Sword Art Online - Alicization invading - Light Novel 15 (eBook)
307 Seiten
Tokyopop Verlag
978-3-7593-0403-2 (ISBN)
1
Langsam öffnete er die Augen.
Er musste eingeschlafen sein. Das italienische Sofa, das er vorige Woche gekauft hatte, war offenbar etwas zu weich. Versunken in das glatte Leder warf er einen Blick auf die Smartwatch an seinem linken Handgelenk.
02:12 Uhr.
Er stand auf und streckte sich, während er zur südlichen Fensterfront schlenderte. Die gesamte Fläche bestand aus intelligentem Glas. Da sie gerade transparent war, erlaubte sie von seinem Vorstandszimmer im dreiundvierzigsten Stock einen Blick auf das Ufergebiet unter ihm.
Die Lichter der Hochhäuser glitzerten still im Hafenbecken. An dem langen Kai lagen mehrere große Schiffe vor Anker.
Ihre kantigen, imposanten Silhouetten waren nicht die von Kreuzfahrtschiffen. Es waren Schlachtschiffe, die zum dritten Geschwader der US-Pazifikflotte gehörten.
San Diego, die zweitgrößte Stadt im Bundesstaat Kalifornien, war schon seit langer Zeit ein Militärstützpunkt. Über 25.000 Angehörige des Militärs wohnten hier und kurbelten rund um die gewaltige Marinebasis die Wirtschaft an.
Doch in den letzten Jahren hatten auch neue Industriezweige ein rapides Wachstum erlebt – Hightech-Industriezweige wie die Telekommunikation und Biotechnologie.
Manche Unternehmen nutzten sowohl das Militär als auch Spitzentechnologien als Waffe. Dabei handelte es sich um sogenannte private Militärunternehmen, die meist im Auftrag des Militärs, aber auch großer Unternehmen Aufgaben im Personen- oder Objektschutz, die Ausbildung von Soldaten bis hin zu unmittelbaren Kampfeinsätzen an der Front durchführten.
Gabriel Miller, der taktische Leiter von Glowgen Defense Systems mit Hauptsitz in der Innenstadt von San Diego, sah auf den nächtlichen Hafen hinunter und lächelte selbstvergessen.
Der Traum während seines kurzen Nickerchens vorhin hatte seine Stimmung etwas gehoben.
Er hatte von einem Event in einem Full-Dive-Spiel geträumt, an dem er vor wenigen Tagen aus diesem Büro teilgenommen hatte.
Gabriel träumte fast nie, doch wenn er es tat, dann war es immer eine detaillierte Wiederholung eines Erlebnisses aus seiner Vergangenheit. Er konnte noch immer das angenehme Gefühl spüren, wie die blauhaarige Scharfschützin gegen seinen Griff angekämpft hatte. Fast so, als ob es nicht nur ein Traum gewesen, sondern wirklich passiert wäre …
Aber das stimmte nicht. Dieser Kampf hatte nicht in der Realität, sondern in der virtuellen Welt stattgefunden.
Die Full-Dive-Technologie war eine phänomenale Erfindung, und er zollte ihrem Entwickler Akihiko Kayaba dafür großen Respekt. Wäre er noch am Leben gewesen, hätte Gabriel Millionen Dollar investiert, um ihn anzuwerben. Auch wenn er der berüchtigtste Verbrecher des Jahrhunderts war – oder eher gerade deswegen.
Doch je näher das vom AmuSphere gebotene Erlebnis der Wirklichkeit kam, desto mehr verstärkte es seine Unzufriedenheit, dass es nicht tatsächlich real war. Genau wie Salzwasser, das nie den Durst stillen konnte, so viel man auch davon trank.
Als jüngstes Vorstandsmitglied und Großaktionär von Glowgen DS fehlte es Gabriel materiell in seinem Leben an absolut nichts. Doch das heftige Verlangen tief in seiner Seele konnte kein Geld der Welt stillen.
»Your soul will be so sweet …«
Noch einmal sprach er die Worte aus seinem Traum.
Eigentlich hatte er den Satz auf Japanisch flüstern wollen, schließlich lernte er die Sprache bereits seit drei Jahren. Da ihn eine Markierung an der HP-Leiste jedoch als US-Spieler auswies, wollte er vermeiden, einen unnötig starken Eindruck zu hinterlassen. Er würde irgendwann schon noch Gelegenheit haben, sich in Ruhe mit ihr zu unterhalten. Wenn es so weit war, hatte er einige Fragen an sie.
Das leise Lächeln um seine Mundwinkel verschwand. Gabriel berührte einen der Touchsensoren, die an mehreren Stellen im Fensterglas eingebettet waren, und regelte die Transparenz herunter. In der nun schwärzlichen Oberfläche spiegelte sich seine eigene Gestalt.
Die blonden Haare hatte er locker nach hinten gekämmt, seine Augen waren blau. Sein 1,80 Meter großer Körper war in ein weißes Anzughemd und eine dunkelgraue Stoffhose gekleidet. Seine Schuhe waren eine Maßanfertigung aus Cordovanleder. Seine Aufmachung entsprach fast schon peinlich genau dem Bild der weißen Oberschicht, doch für Gabriel hatte sein Äußeres nicht mehr als eine symbolische Bedeutung. Denn der Körper war letztlich nur die fleischliche Hülle der Seele.
Soul.
Nahezu jede Religion der Welt hatte ein eigenes Konzept der Seele. Auch das Christentum lehrte, dass die Seele abhängig von den Taten zu Lebzeiten nach dem Tod entweder in den Himmel oder die Hölle gesandt wurde. Doch Gabriels Glauben an die Existenz der Seele und sein Streben danach rührte nicht etwa daher, dass er evangelisch oder katholisch gewesen wäre.
Er wusste es. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen.
Als das Mädchen in seinen Armen ihr Leben ausgehaucht hatte, war er Zeuge geworden, wie von ihrer Stirn eine unvergleichlich schöne Wolke von Lichtpartikeln aufgestiegen war.
Gabriel Miller war im März 1998 im Vorort Pacific Palisades von Los Angeles in Kalifornien geboren worden.
Als Einzelkind war er von seinen wohlhabenden Eltern großzügig mit allen erdenklichen materiellen wie immateriellen Liebesbekundungen überschüttet worden. In dem weitläufigen Anwesen hatte es beileibe nicht an Plätzen zum Spielen gefehlt, doch der Lieblingsort des jungen Gabriel war der Hobbyraum für die private Sammlung seines Vaters gewesen.
Sein Vater, der Inhaber und Geschäftsführer von Glowgen Securities, dem Vorgänger von Glowgen Defense Systems, war ein passionierter Sammler von Insektenpräparaten. Unzählige Glaskästen reihten sich in dem großen Raum aneinander. Wann immer Gabriel Zeit gefunden hatte, hatte er sich in den Raum geschlichen und mit einer Lupe in der Hand die farbenfrohen Insekten betrachtet oder auf dem Sofa in der Mitte in Tagträumen geschwelgt.
Allein in dem dämmrigen Zimmer mit der hohen Decke, umgeben von Tausenden von stummen Insekten, hatte den jungen Gabriel manchmal eine merkwürdige Ergriffenheit überkommen.
Diese Insekten hatten alle bis zu einem gewissen Moment gelebt. In den Savannen von Afrika, den Wüsten im Nahen Osten, den Urwäldern in Südamerika hatten sie ihre Nester gebaut und nach Futter gesucht.
Doch irgendwann waren sie von einem Sammler gefangen und mit Chemikalien behandelt worden, um schließlich über mehrere Zwischenhändler in einer ordentlichen Reihe in einem der Glaskästen im Hause Miller zu landen. Kurzum, dieser Raum war nicht nur eine Ausstellung einer Sammlung von Insektenpräparaten, sondern auch eine gigantische Grabstätte für Abertausende von massakrierten Leichnamen.
Gabriel hatte die Augen geschlossen und sich vorgestellt, die Insekten um ihn herum wären mit einem Mal wieder lebendig.
Sechs angestrengt in der Luft scharrende Beine, zitternde Fühler und Flügel. Krschh, krschh – ein leises Rascheln aus zahlreichen Richtungen, das sich zu einem vielstimmigen Rauschen vereinte und in Wellen an Gabriels Ohren brandete.
Krschh, krschh.
Er hatte die Augen aufgerissen. Für einen Moment war ihm gewesen, als hätten sich in einer Ecke eines Glaskastens genau vor ihm die Beine eines grünen Käfers bewegt. Er war hastig vom Sofa gesprungen und hinübergelaufen. Neugierig hatte er in den Kasten gestarrt, doch da war das Insekt wieder ein lebloses Präparat gewesen.
Der metallisch glänzende, smaragdgrüne Panzer, die stachelbesetzten Beine, die Facettenaugen mit ihrem mikroskopisch kleinen Netzmuster – Gabriel hatte sich gefragt, welche Kraft diesen präzisen Körper einst angetrieben hatte.
Sein Vater hatte ihm beigebracht, dass Insekten nicht wie Menschen über ein Großhirn verfügten. Als Gabriel ihn daraufhin gefragt hatte, mit welchem Körperteil sie dachten, hatte der Vater ihm ein Video gezeigt.
Es waren Aufnahmen von Gottesanbeterinnen bei der Paarung gewesen. Das kleinere Männchen hatte das dickere, größere Weibchen von hinten festgehalten und sein Fortpflanzungsorgan mit ihr vereint. Für einen Moment waren sie bewegungslos geblieben, bis das Weibchen plötzlich und ohne Vorwarnung mit ihren Fangarmen seine obere Körperhälfte gepackt und gierig seinen Kopf gefressen hatte. Erstaunt hatte Gabriel beobachtet, wie das Männchen die Paarung einfach fortgeführt und sich erst von ihr gelöst hatte, als sein Kopf vollständig verspeist worden war. Dann hatte er sich aus ihren Fangarmen befreit und die Flucht ergriffen.
Obwohl das Männchen keinen Kopf mehr hatte, war es durch das Gras gekrabbelt und auf einen Zweig geklettert. Gabriels Vater hatte auf das Video gezeigt und seinem Sohn erklärt: »Bei den Gottesanbeterinnen, wie auch bei allen anderen Insekten, funktioniert das Nervensystem im ganzen Körper wie ein Gehirn. Deswegen können sie auch ohne ihren Kopf, der nicht mehr als ein Sinnesorgan ist, eine Weile überleben.«
Nachdem Gabriel dieses Video gesehen hatte, hatte er sich tagelang gefragt, wo die Seele der Gottesanbeterinnen saß. Wenn sie weiterleben konnten, obwohl ihr Kopf verspeist worden war, wäre vermutlich auch der Verlust aller Beine nicht lebensbedrohlich für sie. Dann vielleicht im Bauch? Oder in der Brust? Doch Insekten zappelten selbst dann noch lebhaft mit den Beinen, wenn ihre weichen Bäuche zerquetscht oder sie mit einer Nadel durch die Brust aufgespießt wurden.
Wenn kein Körperteil beim Verlust zum sofortigen Tod führte, musste...
Erscheint lt. Verlag | 13.5.2024 |
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Reihe/Serie | Sword Art Online - Novel |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Manga |
Schlagworte | Abenteuer • action • Fantasy • Schwertkampf • Science Fiction • Shonen • Shonen Attack • Shounen |
ISBN-10 | 3-7593-0403-6 / 3759304036 |
ISBN-13 | 978-3-7593-0403-2 / 9783759304032 |
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