Bedrohliche Provence (eBook)
320 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491736-8 (ISBN)
Pierre Lagrange ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Autors, der bereits zahlreiche Krimis und Thriller veröffentlicht hat. In der Gegend von Avignon führte seine Mutter ein kleines Hotel auf einem alten Landgut, das berühmt für seine provenzalische Küche war. Vor dieser malerischen Kulisse lässt der Autor seinen liebenswerten Commissaire Albin Leclerc gemeinsam mit seinem Mops Tyson ermitteln.
Pierre Lagrange ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Autors, der bereits zahlreiche Krimis und Thriller veröffentlicht hat. In der Gegend von Avignon führte seine Mutter ein kleines Hotel auf einem alten Landgut, das berühmt für seine provenzalische Küche war. Vor dieser malerischen Kulisse lässt der Autor seinen liebenswerten Commissaire Albin Leclerc gemeinsam mit seinem Mops Tyson ermitteln.
Bedrohliche Provence bietet einen spannenden Fall und unterhält nebenbei mit dem Privatleben des Ermittlers.
›Bedrohliche Provence‹ von Pierre Lagrange legt man nicht aus der Hand. Suchtfaktor ist garantiert.
Prolog
Jede Sekunde, dachte Guy Dumas, brachte ihn dem Tode näher. Sterben, Leben – beides verlief gleichzeitig, ohne dass man etwas daran ändern konnte. Schon beim ersten Atemzug nach der Geburt drückte das Schicksal auf die Stoppuhr. Bei einigen Menschen erfolgte der zweite Klick früher, bei manchen später. Niemand wusste, wann er an der Reihe war und wie und wo er sterben würde. Zumindest nicht in der Regel.
Die Momente, in denen einem die Parallelität des Lebens und Sterbens bewusst wurde, waren sehr rar. Aber wenn sie kamen und einem die Endlichkeit vor Augen geführt wurde, dann traf es einen meist unvorbereitet. Die Erkenntnis kroch wie Gift durch die Poren. Sie griff mit ihren Spinnenfingern um das Herz und presste es langsam zusammen. Sie schob sich wie eine schwarze Wolke vor die Sonne, legte sich wie eine dunkle, nasse Decke auf die Seele.
So wie in dieser schwülen Nacht, in der Dumas ein weiteres Mal kein Auge zutun konnte. Schwer zu sagen, wie spät es war. Vielleicht drei oder vier Uhr in der Frühe.
Er lehnte schweißnass an der Mauer aus Lehm, um die herum der Käfig gebaut worden war, starrte in den Himmel voller Sterne, die er in den fast sechzig Jahren seines Lebens oft angeschaut hatte. Die anderen drei Geiseln lagen auf den Matratzen und schliefen tief und fest. Ein sanfter Wind raschelte in den Palmen, wehte Staub über die rote Erde und brachte den Geruch von Feuer und den würzigen Kräutern Afrikas durch den eng geflochtenen Maschendraht.
Links und rechts war das Rebellenlager mit improvisierten Wällen aus Wellblech, Schrott und darüber gespanntem Stacheldraht befestigt. An den Ecken gab es jeweils einen Wachturm mit Leitern und Holzpaletten, die als Podeste fungierten. Im Inneren des Forts standen Jeeps mit aufgebockten Maschinengewehren sowie ein olivgrüner Militär-Lkw von Renault, mit dem kürzlich Kisten französischer Famas-Sturmgewehre und Raketenwerfer geliefert worden waren, wie Guy Dumas in seinem Dauerzustand zwischen Lethargie und Agonie verfolgt hatte.
An einem der Jeeps lehnte ein Soldat der sogenannten Befreiungsarmee von Côte d’Ivoire unter Führung von Moussa Kanga, der sich Lord Kanga nennen ließ und über seiner Uniform meistens so viele Goldketten trug wie ein amerikanischer Rapper. In Kangas tiefschwarze Haut waren an den Wangen Muster geritzt worden, als er ein Junge gewesen war – Stammeszeichen, die sich zu dekorativen Narben entwickelt hatten.
Der Soldat steckte sich eine Zigarette an, die orangefarben aufglomm. Er trug ein Gewehr an einem Trageriemen und hatte offensichtlich die Nachtschicht im Camp aufgebrummt bekommen.
In den vergangenen Tagen hatte Dumas rund zwanzig Soldaten gezählt. Das Lager war klein und diente vermutlich vor allem zur Aufbewahrung der Geiseln – aktuell außer Dumas ein Ingenieur sowie zwei Banker, allesamt Franzosen. In den ersten Tagen hatten sie permanent davon gesprochen, dass sicherlich bald Lösegeld gezahlt werden würde und der Spuk vorbei wäre. Wenn ihr wüsstet, hatte Dumas gedacht. Je mehr Zeit verging, ohne dass etwas geschah, desto weniger war das Lösegeld Thema gewesen, sondern die Frage, wann es Wasser geben würde, denn die Sonne glühte brutal.
Aber, das musste man sagen: Es ging ihnen nicht schlecht. Die Soldaten der Befreiungsarmee kümmerten sich um sie. Es gab ausreichend Wasser und Nahrung, zwischendurch Traubenzucker, und den Ingenieur hatten sie mit Antibiotika vollgestopft, weil sich eine Kopfwunde entzündet hatte, die bei der Entführung entstanden war. Es könnte weitaus schlechter laufen, wusste Dumas. Bedeutend schlechter.
Dumas atmete tief ein und wieder aus. Er steckte den Zeigefinger unter den Metallreifen am Fußgelenk und kratzte sich die Haut. Wie die Tiere waren sie an diese Fußfesseln und mit Ketten an in der Wand eingelassenen Eisenringen festgemacht. Als ob einer von ihnen in der Lage wäre, das stabile Gitter aufzubrechen und fortzulaufen – vor allem: Wohin denn? Sie steckten mitten im Dschungel, wahrscheinlich im Grenzgebiet zu Mali, und sie hatten allesamt nicht den geringsten Schimmer, wie man sich da draußen durchschlagen sollte. Weglaufen wäre Selbstmord. Die einzige Überlebenschance, das hatte Dumas den anderen immer wieder eingebläut, war: Ruhe bewahren und abwarten, denn früher oder später würde mit Sicherheit irgendetwas geschehen.
Und als Dumas genauer in den nächtlichen Himmel sah, die Augen zusammenkniff und ein leises Grollen hörte wie das von einem knurrenden Tiger, dachte er: Seht ihr, ich habe recht gehabt. Er kannte den Klang. Die Rotoren eines schallgedämpften Hubschraubermotors, wie sie von Spezialkräften eingesetzt wurden.
Der Soldat kannte den Klang ebenfalls. Er schnippte die Zigarette fort, stieß sich von dem Auto ab und entsicherte das Famas. Er rief etwas, starrte nach oben. Im nächsten Moment tauchten zwei weitere Soldaten auf, die ebenfalls in den Himmel sahen und gestikulierten.
Eine Sekunde später gab es eine Explosion. Sie schleuderte das Wellblechtor, mit dem das Camp verschlossen war, aus den Angeln. Gleichzeitig seilten sich in Schwarz gekleidete Schatten von Stricken ab. Wie Spinnen. Sie waren wie aus dem Nichts über dem Camp erschienen und schossen aus der Luft auf die Soldaten, die wie aufgeschreckte Ameisen am Boden herumliefen.
Weitere Kämpfer tauchten aus dem Rauch der Explosion am Tor auf, drangen in das Camp ein, bewegten sich in Richtung der Zelte, warfen etwas herein – und kurz darauf gab es weitere ohrenbetäubende Explosionen.
Die drei anderen Geiseln waren längst erwacht und starrten mit Dumas in Richtung des Feuergefechtes, hielten sich die Hände schützend über die Köpfe.
Ebenso schnell, wie das Schießen begonnen hatte, endete es wieder und ging in Rufen und Schreien unter. Menschen lagen auf dem Boden, tot, verletzt, oder sie wurden gefesselt. Ein massiger Mann in Unterhosen wurde aus einem Zelt gezerrt und außer Sichtweite geschleppt. Er schimpfte laut in einer fremden Sprache. Das war Moussa Kanga, der offenbar festgenommen wurde.
Dann erschienen drei in Schwarz gekleidete Soldaten ohne Abzeichen auf den Uniformen vor dem Gitter von Dumas. Sie trugen Nachtsichtgeräte. Einer knackte mit einer Drahtschere das Schloss auf. Das Licht einer Taschenlampe blendete Dumas. Es leuchtete abwechselnd in die Gesichter der Gefangenen. Einer der Soldaten hatte ein Tablet dabei, verglich offensichtlich die Personen und fragte in tadellosem Französisch nach ihren Namen. Der mit der Drahtschere kappte die Ketten der anderen drei Geiseln. Sie wurden von behandschuhten Händen aus dem Käfig gezerrt, wimmerten dabei dankbar. Alles ging sehr schnell.
»Guy Dumas?«, fragte eine Stimme.
»Ja.«
Dumas kniff gegen das grelle Licht die Augen zu und machte sich bereit, dass seine Kette durchtrennt und er ebenfalls aus dem Käfig geholt werden würde.
Aber nichts dergleichen geschah.
Stattdessen nahm einer der Spezialkräfte seine Pistole und richtete sie auf Dumas’ Kopf.
Dumas’ Herz sackte ihm in die Hose. Er konnte nicht denken. Er verstand nicht, er begriff nicht, er …
Er hyperventilierte.
Ein anderer Soldat legte seine Hand auf den Arm des Kameraden und schüttelte mit dem Kopf.
»Aber wir haben den Befehl …«, sagte der mit der Pistole.
»Ich weiß«, erwiderte der andere. »Aber nicht unter meinem Kommando. Wir sind keine Auftragskiller. Ein Querschläger hat Guy Dumas getroffen und tödlich verletzt. Alles klar?«
»Zu Befehl«, erwiderte der mit der Waffe, steckte die Pistole wieder ein und war im nächsten Moment verschwunden.
»Viel Glück, Guy Dumas«, sagte der andere Soldat, holte mit dem Gewehrkolben aus und rammte ihn ihm gegen die Stirn.
Es fühlte sich an, als würde sein Gehirn in gleißenden Farben explodieren. Dumas kippte zurück, schnappte nach Luft. Sein Herz schien auszusetzen. Er blinzelte, sah erneut ein gleißendes Licht, wie vom Blitz einer Kamera, mit der ein Bild von ihm geschossen wurde.
Dann sah er gar nichts mehr.
Nur Schwärze.
Er tauchte wenig später wieder aus der Dunkelheit auf, rappelte sich auf und schrie: »He!«
Aber die Einsatzkräfte waren verschwunden. Er hörte das Jammern von Verwundeten, das Schimpfen von Gefesselten, die am Boden lagen. Sein Gesicht fühlte sich warm und nass an. In seinem Schädel dröhnte es.
»He!«, rief er erneut.
Dumas zitterte am ganzen Körper. Er trat mit den Füßen gegen das Gitter.
»He! Ihr könnt mich nicht … Nehmt mich mit!«
Doch nichts geschah.
»Hilfe! Holt mich hier raus! Kommt zurück!«
Erneut trat er gegen das Gitter. Dieses Mal mit beiden Füßen.
Alles rotierte. Sein Herz hämmerte in der Brust. Das Blut pumpte aus der klaffenden Kopfwunde.
Er sprang auf, warf sich mit Wucht gegen den Zaun. Die Kette an seinem Fußgelenk straffte sich.
Er stürzte.
»Hilfe«, flüsterte er. »Lasst mich nicht hier …« Sein Atem strich über den roten Staub. »Lasst mich nicht hier!«, brüllte Dumas aus voller Lunge. Speichel stob von seinen Lippen. »Kommt zurück! Kommt zurück!«
Da tauchte einer der afrikanischen Soldaten vor ihm auf. Seine Augen glühten wie Lava. Die Haut war nass vom Schweiß. Er atmete schwer und schnell, blutete aus einer Wunde an der Augenbraue.
»Du«, keuchte der Soldat. »Du! Bastard! Mach deine Rechnung mit deinem Gott!«
Er nahm sein Schnellfeuergewehr in Anschlag.
Dumas hielt die Hände schützend vor das Gesicht. »Nein«, wimmerte er. »Bitte …«
»Fahr zur Hölle!«
»Nein! Ich kann … Ich gebe dir alles,...
Erscheint lt. Verlag | 1.4.2024 |
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Reihe/Serie | Ein Fall für Commissaire Leclerc | Ein Fall für Commissaire Leclerc |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Carpentras • Commissaire Albin Leclerc • Frankreich • frankreich-krimi • Geschenk für Männer • Graf von Montecristo • Hund • Madame le Commissaire • Mops Tyson • Pierre Lagrange • Pierre Martin • Provence-Krimi • Provence-Kriminalromane • Spannende Literatur Französische Riviera • Urlaub • Urlaubskrimi |
ISBN-10 | 3-10-491736-1 / 3104917361 |
ISBN-13 | 978-3-10-491736-8 / 9783104917368 |
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