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Elfen und Feen (eBook)

Eine kleine Geschichte der Anderwelt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
192 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-81367-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Elfen und Feen -  Matthias Egeler
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Dieser Band bietet kompetent und unterhaltsam einen Überblick über Geschichte und Geschichten der Elfen und Feen von ihren Ursprüngen in keltischen und nordischen Mythen bis in die Welt der isländischen 'Elfenbeauftragten' und von Harry Potter. Mal verstörende, mal zauberhafte Begegnungen mit Naturgeistern oder Gestalten wie etwa den Herrinnen von Avalon ( Artussage), mit Elrond und Galadriel ( Herr der Ringe), Titania und Oberon ( Mittsommernachtstraum) oder auch Peter Pan verheißen Abenteuer und Lesevergnügen. Zugleich wird deutlich, wie jede Epoche ihre eigenen Feen und Elfen hervorgebracht hat - und in den sich wandelnden Vorstellungen vom Übernatürlichen erkennen wir die Ängste und Sehnsüchte der jeweiligen Zeiten bis in unsere Tage.

Matthias Egeler ist Inhaber einer Heisenberg-Stelle am Institut für Nordische Philologie der Ludwig-Maximilians-Univerität München.

1. Einleitung: Zugangsweisen zu Elfen und Feen


In einem abgelegenen isländischen Bergtal stürzt ein kleiner Fluss über den Wasserfall Goðafoss in ein tiefblaues Tosbecken. Der lokalen Sage nach soll einst, nach der Bekehrung der Insel zum Christentum im Jahr 1000, der Besitzer des dortigen Bauernhofs die Statuen seiner Götter in diesem Wasserfall versenkt haben; davon trägt er bis heute den Namen Goðafoss, «Wasserfall der Götter». Ein wenig flussabwärts des Wasserfalls liegt ein geothermales Feld, wo die Hitze des isländischen Vulkanismus bis unmittelbar an die Oberfläche reicht und in Form einer Kette warmer Quellen ans Tageslicht sprudelt. Anders als in vielen isländischen Geothermalfeldern befindet sich dort keine Wüste aus kochendem Schlamm, sondern eine leuchtend grüne Wiese mit einem Meer bunter Blumen und Kräuter: die milde Wärme des Bodens hält den Frost fern und lässt auf einigen Hundert Quadratmetern eine ganz andere, viel reichere Vegetation aufblühen als im Rest des Tals. Mitten in dieser Blumenwiese ragen die grauen, verwitterten Ruinen eines Betongebäudes auf. Die Mauern dieses Gebäudes sind um gut anderthalb Meter gegen seine Bodenplatte verschoben. Hier stand einst das Wohnhaus eines blühenden Anwesens. Aber es hieß, dass es auf einem Stück Land errichtet worden war, wo Elfen wohnten; an diesem Land hätte man sich nicht vergreifen dürfen. Der letzte Einödbauer in diesem Tal glaubte jedoch nicht an solche Ammenmärchen und baute ein neues Haus dort, wo die natürliche Erdwärme helfen würde, es während des langen isländischen Winters zu beheizen. Wenige Jahre später traf eine Schneelawine das Gebäude, schob es von seinen Fundamenten und tötete fast alle, die sich darin aufhielten. Die Rache der Elfen war der Tod einer Familie (Abb. 1).

Abb. 1: Die Ruinen des Bauernhauses nahe dem Wasserfall Goðafoss, das auf einer Wiese der Elfen errichtet und von einer Schneelawine zerstört wurde.

In einem anderen isländischen Tal stürzt ein Fluss über einen Wasserfall, der ebenfalls den Namen Goðafoss trägt. Auch dieser Wasserfall ist ein «Wasserfall der Götter», aber er führt mehr Wasser und hat eine Sage, die in der isländischen Geschichte eine weit bedeutendere Position einnimmt – dort soll genau jener isländische Häuptling seine Götterbilder versenkt haben, der dafür verantwortlich war, dass Island als Ganzes im Jahr 1000 die vorchristlichen Götter aufgab und den christlichen Gott als einzigen Gott annahm. Auch an dieser Stelle gibt es, zumindest in manchen Jahren, Elfen: an der spektakulären Flussklamm mit ihren senkrechten Felswänden befindet sich eine kleine Raststätte mit einem Souvenirladen, und wenn man Glück hat, findet man dort in den Verkaufsregalen ganze Bataillone kindlicher kleiner Elfenfiguren mit spitzen Ohren, Blumen in den Händen und Blüten als Mützen auf dem Kopf. Solche kleinen Blumenfeen sind in Island heute fest etabliert, und wer die Insel bereist, wird ihnen immer wieder begegnen.

Wie kommt man von den tödlichen Elfen am einen Goðafoss zu den niedlichen, fast kitschig anmutenden Blumenfeen, die am anderen verkauft werden? Immer wieder trifft man im heutigen Island Varianten beider Formen von Elfen – sei es auf der Beschilderung von Wanderpfaden, auf Landkarten, in den Büchern isländischer Seherinnen und «Medien» oder in historischen Archiven. Dabei liegt zwischen diesen zwei so zutiefst unterschiedlichen Gruppen von Elfen, die heute nebeneinander existieren, eine ganze kleine Kulturgeschichte ihrer Spezies. Das vorliegende Buch wird genau diese Geschichte erzählen.

Die Entwicklungen, die diese beiden Formen von Elfen voneinander trennen, sind dieselben, die die Grundlinien der Kulturgeschichte von Elfen und Feen in Europa im Allgemeinen bilden. Da Island immer in den europäischen Kontext eingebunden war, braucht es einen Querschnitt durch die Kulturgeschichte von Elfen und Feen insgesamt, um die besondere isländische Situation wirklich zu erklären. Der große Bogen dieses Querschnitts beginnt und endet in Island; aber um von den rachsüchtigen Elfen des einen zu den Blumenfeen des anderen Tals zu gelangen, muss man den langen Entwicklungslinien der Kulturgeschichte von Elfen und Feen dort folgen, wo sie sich entfaltet und wo wesentliche Weichenstellungen stattgefunden haben: in Irland, Schottland, England und (gelegentlich) Deutschland und Nordamerika. Denn Elfen und Feen sind ihrem Wesen nach internationale Geschöpfe.

Wie international sie sind, zeigen schon die deutschen Wörter «Elfen» und «Feen»; keines der beiden ist im Deutschen besonders alt. Sie wurden erst im 18. Jahrhundert als Lehnwörter aufgenommen, das eine aus dem Englischen und das andere aus dem Französischen. Der Begriff «Fee» ist das französische Wort fée, da diese Wesen auch in französischen contes de fées («Feengeschichten», «Märchen») überaus beliebt waren und man bei der Übersetzung solcher Märchen den französischen Begriff einfach übernahm. Das Wort «Elf» ist eine Entlehnung des englischen elf, das durch Übersetzungen englischer Literatur (besonders von Shakespeares Sommernachtstraum) im Deutschen eingebürgert wurde. Den Brüdern Grimm, die im 19. Jahrhundert das bis dahin umfassendste Wörterbuch der deutschen Sprache erstellten, war diese Entlehnung zutiefst zuwider, so dass sie sich weigerten, das neue Wort «Elf»/​«Elfen» in ihr Wörterbuch aufzunehmen; stattdessen versuchten sie, auf der Grundlage mittelalterlicher Wörter, die zu diesem Zeitpunkt längst außer Gebrauch geraten waren, ein Kunstwort «Elb» zu etablieren. In ihrem Deutschen Wörterbuch setzten sie kurzerhand dieses neue Wort als Lemma ein und polemisierten gegen das englische Fremdwort «Elf» (1859):[1]

elb, m. genius […] habe ich statt des unhochdeutschen elf hergestellt, welches man, des eignen wortes uneingedenk, ohne überlegung, dem engl. elf nachgebildet hatte; elf klingt in unsrer sprache so, als wollten wir kalf, half anstatt kalb, halb sagen […] heutige schriftsteller setzen ohne weiteres im sg. elfe, pl. elfen an […].

Trotz des Abscheus der Grimms hat sich der englische Begriff jedoch durchgesetzt: das Grimm’sche Kunstwort «Elben» wird bis heute nur relativ selten verwendet, und oft nur dann, wenn ein Text besonders archaisch klingen soll. In der Alltagssprache verwendet das Deutsche die englischen und französischen Begriffe. Elfen und Feen gehören im deutschsprachigen Raum nicht einem uralten «germanischen» Volksglauben an, sondern sie sind in gewissem Sinne eine invasive Spezies übernatürlicher Wesen; diese ist vor allem aus den immer schon bestehenden engen internationalen Austauschprozessen hervorgegangen, welche die europäische Kultur- und Religionsgeschichte geprägt haben wie vielleicht nichts sonst. Kultur- und Religionsgeschichte waren beide immer eine Geschichte von Kontakt und Austausch – dies gilt auch im Fall der Elfen und Feen.

Die Kulturgeschichte von Elfen und Feen ist ein internationales Phänomen mit einer Vielzahl von Seitenzweigen und Verästelungen, das immer wieder neue Wendungen genommen hat, von denen manche später ganz unerwartete Folgen zeitigen sollten, während andere im Sand verliefen. Ein kleines Buch wie das hier vorliegende kann nicht alle diese Zweige verfolgen; dafür bräuchte es eine ganze Bibliothek. Wie die Literaturwissenschaftlerin Diane Purkiss festgestellt hat: die Bevölkerung des Feenreichs ist längst zu groß geworden, um alle seine Wesen in einem Band zu behandeln.[2] In diesem Buch biete ich daher nur eine erste Einführung und skizziere einige der wichtigsten Grundlinien der Kulturgeschichte von Elfen und Feen; im Anhang enthält es ferner Leseempfehlungen mit weiterführender Literatur, die es erlauben, in das Thema tiefer einzutauchen.

Die folgenden Kapitel sind in gewissem Sinne hufeisenförmig organisiert und versuchen damit einen Kompromiss zwischen einer historischen und einer typologischen Ordnung: sie folgen in ihrem großen Bogen einer Sequenz historischer Entwicklungen, aber dabei versuche ich zugleich, die Typen herauszuarbeiten, die sich an bestimmten historischen Punkten mit besonderer Deutlichkeit herausgebildet haben und seitdem in der Kulturgeschichte von Elfen und Feen nachhallen.

Das Buch beginnt im traditionellen, ländlichen Island, wo Elfen oder álfar seit der ersten Besiedlung Islands ab dem neunten Jahrhundert präsent sind. Island wurde...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2024
Reihe/Serie Beck Paperback
Beck Paperback
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Anderwelt • Artus-Sagen • Blumenelfen • Elfen • England • Erla Stefánsdóttir • Feen • Harry Potter • Hexenwahn • Irland • Island • J.K. Rowling • J.R.R. Tolkien • Literatur • Literaturgeschichte • Mitteleuropa • Peter Pan • Schottland • Sir Arthur Conan Doyle • Sommernachtstraum • Wunderwesen
ISBN-10 3-406-81367-4 / 3406813674
ISBN-13 978-3-406-81367-2 / 9783406813672
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