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Geheimnisvolle Märchenwelt -  Maja Herrmann

Geheimnisvolle Märchenwelt (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
278 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-0051-3 (ISBN)
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Seit Urzeiten faszinieren Märchen viele Menschen - und nicht nur Kinder. Es ist ein Vergnügen, in eine geheimnisvolle Traumwelt einzutauchen und dem Alltag zu entfliehen. Diese Märchen entfalten die Fantasie, erzählen von spannenden Abenteuern, von Helden, Drachen, ungewöhnlichen Wesen, aber auch davon, dass Liebe, Treue und Mut Berge versetzen können. Einige spielen in der Zeit, als man noch mit Pferdekutschen durchs Land reiste, andere in der Neuzeit. Verse, Reime und farbenfrohe Illustrationen untermalen beim Lesen die zauberhafte Stimmung. Diese Märchen machen Mut.

Maja Herrmann wurde 1953 in der Nähe von Halle in Westfalen geboren. Von Büchern begeistert, begann sie mit 10 Jahren selbst Märchen, Geschichten und Gedichte zu schreiben. Während ihrer langjährigen Tätigkeit als Leiterin von Kindertagesstätten, erlebte sie die positive Wirkung von Märchen und Geschichten auf Kinder. Ihr ist es deshalb wichtig, dass ihre Bücher Hoffnung machen und der Seele guttun

Die goldenen Kraniche


Es war Mitternacht. Der Vollmond erhellte die Landschaft, warf sein fahles Licht auf den Weiher, sodass sein Wasser wie Edelsteine leuchtete.

Sechs große Vögel zogen ihre Kreise. Sie hatten schmale, hübsche Köpfe mit Federn, die oben ein goldenes Krönchen bildeten, einen langen Hals, verbunden mit einem ovalen, kräftigen Körper und lange schlanke Beine. Körper und Beine waren grau, aber Kopf, Hals, Flügel und die langen, herabhängenden Schwanzfedern glänzten golden, wenn der Schein des Mondes sie berührte. Als sie den Wald und angrenzenden Weiher erreichten, glitten sie mit dem Wind hinab und landeten auf einer Lichtung. Hier wollten sie den Rest der Nacht verbringen. Letztes Jahr waren es noch sieben Kronenkraniche gewesen, aber einen hatte der Wolf geholt. Es war ein junges weibliches Tier und deshalb schmerzte sein Tod die Gruppe ganz besonders. Der letzte junge Kronenkranich wollte mit seiner hübschen Braut eine Familie gründen. Fände er keine neue Frau, würden die goldenen Kraniche bald aussterben.

Sein Urgroßvater war vor langer Zeit aus Afrika hierher geflogen, um den Jägern in der Heimat zu entkommen. Diese waren arm und töteten die Kraniche, um ihre goldenen Federn und Eier teuer verkaufen zu können. Aber weil es in Europa keine goldenen Kronenkraniche gab und sie auch hier nicht in Sicherheit leben konnten, würden sie unweigerlich aussterben.

„Goldene Feder“, wie der junge Kranich genannt wurde, weil seine Federn in einem besonderen Goldton glänzten, sann darüber nach, was er tun könnte. Neidvoll beobachtete er andere Vögel, die Nester bauten und ihre Jungen aufzogen. Wenn sich im Herbst die Zugvögel auf den Stromleitungen sammelten, um in Scharen gen Süden zu fliegen, schaute er ihnen sehnsüchtig nach und wäre am liebsten mitgeflogen. Süden – da kamen Erinnerungen an die Erzählungen der Alten hoch, wie sie in warmen Seen oder im Fluss Limpopo badeten, durch schier endlose Savannen schritten und Früchte fraßen, die es hier nicht gab.

Der Leitvogel der Kraniche, ein älterer, weiblicher Kronenkranich, beobachtete seit längerem Goldene Feder. Dieser wirkte unzufrieden, oft traurig und obwohl es verboten war, sich von der Gruppe zu entfernen, unternahm er manchmal Ausflüge in die Umgebung, wenn die anderen schliefen. „Scharfes Auge“, wie die Chefin genannt wurde, weil ihrem scharfen Blick nichts entging, sprach ihn an: „Fliege nicht mehr allein fort. In der Gruppe ist meistens jemand, der Wölfe oder Menschen entdeckt und die Freunde warnt. Ich weiß, dass du dich unter uns Alten oft einsam fühlst, aber vielleicht findest auch du auf unseren Flügen durch Europa irgendwann dein Glück.“ Goldene Feder nickte, aber er wollte lieber sterben, als auf Dauer so weiterzuleben. Eines Mittags, als die Kraniche am Weiher wieder eine Ruhepause einlegten, entfernte er sich leise und flog in die Richtung davon, in die eine Schar Krähen gestartet waren. Nach einer Weile entdeckte er eingezäunte oder von Mauern begrenzte Grundstücke, in denen sich Tiere aufhielten. So merkwürdige Exemplare hatte er noch nie gesehen! Einige waren riesengroß und hatten lange Nasen, mit denen sie Futter greifen und in ihr Maul befördern konnten. Andere sahen wie Riesenkatzen aus, waren gelb und brüllten laut. In einem haushohen Käfig entdeckte Goldene Feder Vögel. Obwohl er um die Gefahr wusste, landete er in ihrer Nähe, um sie genau sehen zu können. Plötzlich wollte er seinen Augen nicht trauen. Groß, majestätisch und wunderschön stolzierten tatsächlich Kronenkraniche zwischen den anderen Vögeln umher! Sie hatten zwar keine goldenen Federn, aber nur das unterschied sie von seinen Verwandten und Freunden.

Soeben noch mit Nahrungssuche beschäftigt, hoben sie jetzt die Köpfe, um den Neuling zu begutachten. Einen solchen Artgenossen hatten sie hier im Zoo noch nie gesehen!

„Der schaut ganz schön eingebildet aus“, sagte ein junger Kranich. „Wahrscheinlich glaubt der, er wäre mit seinen goldenen Federn etwas ganz Besonderes!“ Goldene Feder konterte entrüstet: „Oh nein! Ich wäre froh, wenn ich ohne goldene Federn aus dem Ei geschlüpft wäre, aber wer kann sich seine Federn schon aussuchen? Immer muss ich Angst haben, dass Menschen mich abschießen, weil sie nach meinen Federn trachten!“ Da schwieg der junge Kranich, der seinen Schnabel ziemlich voll genommen hatte.

Inzwischen musterte ein junges Kronenkranichweibchen Goldene Feder. „Wie heißt du?“, fragte es. „Ich heiße Goldene Feder und du?“ „Ich habe noch keinen Namen“, sagte es leise. Goldene Feder dachte nicht lange nach: „Ich nenne dich „Wunderschön“, rief er begeistert und das Kronenkranichmädchen lächelte verlegen. „Fliegst du im Herbst zurück nach Afrika?“, fragte es. „Das weiß ich noch nicht, aber wenn ich bis dahin eine Frau gefunden habe – vielleicht“, flüsterte er und flog schnell davon, weil ein Tierwärter auf ihn aufmerksam geworden war.

Als Goldene Feder am Weiher zur Landung ansetzte, zuckte er zusammen. Scharfes Auge erwartete ihn bereits.

„Du bist lange weggeblieben. Ich habe mir Sorgen gemacht“, sagte sie und erkannte sofort die Aufregung, die sich in seinem Blick spiegelte.

„Nicht weit von hier leben Kronenkraniche in einem großen Käfig“, erzählte Goldene Feder stockend. „Du hast sie sicher in einer Voliere im Tierpark gesehen.“ Er nickte. „Es waren viele, darunter ein bildhübsches Kranichmädchen.“ Goldene Feder wurde rot.

„Erstens gibt es für die Vögel keinen Weg freizukommen, zweitens kannst du nur ein Kronenkranichweibchen heiraten, das goldene Federn hat“, erwiderte Scharfes Auge ernst. „Das verstehe ich nicht“, rief der junge Kranich enttäuscht. „Ich brauche keine goldenen Federn und meine Frau auch nicht!“

„Komm, das klären wir ein andermal“, beschwichtigte ihn Scharfes Auge.

Die Tage vergingen und als die Gruppe entschied, bald ein neues Quartier zu suchen, berichtete Scharfes Auge, was der junge Kranich erlebt hatte und wie sehr er sich eine Familie wünschte. „Deine Frau muss auch goldene Federn haben!“, krähte wütend ein alter Kranich. „Unsere Art darf nicht aussterben!“ „Das wird sie so oder so“, entgegnete die Anführerin nach einer Pause. „Warum soll er unseretwegen unglücklich werden?“, fragte ein älteres Kranichweibchen. „Von mir aus kannst du sie hierherbringen, wenn dir das gelingt“, lächelte es. „Wenn ihr mehrheitlich einverstanden seid, helfen wir ihm!“, beendete Scharfes Auge das Gespräch.

Am nächsten Tag zog ein Gewitter auf. Es donnerte, blitzte und der Himmel öffnete seine Schleusen so weit, dass die Landschaft nach kurzer Zeit unter Wasser stand. Gegen Abend beruhigte sich das Wetter und Scharfes Auge machte sich mit Goldener Feder auf den Weg zum Tierpark. Es dämmerte. Die Pforten waren bereits geschlossen, weil die Besucher den Park aufgrund des Wetters frühzeitig verlassen hatten. Nur ein Wärter zog seine Runde, um nach dem Rechten zu sehen. Wie viele andere Tiere, so suchten auch die Vögel allmählich ihre Schlafplätze auf.

Die zwei heimlichen Besucher landeten in einer Baumgruppe und näherten sich vorsichtig den Kronenkranichen in der Voliere. Scharfes Auge betrachte Wunderschön wohlwollend und fragte:

„Kommst du mit, wenn wir es schaffen, die Tür zu öffnen?“

Das Kranichmädchen blickte Goldene Feder in die Augen. „Ja, ich komme mit, aber wie wollt ihr mich befreien?“ Goldene Feder konnte sein Glück kaum fassen. Sein Traum von einer eigenen Familie konnte doch noch in Erfüllung gehen! Er räusperte sich und als Wunderschön dicht vor ihm am Zaun der Voliere stand, flüsterte er ihr seinen Plan ins Ohr.

Der Wärter biss genüsslich in sein Wurstbrot, das er für die Nachtschicht mitgenommen hatte. Plötzlich hörte er lautes Geschrei, wie es ihm noch nie zu Ohren gekommen war. „Verdammt!“, knurrte er, „hat man denn hier nie seine Ruhe!“ Er sprang auf und rannte in die Richtung, aus der die Schreie kamen.

„Die Kronenkraniche!“ Vor seinen Augen kämpften doch tatsächlich männliche Tiere gegeneinander. Sie sprangen sich an und hackten mit den Schnäbeln aufeinander ein. Schnell zog der Wärter den Schlüssel aus der Hosentasche und schloss die Tür zur Voliere auf. Mit lauten Geräuschen und drohenden Armbewegungen versuchte er die Kampfhähne auseinander zu bringen – doch ohne Erfolg. „Ich muss mein Betäubungsgewehr holen!“, dachte er laut und lief zum Gerätehaus.

„Schnell, lasst uns verschwinden!“, rief Wunderschön und schaffte es endlich, mit Hilfe zweier junger Kraniche die unverschlossene Tür zu öffnen.

Goldene Feder und Scharfes Auge warteten schon auf sie.

Der Wärter, ausgerüstet mit einem...

Erscheint lt. Verlag 2.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7597-0051-9 / 3759700519
ISBN-13 978-3-7597-0051-3 / 9783759700513
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