More better Deals - Tödliche Geschäfte (eBook)
336 Seiten
Festa Verlag
978-3-98676-137-0 (ISBN)
Joe R. Lansdale, geboren 1951, zählt zu den großen US-amerikanischen Erzählern. Er hat etwa 50 Romane in diversen Genres geschrieben, die zahlreiche Auszeichnungen erhielten, u. a. den American Mystery Award, den Preis der Horror Writers of America und den Edgar Award. Berühmt geworden ist er mit den Hap & Leonard-Krimis, die auch als TV-Serie verfilmt wurden. Joe R. Lansdale lebt mit seiner Familie in Nacogdoches, Texas.
2
Am Spätnachmittag nach der Arbeit trank ich in meiner Wohnung eine Tasse Kaffee und hörte Radio, dann suchte ich die Unterlagen zusammen, die ich vermutlich brauchen würde, und beschloss, rauszufahren und den Caddy zurückzuholen.
Als Erstes rief ich meine Schwester an und erklärte ihr, ich würde sie abholen und sie könne mein Auto für mich zurückfahren.
»Weil ich mich von dir rumkommandieren lasse?«, fragte Melinda.
»Nein. Weil ich dir zehn Dollar zahle.«
»Klingt schon besser.«
Als ich die Wohnwagensiedlung erreichte, in der Melinda lebte, saß sie auf den Stufen und las ein Magazin. Ich hatte Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass sie jetzt 19 war. Sie war eine clevere und hübsche Frau geworden, und die Vorstellung, dass sie in der Fabrik für Aluminiumstühle arbeiten würde, ärgerte mich, obwohl ich selbst nicht gerade ein Vorbild war. Sie sah mich vorfahren, ließ das Magazin auf den Stufen liegen und stieg bei mir ein, wobei ihr langes schwarzes Haar ihre Schultern umschmeichelte.
»Hallo, Bruderherz.«
»Was zum Teufel trägst du da?«
»Viele Leute nennen diese Dinger Shorts.«
»Na, kurz sind sie jedenfalls.«
»Du magst Frauen, die viel Bein zeigen.«
»Ja, aber die sind nicht meine kleine Schwester.«
»Willst du reinkommen und Mama besuchen, bevor wir losfahren?«
»Nicht gerade jetzt«, sagte ich.
Die Adresse in dem Vertrag zeigte, dass die Craigs außerhalb der Stadt wohnten. Ihnen gehörte ein großes Grundstück mit einem Autokino, THE HIGH-TONE DRIVE-IN, und daneben lag ein über einen Hektar großes eingezäuntes Gelände mit einem Metallschild über dem Eingang, auf dem TIERFRIEDHOF stand. Umgeben war das Ganze von einem klasse Plankenzaun. Eine seltsame Wahl für jede Art Friedhof, aber so war es nun einmal. Dort draußen gab es viel Gras und zwei Gebäude, beide ziemlich groß, und eines war größer als das andere und schien eine Garage zu sein.
An einem Rand des Friedhofs stand eine Baumreihe, hinter der sich eine kleine Straße davonschlängelte. Das Haus stand fast an der Straße und hatte eine mit Kies bestreute Einfahrt. Es war ein kleines weißes Holzhaus, das ein neues Dach und jemanden brauchte, der den Rasen mähte. Es war von einem weißen Lattenzaun umgeben und hatte eine weiße Holztür und einen Fußweg aus Natursteinplatten.
Der Caddy war nirgends zu sehen, stand hoffentlich in der Garage.
Ich parkte vor der Gartentür.
Melinda sagte: »Kein schlechtes Haus, und du sagst, dass ihnen der Friedhof und das Autokino gehören?«
»Ja.«
»Mit zwei Geschäften müssten sie doch ein Auto abstottern können.«
»Um mit dem Friedhof Geld zu verdienen, braucht man Haustiere, die begraben werden sollen, aber vielleicht floriert das Autokino. In das fahren viele Teenager.«
»Ja, Jody und ich fahren manchmal hin, damit wir rumalbern können.«
»Erzähl mir nichts weiter davon, Sis. Lass den Schlüssel für den Fall stecken, dass du schnell abhauen musst. Manchmal werden die Leute gewalttätig. Rutsch nach links, wenn ich ausgestiegen bin.«
Ich beugte mich an Melinda vorbei, holte den Totschläger aus dem Handschuhfach und steckte ihn in die Innentasche meines Sakkos.
»Verdammt, Ed, willst du eine Zahlung aus ihnen rausprügeln?«
»Ich sorge nur vor, damit das Gespräch auf ebenem Kiel bleibt.«
Ich stieg aus, öffnete die Gartentür und ging auf dem Plattenweg zur Haustür.
Ich klopfte an und bemühte mich, nicht bedrohlich zu erscheinen. Eine Frau kam an die Tür und stieß die Fliegengittertür so weit auf, dass ich zurücktreten musste. Als sie ganz offen war, trat ich wieder einen halben Schritt vor und ließ sie von meinem Körper in dieser Position halten. Die Frau blockierte den Eingang, indem sie sich an den Türrahmen lehnte.
Mrs. Craig, nahm ich an. Sie schien ungefähr 25 zu sein. In einer Hand hielt sie ein hohes Trinkglas mit Blütendekor, das zu drei Vierteln mit einer rosafarbenen Flüssigkeit gefüllt war, die mich an Blut in Wasser denken ließ. Sie war auf billige Aus-der-Flasche-Weise blond, hatte gewölbte Augenbrauen und Lippen, die einen Mann, vielleicht auch manche Frauen, zu allem überreden konnten. Sie trug kein Make-up. Sie brauchte keines. Sie war barfuß mit langen, gebräunten Beinen in schneeweißen ultrakurzen Shorts, die so knalleng waren, dass kein Schuhlöffel hineingepasst hätte, und in ihrer knappen blauen Bluse, die vorn mit einer Schleife geschlossen war, steckten weitere nette Sachen. Ich konnte ihren Nabel sehen. Es war ein hübscher Nabel. Aus diesem Nabel hätte ich gern Champagner oder Schokolade geleckt. Tatsächlich sogar Teichwasser, wenn sie das gerade darin gehabt hätte.
Ihre Augen standen ein bisschen eng zusammen, und ich würde sagen, dass das ihr einziger Makel war: die Art und Weise, wie diese schwarzen Augen mich musterten, als ich vor ihr stand. Wie ein Alligator, der kurz davor war, mich in den Kopf zu beißen und mit sich in tiefes Wasser zu ziehen, aus dem es kein Auftauchen mehr geben würde.
Ich merkte, dass meine Hand nach dem Totschläger in meinem Sakko tastete. Das kann ich nicht recht erklären, aber ich erinnere mich daran, gedacht zu haben: Sie ist nur eine Frau, eine bildhübsche dazu, und du wirst keinen Totschläger brauchen.
»Mrs. Craig«, sagte ich.
»Die bin ich.«
»Ist Ihr Mann zu Hause?«
»Nö. Denken Sie, dass ich Geschäftliches nur erledigen kann, wenn er da ist?«
»Ich bin wegen einer Sache hier, die ich mit Ihnen beiden besprechen muss.«
»Gut gekontert, großer Junge.«
»Darf ich reinkommen?«
»Sie kreuzen hier auf, lächeln mich an und glauben, dass das genügt, damit ich Sie reinlasse?«
»Das habe ich allerdings gehofft.«
»Haben Sie meine Beine lange genug angestarrt?«
»Nicht solange es sie zu sehen gibt.«
Sie lächelte schwach, nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Sie musterte mich wie ein Käufer einen Fisch auf dem Fischmarkt. »Sie sehen wie jemand aus, den man aus den richtigen Zutaten zusammengemischt hat, Hübscher.«
»Oh, ich weiß nicht recht. Ich fürchte, ich bin etwas zu salzig.«
Diesmal lächelte sie richtig. Sie hatte Zähne wie ein Filmstar. »Wer ist das im Auto – Ihre Freundin oder die Fahrerin Ihres Fluchtautos?«
Ich sah mich um und stellte fest, dass Melinda wie angewiesen nach links hinters Steuer gerutscht war. Sie winkte mir kurz zu.
»Meine Schwester. Sie wartet auf mich, aber ich hab’s nicht eilig.«
»Kommen Sie rein«, sagte sie.
Sie ging ins Haus zurück, und ich folgte ihr, wobei ich darauf achtete, das Fliegengitter nicht zuknallen zu lassen.
Ins Wohnzimmerfenster war ein großer Swamp Cooler eingebaut. Sein Luftstrom zerzauste uns das Haar, als wir am Wohnzimmer vorbei in die Küche gingen. Die Hintertür stand offen, aber das Fliegengitter war geschlossen. Draußen sank die Abenddämmerung herab, aber ich konnte von hier aus den Friedhof sehen, und die beiden Gebäude im rückwärtigen Teil, die mit hohem Gras bewachsene Fläche zwischen ihnen und den Wald dahinter.
Auf dem Küchentisch stand ein großer Glaskrug mit der rosafarbenen Flüssigkeit, in der Eiswürfel schwammen. Um den Tisch standen billige Stühle mit blauen Plastiklehnen. Eines der Platzdeckchen aus Gummi wies einen Wasserring auf, der zum Boden ihres Glases passen würde.
Sie setzte sich, ohne mir einen Stuhl anzubieten. Ich zog selbst einen heran, setzte mich, zog die mitgebrachten zusammengefalteten Unterlagen, die den Cadillac betrafen, aus meinem Sportsakko, legte sie ihr hin und strich sie glatt.
Sie fragte: »Was zu trinken?«
Ich wusste nicht, was in dem Krug war, aber es sah kalt aus, und obwohl der Swamp Cooler sich abmühte, schaffte er nicht viel mehr, als die Luft zu befeuchten. Das war nicht besser, als riebe einem jemand das Gesicht mit einem warmen, feuchten Handtuch ab.
»Klar«, sagte ich. Ich wusste, dass es besser gewesen wäre, die Sache hinter mich zu bringen, aber irgendwas an ihr ließ mich trödeln. Sie schien es keineswegs eilig zu haben, etwas zu erfahren – warum sollte ich mich also beeilen?
Sie stand auf, nahm ein Glas aus dem Hängeschrank und kam damit zu mir zurück. Ihre Bewegungen waren ein Sexballett. Sie stellte das Glas auf den Tisch, füllte es mit dem Zeug aus dem Krug und stellte es so vor mich hin, dass es halb auf der Gummimatte und halb auf dem Vertrag stand.
Als sie sich setzte, griff ich nach dem Glas und probierte einen Schluck. Das Zeug war irgendein Erdbeerdrink, der genügend Whiskey enthielt, dass man einen Aal darin hätte einlegen können.
»Na, das möbelt einen abends richtig auf«, sagte ich.
»Ja. Ich dachte, ich würde vor dem Abendessen ein, zwei Gläser trinken und dann das Essen ausfallen lassen.«
»Ich denke, ich sollte jetzt zur Sache kommen.«
»Wie Sie wollen.«
»Es geht um den Cadillac.«
»Sie meinen den mit den ausstehenden Raten?«
»Genau.«
»Ja. Nun, ich habe in der Scheune dort drüben eine rostige Klapperkiste stehen, aber keinen Cadillac.«
»Aber Sie haben einen Cadillac gekauft.«
»Das war mein Mann, und er ist nicht da. Er sitzt drin, oder vielleicht sitzt er nicht drin und trinkt irgendwo, vielleicht fickt oder prügelt er....
Erscheint lt. Verlag | 14.5.2024 |
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Übersetzer | Wulf Bergner |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-98676-137-3 / 3986761373 |
ISBN-13 | 978-3-98676-137-0 / 9783986761370 |
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