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Das Haus Zamis 96 (eBook)

Todesfrist

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6785-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 96 - Logan Dee
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Eine Falle!
Rasch robbte Coco zurück. Der Nebel wurde dichter. Innerhalb von Sekunden sank die Temperatur. Eine unnatürliche Kälte kroch in ihr hoch. Die eisige Trägheit, die ihre Glieder erfasste, war ihr vertraut. Sie wusste, was das bedeutete!
Eine hoch aufgerichtete Gestalt schälte sich aus dem Nebel. Sie trug ein mittelalterlich anmutendes Gewand. Das Gesicht lag tief verborgen im Schatten der Kapuze.
»Was willst du?«, fragte Coco. »Mich töten?«
»Wenn einer unredlich spielt, verlieren alle. Wenn alle verlieren, gewinnt der Verräter. Wenn der Verräter gewinnt, verliert das Spiel.« Die raschelnde Stimme erinnerte an welke, im Herbstwind taumelnde Blätter. Die Sätze klangen, als würde ein Irrer sie reklamieren.
»Wenn das Spiel verliert«, nahm Coco den Faden auf, »was passiert dann mit den Spielern?«
»Sie sterben ...«

1. Kapitel


Mit jeder Strophe seines Liedes gewann seine Stimme an Kraft, wenn auch nicht an Lautstärke. Doch ihr Klang wurde durchdringender, tiefer und grollender.

Schließlich schien er aus dem schwarzen Schleier der Wände selbst zu dringen, als die gepeinigten Seelen Hiroshimas aus der Dunkelheit der Zeit aufstiegen, um gemeinsam ihre Zeit zurückzudrehen.

Die Räucherstäbchen brannten herunter, Volkarts Opfer wand sich trotz der Hypnose wie ein Träumender, und wieder erklang das warnende Ticken.

Zugleich verloren die Wände an Substanz. Der verbrannte Stein wurde schwächer, unwichtiger, als darauf neblige Konturen erkennbar wurden. Putz. Plakate. Regale.

Um die Beschwörungszirkel herum entstand eine neue, alte Welt.

Wände, Türen, Schreibtische, Bilder, Bleistifte und sogar durchscheinende Blumen.

Junge und alte Männer in kurzen einfachen Yukatas hockten hinter den Schreibtischen und machten Abschriften von Dokumenten oder füllten vielblättrige Formulare aus.

Das Kratzen von Schreibfedern über Papier klang wie ein Echo, ebenso der Hall ihrer Schritte.

Sie waren auch nur ein Echo. Ein Abglanz der Vergangenheit.

»Geh und such deinen Bruder«, raunte ihm Tsutomo zu. »Folge deiner Intuition und halte dein Opfer bereit. Er schritt in seinem wiegenden Tanz zwischen den Tischen hindurch. Dort, wo er sie berührte, zerschmolzen sie zu grauem Rauch, um kurz darauf wieder zu erstehen.

Volkart krallte die Hand in den Nacken seines halb betäubten Opfers, die andere umklammerte das Tanto. Der hypnotisierte Geschäftsmann folgte dem Druck im Nacken gutwillig, als Volkart das Gebäude verließ und hinaus auf die Straße trat. Der Park war verschwunden, stattdessen erstreckte sich vor ihm ein Gassengewirr. Ein- oder zweistöckige Holzhäuser mit Papierwänden reihten sich folgsam aneinander.

Winzige, enge Ladengeschäfte und Teestuben warben mit bemalten Schildern und polierten Glücksgöttern um Kundschaft. Ein Straßenhändler verkaufte Reiskuchen direkt von einem dampfenden Garofen, den er um den Bauch geschnallt trug.

Ein Bettler hockte ebenso betrunken wie demütig neben einem Friseurgeschäft, und Straßenhunde dösten in einer winzigen Nebengasse.

Ein Ball rollte an Volkart vorbei. Drei kleine Kinder stürmten johlend hinterher. Ein anderer Straßenhändler, der einen Karren mit bemalten Festtagsmasken und Lampions neben sich herzog, schimpfte lautstark hinterdrein.

Männer und Frauen in gemusterten Kimonos klapperten auf ihren eckigen Holzschuhen über den festgetretenen Lehmboden.

Ein paar halbstarke Matrosen standen unschlüssig vor einer Sakestube, die noch nicht geöffnet hatte. Hühner gackerten von einem schmalen Holzbalkon herab.

Aus dem Fenster eines Hauses drang Rauch, und die Erinnerung an Reisaroma zog an Volkarts Nase vorüber.

Nur Demian war nicht zu sehen.

Je weiter er den Gassen folgte, umso mehr Plakate entdeckte er an den Hauswänden. Parolen gegen Korea und für den Tenno. Werbeplakate zeigten kriegerisch dreinblickende Piloten. Im Hintergrund flog eine Zero der Sonne entgegen. Von einer anderen Wand blickten vornehme Marineoffiziere grimmig herab, während hinter ihnen ein mächtiges Schlachtschiff in See stach.

Kurzzeitig verdeckte eine Gruppe ausgemergelter Männer das Plakat. Sie alle trugen ausgetretene Hosen und billige graue Hemden. Barfuß schleppten sie schwere Reissäcke. Ein Mann in Armeeuniform folgte ihnen. Katana und Pistole am Gürtel, überwachte er die Ordnung in der Reihe.

Die Menschen in den Straßen waren ausnahmslos schlank, die schlechter gekleideten wirkten sogar ein wenig eingefallen und hohlwangig.

Keiner von ihnen bemerkte den Besucher aus einer anderen Zeit. Sie alle waren mit sich und ihren jeweiligen Tätigkeiten beschäftigt.

Der Widerhall der fremden Seelen rüttelte an Volkarts Geist. Ganz leise tickte die Uhr. Und er wusste instinktiv, dass ihm die Zeit davonlief. Tsutomo musste einen mächtigen Zauber gesprochen haben, um eine ganze Geisterstadt aus den Strudeln der Vergangenheit emporzuheben, er konnte diese Magie unmöglich lange aufrechterhalten.

Doch Volkart war sich ebenso bewusst, dass er seine eigenen Kräfte auch nicht verschwenden durfte. Um seiner Intuition auf die Sprünge zu helfen, blieb nur, das zu üben, was der Abt ihm geraten hatte.

Er hatte einen großen Platz erreicht. Dort ließ er sich am Rand eines Brunnens nieder und zwang seine Geisel, sich gleichfalls hinzuhocken.

Dann schloss er die Lider und versenkte sich in sich selbst. Öffnete seinen Geist. Doch anstatt ihn schweifen zu lassen, lenkte er seine gesamte Konzentration auf den Zwillingsbruder, den er so oft in seinen Träumen wiedersah. Er ließ jede Einzelheit von Demians Gesicht vor seinem inneren Auge wiedererstehen.

Gib mir ein Zeichen, flehte er. Durchbrich die Schleier und zeig dich. Ich bin hier. Ich warte.

Unvermittelt drang ein leises Pfeifen an sein Ohr. Volkart verharrte in der Meditation, doch der Laut wurde dröhnender, ein Zischen und Brausen. Aus dem Himmel.

Unwillkürlich sah er hoch und blickte in einen grellen, lautlosen Blitz. Sofort ließ er sich in den schnelleren Zeitablauf fallen. Die unwirkliche Welt hielt an. Der Moment war gekommen. Doch wo war Demians Zeichen?

Hektisch sah sich Volkart um, aber sein Bruder war nicht unter den erstarrten Menschen auf dem Platz, die mit verblüfften Gesichtern zu einem gleißenden Riss in der Wolkendecke starrten.

Mit einer blitzschnellen Bewegung beugte sich Volkart zu dem Angestellten herab und schnitt ihm die Kehle durch. Blut für dich, Bruder, folge der Spur.

In diesem Augenblick spürte Volkart, wie die Zeit um ihn herum ebenfalls schneller lief, wenn auch nur minimal. Aber sie schritt voran, und schon konnte er eine Welle der Hitze spüren.

Einer Frau, nur wenige Meter von ihm entfernt, verkohlte ganz langsam die Nasenspitze. Ein schrumpfendes Schwarz fraß sich wie in Zeitlupe über ihr Gesicht und das Haar, und ihre eigene schmelzende Haut sank wie ein Schleier aus Teer über ihren Körper nieder. Auch die anderen wurden von der unsichtbaren Macht erfasst. Menschliche Leiber schmolzen wie Plastik.

Er taumelte rückwärts, fort von der todbringenden Woge aus Hitze. Doch dann wurde sein Blick wie magisch von dem Riss im Himmel angezogen.

Mitten im hellsten Gleißen erkannte er eine dunkle Gestalt. Der Umriss eines Menschen. Eine Hand, die sich ihm entgegenstreckte.

Volkart reckte die Hand ebenfalls aus. Dem Blitz und Demian entgegen. Es musste Demian sein, dort oben. Aus dem Himmel kam der Tod, dort öffnete sich das Tor.

Doch das Licht, das seinen Bruder umhüllte, war so grell, dass Volkarts Augen schmerzten. Er fühlte ein Kribbeln auf der Haut und ahnte, selbst ohne hinzusehen, dass die Hitze nun auch ihn erfasste. Nur eine Flucht konnte ihn retten. Und doch wollte er seine Hoffnung nicht schon wieder fahren lassen. Demian war so nah. Er war fast da.

Plötzlich tickte wieder die Uhr, das Prickeln auf Volkarts Haut erlosch. Er spürte, dass jemand hinter ihm stand. Ein mächtiger Dämon war angekommen.

Volkart fuhr herum und blickte in Kirins kindlich lächelndes Greisengesicht. Und das Ticken stammte nicht von einer Uhr, sondern von Kirins Zungenspitze, die von innen gegen die Zähne tippte.

»Ich sagte doch, dass du dem Tod begegnen wirst. Und dass er anders sein wird, als du gedacht hast«, säuselte der Abt sanft und kühl zugleich.

»Ich will nur meinen Bruder.«

»Dein Bruder ist tot. Da gibt es nicht viel zu wollen.«

»Er ist dort oben, ich weiß es.«

»Und doch ist seine Zeit abgelaufen. So wie deine ebenfalls abläuft. Tick tack.« Kirin zog die Mundwinkel zu einem verzückten Lächeln in die Breite. »Wie lange kannst du denn deinen Zeitzauber wohl aufrechterhalten? Du schwächelst ja jetzt schon. Und wie lange, glaubst du, kann dein kleiner Freund seinen Zauber wirken, ohne zusammenzubrechen? Ihr habt ja keine Ahnung, mit welchen Kräften ihr hier herumspielt.«

»Dann nennen wir es eben Forschung«, knurrte Volkart. Die aufgesetzte, überlegene Freundlichkeit des Abtes stand zwischen ihm und der Erfüllung seiner Wünsche. Er packte das Tanto fester und war bereit zu kämpfen, wenn es sein musste.

»Das war es für die anderen auch. Für die Sieger«, wisperte der Abt. »Sie wollten wissen, wie groß ihre Macht wirklich ist.«

»Ich will keine Macht, ich will Demian.«

»Du willst dich nicht trennen. Willst an dem festhalten, was war. Du öffnest sogar das Tor zum Totenreich, um ans Ziel deiner Wünsche zu gelangen. Nun denn, Orpheus. Ikarus. Wohlan, hol deine Eurydike aus der Unterwelt. Hol sie dir! Und sieh, wie weit du kommst«, höhnte der Abt.

Volkart wandte sich wieder dem Riss zu. Plötzlich flatterten hinter ihm wieder die schwarzen Rabenschwingen, die der Abt ihm bereits einmal geschenkt hatte.

Kurz entschlossen erhob sich Volkart in die Lüfte, den Wolken und dem Gleißen entgegen. Der Himmel spie ihm sengende Hitze entgegen, doch er verspürte keine Angst mehr. Er war in all den Jahren seiner Suche noch nie so nah daran gewesen, seinen...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2024
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-6785-1 / 3751767851
ISBN-13 978-3-7517-6785-9 / 9783751767859
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