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Wir sind nicht hier, um Spaß zu haben (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
320 Seiten
btb Verlag
978-3-641-31034-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wir sind nicht hier, um Spaß zu haben - Nina Lykke
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»Ein weißer, frustrierter Mann dreht durch ... grell, witzig und weise erzählt.« Aftenposten
Knut ist ein Schriftsteller in mittleren Jahren, dessen erfolgreichste Publikation bereits zwei Jahrzehnte zurückliegt. Er fühlt sich seit langem erschöpft. In seinem aktuellen Romanentwurf versucht er, der sich hartnäckig haltenden Kritik, er sei nur ein weiterer Vertreter des alten weißen Mannes, etwas Signifikantes entgegenzusetzten. Sein Lektor ist allerdings wenig begeistert. Doch jetzt sieht Knut die Chance gekommen, sich endlich aus der Bedeutungslosigkeit zu befreien: Er ist zu einem renommierten Literaturfestival eingeladen - kurzfristig und als Ersatz. Zur Unterstützung plant er, seinen Freund und Nachbarn Frank mitzunehmen, der an gebrochenem Herzen leidet. Und Knut kann wirklich jeden Beistand brauchen. Seine Co-Redner*innen auf dem Podium sind der neue Ehemann seiner Ex-Frau und eine junge Schriftstellerin, die Knut mit der Schilderung eines Me-too-Moments in ihrem autofiktionalen Erfolgsroman bloßgestellt hat.

Nina Lykke zeichnet in ihrem neuen Roman ein scharf beobachtetes, höchst unterhaltsames Porträt einer Gesellschaft, in der alles erlaubt ist - solange man sich an die Regeln hält. Denn jetzt mal ehrlich: Wir sind nicht hier, um Spaß zu haben.

Nina Lykke, geboren 1965 in Trondheim, Norwegen wuchs in Oslo auf. Ihren Durchbruch als Schriftstellerin hatte Lykke mit ihrem Roman »Aufruhr in mittleren Jahren«, der in Norwegen eines der am meisten besprochenen Bücher des Jahres war. Für »Alles wird gut« wurde sie mit dem Bragepreis, dem wichtigsten norwegischen Literaturpreis ausgezeichnet. Der Roman stand monatelang auf der Bestsellerliste und ist in 15 Ländern erschienen.

2


»Ich glaube, da muss ich einfach dabei sein.«

Frank sitzt im Sessel, Knut auf dem Sofa, einen halben Barolo haben sie schon intus.

»Du willst mit nach Lillehammer?«

Frank, jetzt schon besser gelaunt, grinst.

»Ja, das kann ich mir doch nicht entgehen lassen.«

»Aber ich weiß ja noch gar nicht, ob ich selbst hinfahre. Ich habe mich noch nicht entschieden. Außerdem bin ich nur Ersatz.«

»Ersatz, wen interessiert das schon? Die Hauptsache ist, du bist eingeladen. Du sollst auf einer Bühne sitzen und über Gott und die Welt reden, und dafür kriegst du – wie viel noch mal?«

»Fünftausend Kronen.«

Frank lacht erneut.

»Mein Gott. Was seid ihr alle für verwöhnte Gockel.«

Zu Franks Dauerthemen gehört der Kulturbetrieb und alles, was dort vor sich geht. Er selbst vertritt die einfachen Leute und den kleinen Mann auf der Straße, woraufhin Knut in der Regel darauf verweist, dass Frank in teuren Klamotten dasitzt und Barolo trinkt und dass er, wenn er will, mit seinem Laptop nach Thailand fliegen und von dort aus arbeiten kann, und dann sagt Frank, das könne Knut im Prinzip auch, und außerdem seien guter Wein und teure Klamotten eine Frage der Prioritäten, denn Frank hat kein Auto und isst nur zwei Mahlzeiten am Tag und niemals Fleisch, woraufhin Knut antwortet, er selbst esse nur Knäckebrot mit Sardinen und Eiern, und ein Auto habe er nie besessen, es sei typisch für die Reichen, dass sie behaupten, es ginge um Prioritäten. Franks Replik darauf lautet wiederum, wenn Knut arm ist, dann sei das selbst gewählt, er bräuchte sich ja bloß eine Stelle zu suchen wie andere Leute auch, du könntest zum Beispiel im Seniorenheim anrufen. Aber wenn ich dort anfange zu arbeiten, fehlt mir die Kraft zum Schreiben, wendet Knut ein, woraufhin Frank die ganze Unterhaltung mit den Worten beendet: Schreiben? Das tust du doch sowieso nicht!

»Ich weiß nicht, ob ich mir ihre Visage antun kann«, sagt Knut. »Ich weiß nicht, wie ich darauf reagiere. Ich traue mir nicht.«

»Aber dann hätte sie ja gewonnen. Dann kriegt sie ihre Version bestätigt, denn dann kann die Tatsache, dass du nicht erscheinst, so gedeutet werden, dass du dich schämst, dass also wahr ist, was sie schreibt.«

»Und wenn ich hinfahre, kann es so gedeutet werden, als wäre ich genau der rücksichtslose Dreckskerl, als den sie mich beschreibt. Einer, der null Gespür für die Situation hat und deshalb glaubt, alles sei in bester Ordnung.«

»Du kannst doch so tun, als hättest du ihr Buch nicht gelesen, so wie du es immer machst, wenn dir ein Buch nicht gefällt.«

»Wäre das denn glaubwürdig? Alle haben doch ihre Bücher gelesen. Sogar du hast sie gelesen. Obwohl das, was sie schreibt, nichts als Klatsch und Tratsch aus dem Kulturbetrieb ist, hat sie es zumindest geschafft, Leute wieder zum Lesen zu animieren, das muss man ihr lassen.«

Frank antwortet nicht, aber seine Wangen sind gerötet, er kichert dauernd vor sich hin, und Knut will nach Hause. Doch dann stellt er sich vor, wie er allein durch seine Wohnung tigert, und bleibt sitzen.

»Vielleicht laden sie mich genau deswegen ein, um eine Schlägerei zu provozieren. Vielleicht wissen sie ganz genau, was sie tun. Was für blutrünstige Ärsche.«

Frank nickt.

»Stimmt schon. Es ist fantastisch zu sehen, wie sie alle dazu bringt, in der Öffentlichkeit zu springen und zu tanzen.«

»Fantastisch?! Eine Lügnerin von ihrem Kaliber wird mich nicht daran hindern, mich frei zu bewegen. Und ob ich hinfahre.«

»Und was willst du sagen, wenn du dort sitzt?« Frank beginnt zu glucksen. »Wenn das Thema lautet … was hast du noch mal gesagt? ›Untreue im Leben und in der Literatur‹?«

»Ich habe schon an vielen solchen Gesprächen teilgenommen, und man kann sich da durchlavieren, ohne großartig was zu sagen. Schalt einfach auf Autopilot, mit Floskeln und Binsenweisheiten. Lass die anderen reden.«

»Darauf stoßen wir an!«

Knut hebt das Glas.

»M ist bald wieder da.«

»Das glaube ich nicht.«

»Das sagst du jedes Mal.«

»Nein, dieses Mal ist es definitiv vorbei. Ich habe einfach keine Reserven mehr.«

»Auch das sagst du jedes Mal. Mit genau denselben Worten.«

»Du hast ihn verschreckt. Du kannst nicht so im Leben anderer Menschen herumwühlen, ohne dass es Konsequenzen hat.«

»Ihr habt euch seitdem unzählige Male getrennt und wieder zusammengefunden, das Argument kannst du dir also schenken. Ich habe lediglich versucht, ein Buch über ihn zu schreiben, aus dem nichts geworden ist, mehr nicht. Genau wie bei allen anderen Schreibversuchen der letzten Jahre. Hast du das vergessen? Und so sah es bei euch schon immer aus, lange bevor ich …«

»Schreib über Scheidungen und Untreue, wie auch immer. Schreib über Mittelschichtsuntreue in mittleren Jahren. Schreib, was du willst, aber denk dir selbst was aus. Wo du so gegen die sogenannte Wirklichkeitsliteratur bist, solltest du es besser wissen.«

»Ich habe alle Beteiligten anonymisiert.«

»Halt die Klappe.«

Frank nuschelt. Aber er sitzt in einem Sessel, der mindestens zehnmal so teuer ist wie irgendein Möbelstück, das Knut je besessen hat. Frank ist glattrasiert und hat etwas mit seinen Haaren gemacht, damit sie genau richtig liegen. Knuts dunkelblonde, aber zunehmend graue Haare stehen vom Kopf ab, als hätte er zwei Finger in die Steckdose gesteckt. Er sollte zum Friseur gehen, jetzt wo er unter Leute soll. In Grønland kann man sich für wenig Geld die Haare schneiden lassen. Knut schaut an sich herunter. Auf dem T-Shirt hat er einen gelben Fleck von den zwei weichgekochten Eiern, die er zu Mittag gegessen hat, denn obwohl er mit seiner Aufräum- und Sortierbesessenheit in mancherlei Hinsicht genau und pedantisch ist, ist er in anderer Hinsicht völlig nachlässig, und da er nicht länger mit jemandem zusammenwohnt, hat er auch niemanden, für den er sich täglich herrichten könnte. Er ist groß und schlaksig, hat in der letzten Zeit aber einen leichten Bauch bekommen. Über der Levis 501 in Größe 34, die er trägt, seit er als Sechzehnjähriger seine erste gekauft hat, hängt ein, wenn auch kleines, Speckröllchen. Vielleicht sollte er Franks Beispiel folgen und anfangen zu fasten. Das Problem ist nur, dass Fasten nervig und unangenehm ist, das weiß er, obwohl er es noch nicht ausprobiert hat, und auch Klamotten zu waschen und zu duschen, ist nervig. Jedes Mal, wenn er die Dusche aufdreht oder unten im Waschkeller steht und Kleidung in die alte Waschmaschine stopft, die er als Einziger im ganzen Haus noch benutzt, taucht die Frage auf: Was ist der Sinn des Ganzen, wenn ich es morgen schon wieder machen muss, oder in ein paar Tagen? Er muss sich immer wieder aufraffen, um gegen derlei Gedanken anzukämpfen, die sich einschleichen und alles, was er tut, herabwürdigen; so geht es nun schon, seit letzten Herbst das Buch der Wirklichkeitsbeschreiberin erschienen ist.

Aber er tut, was er kann. Er wäscht sich und hält sich aufrecht und versucht, in ganzen Sätzen zu reden. Hoch mit dir, sagt er zu sich, wenn er morgens aufwacht und ihn die übliche Schwermut niederdrücken will. Hoch mit dir.

Dann heißt es, die Kaffeemaschine anwerfen und alles in greifbarer Nähe haben. In einem Behältnis an der Wand hängen die Kaffeefilter, und auf der Küchenzeile steht die Dose mit dem guten schwedischen Kaffee, von dem er dreißig Kilo gekauft hat, als dieser im Angebot war. Er hat ausgerechnet, dass er es schafft, ihn vor Ablauf des Verfallsdatums aufzubrauchen. Derlei Tätigkeiten und Aufgaben können einen ganzen Tag ausfüllen. Billigen Kaffee, Knäckebrot, Käse auftreiben, und wenn er wieder zu Hause ist, alles an seinen Platz geräumt hat – ein Platz für alles und alles an seinem Platz – und sich endlich hinsetzen kann, um etwas zu schaffen, ist er so erschöpft von all den Geräuschen draußen in der Welt, den Gesichtern und Häusern und Autos, dass er sich kurz hinlegen muss, damit die Augen zur Ruhe kommen, sich seine alten, steifen Muskeln entspannen, und wenn er zwei Stunden später aufwacht, ist es zu spät, um noch etwas Vernünftiges zustande zu bringen, und dann geht er in der Regel in den Flur und klopft an Franks Tür.

Frank macht noch eine Flasche auf, und Knut redet über die Person, die er in Lillehammer treffen soll. Er erzählt die alte Geschichte, die Frank schon tausendmal gehört hat, weshalb Frank die Augen schließt und sicherlich auch die Ohren, und doch redet Knut weiter, denn er kann und will nicht aufhören. Sie sind zwei alte Kerle mit jeweils eigenem Refrain, und beide verspüren eine gewisse Linderung, wenn sie ihn anstimmen.

Franks Refrain handelt von M, dass entweder der ganze Quatsch ein Ende haben oder M seine Frau verlassen muss, die zugleich seine Cousine ist, sowie seine Eltern, mit denen er zusammenwohnt, sowie seine drei Kinder. Alle diese Menschen muss M auf Franks Geheiß hin verlassen, um stattdessen zu Frank in die Zweizimmerwohnung zu ziehen, sonst gibt es kein nächstes Mal, das kannst du knicken, schreit Frank, und Knut schreit A-MEN und Darauf stoßen wir an, aber sie wissen beide, dass nichts davon passieren wird. Was passieren wird, ist, dass Frank und M ihre heimliche On-off-Beziehung fortführen, in der M in regelmäßigen Abständen kalte Füße bekommt oder Frank sich entzieht, um von M eine Entscheidung zu erzwingen, sein Outing zu erzwingen, was in M nur noch mehr Panik und...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Übersetzer Sylvia Kall, Ina Kronenberger
Sprache deutsch
Original-Titel Vi er ikke her for å ha det morsomt
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Alles wird gut • cancel culture • eBooks • Literaturbetrieb • Neuerscheinung • Norwegen • norwegischer Literaturpreis • Roman • Romane • Sartire • Schweden
ISBN-10 3-641-31034-2 / 3641310342
ISBN-13 978-3-641-31034-9 / 9783641310349
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