Die Magie der Dunkelheit (eBook)
524 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-8867-2 (ISBN)
Manuel Rotter wurde 1992 in Niederösterreich geboren. Bereits im Alter von zwölf Jahren verfasste er seine ersten Kurzgeschichten, ehe er 2010 seinen ersten Roman veröffentlichte. Nach bestandener Matura 2012 begann er zunächst mit dem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften, welches er bereits nach kurzer Zeit aufgab, um sich der Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien zu widmen. Dort ist er mittlerweile als Lehrender tätig und strebt die Promotion an. Er lebt in Weikendorf, Niederösterreich, in demselben Haus, in dem er aufwuchs. Von Dingen, die bleiben und Interludium sind seine bekanntesten Werke.
EINS:
PROLOG
Die Sonne brannte vom Himmel herab und ließ die Luft über den Feldern glimmern. Ben stand am oberen Rand einer Kuppe und tauchte den Kopf in ein mit Wasser gefülltes Fass. Sein Atem ging schwer und der Schweiß tropfte von seinen Händen. Die harte Arbeit auf den Feldern war ermüdend, aber für nichts auf der Welt würde Ben sich an einen anderen Ort wünschen. Er war ein geborener Bauer. Großgewachsen und muskulös ragte er über den Feldern seiner Vorfahren auf. Seit über zweihundert Jahren bewirtschaftete seine Familie nun schon dieses Stück Land, nicht unweit von der östlichen Hauptstadt entfernt.
Frühmorgens brachen sie auf, oft noch vor den ersten Sonnenstrahlen, um sich um die Saat zu kümmern. Die Ernte stand kurz bevor – in zwei Monaten würde Ben jeden Muskel seines Körpers spüren. Verliefe die Ernte gut, würden sie genug Geld einnehmen, um über die nächsten beiden Winter zu kommen. Im besten Fall wären sie sogar in der Lage, neues Zeug anzuschaffen und das kaputte Material zu erneuern. Dieses Jahr, das wusste Ben, musste es eine besonders ergiebige Ernte werden. Die Felder standen in voller Blüte und die Früchte sprossen hoch.
Wenn sie abends von den Feldern heimkehrten, sorgte seine Mutter für das Essen, während Ben und sein Vater sich um das Zeug kümmerten, es reinigten und für die Nacht in den Schuppen brachten. Nach dem Essen saßen sie oft zusammen und unterhielten sich über die neuesten Techniken, die Felder schneller zu bewirtschaften. Ben kannte nur das Leben als Bauer.
Sein Vater winkte ihm von der anderen Seite des Feldes aus zu. Daraufhin schlug Ben sich das stirnlange Haar nach hinten, packte die Pike und sprang den Hügel hinunter. Zwischen den Feldern hatten sie enge Pfade angelegt, um sich schneller zwischen ihnen bewegen zu können. Ben eilte auf die andere Seite des Ackers und ging seinem Vater sofort zur Hand. Gemeinsam hievten sie einen Haufen Erde auf einen Wagen, mit der sie auf der anderen Seite des Geländes den neu errichteten Zaun befestigen wollten. Die Felder grenzten an ein kleines Waldstück und in den letzten Tagen hatten Wildschweine den alten Zaun durchbrochen und einen nicht gerade geringen Teil des Weizenfeldes umgegraben. Der neue Zaun sollte einem weiteren Einfall der Wildschweine vorbeugen.
»Heißer Tag heute«, meinte sein Vater, als sie sich für eine kurze Rast gegen den Wagen lehnten. Ben wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und rieb sich die schmutzigen Hände an seinem Hemd sauber. Von unten bis oben war er mit Erde und Dreck übersät.
»Ungewöhnlich für diese Jahreszeit!«, sagte Ben.
»Hast du etwas Neues aus der Stadt gehört?«, wollte sein Vater wissen. »Du warst doch gestern bei Henrik, um Fleisch zu kaufen.«
»Nein, nichts Neues!«
Ben zuckte mit den Achseln. Vor etwa zwei Tagen wurden Gerüchte laut – angeblich war die westliche Hauptstadt angegriffen worden. Eine Hexe soll die Stadt mit einem sehr mächtigen Zauber belegt haben, der die Burg des Königs in einen Winterschlaf gelegt habe. Ein Mann in der Schänke hatte erklärt, der Großteil der Ernte im Westen sei zerstört, und deshalb habe der König Befehl gegeben, Vorräte aus der östlichen Hauptstadt in den Westen bringen zu lassen. Auch die Hälfte der ortsansässigen Soldaten seien abberufen worden, um die Garnison in der westlichen Hauptstadt zu verstärken.
»Vielleicht waren es ja wirklich nur Gerüchte«, meinte sein Vater und ging wieder an die Arbeit.
»Das glaube ich nicht«, widersprach Ben, der seinem Vater zum nächsten Feld folgte, wo sie daran gingen, die Kohlköpfe zu bewässern. »Ich habe gesehen, wie die Soldaten sich auf den Weg gemacht haben. Auch zwei Schiffe sind in Richtung Westen aufgebrochen. Denkst du, es wird einen weiteren Krieg geben?«
»Der König versprach, keine Kriege mehr zu führen«, brummte sein Vater. Er war das Thema sichtlich leid.
»Ich würde mich freiwillig melden«, rief Ben aus, wissend, sein Vater hielt nichts von solchen Dingen.
»Und wer bestellt dann die Felder?«, fragte er gereizt.
»Es gibt genug Bauern, Vater«, sagte Ben. »Einer mehr oder weniger tut nichts zur Sache.«
Abrupt hielt sein Vater inne und stemmte sich gegen die Pike. »So, denkst du? Stell dir einmal vor, jeder junge Bauernsohn würde das denken. Sie alle würden in den Krieg ziehen und sterben. Wenn ihre Eltern im Alter sterben, wer soll dann die Felder bestellen?
Ben, ich weiß, du möchtest nichts mehr, als die Welt zu sehen. Aber wir sind eben nur Bauern, keine Seefahrer oder Abenteurer. Ich wollte dir immer nur ein gutes Leben schenken, aber du weißt das nicht zu schätzen.«
»Doch, Vater, das weiß ich. Ich liebe die Feldarbeit und unser Leben am Hof«, Ben sah gequält drein, »dennoch würde ich gerne mehr sehen als nur unsere Grundstücksgrenze. Ich möchte das Feen-reich besuchen und das Amazonenvolk. Ich möchte zu gerne einmal in die westliche Hauptstadt, um mit dem König zu sprechen.«
»Und du denkst, er würde dich empfangen?«, sagte sein Vater streng und goss weiter Wasser über die Kohlköpfe.
»Es heißt, er empfängt jeden, der ihn sehen möchte.«
»So heißt es, ja?«
»Denkst du, die Menschen lügen?«
»Die Menschen glauben, was sie glauben wollen, Ben«, sein Vater hielt erneut inne. »Du bist zu jung, als dass du dich noch daran erinnern könntest, aber ich habe die ersten Jahre des Großen Krieges miterlebt, mein Junge. Die Schwarze Hexe versprach uns Wohlstand und ein gutes Leben. Doch sie brachte Alba mit ihrem Krieg gegen die Weiße Königin nur Armut, Leid und Tod.
Als König Edward dann den Thron bestieg, dachten wir, es würde alles besser werden. Er war jung und hatte gute Berater an seiner Seite. Ich will nicht sagen, es wären keine guten fünf Jahre gewesen, aber wenn es stimmt, was alle sagen, kommt ein neuer Krieg. Und Krieg bedeutet stets Zerstörung und unermessliches Leid für jene, die zwischen den Fronten stehen. Ich wünsche mir, dass du nie einen Krieg von Nahem erleben musst, Ben.«
»Es ist nicht der Krieg, der mich lockt, Vater, sondern…«, Ben brach abrupt ab, denn hinter seinem Vater, am anderen Ende des Ackers, war eine schwarze Wolke aufgetaucht.
»Was hast du?«
»Was ist das?«, Ben ging an seinem Vater vorbei und ließ erschrocken die Pike fallen. Es war keine Wolke, wie er zunächst dachte, sondern eine Art schwarze Nebelwand, die sich auf sie zubewegte.
»Beim Schöpfer, was ist das?«, stieß sein Vater erschrocken aus.
Mit rasender Geschwindigkeit kam die Wolke auf sie zu. Schon erreichte sie den Grenzzaun, der in ihr verschwand, und bedeckte binnen weniger Sekunden den gesamten Acker.
»Lauf!«, brüllte sein Vater und setzte Ben mit einem kräftigen Ruck in Bewegung.
Ben lief so schnell er konnte – aber die Wolke war schneller. Sie wurden von dem schwarzen Etwas eingeholt, das sie daraufhin verschlang. Er konnte die Hand vor Augen kaum noch erkennen. Es war kein Nebel, doch war dieses Etwas so dicht, dass er nicht sah, wohin er trat. Ben stolperte über einen Kohlkopf und schlug mit dem Kopf gegen einen Stein, der aus dem trockenen Boden ragte. Sein Kopf explodierte schmerzhaft. Dann wurde ihm trüb vor Augen. Irgendwo in der schwarzen Wand konnte er seinen Vater rufen hören.
»Ben, wo bist du?«, rief er. Aber Ben konnte ihn nirgends sehen. »Lauf, Ben. Du musst hier weg. Hol deine Mutter, Ben. Bring sie in Sicherheit.«
Er fuhr erschrocken auf. Da war etwas. Für einen kurzen Augenblick war eine Gestalt im schwarzen Nebel aufgetaucht und sogleich wieder verschwunden.
Ben lief los. Er musste seinen Vater finden. Aber wo sollte er nur nach ihm suchen? Er war doch gerade noch neben ihm gewesen.
»Ben!«, hörte er erneut seines Vaters Stimme. Er folgte seinem Namen durch den Nebel. Immer wieder stolperte er und stürzte zu Boden. Aber schon in der nächsten Sekunde war Ben wieder auf den Beinen, rannte weiter, bis er nicht mehr konnte. Es schien beinahe so, als wäre die Welt um ihn herum verschwunden und er befände sich in einem endlosen, dunklen Raum, aus dem es kein Entkommen gab.
»Beeeeeen!«, sein Vater schrie so laut und voller Schmerz, dass Ben sich die Ohren zuhalten musste.
Da wurde er zur Seite gestoßen. Etwas Hartes hatte ihn an der Schulter getroffen und er war erneut zu Boden gestürzt. Auf die Ellbogen gestützt blickte er sich um. Über ihm ragte eine in schwarze Gewänder gehüllte Gestalt auf einem Pferd auf. Das Tier trug kaum noch Fleisch auf den Rippen und das Gesicht des Reiters war hinter einer scheußlich anzusehenden Maske verborgen. Sie zeigte ein altes, ausgehungertes Gesicht. Die Wangenknochen ragten hervor und die Augen lagen in tiefen Höhlen verborgen.
»Wer...
Erscheint lt. Verlag | 5.6.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
ISBN-10 | 3-7597-8867-X / 375978867X |
ISBN-13 | 978-3-7597-8867-2 / 9783759788672 |
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