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Maskendiebin

Lügen und Licht

(Autor)

Buch | Softcover
286 Seiten
2024 | 1. Erstauflage
Nova MD (Verlag)
978-3-98942-414-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Maskendiebin - M.S. Krüger
CHF 22,40 inkl. MwSt

M. S. Krüger lebt und studiert in Dresden. Neben dem Schreiben liebt sie Sonnenuntergänge, das Rauschen des Meeres und den Duft von frisch gebackenem Kuchen. Sie könnte sich ein Leben ohne Musik nicht vorstellen und versinkt am liebsten in fantastischen Büchern voller Magie. Fremde Welten in Fantasybüchern haben sie schon als kleines Kind begeistert – in ihren eigenen Geschichten hat sie bereits zwei Welten erschaffen. Und noch viele weitere sollen folgen.

ZEHN JAHRE ZUVOR Prolog Meine Füße brannten, während ich über die gepflasterten Steine von Eldranths Straßen rannte. Meine Schuhsohlen waren dünn und ich wünschte, Großmutter würde noch leben, um sie ein weiteres Mal flicken zu können. Schuhe waren nicht leicht zu stehlen. Wenn ich Pech hatte, würde ich den herannahenden Winter barfuß verbringen müssen. Ein kleiner Stein rammte sich in meine Ferse und ich musste den Drang unterdrücken, nicht laut aufzuschreien. Nur nicht auffallen, Talya. Ich hörte die Stimmen der Gardisten hinter mir. Sie kamen näher, viel schneller als ich gedacht hatte. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, das Tempo noch ein weiteres Mal anzuziehen, doch meine Beine brannten schon jetzt. Sie durften mich nicht finden. Nicht jetzt, wo ich kurz davor war, Henry tatsächlich helfen zu können. Ich umfasste die wertvollen Kräuter in meiner Hand fester, ehe ich nach links abbog. Ich kannte die Stadt gut, vermutlich sogar besser als die Gardisten der Akademie. Die kleine Seitengasse war abgelegen. Kaum eine Menschenseele verirrte sich in diesen Teil der Stadt. Die Händler und Besucher hielten sich meistens nur im Stadtkern auf. Die Straßen inmitten der Stadt waren ausgebaut, wenn auch etwas in die Jahre gekommen. Eldranth war keine besonders wohlhabende Stadt, doch fand man im Stadtkern einige Gebäude mit schönen Fassaden oder ein paar kleine, verzierte Brunnen. Das meiste Geld behielt die Akademie, in der die Gardisten trainierten, für sich. Sie war von hohen, schwarzen Mauern umgeben und niemand wusste so wirklich, was dahinter geschah. Doch ich hielt mich nicht oft in der Nähe des großen, eindrucksvollen Gebäudes auf. Die Wachen wussten neugierige Blicke in das Innere dieser kleinen Festung, wie Henry es nannte, zu verhindern. Aus diesem Grund war ich meistens hier – am Rande der Stadt, wo die Häuser heruntergekommen waren und der Müll sich am Straßenrand stapelte. Gassen wie diese hier waren gemacht für Diebe, Schläger und kleine, arme Menschen wie mich. Zitternd versteckte ich mich hinter einer hohen Steinwand und hielt die Luft an, um jeden erdenklichen Ton zu unterdrücken. Ich hörte die lauten Schreie der Schwarzen Garde und presste mich enger an die Wand. Ihre Stimmen waren rau und scharf, wie es typisch für die Krieger der Akademie war. Ich wusste nicht viel über die Männer Eisenklinges, doch unter den Einwohnern Eldranths waren sie unter einem einzigen Wort bekannt: Todeskrieger. Allein ihre schweren Schritte in der Ferne zu hören, ließ mich jedes Mal zusammenzucken. Sie wurden für das Töten ausgebildet und schreckten vor nichts zurück. Vermutlich hatten sie weder Gefühle, noch fühlten sie irgendeinen Schmerz. Aber ich durfte nicht aufgeben - nicht heute. Henry hatte so viel für mich getan. Das hier war ich ihm schuldig. Ich versuchte meine Atmung zu beruhigen, schließlich waren die Gardisten nicht hinter mir her. Der Kauf von fremden Kräutern war zwar nicht erlaubt, aber der, den sie hier in den Straßen suchten, hatte weitaus Schlimmeres getan. Ein Maskendieb. Ein Mensch, der sein Gesicht verändern konnte, wann immer er wollte. Die Schwarze Garde jagte sie schon seit Jahren, doch die Diebe waren schlau und wussten sich zu verstecken. Sie waren Menschen, die Masken, gefüllt mit flüssigem Silber, trugen. Masken, die sich an jede kleine Falte anpassten und das Gesicht sowie den Körper veränderten. Sie ermöglichten dadurch ein neues Leben. Durch die Masken bekamen diese Menschen die einmalige Chance, das Leben zweier Personen zu führen. Es war beinahe Zauberei. So war es durch die Masken möglich, Haar, Haut und sogar Stimme zu verändern. Wann immer die Diebe entdeckt wurden, war es für sie ein Leichtes, einfach in ihr zweites Ich zu schlüpfen und inmitten aller anderen Personen abzutauchen. Dann mussten sie nur einige Zeit warten, ehe sie mit der Maske wieder ihr ursprüngliches Aussehen annehmen konnten. Diese Menschen waren wandelnde Mysterien. Ich lachte stumm. Henry hatte die Geschichten geliebt, doch einen Maskendieb gesehen hatten wir noch nie. Ich fragte mich, ob diese magischen Masken tatsächlich existierten, oder ob die Männer und Frauen lediglich gewöhnliche Diebe waren, die es schafften, lautlos unterzutauchen. Vermutlich hatte man solche Geschichten erfunden, um Menschen wie Henry zu begeistern. Ich überlegte, ob ich schon jetzt zu ihm laufen sollte, doch unser kleiner Unterschlupf war noch vier Straßen entfernt und die Schreie der Männer noch immer zu laut. Die Schwarze Garde hielt sich geordnet auf den Hauptstraßen auf und wenn ich mich noch wenige Minuten ruhig verhalten würde, könnten sie diese Straße vielleicht einfach übersehen. Die Uhr zeigte schon weit nach neun und es war verboten, zu dieser Zeit noch auf den Straßen umherzuwandern. Wenn sie mich fanden, würden sie mich fragen, was ich hier draußen täte, und ich würde die Kräuter abgeben müssen. Henry wird dann sterben. Mein Kopf pochte unangenehm bei diesem Gedanken. Doch ich ließ mich nicht ablenken. Ich würde es schaffen. Die lauten Trommeln ertönten von der Akademie her und ich zählte stumm die Schläge. Sieben Stück, die Abfolge kam schnell. Das Zeichen, dass sie den Feind noch immer nicht gefunden hatten. Was bedeutete, dass die Männer noch länger in dieser Nacht hier sein würden. Ich fluchte innerlich. Henry brauchte die Kräuter dringend. Nervös verlagerte ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere, unsicher, ob ich doch schon zurückkehren sollte. Die Schwarze Garde war nicht unser Feind, schließlich schützten sie uns vor den Dieben und den gefährlichen Auftragsmördern, die sich von Drachenstein, der Akademie südlich unserer Stadt, abgewandt hatten. Die meisten Einwohner Eldranths waren dankbar für ihre Hilfe, schließlich waren die Straßen hier unten gefährlich. Nicht selten kam es auf dem Marktplatz zu heftigen Schlägereien. Und doch hatte ich jedes Mal größere Angst vor den Männern in den schwarzen Uniformen. Sie waren riesig, mindestens zwei Meter und ihre Augen funkelten dunkel, wenn sie dem Feind gegenüberstanden. Sie waren für das Morden ausgebildet worden. Ich wollte nicht, dass sie mich in eine der dunklen Zellen der Akademie steckten. Schon gar nicht jetzt, wo Henry um sein Leben kämpfte. Ich drehte mich zur Seite, wollte gerade nach den Kriegern Ausschau halten, als es plötzlich neben mir knackte. Ich schrie auf, presste mir aber kaum einen Wimpernschlag später die Hand auf den Mund und lauschte ängstlich, ob man mich gehört hatte. Hektisch warf ich den Blick nach rechts und hätte fast erneut einen Schrei ausgestoßen, als ich eine schmale Gestalt im Dunkeln ausmachte. Verdammt. Sie haben mich gefunden. »Psst, schrei bitte nicht.« Die Stimme war sanft, ganz anders als das Brüllen der Krieger. »Keine Angst, alles ist gut.« Ich sah, wie die Person mit wenigen Schritten näherkam. Erst, als sie kaum noch eine Armlänge entfernt war, erkannte ich das elegante Gesicht einer Frau. Sie wollte nach mir greifen, doch ich war schneller. Ruckartig duckte ich mich und kroch instinktiv einige Meter nach hinten. Die Kräuter fielen zerstreut auf den Boden und vermischten sich mit Schlamm und Regenwasser. Ich hatte all meine Ersparnisse für diese Heilmittel zusammengekratzt und nun lagen sie da. 14 Gulden verschwendet. Henry war so gut wie tot. Ich kniff die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten, und ballte die Hände zu Fäusten. Henry war schließlich alles, was ich noch hatte. Ich zwang mich, den Blick von den Stängeln abzuwenden und schaute stattdessen zu der Frau, die beschwichtigend die Arme nach oben gehoben hatte. »Wir haben nicht viel Zeit, Kleine«, sprach sie leise. Ihre Stimme klang heiser, kaum eine Sekunde später sackte sie zusammen. Ich zuckte zurück und starrte sie an. War das ein Trick? Spielten die Gardisten so mit den Menschen auf der Straße? Die Frau sah nicht wie eine Gardistin aus. Ihr Haar schimmerte golden, ihr Körper war kleingeraten und sie war dünn. Eine zarte Frau, viel leichtfüßiger als die ganzen Gardisten, die die Straßen bewachten. Ich betrachtete sie neugierig, doch sie schien keine Waffen bei sich zu tragen. »Wer seid Ihr?«, hauchte ich, während ich vorsichtig näher kroch. Sie zuckte unruhig und erst jetzt sah ich, dass Blut ihre Uniform weinrot färbte. Ein ersticktes Zischen verließ meinen Mund, während ich vorstolperte und entsetzt die Hände auf ihre pochende Wunde presste. Die dunkelrote Flüssigkeit sickerte zwischen meine Finger, der metallische Geruch fuhr mir in die Nase. Ich musste schlucken. Viel zu schnell breitete sich das Blut in ihrer Kleidung aus. Was tue ich hier? »Du musst mir zuhören«, wisperte sie. Ihre Finger fuhren über meine Unterarme, die Kälte ihrer Hände brannte unangenehm auf meiner Haut. Ich schnappte nach Luft und versuchte weiterhin, die Blutung zu stillen – ohne Erfolg. »Wir Menschen suchen nach etwas Größerem. Wir alle sind kleine Wesen, die in ihren Träumen die Welt retten. Dank der Masken ist das sogar in der Realität möglich.« Sie lächelte leicht und fuhr anschließend mit den Fingern über ihre Wange. Ich riss die Augen auf, während sie die Haut um ihr Kinn langsam abtrennte. Unmöglich. Ich musste träumen. Sicherlich würde mich Henry gleich aufwecken und diesen Irrsinn beenden. Ich kniff mich in den Arm, doch die Frau verschwand nicht. Ich würgte, aber konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht reißen. Häkchen einer silbernen Hülle klammerten sich um ihre Augen, als versuchten sie mit aller Macht an der Frau festzuhalten. Sie verzog keine Sekunde das Gesicht. Das Blut – ihr Blut – pochte unter meinen klammen Fingern, ihre Haut wurde von Sekunde zu Sekunde blasser. »Das ist eine Maske. Du musst sie tragen, nimm sie nie ab.« Ihre Stimme wurde schwächer, während sie mir die leere, silbrige Hülle in die Hände drückte. Zitternd griff ich nach dem kühlen Etwas, ohne die Frau aus den Augen zu lassen. Ihre eigenen Gesichtszüge waren auf einmal ganz anders. Ihre Augen leuchteten nun grün und nicht mehr bläulich und die Haare waren nicht mehr golden, sondern tiefschwarz. Ich versuchte Wunden, Löcher – irgendetwas – in ihrem Gesicht zu erkennen, doch es war einfach nur eine völlig andere Frau, die mich plötzlich anblickte. Ein anderer Mensch. Ich musste träumen, es gab keine andere Erklärung. »Aber wie?«, fragte ich, unfähig den Blick von ihrem veränderten Gesicht zu nehmen. Sie musste dunkle Zauber anwenden, anders konnte ich mir das Ganze nicht erklären. Doch Zauberei existierte nicht, alle Hexen waren längst auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Kaum hatte ich jedoch die Frage ausgesprochen, schoss mir die Antwort auch schon in den Kopf. Sie war eine verdammte Diebin. Eine Maskendiebin. Die Diebin, die die Gardisten suchten. Entsetzt schnappte ich nach Luft, starrte erst zu ihr und dann die tiefschwarze Straße hinunter. Die Gardisten konnten jeden Moment hier sein. Sie würden sie finden. Sie werden mich finden. Ich versuchte meine Atmung zu beruhigen, doch ihr Röcheln ließ mich erneut zusammenzucken. Krampfhaft ballte ich die Hände auf ihrer Brust zusammen, aber es war längst zu spät. Ich konnte der Frau nicht mehr helfen. »Setz sie auf. Bitte«, flüsterte sie erstickt, während ihre kühle Hand mein Kinn umschloss. Ich schüttelte den Kopf, wollte wegrennen, doch irgendetwas an ihr hielt mich gefangen. »Du kannst mehr sein als das hier. Setz sie auf. Deine Zeit wird kommen.« Sie musste husten, das Blut färbte ihre Lippen weinrot. »Wir müssen siegen. Sie dürfen die Welt nicht bekommen.« Ihr Atem rasselte und erschöpft legte sie ihren Kopf auf den Boden. Ich wollte etwas sagen, doch sie schien so zerbrechlich und ich wollte ihr diesen letzten Moment nicht stehlen. Großmutter und Vater waren schon vor meinen Augen gestorben, zwischen grellem Schreien und Wehklagen. Diese Frau verdiente die Ruhe. »Wir … müssen … siegen.« Sie lächelte ein letztes Mal, ihr letzter Atemzug kam schwach. Ich musste schlucken. Eine einzige Träne fiel auf die silberne Maske in meiner Hand. Henry hatte immer von mir wissen wollen, wie ich mir eine der geheimen Masken vorstellte. Er war besessen von den Legenden und Irrgeschichten, die abends auf dem Marktplatz erzählt wurden. Ich hatte jedes Mal mit den Schultern gezuckt – zurecht, denn die Hülle in meiner Hand hätte ich mit keinen Worten der Welt beschreiben können. Sie war kühl, aber nicht kalt. Hart, aber nicht starr, wie ich es vermutet hatte. In ihr steckte uralte Magie, die ich bis in die Fußspitzen spüren konnte. Wieso war ausgerechnet ich es, der die Frau ihre Maske anvertraute? »Aufteilen. Durchsucht jede Gasse.« Der Schrei eines Kriegers schallte plötzlich durch die schmale Straße, gefolgt von einem lauten Pfiff. Hektisch sprang ich auf, strauchelte, ehe ich zur Hauptstraße blickte. Die Gardisten waren unglaublich nah. Das Leuchten der Fackeln erhellte bereits die halbe Gasse, in weniger als einer Minute würden sie hier sein. Sie dürfen sie nicht bekommen. Panisch umklammerte ich die Maske mit meinen Händen, während mein Blick auf den immer größer werdenden Lichtkegel gerichtet war. Sie werden mich finden. Sie werden mich umbringen. Ich hatte die Maske. Eine der Masken, die das Imperium seit Jahren suchte. Panisch schnappte ich nach Luft und blickte hilflos zu dem leblosen Körper der Fremden. Am liebsten hätte ich die silberne Hülle einfach bei ihr gelassen. Es war ihre Maske, sie hatte versagt. »Beeilung!«, drang es aus der Hauptstraße zu mir. Keuchend warf ich den Kopf zurück. Ich wollte die Frau anschreien, doch ich schaffte es nicht, die Worte über meine Lippen zu bringen. Ihr Gesicht war blass, das Blut um ihren Körper schimmerte. Sie starb für diese Maske. Sie konnte mir nicht mehr helfen. »Ich gehe hier rein, such du die östlichen Gassen ab. Sie muss noch in der Stadt sein!«, hörte ich einen Mann rufen. Entsetzt presste ich die Augen zusammen, wünschte, ich könnte mich unsichtbar machen. Ich musste die Maske loswerden. Das zähe Silber schien zwischen meinen Fingern zu brennen. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen Gegenstand in den Händen gehalten, der so voller Magie pulsierte. Voll wilder und ungezähmter Magie, über die ich so gut wie nichts wusste und die sich wie tausende Nadelstiche auf der Haut anfühlte. Doch so sehr es auch schmerzte, für einen Moment übermannte mich die Neugier. Setz sie auf. Die Stimme der Frau hallte in meinem Kopf, doch ich wagte es nicht. Oder doch? Ich blickte ein letztes Mal zu der Frau mit den tiefschwarzen Haaren. Sie durfte nicht umsonst gestorben sein. Ich zögerte. Doch dann setzte ich die Maske auf.

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Maskendiebin ; 1
Verlagsort Deutschland
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Akademie • Erinnerung • Freiheit • Freundschaft • Imperium • Kampf • Liebe • Lüge • Magie • Reise • Unabhängigkeit • Verrat • Wahrheit
ISBN-10 3-98942-414-9 / 3989424149
ISBN-13 978-3-98942-414-2 / 9783989424142
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