Hannibals Schatten (eBook)
481 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-6982-3 (ISBN)
O. Nevart war Soldat, arbeitete auf Intensivstationen und als Internationaler Produktmanager. Heute arbeitet er als freiberuflicher Unternehmensberater. Für diesen Roman verbindet O. Nevart seine langjährige Kenntnis des Mittelmeerraumes und seiner Menschen mit der Leidenschaft für Politik, Philosophie und Geschichte. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.
O. Nevart war Soldat, arbeitete auf Intensivstationen und als Internationaler Produktmanager. Heute arbeitet er als freiberuflicher Unternehmensberater. Für diesen Roman verbindet O. Nevart seine langjährige Kenntnis des Mittelmeerraumes und seiner Menschen mit der Leidenschaft für Politik, Philosophie und Geschichte. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.
Kapitel I
Alexandria, Großer Hafen, einen Monat später
Als Claudius das Deck verlässt, blendet ihn das Sonnenlicht für einen kurzen Moment, zwei junge Legionäre vor ihm auf dem Fallreep können nach der langen Seereise ihre Schritte nur mit Mühe koordinieren.
„Endlich wieder Land unter den Füßen“, sagt der eine Legionär zum anderen und beide lächeln sich an. Doch ihre Freude währt nur kurz.
„Schwingt die Hufe, Männer!“, ruft ihr Vorgesetzter, der unten auf sie wartet. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“
Erschrocken weicht das Lächeln aus ihren Gesichtern und mit kurzen, schnellen Schritten gehen sie weiter.
Als der Dekurio Claudius sieht, nickt er kurz und Claudius erwidert den Gruß wortlos.
Einen Wimpernschlag später treibt der Dekurio die anderen Legionäre, die gerade von Bord gehen, erneut zur Eile an. „Nicht einschlafen, Männer! In zehn Minuten antreten!“, brüllt er.
Claudius blickt zum Kai. Auf der gegenüberliegenden Seite wird gerade eine Galeere zum Ablegen bereitgemacht. Viele Soldaten, Sklaven, Reisende und Händler laufen geschäftig umher, sprechen miteinander, gestikulieren oder schleppen ihre Waren. Die Luft ist staubig, die Sonne steht tief und blendet Claudius erneut. Er schnallt sich sein Marschgepäck um und geht auf die Hafenkommandantur zu. Schon nach wenigen Schritten ist er einer von hunderten Menschen auf der Mole.
Vor ihm streiten sich zwei große Möwen kreischend um ein Stück Fladenbrot. Wie aus dem Nichts stürzt eine dritte Möwe vom Himmel, größer als die anderen, entreißt ihnen den Streitgegenstand und verschwindet so schnell, wie sie gekommen war. Als Claudius nur noch drei Schritte von den überrumpelten Vögeln entfernt ist, fliegen auch sie davon. Er bleibt stehen und sieht ihnen nach. Dann geht er weiter.
Vor dem Gebäude des Hafenkommandanten stehen mehrere Schreibpulte, an denen sich ankommende und abfahrende Soldaten beim Diensthabenden an- und abmelden müssen. Als Claudius an der Reihe ist, sagt er: „Ich heiße Claudius Babillus. Für mich wurde eine Nachricht hinterlassen.“
Der Legionär nickt kurz. „Ich muss nachsehen, Claudius.“
„Natürlich, Soldat.“
Kurze Zeit später kommt der Legionär mit einem versiegelten Papyrus aus der Kommandantur zurück. „Was ist das Erkennungszeichen, Herr?“
„Venus.“
Wieder nickt der Legionär und gibt Claudius den Papyrus.
„Danke Soldat, Salve“, sagt Claudius und der Legionär grüßt knapp.
Claudius trägt seinen Namen in die Liste der ankommenden Soldaten ein, die vor ihm liegt. Er bricht das Siegel des Papyrus und liest die Nachricht.
Dann geht er in einen der Ställe. Er übergibt den Papyrus dem Stallmeister und kurz darauf verlässt Claudius auf einem Pferd den Militärhafen und reitet in Richtung Innenstadt. Claudius hatte den Stallmeister nach dem Namen des Pferdes gefragt, aber der hatte nur mit den Schultern gezuckt.
Nicht das geschäftige Treiben der Menschen hat sich im Vergleich zu seinem letzten Aufenthalt in der Stadt verändert; doch mehr Gebäude im römischen Stil säumen jetzt die Straßen. Bald wird das Gedränge vor und hinter ihm so dicht, dass Claudius absitzt und zu Fuß weitergeht. Er ist nicht in Eile.
Claudius will die Zügel kürzer nehmen, aber das Pferd weist ihn mit einer kurzen Kopfbewegung und einem Blick darauf hin, dass das nicht nötig ist. Schon auf dem Weg in die Stadt hatte er gespürt, wie gut das Pferd ausgebildet ist. Der Hengst beherrscht die Gangarten kraftvoll und folgt den Hilfen des Reiters aufmerksam und konzentriert. Jetzt, inmitten der Menschenmenge, zeigt das Pferd wieder die nötige Gelassenheit.
Alexandria ist ein Schmelztiegel von Menschen aus allen Teilen des Römischen Reiches. Die Römer sind die mehr oder weniger akzeptierten Besatzer. Aber ein Reisender, egal woher er kommt, kann nie sicher sein, dass er mit jeder seiner Handlungen jedem Menschen, der ihm auf der Straße begegnet, gerecht wird. In Alexandria kann eine kleine Unachtsamkeit eines Einzelnen ein ganzes Stadtviertel tagelang in Aufruhr versetzen. Claudius geht links, auf Kopfhöhe des Pferdes, und lobt es für seine Disziplin.
„Ich werde Dich Haleb nennen.“ Das Pferd ist damit einverstanden, und kurz darauf erreichen sie Claudius‘ Ziel.
Im Hof des Gasthauses übergibt Claudius das Pferd einem Stallknecht, der es versorgen soll, und geht dann zum Wirt. Es dauert einen Moment, bis der Wirt Claudius erkennt. „Friede sei mit Dir, Claudius“, sagt der Wirt auf Griechisch und lächelt, „es ist unglaublich, wie schnell die Jahreszeiten vergehen.“
„Und der Friede sei mit Dir, Kaleb“, antwortet Claudius in Kalebs Sprache, „es ist wahr. Die Zeit flieht.“
„Deine Zimmer sind bereit, Claudius. Bitte folge mir.“ Claudius nickt freundlich. Kaleb tritt hinter dem Tresen hervor und führt Claudius zu einem der Seitenflügel des Gasthauses.
Vor der einzigen Tür steht ein Diener. „Nabih wird Dir zu Diensten sein, Claudius.“ Der Diener nickt kurz. Kaleb öffnet die Tür und geht voraus.
Claudius sieht sich um. Der Arbeitsraum und der Schlafraum sehen so aus, wie er sie in Erinnerung hat. Im Ankleidezimmer liegen Kleider für verschiedene Anlässe, Wäsche und ein kleiner Hausschrein für die Kulte. Die Fensterläden sind halb geöffnet und die späte Morgensonne spendet ein angenehmes Licht. Der Badebereich ist neu, frische Kräuter verbreiten wohltuende Düfte, die Utensilien für die Körperpflege liegen bereit. Küche und Essbereich wirken sauber und aufgeräumt, Speisekammern und Vorratsräume sind gut gefüllt.
„Wir erwarten noch weitere Kandidatinnen für die Hauswirtschaft, Claudius. Nabih war mit den Ersten nicht zufrieden.“
Claudius sieht die Männer an. „Sehr gut, ich vertraue Eurer Wahl.“
Kaleb und Nabih nicken. „Du wirst Dich sicher erfrischen und ein wenig ausruhen wollen, Claudius“, sagt Kaleb, „ich werde einen Imbiss vorbereiten lassen.“
„Treffen wir uns in einer Stunde wieder hier?“, fragt Claudius.
„Ja, Claudius“, sagen sie und verlassen Claudius‘ Zimmer.
Im Ankleidebereich legt Claudius seine Waffen, seine Rüstung, seine Stiefel und sein Untergewand ab und geht in den Badebereich. Er wäscht sich gründlich. Dann zieht er eine Tunika an und wählt ein Paar leichte Sandalen. Im Arbeitszimmer öffnet er die Fensterläden und schaut in den kleinen Garten. Alles ist so, wie es sein soll, denkt er. Kaleb und Nabih kommen zur verabredeten Zeit. Der Duft von frischem Fladenbrot, gebratenem Huhn und eingelegtem Gemüse erfüllt den Ess- und Küchenbereich.
„Und, wo hast Du gedient, Nabih?“, fragt Claudius den Diener.
„In der Kyrenaika, Legat, unter Marcus Domitius.“
Claudius nickt. „Sehr gut, bitte sprich mich nur mit meinem Vornamen an, Nabih.“
„Ja, Claudius.“
„Dein Brief hat uns vor vier Tagen erreicht, Claudius“, sagt Kaleb und fragt: „Was können wir für Dich tun?“
„Der Kaiser hat Nachrichten aus Alexandria erhalten, die ihn beunruhigen.“
„Ist das alles, Claudius? Mehr nicht?“, fragt Kaleb erstaunt.
Claudius nickt.
Kalebs Gesicht bleibt erstaunt. „Die Stimmung in der Stadt ist ruhig, Claudius. Die Ernte für Rom ist gut ausgefallen, die Menschen besuchen die Tempel und Gebetshäuser, sie zeugen fleißig Untertanen und gehen ihren Geschäften nach. Was könnte den Kaiser beunruhigen?“
„Vielleicht diese Ruhe, Kaleb“, sagt Claudius, „ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“
„Wie willst Du vorgehen?“
„Wir brauchen ein oder zwei sehr zuverlässige Informanten, Kaleb. Am besten aus dem Umfeld des Praefekten und der Stadtverwaltung. Nicht zu hoch angesiedelt und doch nah am Geschehen.“
Kaleb überlegt. „Vor drei Wochen ist eine Gruppe junger Ritter aus Rom in die Stadt gekommen. Sie sollen hier an ihre künftigen Aufgaben herangeführt werden. Ich werde sehen, was ich tun kann, Claudius.“
„Sehr gut, danke Kaleb.“
Sie stehen auf und räumen das Geschirr und Besteck in den Küchenbereich. Kaleb und Nabih verabschieden sich und gehen in Kalebs Arbeitsbereich.
Claudius geht in die Speisekammer und nimmt eine Karotte. Damit geht er in den Stall zu seinem Pferd. Haleb schnaubt, als er Claudius erkennt. Claudius streichelt ihm über die Mähne und gibt ihm eine halbe Karotte. Der Stallbursche kommt auf sie zu.
„Wie heißt Du?“, fragt Claudius.
„Sineith, Herr.“
„Du solltest Haleb heute Nachmittag ein wenig bewegen, Sineith, und nenn mich bitte Claudius.“
„Ja, Herr“, sagt Sineith, „er ist ein gutes Pferd.“ Claudius lächelt freundlich und gibt Haleb die andere Hälfte der Karotte.
„Danke, Sineith“, sagt Claudius und gibt ihm einen Obolus. Sineiths Augen leuchten. Dann geht Claudius durch die Tür des Gasthauses in Richtung Stadtzentrum.
Anders als in Rom sind die Straßen Alexandrias in einem quadratischen oder rechteckigen Raster angelegt, was Einheimischen und Fremden die Orientierung erleichtert. In den Zwischenräumen befinden sich die Gebäude.
Claudius denkt, dass die Straßen sich gerade von den Menschen, den Karren, den Zugtieren des Vormittags erholen und sich längst auf den Ansturm des späten Nachmittags vorbereiten. Schon bei seinem ersten Aufenthalt hatte Claudius gespürt, dass die Straßen der Stadt vom Rhythmus der Menschen geprägt waren. Morgens strömen sie zu den Häfen im Norden oder in die Neubaugebiete am Stadtrand, am frühen Abend kehren sie in umgekehrter Richtung in die Wohnviertel zurück. Von diesen Zyklen leben die...
Erscheint lt. Verlag | 10.1.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Extremismus • Globalisierung • Intoleranz • Netzwerk • Radikalisierung • Römisches-Reich • Umsturz • Unterwanderung • Verschwörung • Widerstand |
ISBN-10 | 3-7565-6982-9 / 3756569829 |
ISBN-13 | 978-3-7565-6982-3 / 9783756569823 |
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