicht sogar tot - und die Bibliothek, die seine Geheimnisse birgt, ungeschützt. Und damit auch die Kontrolle über die gesamte Schöpfung. Während Carolyn die nötigen Hilfsmittel für den bevorstehenden Kampf sammelt, stellen sich ihr erbitterte Konkurrenten in den Weg, die allesamt über Kräfte verfügen, die ihre eigenen bei weitem übersteigen. Aber Carolyn hat damit gerechnet. Und Carolyn hat einen Plan. Das einzige Problem ist, dass sie im Bemühen, einen neuen Gott zu erschaffen, vergessen hat, die Dinge zu schützen, die sie menschlich machen. Bevölkert von unvergesslichen Charakteren und vorangetrieben von einer Handlung, die immer wieder überrascht, ist Die Bibliothek am Mount Char zugleich erschreckend und urkomisch, verblüffend fremdartig und herzzerreißend menschlich, weitblickend visionär und atemberaubend spannend.

Scott Hawkins lebt mit seiner Frau und einer großen Schar von Pflegehunden in Atlanta. Wenn er nicht schreibt, arbeitet er gerne mit Holz, kocht aufwendige und unpraktische Rezepte und spielt mit seinen Hunden Fangen. Er arbeitet als Computerprogrammierer. Die Bibliothek am Mount Char ist sein erster Roman.

Scott Hawkins lebt mit seiner Frau und einer großen Schar von Pflegehunden in Atlanta. Wenn er nicht schreibt, arbeitet er gerne mit Holz, kocht aufwendige und unpraktische Rezepte und spielt mit seinen Hunden Fangen. Er arbeitet als Computerprogrammierer. Die Bibliothek am Mount Char ist sein erster Roman.

Kapitel 1


Sonnenaufgang


I


Blutverschmiert und barfuß lief Carolyn allein die zweispurige Asphaltstraße entlang, die die Amerikaner Highway 78 nannten. Die meisten Bibliothekare, Carolyn eingeschlossen, betrachteten sie eher als Tacostraße, zu Ehren eines mexikanischen Restaurants, zu dem sie sich gelegentlich schlichen. Die Guacamole ist richtig gut da, erinnerte sie sich. Ihr knurrte der Magen. Unter ihren Füßen raschelte orangefarbenes, knisterndes Eichenlaub und kurz vor der Dämmerung stieg ihr Atem in kleinen Wölkchen in die Luft. Das scharfe Obsidianmesser, mit dem sie Detective Miner getötet hatte, lag gut verborgen an ihrem Rücken.

Sie lächelte.

Auf dieser Straße war zwar nicht viel Verkehr, aber ein paar Autos sah man gelegentlich. Im Laufe ihrer Wanderung durch die Nacht hatte sie fünf gesehen. Der zerbeulte alte Ford F-250, der jetzt neben ihr abbremste, war das dritte, das anhielt, um näher hinzusehen. Der Fahrer fuhr auf den knirschenden Kies am gegenüberliegenden Straßenrand und ließ den Motor laufen. Als das Fenster heruntergelassen wurde, roch sie Kautabak, altes Fett und Heu. Am Steuer saß ein weißhaariger Mann, neben ihm ein Schäferhund, der sie misstrauisch beäugte.

Oh Mistkram. Sie wollte ihnen nichts tun.

»Um Himmels Willen«, sagte der Mann. »Hat es einen Unfall gegeben?«

In seiner Stimme lag Anteilnahme – echte, nicht die gespielte, raubtierhafte, wie bei dem letzten Mann, der es versucht hatte. Sie konnte es hören und wusste, dass der alte Mann sie betrachtete wie ein Vater seine Tochter ansehen würde. Es entspannte sie etwas.

»Nein«, antwortete sie und beobachtete den Hund. »Nichts dergleichen. Nur etwas Stress in der Scheune. Eines der Pferde.« Es gab zwar kein Pferd und keine Scheune, aber der Geruch des Mannes sagte ihr, dass er Sympathie für Tiere empfand und wusste, dass der Umgang mit ihnen manchmal ein blutiges Geschäft sein konnte. »Schwierige Geburt – für sie und für mich.« Sie lächelte bedauernd und deutete auf ihr Kleid, dessen grüne Seide schwarz und steif war von Detective Miners Blut. »Hat mir das Kleid ruiniert.«

»Versuch es mit etwas Club Sody«, empfahl der Mann trocken. Der Hund knurrte leise. »Still, Buddy!«

Carolyn war nicht ganz klar, was »Club Sody« sein sollte, aber sein Tonfall sagte ihr, dass es ein Scherz war. Keiner, bei dem man laut herauslachte, eher von der mitfühlenden Sorte. Sie lachte leise. »Werde ich machen.«

»Geht es dem Pferd gut?« Wieder klang er aufrichtig besorgt.

»Ja, ihr geht es gut. Und dem Fohlen auch. Aber es war eine lange Nacht. Ich laufe nur etwas, um den Kopf frei zu bekommen.«

»Barfuß?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Hierzulande ist man hart im Nehmen.« Das stimmte sogar.

»Möchtest du mitfahren?«

»Nein danke. Das Haus meines Vaters ist gleich da vorne. Es ist nicht weit.« Auch das stimmte.

»Welches, das bei der Post?«

»In Garrison Oaks.«

Einen Moment lang sah der alte Mann in die Ferne, als er versuchte, sich zu erinnern, woher er den Namen kannte. Er dachte kurz darüber nach, gab dann aber auf. Carolyn hätte ihm sagen können, dass er tausend Jahre lang vier Mal täglich an Garrison Oaks vorbeifahren könnte, ohne sich je daran zu erinnern, doch sie ließ es bleiben.

»Ohh«, meinte er schließlich. »Na gut.« Dann sah er in nicht gerade väterlicher Art auf ihre Beine. »Bist du sicher, dass du nicht mitfahren willst? Buddy macht es nichts aus, stimmts?«

Er tätschelte den Hund auf dem Beifahrersitz, der sie nur wild und misstrauisch ansah.

»Ganz sicher.«

Der alte Mann legte den Gang ein und fuhr weiter. Carolyn blieb in einer warmen Wolke aus Dieselabgasen zurück.

Sie beobachtete ihn, bis die Rücklichter um eine Biegung verschwanden. Das war genug Gesellschaft für eine Nacht, dachte sie, stieg die Böschung hinauf und ging in den Wald. Der Mond stand noch am Himmel und war noch voll. Die Amerikaner nannten diese Jahreszeit »Oktober«, gelegentlich auch »Herbst«. Aber Bibliothekare berechneten die Zeit nach dem Himmel. Heute war der siebte Mond, der Mond der schwarzen Trauer. Unter seinem Licht huschten die Schatten kahler Äste über ihre Narben.

Ungefähr eine Meile weiter kam sie zu dem hohlen Baumstamm, in dem sie ihr Gewand verstaut hatte. Sie schüttelte die Rindenstückchen heraus und klaubte sie so gut wie möglich sauber. Einen Fetzen des blutigen Kleides hob sie für David auf, den Rest warf sie weg, dann hüllte sie sich in das Gewand und zog die Kapuze über den Kopf. Sie hatte das Kleid gemocht, die Seide hatte sich gut angefühlt auf der Haut, aber die grobe Baumwolle der Robe wirkte beruhigend. Sie war ihr vertraut und mehr erwartete sie von Kleidung nicht.

Sie lief tiefer in den Wald hinein. Die Steine unter den Blättern und Fichtennadeln fühlten sich gut an unter ihren Füßen, sie kratzten sie an einer juckenden Stelle, die ihr bisher gar nicht aufgefallen war. Nur noch über den nächsten Hügel, dachte sie. Garrison Oaks. Am liebsten hätte sie den Ort niedergebrannt, aber gleichzeitig wäre es auch schön, es wiederzusehen.

Zuhause.

II


Carolyn und die anderen waren keine geborenen Bibliothekare. Einst – es schien sehr lange her zu sein – waren sie sogar sehr amerikanisch gewesen. Sie erinnerte sich ein wenig daran, dass es so etwas wie Die Sieben-Millionen-Dollar-Frau oder Reese’s Peanut Butter Cups gegeben hatte. Aber als Carolyn etwa acht Jahre alt gewesen war, griffen in einer Sommernacht Vaters Feinde an. Vater überlebte, ebenso Carolyn und ein paar andere Kinder. Ihre Eltern nicht.

Sie erinnerte sich an Vaters Stimme, die durch dichten schwarzen Rauch drang, der nach geschmolzenem Asphalt roch, und wie tief der Krater war, wo einst ihre Häuser gestanden hatten. Er glühte dunkel orange hinter Vater.

»Ihr seid jetzt Pelapi«, hatte Vater gesagt. »Das ist ein altes Wort. Es bedeutet etwas zwischen »Bibliothekar« und »Schüler«. Ich nehme euch in mein Haus auf und werde euch großziehen, so wie ich selbst erzogen wurde. Ich werde euch die Dinge beibringen, die ich gelernt habe.«

Er hatte nicht gefragt, was sie wollten.

Carolyn war nicht undankbar und anfangs tat sie ihr Bestes. Ihre Eltern waren beide fort, für immer, so viel hatte sie verstanden. Vater war alles, was sie noch hatte und anfangs schien es, als ob er nicht so viel verlangte. Aber Vaters Zuhause war anders. Anstelle von Süßigkeiten und Fernsehen gab es Schatten und alte Bücher, handgeschrieben auf dickem Pergament. Bald verstanden sie, dass Vater schon sehr lange lebte. Und im Laufe dieses langen Lebens hatte er gelernt, Wunder zu wirken. Er konnte Blitze herbeirufen oder die Zeit anhalten. Steine sprachen ihn beim Namen an. Theorie und Praxis dieser Künste waren in zwölf Kataloge eingeteilt – zufälligerweise eine für jedes Kind. Alles, worum er bat, war, dass sie fleißig lernten.

Ein paar Wochen später erhielt Carolyn den ersten Hinweis darauf, was das wirklich bedeutete. Sie lernte an einem der beleuchteten Arbeitsplätze die hier und da in der jadegefliesten Bibliothek standen. Margaret, ungefähr neun Jahre alt, kam aus den hohen, dunklen Regalen des grauen Katalogs gerannt. Sie schrie. Blind vor Panik stolperte sie über einen Tisch und stolperte fast bis vor Carolyns Füße. Carolyn bedeutete ihr, sich unter ihrem Tisch zu verstecken.

Dort zitterte Margaret mindestens zehn Minuten lang. Carolyn stellte ihr leise Fragen, doch sie sprach nicht, vielleicht konnte sie es gar nicht. Doch in Margarets Tränen mischte sich Blut und als Vater sie zurück zwischen die Regale schleifte, machte sie sich in die Hose. Das war Antwort genug. Carolyn dachte manchmal an den heißen Ammoniakgestank von Margarets Blut, vermischt mit dem muffigen Staub alter Bücher und wie ihre Schreie aus den Regalen hallten. Erst in diesem Moment begann sie zu verstehen.

Carolyns eigener Katalog war eher langweilig als furchterregend. Vater hatte ihr das Studium der Sprachen zugewiesen und fast ein Jahr lang war sie sorgfältig ihre Lehrbücher durchgegangen. Aber die Routine langweilte sie. Im ersten Jahr ihrer Ausbildung, als sie neun Jahre alt war, war sie zu Vater gegangen und hatte mit dem Fuß aufgestampft.

»Ich will nicht mehr«, hatte sie gesagt. »Ich habe genug Bücher gelesen. Ich kenne genug Worte. Ich will raus.«

Die anderen Kinder schraken vor Vaters Gesichtsausdruck zurück. Wie versprochen zog er sie so auf, wie er selbst erzogen worden war. Die meisten von ihnen – Carolyn eingeschlossen – hatten bereits ein paar Narben.

Doch obwohl sich sein Gesicht verfinsterte, schlug er sie dieses Mal nicht. Stattdessen sagte er nach einem Moment: »Oh? Nun gut.«

Vater schloss die Tür zur Bibliothek auf und führte sie zum ersten Mal seit Monaten hinaus in Sonnenschein unter blauem Himmel. Carolyn war entzückt, besonders, als Vater das Gelände verließ und zum Wald ging. Unterwegs sah sie David, dessen Katalog Mord und Krieg waren, auf dem Feld am Ende der Straße ein Messer schwingen. Michael, der lernte, Vaters Botschafter der Tiere zu werden, balancierte auf einem Ast und beriet sich mit einer Eichhörnchenfamilie. Carolyn winkte beiden zu. Vater blieb am Ufer des kleinen Sees hinter dem Gelände stehen. Carolyn bebte förmlich vor Vergnügen, plantschte barfuß ins Wasser und versuchte, Kröten zu fangen.

Vom Ufer aus rief Vater nach der Hirschkuh Isha, die kürzlich ein Junges bekommen hatte. Isha und ihr Kitz Asha kamen natürlich aufs Kommando. Sie begannen ihre Audienz damit, Vater recht...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2024
Übersetzer Tanja Ohlsen
Verlagsort Untergruppenbach
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte American Gods • Dark Fantasy • einzigartig • Fantasyroman • Geheimnisse • humorvoll • Komplex • Magie • Mystery • Neil Gaiman • preston child • Schwarzer Humor • skurril • spannend • Stephen King • Thriller • Übernatürliches • Unkonventionell • USA
ISBN-10 3-910522-99-8 / 3910522998
ISBN-13 978-3-910522-99-2 / 9783910522992
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