Das Geheimnis von Silverton Hall (eBook)
368 Seiten
between pages by Piper (Verlag)
978-3-377-90075-3 (ISBN)
Anett Diell lebt mit ihrem Partner im Süden Deutschlands, umgeben von Natur und Kreativität. Bereits in der Grundschule entwickelte sie eine besondere Faszination für das geschriebene und gesprochene Wort, und drückte es in Geschichten und Darstellung aus. Später war für ihre Entwicklung als Mensch und Autorin besonders ihre vierjährige Schauspielausbildung von großer Bedeutung, die ihr gezeigt hat, dass sie ihre Träume mit Entschlossenheit leben möchte. Diesem Motto folgend, veröffentlicht sie ihre Werke seit 2021 unter Pseudonym. Alle ihre Projekte vereint die Idee von HeldInnen, die noch solche werden müssen.
Anett Diell lebt mit ihrem Partner im Süden Deutschlands, umgeben von Natur und Kreativität. Bereits in der Grundschule entwickelte sie eine besondere Faszination für das geschriebene und gesprochene Wort, und drückte es in Geschichten und Darstellung aus. Später war für ihre Entwicklung als Mensch und Autorin besonders ihre vierjährige Schauspielausbildung von großer Bedeutung, die ihr gezeigt hat, dass sie ihre Träume mit Entschlossenheit leben möchte. Diesem Motto folgend, veröffentlicht sie ihre Werke seit 2021 unter Pseudonym. Alle ihre Projekte vereint die Idee von HeldInnen, die noch solche werden müssen.
Kapitel eins
Silverton, April 2009
Der Frühling hatte die Landschaft Devons liebevoll geküsst, den Bäumen ein volles grünes Blätterdach beschert und den Wiesen befohlen, ihr saftiges Gras zu präsentieren. Die Grafschaft erblühte unter den hübschesten Blumen, die ihre Köpfe der Sonne entgegenreckten. Ein Bildnis, das Elaine vergessen ließ, dass sie in einem überfüllten Reisebus saß, der keine Unebenheit der Straße ausließ. Ihren Fensterplatz hatte sie sich mit einer feinen Prise Charme und einem besonderen Lächeln erkämpft, und sie war froh über ihren Sieg, denn seit sich der Bus auf seinen ruckelnden Weg gemacht hatte, konnte sie die Augen nicht mehr von der Landschaft abwenden.
London bot eine Fülle fabelhafter Motive, und sie liebte ihre Heimatstadt über alles, aber beim Anblick der Farbenpracht des Umlands schlich sich ein versonnenes Lächeln in ihre Züge. Für Bilder wie diese lohnte es sich, die Komfortzone zu verlassen und sich in die Welt hinauszuwagen. Nicht, dass Elaine ernsthafte Schwierigkeiten hatte, dieser angeblichen Komfortzone zu entkommen. Wenn es sie überhaupt in ihrem Leben gab, so wechselte die eine die andere nach kürzester Zeit ab. Dennoch hatte sich Elaine im Abschlussjahr ihres Studiums auf städtische Motive konzentriert – was zum einen an ihrer Spezialisierung lag, zum anderen an ihren Lebensumständen.
Der Kloß, der sich bei diesem Gedanken in ihrem Hals bildete – oder anschwoll, denn völlig fort war er nie –, schmälerte für einen Wimpernschlag lang das Lächeln auf ihrem Gesicht. Eins von beidem musste weichen, daher verdrängte sie die beklemmenden Gefühle und lächelte noch ein bisschen breiter. Es half. Ihr Blick folgte den Kornfeldern, die entlang der Eisenbahnstrecke bei Bradninch verliefen und sacht im Fahrtwind wehten. Wäre Elaine mit dem Pinsel in der Hand so begabt wie mit dem Finger auf dem Auslöser ihrer Kamera, sie hätte liebend gern gemalt. Landschaftsgemälde hatten im Vergleich zur Landschaftsfotografie das gewisse Etwas, diesen minimal attraktiveren Effekt. Vielleicht, weil der Künstler am Erschaffen seines Motivs teilgehabt, ihm womöglich einen winzig kleinen Eigenanteil vermacht hatte. Das konnte Elaine im Nachhinein natürlich mit ihrem Foto und durch dessen Bearbeitung ebenfalls tun, den gleichen Charme hatte es trotzdem nicht. Höchstwahrscheinlich der Grund, warum sie sich auf Kunstfotografie spezialisiert hatte. Auf diese Weise konnte sie teilhaben an den großen Kunstwerken, die andere, von der Muse geküsst, erschaffen hatten, und lernte dabei über jedes von ihnen etwas. Viel mehr, als ein Informationstext preisgeben könnte. Jedes Gemälde, jede Landschaft oder Skulptur sprach zu ihr, nicht bloß über sich selbst, sondern auch über den Künstler, der sie gefertigt hatte. Und Elaine war eine gute Zuhörerin, sie war sogar die perfekte Zuhörerin, weil sie sich alle Zeit der Welt ließ. Denn sie hatte alle Zeit der Welt. Von dem Moment an, in dem es niemanden mehr gegeben hatte, dem man seine Zeit schenken konnte, hatte sie nur noch ihr allein gehört – und es ließ sich plötzlich unfassbar viel damit anfangen.
Elaine hatte sich fest vorgenommen, keine Sekunde davon zu verschenken. Jeder Augenblick galt dieser Welt, die voller bezaubernder Dinge war und die von ihr abgelichtet werden wollten. Sah sie ihrem Motiv ins Angesicht, lächelten sie einander zu, und Elaine hob die Kamera. Es war ein kleineres Exemplar, als die meisten anderen mit sich führten. Keine Spiegelreflex-, sondern eine Systemkamera, die den Vorteil in sich barg, dass sie kleiner und damit leichter war. Da Elaine sie im Grunde so gut wie nie aus der Hand legte und ein ständiger Begleiter angenehmer war, wenn er einige Pfunde weniger wog, hatte sie die »Kleine Schwarze« ausgewählt und es nie bereut. Auch jetzt juckte es sie im Finger, den Auslöser zu betätigen, um den flüsternden Kornfeldern zu antworten. Aber eine Fotografie durch eine Busfensterscheibe war wie das Spiegelbild in einem See. Verfremdet und nicht vollkommen ehrlich. Das wollte sie den Kornfeldern nicht antun, sie verdienten mehr als das. Außerdem suchte sie für das Kunstjournal Artistry nicht nach Landschaften. Diese Reise durch Devon folgte nicht dem gewohnten Treibenlassen.
Elaine war seit einem halben Jahr eine Angestellte mit einem echten Gehalt. Eine neue Erfahrung für die verträumte Seele, die in ihr ruhte und der sie es verdankte, dass sie ihre Dienste viel zu häufig simply for free angeboten hatte. Ja, Elaine Little hatte erst noch lernen müssen, dass sich das Leben nicht ausschließlich von Ästhetik und Sinneseindrücken finanzieren ließ und dass andere Geld mehr liebten als eine ergreifende Momentaufnahme.
»Meine Damen und Herren, hier spricht Bernie, Ihr Busfahrer. In Kürze erreichen wir Silverton«, ertönte eine gelangweilte Stimme aus dem kleinen Lautsprecher oberhalb der Fahrerkabine. »Das Dorf zählt zu den ältesten in Devon und besticht durch seinen ländlichen Charme«, leierte er weiter, als würde er den Text von einer Anzeigetafel ablesen. »Sie haben für den restlichen Tag die Möglichkeit, sich davon zu überzeugen. Lassen Sie sich auf keinen Fall einen Spaziergang zu Silverton Hall entgehen.«
Warum, das betonte er nicht explizit, wusste es vermutlich nicht einmal. Er fuhr hier nur den Bus (und das nicht mal besonders gut), jedenfalls gab er dies seit Reisebeginn unmissverständlich zu erkennen.
»Wir werden im Silverton Inn absteigen. Ich bitte Sie, morgen pünktlich um acht Uhr dreißig wieder reisefertig zu sein.«
Ein leises Knistern aus den Lautsprechern, und Bernie konzentrierte sich wieder darauf, jedes Schlagloch der Strecke zu befahren.
Elaine lächelte der älteren Dame zu, die ihr liebenswürdigerweise den Sitzplatz am Fenster überlassen hatte, und beide teilten im darauffolgenden höflichen Small Talk die Ahnung, dass sie nicht zu viel von ihrer Absteige erwarten durften.
Sie bestätigte sich nicht.
Der ländliche Charme, von dem Bernie gesprochen hatte, war unverkennbar und schlich sich über sämtliche Sinne ein. Die meisten Häuser Silvertons waren mit graubraunen Rieddächern bestückt, die Straßen wie leer gefegt, und es lag ein Aroma in der Luft, als würde ein Bauer, den man allerdings nirgendwo entdecken konnte, sämtliche Felder im Umkreis düngen.
Als Elaine aus dem Bus stieg, fuhr ihr eine leichte Brise durch das kakaobraune Haar, ließ es sekundenlang wie eine gehisste Flagge flattern, ehe sich der Wind legte. Sie wandte den Kopf und ließ den Blick über die mit weißen Häusern gesäumte Straße und hinüber zu einem schmalen Feldweg schweifen. Hinter ihm erstreckte sich eine Wiese mit kurz gestutztem Gras. Sie war durch einen einfachen Zaun vom Weg abgegrenzt. All das nahm Elaine unscharf wahr, realisierte es nebenbei, der Fokus war auf den Mann gerichtet, der über den Feldweg lief. Er pausierte seinen Schritt für den Bruchteil einer Sekunde, als er zu der dem Bus entsteigenden Reisegruppe hinüberschaute, und beinah glaubte Elaine, er sehe sie direkt an. Auf die Entfernung wusste sie es nicht mit Sicherheit zu sagen, konnte sich des Eindrucks jedoch nicht erwehren, seinen Blick auf sich zu spüren. Wie ein sachtes Prickeln – ähnlich der Einwirkung wärmender Sonnenstrahlen auf nackter Haut.
Der Moment war zu schnell vorüber, seine steife Gangart beschleunigte sich, und Elaine verwarf den Gedanken, dass er interessiert hergesehen haben könnte. So, wie er aussah, konnte sie sich kaum vorstellen, dass er an irgendetwas anderem als seiner eigenen Person Interesse zeigte. Oder wer trug heutzutage und auf dem Land einen derart schnieken Anzug? Da musste man sich schon sehr wichtig fühlen.
»Bitte schön, Miss, und einen schönen Aufenthalt in Silverton.« Bernie war ein passionierter Zerstörer englischer Höflichkeit, bediente sich ihrer zwar in seiner Wortwahl, seine Phrasierung und vor allem Handlungsweise strafte sie hingegen Lügen. Er schob Elaine deren kleine olivgrüne Reisetasche vor die Füße, ohne darauf achtzugeben, ob er ihre Zehen traf. Zwei davon bekamen es schmerzlich zu spüren. Elaine lächelte Bernie dennoch an und wünschte ihm im Stillen einen Gast auf den Hals, der ihm bei seiner nächsten Fahrt gehörig auf die Nerven ging.
Warum ausgerechnet Menschen, die keinerlei Ausstrahlung oder gar Ambitionen besaßen, eine Reisegruppe durch die Landschaft zu fahren, einem solchen Job nachgingen, wusste ...
Erscheint lt. Verlag | 3.5.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Bettina Storks • England • Englisches Landhaus • Familiengeheimnis • Familienroman • Familiensaga Deutschland • Frauenschicksal • Geheimnis der Vergangenheit • Gemälde • Generationenroman • gesellschaftliche Konventionen • Grafschaft Devon • Kindheitserinnerungen • Kunst • Kunstfotografie • Lord • Roman auf zwei Zeitebenen • Romane für den Urlaub • Romane für Frauen • Romanze • Starke Frauen Buch • tragische Liebesgeschichte • Verbotene Liebe • Villa |
ISBN-10 | 3-377-90075-6 / 3377900756 |
ISBN-13 | 978-3-377-90075-3 / 9783377900753 |
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