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Suzume -  MAKOTO SHINKAI

Suzume (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Egmont Manga (Verlag)
978-3-98788-093-3 (ISBN)
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Der Roman Suzume ist das neue Meisterwerk von your name.-Schöpfer Makoto Shinkai. Der parallel entstandene Film zu Suzume feierte auf der Berlinale 2023 seine Premiere und läuft ab April in den deutschen Kinos.

Die 17-jährige Suzume lebt in der ruhigen Stadt auf der Insel Kyushu. Eines Tages trifft sie auf einen jungen Mann, der angibt, 'auf der Suche nach einer Tür' zu sein. Suzume folgt ihm zu einer Ruine eines verfallenen Gebäudes in den Bergen und stößt auf eine mysteriöse freistehende Tür. Von einer unsichtbaren Kraft getrieben greift sie nach der Tür - und stürzt damit die ganze Welt ins Unglück. Überall öffnen sich Türen, aus denen Katastrophen strömen. Um das Unheil abzuwenden hat Suzume nur eine Chance: Sie muss die Türen wieder schließen!



Makoto Shinkai wurde 1973 geboren. Als Regisseur der Kurzfilm-Animation 'Stimme des Sterns' machte er das erste Mal auf sich aufmerksam und produzierte dann unter anderem die Filme 'Die Reise nach Agartha' und 'Garten der Worte', welche in Japan viele Auszeichnungen erhielten. Die von ihm verfassten Buchadaptionen seiner Filme waren ebenfalls preisgekrönt. 2016 gelang ihm mit 'Your Name.' sein internationaler Durchbruch als Autor und Regisseur. 'Weathering With You' ist sein neuestes Meisterwerk und schon jetzt erfolgreicher als 'Your Name.'.

So schön wie diese Landschaft

Im Traum ging ich immer an diesen Ort.

Nun war es Morgen und hier war mein Zimmer.

Ich lag auf meinem Futon und begriff es sofort. Dingding, klingelte das Windspiel am Fenster leise. Die Luft, die nach Meer roch, bewegte sachte die Spitzengardinen. Ah, mir ist ja wieder warm, dachte ich, die Wange auf dem Kopfkissen. Ich spürte in meinen Fingerspitzen und Zehen noch immer das leichte Ziehen, diese Mischung aus Einsamkeit und Freude. Ich blieb in mein Bettlaken eingewickelt und schloss die Augen, um das bittersüße Gefühl noch ein wenig auszukosten.

„Suzume! Bist du wach?“ Von unten ertönte eine leicht verärgert klingende Stimme. Ich seufzte innerlich, wälzte mich auf die Seite und rief zurück: „Ja, bin wach!“ Der Nachklang meines Traums, der gerade noch so präsent gewesen war, war im Nu wie weggewischt.

***

„Ganz Kyushu steht unter dem Einfluss eines Hochdruckgebietes. Somit können wir uns heute wahrscheinlich über einen klaren blauen Himmel freuen!“, verkündete die Wettermoderatorin von TV Miyazaki lächelnd, während sie mit einem bunten Zeigestock einen Kreis um Kyushu zeichnete, als wäre es der Zauberstab eines Hexenmädchens.

Ich legte die Hände vor der Brust zusammen, sagte „Guten Appetit!“ und schmierte schwungvoll einen Klumpen Butter auf die dick geschnittene Brotscheibe. Irgendwie mag ich diese Frau, dachte ich und betrachtete die Wettermoderatorin, während ich die Butter auf dem Brot verteilte. Ihre weiße Haut ließ sie wie eine Bewohnerin des Schneelandes wirken und verriet, dass sie wahrscheinlich aus dem Norden Japans stammte. Krcks! Mein Brot machte ein appetitliches Geräusch, als ich hineinbiss. Lecker! Die angeröstete Scheibe schmeckte leicht süßlich, und diese Süße wurde durch den schweren Geschmack der Butter noch hervorgehoben. Bei uns kamen immer hochwertige Lebensmittel auf den Tisch. Die Höchsttemperatur würde heute bei 28 Grad liegen, also nicht zu heiß. Es würde ein angenehmer Tag werden, typisch für den September, versprach die Wettermoderatorin in perfektem Standardjapanisch.

„Hey, vergiss heute deine Lunchbox nicht!“, rief Tamaki in breiter Miyazaki-Mundart aus der Küche. Es hörte sich leicht vorwurfsvoll an – aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. „Jahaaa!“, antwortete ich und versuchte etwas zerknirscht zu klingen, ohne es zu übertreiben. Hin und wieder vergaß ich, die Lunchbox mit in die Schule zu nehmen, die Tamaki jeden Morgen für mich zubereitete. Nicht absichtlich. Das nicht, aber an Tagen, an denen ich keine Lunchbox dabeihatte, verspürte ich ein ganz leises Gefühl der Befreiung. „Unmögliches Mädchen“, murmelte Tamaki und kniff ihre mit rotem Lipgloss geschminkten Lippen zusammen, während sie das Essen in die Box legte. Unter der Küchenschürze trug sie einen gutsitzenden beigefarbenen Hosenanzug, ihre zu einem Bob geschnittenen Haare glänzten, und geschickt aufgetragenes Make-Up betonte ihre großen Augen. Wie immer war Tamaki tadellos gestylt.

„Ach, und Suzume, bei mir wird es heute Abend etwas später. Kannst du dir einfach irgendwas zum Abendessen machen?“

„Was? Hast du etwa ein Date?“ Vor Überraschung verschluckte ich das Spiegelei, das ich eigentlich noch hatte kauen wollen.

„Na klar, na klar, lass dir Zeit! Du kannst gerne bis nach Mitternacht wegbleiben! Du solltest dir ab und zu wirklich mal ein bisschen Spaß gönnen!“

„Ich hab kein Date, ich muss Überstunden machen!“, entgegnete Tamaki und würgte damit meine Hoffnungen ab.

„Ich muss den Fischerei-Erlebnistag vorbereiten. Es ist bald so weit, und vorher muss noch eine Menge erledigt werden. Hier, deine Lunchbox.“ Mit diesen Worten drückte sie mir die riesige Lunchbox in die Hand. Sie war wie immer extrem schwer.

Wie die Wettermoderatorin vorhergesagt hatte, war der Himmel wolkenfrei, und ein paar Milane zogen weit oben in der Luft stolz ihre Kreise. Ich fuhr mit dem Fahrrad die Straße entlang der Meeresküste hinunter. Der Rock meiner Schuluniform blähte sich flatternd auf, als würde er tief Luft holen. Himmel und Meer waren unglaublich blau, die Pflanzen der Böschung sahen frisch und saftig aus, und die Wolken am Horizont so weiß, als wären sie gerade erst entstanden. Wie ich hier gerade so in meiner Schuluniform durch diese Landschaft zur Schule radele, würde eigentlich ein tolles Motiv für einen Post abgeben, dachte ich plötzlich. Auf der Hügelstraße in die Pedale tretend, in meiner Schuluniform und mit dem in der Morgensonne leuchtenden alten Hafenviertel im Rücken. Ich konnte mir das Foto richtig vorstellen.

Die zarte Silhouette eines Mädchens auf einem pinkfarbenen Fahrrad mit einem hochsitzenden, in der Meeresbrise flatterndem Pferdeschwanz, vor einem blauen Hintergrund. Verdammt, das ist schon ziemlich cool! Echt ein Knaller. Doch schon im nächsten Moment erstarrte irgendetwas in meinem Herzen. Pfff, dachte ich entnervt. Wie unbekümmert muss man sein, dass der Anblick des Meeres einen in so eine Stimmung versetzt?

Ich seufzte leise. Dann wendete ich den Blick vom Blau des Meeres, das plötzlich an Glanz verloren zu haben schien, ab und richtete ihn nach vorne.

„…!“

Jemand wanderte den Hügel herauf. Ich war ein bisschen überrascht, denn es kam nur äußerst selten vor, dass hier in der Gegend außerhalb der Stadt jemand zu Fuß unterwegs war. Die Erwachsenen bewegten sich zu 100% mit dem Auto von A nach B, Kinder wurden von den Erwachsenen gefahren, und wir Mittel- und Oberschüler fuhren mit dem Fahrrad oder Mofa.

Die Person schien ein Mann zu sein. Er war groß und schlank, sein langes Haar und das lange weiße Hemd flatterten im Wind. Ich bremste ganz leicht, um die Geschwindigkeit meines Fahrrads zu verlangsamen. Die Person kam allmählich näher. Es war ein junger Mann, den ich nicht kannte … ein Tourist vielleicht? Er trug einen Bergsteigerrucksack auf dem Rücken. Die Beine in den ausgeblichenen Jeans machten große Schritte. Er schaute aufs Meer, und die leicht gewellten Haare versteckten sein Profil. Ich bremste noch etwas stärker. Genau in dem Moment blies der Wind vom Meer plötzlich stärker. Die Haare des jungen Mannes tanzten im Wind, und Licht fiel auf seine Augen. Mir stockte der Atem.

„Ist der schön …“, murmelte mein Mund wie von allein. Die Haut des jungen Mannes war so weiß, als hätte sie noch keinen Sommer kennengelernt, und seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten und elegant. Die langen Wimpern warfen sanfte Schatten auf seine markanten Wangenknochen. Unter dem linken Auge war ein perfekter kleiner Leberfleck, der zu sagen schien: Genau hier gehöre ich hin! All diese Details stachen mir aus unerfindlichen Gründen mit einer so präzisen Auflösung ins Auge, als würde ich sie durch eine Lupe betrachten. Die Distanz zwischen uns wurde immer kleiner. Ich sah auf den Boden. Das Fahrgeräusch meines Rads und die Schritte des jungen Mannes vermischten sich. Mein Herz schlug schneller. Mit einem halben Meter Abstand fuhr ich an ihm vorbei. Ich, wir …, sagte mein Herz. Alle Geräusche verlangsamten sich. Wir haben uns früher schon mal irgendwo …

„Hey, du!“

Seine Stimme war tief und sanft. Ich blieb stehen und drehte mich um. In diesem Moment lag die Landschaft für eine Sekunde in gleißendem Licht. Der junge Mann stand vor mir. Er sah mir direkt in die Augen.

„Gibt es hier irgendwo einen verlassenen Ort?“

„Einen verlassenen Ort?“

Angesichts der unerwarteten Frage konnte ich mit dem Begriff erstmal nichts anfangen. Verlassener Ort?

„Ich suche eine Tür.“

Tür? Eine Tür an einem verlassenen Ort? Meine Stimme klang unsicher, als ich sagte: „Also da oben auf dem Berg, da gibt‘s eine Siedlung, in der niemand mehr wohnt …“

Der junge Mann lächelte. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber dieses Lächeln war so wunderschön, dass es die gesamte Umgebung in freundliche Farben zu tauchen schien.

„Danke.“

Er drehte sich um und begann mit festen Schritten in Richtung des Berges zu gehen, auf den ich gezeigt hatte. Einfach so, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen.

„Hä …?“, entfuhr es mir unwillkürlich. Ich war verdutzt. Piiikorokoro, riefen weit oben am Himmel die Milane. Hallo, das war jetzt aber schon ein bisschen unbefriedigend, oder?

***

Direkt über meinem Kopf erklang das Signal: Klang, Klang, Klang! Ich stand am Bahnübergang und wartete. Mein Herz schlug immer noch ein wenig schneller. Wer war dieser Mann?, fragte ich mich, während ich das blinkende rote Licht beobachtete. Ob es sich ähnlich anfühlte, wenn man einem Popstar oder einem Model begegnete? Jemandem, der so ungewöhnlich schön war, dass man auch nach der Begegnung noch für eine Weile Aufregung verspürte? Nein, das war es nicht. Es war etwas ganz anderes, da war ich sicher. Dieser Mann, wie könnte ich es beschreiben …

Eine Schneelandschaft, die von den Lichtern der Stadt erhellt wurde, oder … ein Berggipfel, dessen Spitze in der Morgensonne leuchtete, oder … schneeweiße Wolken, die in unerreichbarer Höhe vom Wind zerzaust wurden. Seine Schönheit war eher die einer Landschaft als die eines attraktiven Menschen. Und ich hatte das Gefühl, dass ich diese Landschaft vor sehr langer Zeit schon einmal gesehen hatte. Ja, es fühlte sich an wie die...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2024
Übersetzer Antje Bockel
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-98788-093-7 / 3987880937
ISBN-13 978-3-98788-093-3 / 9783987880933
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