Perry Rhodan 3274: Lichtung der Seligkeit (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-6274-8 (ISBN)
2.
Atarmoun stellte Rhodans Weltbild auf den Kopf. Die Heimat der Louwhanen glich keiner anderen Hauptwelt eines raumfahrenden Volkes, die der Terraner je gesehen hatte.
Eine fast naturbelassene Landschaft lag unter ihnen. Die STIFT-W glitt in großer Höhe über die Nordhalbkugel, passierte Ozeane, Tafelberge und dichte Wälder. Wellen brachen sich an elfenbeinfarbenen Klippen, vogelähnliche Geschöpfe kreisten an der Küste, nisteten in blau belaubten Küstenwäldern. Sie flogen Richtung Osten, dem Abend entgegen. Atarmoun rotierte im Uhrzeigersinn.
Am Horizont schob sich die Dämmerung in Sichtweite. Jenseits der Zwielichtzone erstreckte sich eine Gebirgskette. Dahinter herrschte Dunkelheit.
Antanas Lato stieß einen Pfiff aus. »Nicht ein einziges größeres Zivilisationszentrum weit und breit. Man sollte meinen, dass die nächtliche Planetenoberfläche von Lichtern und hell erleuchteten Städten gespickt ist. Aber dort drüben gibt es scheinbar nichts.«
»Ich staune über euren Mangel an Vorstellungskraft.« Ono Wolkenfahrt steuerte das Beiboot in eine tiefere Atmosphärenschicht und schwenkte nach Süden, hielt auf den Äquator zu.
Aus dem Mund eines Zwergandroiden hatte der Vorwurf der Phantasielosigkeit einen besonderen Stachel. Wesen seiner Art standen nicht gerade in dem Ruf, kreative Denker zu sein.
Rhodan schmunzelte. Der unberührte Eindruck täuschte, wie er und seine Begleiter wohl wussten. Diese Zivilisationszentren existierten. Sie unterschieden sich nur von dem, was sich ein Terraner oder Paddler darunter vorstellte. Die Sensoren erfassten den konstanten Energieausstoß von Kraftwerken. Eines der so angemessenen Gebiete befand sich voraus. Die STIFT-W war inzwischen auf eine Flughöhe von 18 Kilometern gesunken.
Zwei Minuten später geriet ein Louwhanenstock in Sichtweite.
»Wir sind da. Landanou, der größte Stock des Planeten.« Wolkenfahrt setzte zum Landeanflug an. Die Koordinaten, die Taschuir Kmossen übergeben hatte, wiesen ins Umland.
Dessen Anblick löste Staunen bei Rhodans Begleitern aus. Ein grünschwarz marmorierter Fleck überzog das Land, schmiegte sich an sanft geschwungene Hügel. Aus der Höhe sah Rhodan sich an eine gigantische Flechte erinnert. Er sprach den Gedanken aus.
»Der Vergleich ist passender, als du denkst!« Lato fokussierte die Außenansicht auf den Stock, vergrößerte sie.
Mit jeder Zoomstufe zeigten sich feinere Details. Landanou war nicht überall gleich dicht gewachsen, sondern bildete Strukturen unterschiedlicher Wolkigkeit. Zwischen den größten Ballungen schimmerte da und dort der Untergrund durch. Rhodan erkannte Lichtungen und Korridore, auf denen Gras wuchs und hasenähnliche Tiere ästen.
Auf dem höchsten Vergrößerungsgrad waren die einzelnen Truimous erkennbar. Die stockähnlichen Wesen – wenn man sie als solche bezeichnen mochte – wucherten teils aus dem Boden, teils aufeinander, umrankten und verkeilten sich ineinander. In den Ballungen standen sie mitunter so eng, dass keine Hand zwischen die einzelnen Exemplare gepasst hätte. Verwoben waren sie durch ein grünliches Gespinst haarfeiner Bout-Fäden. Von ihnen rührte die farbige Maserung her, die aus der Luft zu sehen war.
»Zweihundert mal hundertfünfzig Kilometer an der breitesten Ausdehnung!«, konstatierte Lato. »Und Landanou unterscheidet sich von jenen Exemplaren, die wir auf Glivfanau getroffen haben. Die sahen aus wie die riesenhaften, unsauber bearbeiteten Steine eines terranischen Legespiels.«
»Die dortigen Stöcke waren umweltangepasst.« Rhodan kannte inzwischen zwei Varianten dieser Gemeinschaftswesen. Neben den dominosteinartigen Individuen Glivfanaus existierten solche, die Korallenriffen ähnelten. Derartige Ableger hatten sie an Bord der TEZEMDIA erstmals entdeckt. Lato wusste das natürlich.
Landanou gehörte eindeutig zu der zweiten Variation. Womit klar zu sein schien, dass es sich dabei um die originale, unmanipulierte Daseinsform der Louwhanen handelte.
Ganz ohne Bauwerke und künstlich geschaffene Strukturen kam diese Zivilisation nicht aus, das verrieten schon die von Weitem angemessenen Kraftwerke. Für die Raumfahrt waren die Stöcke auf ihre Verbündeten und Hilfsvölker angewiesen – und diese benötigten selbstverständlich Unterkünfte, Verwaltungszentren, Infrastruktur. Wolkenfahrt steuerte einen Raumhafen in gut 25 Kilometer Entfernung südlich des Stocks an. Auf dem Landefeld ruhte die WERKSTATT – eine grau-schwarz gemusterte, berghohe Walze. Aus der Ferne wirkte sie kaum bedrohlich, doch die Vergrößerung ließ sie nah scheinen, als stünden sie direkt davor. Wie ein Riegel schirmte sie die Aussicht auf den dunkelnden Abendhimmel vor Rhodan ab.
Die Landekoordinaten, auf die sie sich einigten, lagen weit abseits des Hafens. Der Ortungsschutz bewahrte die STIFT-W vor einer Entdeckung, doch Wolkenfahrt weigerte sich, das Beiboot in die direkte Nähe von Kmossens Raumer zu bringen. Stattdessen legten sie sich auf eine kreisrunde Waldlichtung fest, die auf grob halber Strecke zwischen Raumhafen und Stock lag. Taschuirs Koordinaten wiesen in diese Richtung.
Den Anflug verbrachten sie schweigend.
Der Terraner betrachtete die farbigen Planen einer Zeltstadt, die sich auf der Lichtung erstreckte. Das Beiboot zog eine Schleife über sie hinweg, erlaubte einen guten Blick.
Auf Rhodan wirkte das Durcheinander chaotisch. Die Stadt war ein Sammelsurium unterschiedlichster Formen. Manche der Zelte waren spitzdächig und rund, wie altamerikanische Tipis. Andere ähnelten mongolischen Jurten. Es gab längliche Klötze, bauchige Fässer und am Boden liegende Planen, unter denen sich offenbar Erdgruben befanden. Einen besonderen Stil bevorzugten die Erbauer dieser Niederlassung nicht.
Auf einer baumlosen Flussaue unweit der Lichtung setzte die STIFT-W auf. Bis zur Siedlung war es zu Fuß ein Weg von einer halben Stunde. Zum Glück würden sie ihn nicht zu Fuß zurücklegen.
»Die Flugaggregate der Schutzanzüge schaffen die Strecke in ein paar Minuten.« Der Terraner kontrollierte den Sitz seines SERUNS – ein Routinehandgriff und im Grunde seit Jahrhunderten überflüssig. Moderne Anzüge waren intelligent genug, Alarm zu schlagen und sich selbstständig zu versiegeln, wenn die Umweltbedingungen für ihren Träger ungeeignet waren. Aber Gewohnheiten starben zuletzt. Das galt besonders für einen relativ Unsterblichen.
Zum Schluss prüfte Rhodan den Energieladestand des Mehrzweckarmbands. »Ich gehe davon aus, dass du entweder hierbleiben oder zur LEUCHTKRAFT aufbrechen wirst«, wandte er sich an Ono Wolkenfahrt. »Darum habe ich nur eine Bitte an dich, bevor wir dich verlassen. Wir brauchen Poquandar.«
»Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.« Wolkenfahrt wies über die Schulter, zum rückwärtigen Bereich der Kanzel. Dort schwebte der Truimou, eingesperrt in eine sogenannte Hyperstummkammer.
»Vor dem Aufbruch der STIFT-W hat die LEUCHTKRAFT eine kleine Medostation, an Bord erzeugt«, erinnerte der Zwergandroide. »Poquandar ruht dort in einem Kryostase-Tank. Ich rate, ihn dort zu belassen. Die Truimous und die Louwhanenstöcke stehen in Verbindung miteinander. Der Onquore könnte uns durch seinen Stab verraten, und wäre es unbewusst.«
»Schließe ich aus dem Wort ›uns‹, dass du mit dem Beiboot hier auf uns warten wirst?«
»Um eventuell einzugreifen, ja.« Wolkenfahrt desaktivierte die Steuerkontrollen und erhob sich aus dem Sitz. »Welchen Plan auch immer dein terranisches Hirn am Ende ausbrütet, es wird vermutlich auf eines der tollkühnen Manöver hinauslaufen, für die du berüchtigt bist. Ich sorge mich um das ES-Fragment.«
»Ich danke dir!« Rhodan beschloss, dem Zwergandroiden entgegenzukommen. Er würde nicht auf Poquandars Befreiung drängen – vorerst. Der Onquore, seine Verbindung zum Truimou – das waren Schlüsselelemente in der bevorstehenden Mission. Sicher begriff das auch der Pilot der STIFT-W. Wenn die Situation es erforderte, würde Rhodan ihn umstimmen.
Einstweilen war Wolkenfahrts Argumentation jedoch alles andere als dumm.
*
Vier Minuten später erreichten Rhodan, Lato und Kemur in Schutz ihrer Deflektorfelder die Lichtung. In 250 Metern Höhe zogen sie über ein Meer aus Zeltplanen hinweg. Stoffbahnen reihten sich in endloser Folge aneinander, in unzähligen Farben und Mustern. Vergeblich suchte der Terraner nach einem Zentralzelt, einer größeren oder auffälligen Struktur. Sie brauchten einen Anhaltspunkt, wo die Audienz stattfinden würde.
Nirgends entdeckte er etwas, das infrage kam. In ihrer Unterschiedlichkeit stach keines der provisorischen Bauwerke heraus. Das »Kraftwerk«, das sie aus der Ferne angemessen hatten, war in Wahrheit nicht mehr als ein kompakter Hochleistungsreaktor, um den sich Verteilerstationen erhoben. Mit Ausnahme einiger Hütten schienen es die einzigen fest errichteten Gebäude zu sein. Nicht identifizierbare, technische Anlagen rundeten das Stadtbild ab. Die Siedlung wirkte um sie herum gewachsen.
»Diese Stadt muss so etwas wie eine Lokalregierung haben. Aber ich erkenne weder ein Verwaltungszentrum noch eine sonstige Anlaufstelle für uns.« Lato überspielte einen Plan der Niederlassung, den er mithilfe seiner Anzugpositronik angefertigt hatte. »Falls es sie gibt, liegen sie wild im Stadtgebiet verstreut. Die Bewohner haben keinerlei Sinn für Effektivität, so viel steht fest.« Er lachte, obwohl er keinen Scherz gemacht hatte.
Rhodan und Lato trugen ihre SERUNS unter den leichten Überzügen, die sie vor ihrer Exkursion zur TEZEMDIA erhalten hatten. Kemur trug seinen über dem unvermeidlichen weißen Schutzanzug. Mit ihnen schützten...
Erscheint lt. Verlag | 16.5.2024 |
---|---|
Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage | Perry Rhodan-Erstauflage |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Erstauflage • Perry Rhodan • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-6274-X / 384536274X |
ISBN-13 | 978-3-8453-6274-8 / 9783845362748 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 2,7 MB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich