Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Jonathan Greystone -  Stephan Hanken

Jonathan Greystone (eBook)

Die Kinder der Nacht
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-3842-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der junge Jonathan Greystone wird ohne Vorwarnung aus seinem beschaulichen Alltag herausgerissen und befindet sich unversehens auf der Flucht vor einer Bruderschaft, die vor nichts zurückschreckt um ihre Ziele zu erreichen. Er wird dabei in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen, die das Leben seiner Familie und seiner Begleiter in größte Gefahr bringt. Er ist allerdings nicht allein, denn die Kinder der Nacht haben ihr wachsames Auge auf ihn und die Seinen gerichtet. Doch auch mit ihrer Hilfe wird es schwer den Häschern zu entkommen, denn in den Reihen der Bruderschaft gibt es jemanden, dessen Fähigkeiten denen eines Normalsterblichen bei weitem überlegen sind. Es wird sich zeigen, ob Treue, Ehrlichkeit und Freundschaft die Oberhand behalten über die von Hass und Rachedurst angetriebenen fanatischen Verfolger.

Stephan Hanken, geboren 1970 in Niedersachsen, ist freiberuflicher Nachhilfelehrer und hat Germanistik und Mathematik studiert. Er lebt glücklich und zufrieden mit seiner Frau und seinen zwei Katzen auf dem Land. Wenn er dort unter den alten Linden und Eichen spazieren geht, lauscht er dem Rauschen ihrer Blätter und dem Wind, der ihm seine Geschichten erzählt. Sein Humor und seine einzigartige Weise fantasievolle Geschichten zu erzählen, begeistern seine Mitmenschen immer wieder aufs Neue.

II. Kein Markttag wie jeder andere


Die alte Heilerin war an diesem Tag noch früher aufgestanden als sie es ohnehin schon immer tat. Die Markttage im Dorf waren seit jeher sehr anstrengend gewesen – ihr Alter machte sich mittlerweile hier und da, achtundfünfzig Jahre wandelte sie nun schon über Gottes Erdboden und war dankbar für jeden einzelnen Tag, zusätzlich bemerkbar. Ihre alten Augen, die ebenso gütig wie stechend schauen konnten, strahlten jedoch immer noch in einem leuchtenden Blau. Mit ihnen schien sie in der Lage zu sein, den Menschen bis auf den Grund ihrer Seele zu sehen. In ihrer Gegenwart war es nahezu unmöglich zu lügen, was der Ortsvorsteher bei so mancher Dorfversammlung am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. Irgendjemand musste den feisten Volpert, der eigentlich ein gutes Herz hatte, gelegentlich im Zaum halten. Außerdem bereitete es ihr ein diebisches Vergnügen, fing er vor allen anderen an zu stottern und nach fadenscheinigen Ausreden zu suchen, wenn sie ihn wieder einmal dabei ertappte, dass er etwas zum Wohle der Gemeinschaft anschaffen wollte, das letztendlich doch nur seinem Geldbeutel zugutekam. Regelmäßig wurde er, sobald er keine Ausflüchte mehr parat hatte, fuchsteufelswild und verließ unter wildem Geschimpfe und Gezeter das Dorfhaus. Spätestens, wenn ihm seine Galle ob seiner ungesunden Lebensweise wieder zu schaffen machte, kam Volpert kleinlaut zu ihr um sich einen Kräutersud mischen zu lassen. Agnes half ihm jedes Mal. Ihn in seiner Gier zu beschränken war eine Sache – deswegen würde sie ihn aber niemals unnötig Schmerzen erleiden lassen.

Agnes verließ ihre Hütte und ging zu dem kleinen Anbau hinüber, in dem sie ihre Kräuter und Heilmittel lagerte. Sie schaute nach oben und begrüßte mit einem freundlichen Nicken die Morgensonne, deren erste Strahlen sich durch den Morgennebel stahlen. Ein tiefer Atemzug erfüllte ihre Lungen mit klarer Morgenluft. Sie umfasste den Rand der Regentonne und tauchte ihren Kopf tief hinein in das kühle Wasser. Momente später warf sie prustend ihre bis zu den unteren Rippenbögen reichenden Haare, die immer noch eine Spur ihrer ursprünglich feuerroten Farbe aufwiesen, in den Nacken und schüttelte sie ein paar Mal hin und her. Das tat das Seinige um ihre Lebensgeister endgültig zu wecken. Es machte ihr nichts aus, dass dabei ihr Kleid, das aus moosgrün gefärbter Baumwolle bestand und ihre immer noch gute Figur betonte, nass wurde. Während sie sich geschickt einen Zopf flocht, vernahm sie in einiger Entfernung das Meckern von vorüberziehenden Ziegen. Wahrscheinlich musste Jonathan sie wieder einmal hüten. Hatte er doch gestern - wie so oft - nur Flausen im Kopf gehabt. Die Strafpredigt seines Vaters war jedenfalls bis zu ihrer Hütte zu hören gewesen. Eine richtige Strafe war das Hüten der Ziegen für den Jungen in ihren Augen allerdings nicht. Agnes, die oft die Gegend um das Dorf nach frischen Kräutern absuchte, hatte ihn schon oft dabei beobachtet, wie er stundenlang regungslos auf einem Felsen lag und seinen Gedanken nachhängend in den Himmel blickte. Nun ja, dachte sie bei sich, das Erwachsenwerden mit all seinen Strapazen, Mühseligkeiten und den damit verbundenen Entbehrungen würde ihn schon noch früh genug ereilen – nicht ahnend, wie nah der Zeitpunkt war, an dem der Junge sich von seiner Kindheit verabschieden musste.

Die Heilerin hatte die letzten 38 Jahre ihres Lebens hier zugebracht. Ihr gefiel die Ruhe und Abgeschiedenheit, zudem achtete und schätzte man sie für ihre Heilkunst. Gut zwei Drittel der jetzigen Dorfbewohner hatte sie als Hebamme zur Seite gestanden oder sogar auf die Welt geholfen. Anfangs war man ihr skeptisch gegenübergetreten, als sie sich damals, mit knapp einundzwanzig Jahren, ohne einen Mann an ihrer Seite am Rande des Dorfes niedergelassen hatte. Fragen bezüglich dessen und ihrer Herkunft wusste sie immer geschickt auszuweichen. Der alte Schmied, Jonathans Großvater, war einer der ersten gewesen, der ihr damals geholfen und die verwaiste Hütte wiederhergerichtet hatte. Jetzt war sie ein angesehenes Mitglied der dörflichen Gemeinschaft; ihre Worte hatten Gewicht, ihr Rat wurde hochgeschätzt. Nicht wenige Männer hatten in dieser langen Zeit versucht ihr Herz zu erobern - doch keinem war es gelungen, sie für sich zu gewinnen. Niemand ahnte, dass sie ihr Herz vor langer Zeit verschenkt hatte - weder, dass es gebrochen worden war – noch, dass dies mit der Hauptgrund war, sich hier, weitab des städtischen Trubels, niederzulassen. Niemand sollte, nein, durfte je erfahren wem ihre Liebe gebührte. Ganz tief in ihrem Herzen hatte sie die Sehnsucht nach dem Mann vergraben, der ebenso für sie empfunden hatte, dem es jedoch nicht möglich war, ihr nahe zu sein ohne sein und ihr Leben dem Untergang zu weihen. Damals hatte sich eine Tragödie abgespielt, an deren Ende sie geflohen und er verschollen war. Nur in manchen dunklen und kalten Winternächten öffnete sie diesen Teil ihres Herzens, ergab sich ihrer unstillbaren Sehnsucht, dem Schmerz, dessen einziges Heilmittel unerreichbar für sie war und schluchzte hemmungslos in ihr Kissen.

Agnes packte alles, was sie gedachte zu verkaufen, auf ihren Handkarren, mischte noch ein paar Salben und Tinkturen, um die man sie am letzten Markttag gebeten hatte, und machte sich auf den Weg zu ihrem Stellplatz. Dieser befand sich direkt neben der Schmiede, die Jeremias, dem Vater von Jonathan und Simon, gehörte. „Na, Agnes, du bist ja wieder einmal früh auf den Beinen!“, begrüßte der Schmied sie, während er weiter neue Sicheln, Dreschflegel und Hacken vor seiner Schmiede aufbaute, die sich jetzt zur Erntezeit gut verkaufen ließen. „Ach Jeremias, du weißt doch, ich genieße es meinen Stand in Ruhe aufzubauen, bevor der ganze Trubel losgeht.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ebenso warmherzig wie ehrlich gemeint war. Er erwiderte es seinerseits nicht minder herzlich und half ihr dabei, den Karren in die richtige Position zu schieben. Sie unterstützten sich schon von jeher gegenseitig. Wenn Reparaturen an der Hütte anstanden, erledigte Jeremias sie ohne viel Aufhebens. Im Gegenzug hatte Agnes damals ihm und nun auch seinen Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht. Wie so vielen anderen, hatte sie auch ihm auf die Welt geholfen. Schon damals war er ein stattliches Kind gewesen, beinahe zwei Fuß groß und an die neun Pfund schwer. Aus dem Kind war ein stattlicher Mann geworden, der vor Kraft nur so strotzte und ein gutmütiges Wesen sein Eigen nannte.

Nachdem der Stand aufgebaut war, stellte er ihr zu guter Letzt noch einen Holzschemel hin, damit sie nicht die ganze Zeit zu stehen brauchte. Agnes ließ sich nieder, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und betrachtete in aller Seelenruhe, wie sich der Marktplatz langsam füllte. Mittlerweile hatte sich Volpert ebenfalls eingefunden und sich am Brunnen postiert, der sich genau in der Mitte befand. So konnte er alles im Auge behalten, was vor sich ging. Agnes hatte er lediglich mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfnicken begrüßt, zu sehr ärgerte er sich noch über den Verlauf der letzten Dorfversammlung, als sie ihm wieder einmal in seine Schranken gewiesen hatte. Nun, damit konnte sie leben – und lächelte still in sich hinein. Eine halbe Stunde später, Agnes erklärte gerade der Bäuerin vom Aussiedlerhof, wie sie das offene Bein ihrer Großmutter versorgen sollte, entstand an der Brücke ein plötzlicher Aufruhr. Irritiert schaute sie auf. Unvermittelt stellte sich das Gefühl eines nahenden Unheils bei ihr ein. Eine Schar schwer bewaffneter Reiter sprengte aus dem nahe gelegenen Wäldchen auf die Brücke zu und überquerte den von der Ahr abzweigenden, an die zwanzig Fuß breiten Bachlauf, der das Dorf zu zweidrittel umrundete und dann im angrenzenden Wald verschwand, im vollen Galopp. Es waren keine Soldaten des Landesfürsten, die ließen sich hier ohnehin nur selten blicken. Das Wappen auf den Schilden und Umhängen war ihr auf den ersten Blick gänzlich unbekannt – und doch, irgendetwas daran kam ihr vertraut vor. Die Menschen auf der Brücke konnten nur mit knapper Not aus dem Weg springen, die Reiter machten keinerlei Anstalten ihre Geschwindigkeit zu verringern. Rasch verteilten sie sich um den ganzen Platz herum und kesselten sämtliche Anwesenden ein. Nur der Anführer der Gruppe, der ein mächtiges Schlachtross ritt, eines, wie Agnes es seit ihrer Jugend nicht mehr gesehen hatte, ritt zur Mitte des Platzes, ließ sein Pferd einmal im Kreis tänzeln und blieb dann vor dem Ortsvorsteher, der ebenso wie alle anderen wie angewurzelt an seinem Platz stand, stehen. Sekunden verstrichen, in denen nur das Schnauben der Pferde zu hören war. Dann blickte er einmal um sich und begann mit einer klaren lauten Stimme zu sprechen. Im ersten Moment glaubte Agnes, ihre Ohren spielten ihr einen Streich. Der Mann bediente sich ihrer Muttersprache. Die französischen Laute und Ausdrücke hatte sie seit ihrer Flucht vor so vielen Jahren nicht mehr gehört. Die Heilerin hatte nicht einmal mehr einen Akzent, außer sie war sehr aufgebracht, dann hätte ein aufmerksamer Zuhörer es vielleicht noch...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
ISBN-10 3-7583-3842-5 / 3758338425
ISBN-13 978-3-7583-3842-7 / 9783758338427
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich