Perry Rhodan 3280: Die knöcherne Stadt (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-6280-9 (ISBN)
1.
Von Transrezeptoren und Imkerhüten
»Elendes Chaos«, wisperte Gucky der Xenotechnik-Spezialistin Jamelle Halloran zu. »Wie soll ein armer Multimutant wie ich da bloß den Überblick behalten, um uns allen den Hintern zu retten?«
»Immer eins nach dem anderen, Gucky«, sagte Jamelle. »Immer eins nach dem anderen.« Ihr Tonfall klang leicht beschwörend, oder so, als sagte sie ein Mantra für sich selbst auf. Und tatsächlich kam es ein drittes Mal: »Immer eins nach dem anderen.«
Illustration: Swen Papenbrock
Eben hatten sie noch kämpfen müssen; die Vrochonen und ihre Stabroboter hatten Gucky, Jamelle Halloran und den Haluter Bouner Haad angegriffen. Dann war dieses holografische Etwas aufgetaucht, die dreidimensionale Würfelprojektion eines vierdimensionalen Tesserakts. Ein fremdes Wesen war in dem Gebilde materialisiert. Und dieser Neuankömmling wurde von Sekunde zu Sekunde stofflicher, realer, im körperlichen Sinn greifbarer, ebenso wie das Gestänge des Würfels rund um ihn.
Im Groben war das Wesen humanoid, mit leicht transparenter Haut, durch die sich Adern, Knochen und Organe abzeichneten; der Oberkörper blieb gänzlich unverhüllt, über den Beinen gab es eine Art Kleidung, allerdings war diese ebenfalls durchsichtig.
Der Fremde hatte sich als Shandasar Parpandum vorgestellt – ein Tasspare, der die Funktion eines Kundschafters der Kosmokarawane SHARIKAL erfüllte. Die wiederum eine Wegbegleiterin der Vagantin NADALEE sei und gekommen, um ES zu retten.
Das waren viele Informationen in wenigen Worten gewesen – nicht, dass Gucky damit irgendetwas anfangen konnte. So kosmisch das alles klang, es konnte ebenso gut das Gebrabbel eines Hochstaplers oder Wahnsinnigen sein.
Eines jedoch ging dem Mausbiber nicht aus dem Sinn. Der Tasspare und seine Kosmokarawane wollten ES retten?
Vor wem?
Und wie?
Es gab eine Menge Fragen zu klären. Aber wie hatte Jamelle es so schön ausgedrückt? Immer eins nach dem anderen.
Gerade wollte Gucky das Wort ergreifen, als Shandasar Parpandum aus dem Würfelgebilde trat. Die dicken, goldenen Stangen ließen ausreichend Platz. Sobald beide Füße auf dem Boden außerhalb standen, sagte der Tasspare: »Ich bitte darum, die Integrität des Transrezeptors zu respektieren.«
Klar, dachte Gucky. Noch ein neuer Begriff. »Du redest von ... dem da?«, fragte er und deutete auf das Würfelgestänge.
Shandasar Parpandum wandte sich ihm zu, kam einen Schritt näher, beugte leicht die Knie und den Oberkörper. Dabei ertönte ein leises Klingeln; es kam von verhornten Hautschuppen, die den Schulterbereich verdeckten. Auf dem unbehaarten Kopf saß ein eigenartiger Hut; ein breitkrempiges Etwas, von dem ein Netz baumelte. Es weckte in Gucky die Assoziation an einen Imkerhut, wie er ihn von Terra kannte.
Mit Perry Rhodans Sohn Michael, als dieser noch ein Junge war, hatte Gucky etwa zwei Jahre lang geimkert – Michael war ganz verrückt nach Bienen gewesen. Und erst recht auf den Honig. Löwenzahn, erinnerte sich der Mausbiber mit einem Stich von Wehmut, der in dieser Situation gänzlich unpassend war. Mike hat am liebsten den Löwenzahnhonig gegessen.
Als sich Parpandums Kopf nur noch knapp oberhalb von demjenigen des Mausbibers befand, blinzelte der Tasspare. Die großen Augen hatten goldene Iriden. Die Nase war flach, die Lippen violett. Ein biologisches Band zog sich um den Schädel, Gucky vermutete, dass es den Ohren entsprach.
»Das da«, sagte Shandasar Parpandum und äffte dabei Guckys flapsigen Tonfall nach, »ist der Transrezeptor, ja. Seine Funktion ist offensichtlich, nicht wahr? Und bitte, respektiert ihn. Ihr alle!«
Bei den letzten Worten richtete er sich wieder auf, der Blick huschte durch den Raum, ging rasch über Guckys beide Begleiter hinweg und blieb bei den Vrochonen hängen. »Keine Gewalt, bitte. Keine ... Schüsse.«
So angenehm seine Stimme klang, das letzte Wort wirkte angewidert. Er hob die rechte Hand; sie hatte sechs Finger, wobei die beiden äußeren als Daumen ausgebildet waren. Damit tippte er die Krempe des Imkerhuts an und strich darüber. Es sah gedankenverloren aus.
Die Vrochonen verharrten still, ihre Stabroboter ebenso. Ob sie sich wohl dasselbe fragten wie Gucky – nämlich, ob die Worte, so höflich sie formuliert waren, eigentlich eine Warnung darstellten, sich der Maschine besser nicht zu nähern, weil sie sich zu wehren wusste? Oder überinterpretierte Gucky es? Der Tasspare konnte ebenso gut bluffen. Womöglich gehörten derlei Äußerungen auch lediglich zum Brauchtum seines Volkes.
Gucky versuchte, die Gedanken des Fremden zu lesen. Im ersten Augenblick meinte er, es würde gelingen, völlig unkompliziert und unproblematisch, aber er irrte sich. Da war etwas, das er hatte sehen können, doch sobald er sich darauf konzentrierte, verschwand es wie hinter dichtem Nebel. Gucky war quasi blind. Und Nebel, das wurde ihm rasch klar, war nicht der passende Vergleich.
Erneut wagte er einen Versuch und fand diesmal von vorneherein nichts. Seine Erfahrung lehrte ihn, dass der Neuankömmling nicht mentalstabilisiert war, denn das hätte sich vertraut angefühlt. Damit ging er tagtäglich um. Der Mausbiber konnte es nicht konkret benennen, aber er zweifelte keine Sekunde daran, dass es eine andere Ursache gab. Etwas, das er so noch nie erlebt hatte.
Er lenkte seine Aufmerksamkeit weg und blitzartig wieder zurück.
Kein Nebel – ja, das war die falsche Assoziation. Ein Netz fing seine tastenden Psi-Kräfte ab ... ein dichtes Imkernetz.
Der Hut!
Das Bewusstsein des Tassparen war mit dem eigenartigen Hut verschränkt und dadurch vor einem telepathischen Zugriff geschützt.
Ob Shandasar Parpandum aufgefallen war, was Gucky versucht hatte? Jedenfalls zeigte der Fremde keinerlei Reaktion.
»Ich möchte mit dir reden«, erklang eine harte, befehlsgewohnte Stimme. Der Mausbiber erkannte sie sofort. Protoch war in den Raum gekommen, der Anführer der hiesigen Vrochonen.
Und damit, das war Gucky augenblicklich klar, verkomplizierte sich die Lage noch weiter.
*
Gucky, Jamelle Halloran und Bouner Haad befanden sich auf der Eiswelt Amboriand in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte. Sie verfolgten die Spur eines Fragments der Superintelligenz ES – und das hatte sie in einen uralten, bislang verschollenen Posbiraumer verschlagen, der tief im Eis des Planeten begraben lag. In der BOX-11 hatten sie zuletzt einen Sextadimsender zerstört, ehe der Tesserakt mit dem Tassparen aufgetaucht war. Aber Gucky und seine beiden Begleiter waren nicht allein in das Schiff vorgedrungen. Einer ihrer Hauptgegner vor Ort war Protoch, der soeben mit einigen anderen Vrochonen und weiteren Kampfrobotern die Halle betrat.
Protoch ignorierte Gucky und die anderen. Er ging zu Shandasar Parpandum. Für einen Vrochonen war er mit knapp anderthalb Meter ungewöhnlich groß. Wie alle seiner Art war er ein dünner, fast knochiger Humanoide; die Augen dunkel, die Hände sechsfingrig.
»Ich heiße dich in dieser Galaxis willkommen, edler Tasspare«, sagte er. »Auch deine Kosmokarawane wird willkommen sein. Ich bin Protoch, ein Vrochone. Mein Volk zählt sich zum großen Wohltäter Kmossen, dem in den Schatten. Ich bin über deine Ankunft erfreut. Du hast erwähnt, dass deine Karawane hier ist, um ES zu retten. Das ist auch unser Anliegen – und darum bekämpfen wir die Feinde von ES, die Terraner und ihre Verbündeten.« Beiläufig wies er mit den knochigen Fingern in Richtung von Gucky und seinen beiden Begleitern. »Deine Ankunft hat einen solchen Kampf dankenswerterweise unterbrochen.«
Der Mausbiber wechselte einen schnellen Blick mit Bouner Haad. »Wir warten ab«, schlug dieser mit erstaunlich leiser Stimme vor – ein Haluterflüstern, wie man es selten hörte.
Gucky klopfte unruhig mit dem Schwanz auf den Boden, widersprach jedoch nicht. Zwar drängte es ihn, Protochs Lügen richtigzustellen, aber es konnte sich als klug erweisen, zunächst Shandasar Parpandums Reaktion abzuwarten und die allgemeine Entwicklung zu beobachten.
»Erzähl mir mehr über diese Feinde der Superintelligenz ES!«, forderte der Tasspare. Er ging die wenigen Schritte zurück zu dem Gestänge der Transportvorrichtung, die er als Transrezeptor bezeichnet hatte. Die zwölf goldenen Stangen, die die äußeren Kanten bildeten, waren Guckys Schätzung nach knapp vier Meter lang und armdick. Ob sich Parpandum dort wohl sicherer fühlte?
»Selbstverständlich«, sagte Protoch dienstbeflissen. »Die Terraner und ihre Verbündeten haben einen Stoßtrupp gegen ES gebildet – eine kleine, aber schlagkräftige, dabei strategisch gut geführte Streitmacht. Ihr Ziel ist die endgültige Vernichtung der Superintelligenz.«
Gucky wollte protestieren, doch ein Blick von Bouner Haad hielt ihn davon ab: Warten wir kurz ab. Das mochte stimmen – je klarer die Lügen auf dem Tisch lagen, umso deutlicher konnte man sie mit der Wahrheit zerstören.
»Diese Streitmacht«, fuhr Protoch fort, »hat sich selbst den Namen Club der Lichtträger gegeben.«
Nun hatten sie lange genug gewartet, entschied Gucky spontan, als der Zorn dank dieser neuen Frechheit überkochte. »Er lügt! Er verdreht die Dinge, indem er die Wahrheit auf den Kopf stellt. Der Club der Lichtträger ist ...«
»Arbeitet er etwa nicht gegen ES?«, fiel Protoch ihm ins Wort.
»Es ist eine Gruppe, die ...«
»Seid still!«, forderte Shandasar Parpandum. »Alle! Eines will ich klarstellen: Als...
Erscheint lt. Verlag | 27.6.2024 |
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Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage | Perry Rhodan-Erstauflage |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-6280-4 / 3845362804 |
ISBN-13 | 978-3-8453-6280-9 / 9783845362809 |
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