Perry Rhodan Neo 332: Weidenburns Weg (eBook)
160 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-5532-0 (ISBN)
3.
Eric Weidenburn
Terra, Vergangenheit
Eric Weidenburn faltete die Serviette zu einem Dreieck und blickte zum gefühlt zwanzigsten Mal zum Eingang des Terrassenteils der griechischen Taverne. Er kam sich vor wie in einer Filmkulisse: ein Muster im Steinboden, auf alt getrimmte Amphoren und große Vasen an den Wänden und im Raum verteilte Säulen, die die Decke stützten. Die Betreiber der Taverne gaben sich viel Mühe, den Charme vergangener Jahrhunderte zu simulieren. Sie verzichteten sogar auf robotische Kellner und beschäftigten menschliches Personal.
Konstantinos war ein Wissenschaftlerkollege, auf den Weidenburn wartete, der aber nicht kam. Stattdessen betraten ein Mann, eine Frau und ein Baby in einer Kinderschwebe das kleine Speiselokal auf Santorin. Sie sahen aus wie Touristen und unterhielten sich in einer Sprache, die Weidenburn für Chinesisch hielt. Während sie zu einem Tisch gingen, der noch frei war, blickte er zur Tür auf die Hügel der Umgebung hinaus.
Normalerweise wäre er nie auf diese Insel gekommen, hätte Konstantinos ihn nicht mit neuen Erkenntnissen geködert. Er forschte an den Geminga-Drusen und beschäftigte sich intensiv mit ultrahochfrequenten Hyperenergien. Weidenburn erkannte in diesen Forschungen Ansätze für eine zukunftsträchtige Technik.
»Die Luft des Mittelmeers hilft mir beim Denken«, hörte er Konstantinos in Gedanken. »Und im Diskurs mit dir brauche ich sehr viel gute Luft.«
Die Informationshäppchen, die ihm Konstantinos vorab übermittelt hatte, waren vielversprechend. Einerseits deckten sie sich mit Weidenburns eigenen Überlegungen, andererseits hatte sich Konstantinos an diversen Stellen mathematisch in eine andere, durchaus interessante Richtung bewegt.
Ein weiterer Gast betrat die Taverne, diesmal ein alter Mann, den zu viel Sonne gebräunt hatte, vielleicht ein Einheimischer. Der dickbäuchige Kellner und er begrüßten einander mit einer Umarmung und redeten in der lokalen Sprache, die für Weidenburn wie Bellen klang.
Erneut sah er auf das Kommunikationsarmband. Konstantinos, wo bleibst du? Weidenburn hasste Unpünktlichkeit, sie war für ihn ein Zeichen mangelnden Respekts.
Ein letztes Mal roch er am Ouzo, den ihm der Kellner als kostenlosen Aperitif gebracht hatte. Er stank süßlich aromatisch nach Anis samt beigefügten Kräutern und Gewürzen.
Angewidert schob er das Glas an die andere Tischseite. Die Speisekarte lag ebenso dort, denn er wusste bereits, was er essen würde. Sofern Konstantinos überhaupt auftauchte.
Weidenburn gab ihm noch vier Minuten, danach würde er zahlen und mit seinem Gleiter zur STAC zurückfliegen. Das Experimentalschiff parkte auf dem Hauptraumhafen von Terrania und würde ihn wieder zum Asteroidengürtel bringen. Von der STAC aus steuerte er alles: seine Forschungen, sein Firmenkonglomerat und seine Freizeitaktivitäten, die vornehmlich daraus bestanden, im Mesh einige wissenschaftliche Foren zu dem Themen Hyperphysik und Experimentalphysik zu betreuen.
Noch zwei Minuten.
Er tunkte das letzte Weißbrot in den Hummus und biss ab. Seit er ins Solsystem gekommen war, hatte er eine kulinarische Reise angetreten. Allein an diesem Tag hatte er mit dem gewürzten Kichererbsenpüree eine weitere Köstlichkeit der Erde entdeckt und für gut befunden. Dass dazwischen negative Gaumenerlebnisse wie der Ouzo vorkamen, war nicht weiter tragisch.
»Na, wurdest du versetzt?«
Weidenburn blickte hoch und blinzelte. Eine Frau, deren blonde Haare in der untergehenden Sonne golden glänzten, setzte sich unaufgefordert zu ihm auf den Stuhl, der eigentlich für Konstantinos vorgesehen war. Sie griff über den Tisch, nahm den Rest vom Weißbrot, dippte es in den Hummus und aß es auf.
»Hey, du ...«, protestierte Weidenburn, doch dann sah er in ihre Augen. Es war, als bekäme er einen mentalen Schlag.
Die Menschen an den anderen Tischen verschwammen für ihn. Der warme Wind war plötzlich erstorben, und das Geräusch des Tellers, den der Kellner gerade ungeschickt fallen ließ, erreichte zwar sein Ohr, aber nicht sein Bewusstsein.
Sein Herz schlug schneller, während sich alles in ihm auf die unbekannte Frau fokussierte. Sie lächelte ihn an; ihre Augen schienen wie Diamanten zu funkeln.
Wie in Trance verfolgte Weidenburn, wie sie das Ouzoglas nahm, das er beiseitegestellt hatte, und es in einem Zug austrank. Das klackende Geräusch, mit dem sie das Glas danach auf dem Holztisch abstellte, holte ihn in die Realität zurück.
Was passierte mit ihm?
»Du gehörst wohl eher zu den Schweigsamen«, stellte sie fest.
Er schüttelte den Kopf, fand nur langsam seine Fassung wieder. »Entschuldige, was hast du gesagt?«
»Gerade eben oder davor?«
»Davor!«
»Ob sie dich versetzt hat?«
»Wer?«
Der Kellner, der vermutlich dachte, dass sie seine Verabredung sei, kam zum Tisch. Auf Englisch, das mit einem starken Akzent unterlegt war, fragte er sie, was sie trinken wollte.
»Mythos«, antwortete sie, und der Kellner verzog sich wieder.
»Ich warte auf einen Kollegen.«
»Arbeitsessen?«
»Sozusagen.«
»Worum geht es?«
»Hyperphysik.«
Kurz kniff sie die Augen zusammen. »Du bist nicht von der Erde, oder?«
»Ich komme aus Andromeda.«
»Ein langer Weg bis zum Mittelmeer auf Terra. Was hat dich zu uns verschlagen? Die Liebe?«
Der Kellner brachte ihr Bier und wollte wissen, was sie zu speisen wünschten. Weidenburn winkte ihn fort.
Die Frau prostete ihm zu und nahm einen Schluck.
Er rang mit den Worten. »Liebe? Nein.«
»So, wie du Liebe aussprichst, klingt das ja nach Weiche, Satan!«
»Was? Wer? Du verwirrst mich.«
Sie lachte. »Freut mich.«
Er fühlte sich überfordert. »Wer bist du, und ...« Er brauchte einen weiteren Anlauf, um die Frage zu stellen. »Wieso hast du dich zu mir gesetzt?«
»Ich bin Mory, Mory Finhan. Und so oft, wie du zur Tür gesehen hast, habe ich angenommen, dass eine Frau dich versetzt hat.«
Sein Multifunktionsarmband vibrierte. Rasch überflog er die frisch eingetroffene Textnachricht. Konstantinos musste ihm aus »dringenden privaten Gründen« absagen. Im ersten Reflex wollte er den Kellner rufen, um sein Getränk und das Gedeck zu zahlen. Doch Morys Anwesenheit hielt ihn am Tisch.
Der Kellner kam und fragte erneut nach ihren Essenswünschen.
»Schenk uns noch zwei Minuten«, sagte sie, und der Kellner ging zum Nebentisch.
Mory trank einen weiteren Schluck Bier. »So, wie ich dich einschätze, willst du hinter die Kulissen des Universums blicken. Du willst die Schönheit erklären, denn sie nur anzusehen, ist für dich verschwendete Zeit. Du bist bestimmt der Ansicht, der Kosmos sei vielmehr dazu da, dass wir seine Geheimnisse ergründen und daraus lernen.«
Er nickte. Perfekter hätte er es selbst nicht formulieren können.
»Dann lass uns den Abend nutzen, und ich erkläre dir eins der wahren Mysterien des Universums. Frauen.«
»Was ist an ihnen mysteriös?«
»Du hast ja keine Ahnung!« Sie lachte erneut, und es klang weder kritisch noch abschätzig.
Er hatte wirklich kaum Ahnung von anderen Menschen, ob nun Thetisern oder Terranern. Ihn hatte das Zwischenmenschliche nie interessiert. Er sah keinen Sinn darin, sich von seinen Hormonen steuern zu lassen.
Der Kellner kam ein weiteres Mal und wollte – nun etwas nachdrücklicher – wissen, welche Speisen sie gewählt hätten. Mory sah nicht auf, sondern blickte nur Weidenburn herausfordernd an.
Eigentlich wollte er gehen und sich um seine Forschungen kümmern. Für das Treffen mit Konstantinos hatte er einen mathematischen Vergleich zwischen statistischen und teilabhängigen Hyperladungen unterbrochen. Doch etwas zwang ihn, zu bestellen. Vielleicht waren es ihre Augen, vielleicht einfach das Gefühl, weiter in ihrer Nähe sein zu wollen.
Der Kellner wandte sich ihr zu und verschwand danach mit ihren beiden Bestellungen.
»Frauen«, sagte Weidenburn, um das Gespräch einmal selbst zu bestimmen. »Was ist an ihnen so mysteriös?«, wiederholte er seine Frage.
Sein Kommunikationsarmband vibrierte erneut und meldete ihm einen Anruf, doch er ignorierte das Gerät. Nichts konnte wichtiger sein, als Mory zuzuhören.
»Willst du nicht rangehen?« Sie deutete auf sein Handgelenk.
Unwillig aktivierte er das Multifunktionsarmband, woraufhin ein Komholo darüber aufleuchtete. »Gucky!«
»Eric! Perry und ich brauchen dich dringend in Terrania. Wo bist du?«
»Auf Santorin in einer ...«
Plötzlich stand der Mausbiber neben ihrem Tisch. Als er Mory sah, zeigte er seinen Nagezahn. »Guten Tag«, sagte er freundlich.
»Na, so was!« Mory bekam große Augen. »Der berühmteste Nagezahn der Galaxis.«
Auch die Menschen an den Nebentischen steckten die Köpfe zusammen, tuschelten und warfen neugierige Blicke auf den so unvermittelt aus dem Nichts aufgetauchten Neuankömmling.
»Gucky!«, kreischte ein kleines Mädchen. Es wollte zu dem Ilt laufen, doch die Mutter hielt das Kind zurück und redete auf es ein.
Der Mausbiber drehte sich zu den Leuten, winkte kurz in die Runde und wandte sich dann Mory zu. »Ich bin untröstlich, aber ich muss dir diese Wissenschaftsgranate entführen.«
»Abgelehnt.«
»Das war keine Frage.« Gucky hielt die linke Hand mit seinem Multifunktionsarmband hoch. »Schick mir deine Komkontaktdaten, dann kümmere ich mich persönlich um ein neues Date.«
»Das ist kein Date«, stellte Weidenburn richtig.
»Natürlich ist es das nicht.« Der Ilt...
Erscheint lt. Verlag | 6.6.2024 |
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Reihe/Serie | Perry Rhodan Neo |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-5532-8 / 3845355328 |
ISBN-13 | 978-3-8453-5532-0 / 9783845355320 |
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