Perry Rhodan 3292: Auf der Spur des Wanderers (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-6292-2 (ISBN)
2.
Zuvor: Annäherung an die Vergangenheit
»Wie geht es dir, Perry?«, fragte Antanas Lato.
Ich wandte mich meinem Begleiter zu. Wir waren seit dem Aufbruch nach Spaphu einen weiten Weg zusammen gegangen, und der hoch aufgeschossene, dünne, geniale, eher scheue Hyperphysiker hatte eine erhebliche Entwicklung durchgemacht. Nicht nur was seine Beziehung zu Pflanzen anging.
Wobei ich nicht sagen will, dass unsere Erlebnisse an mir spurlos vorübergegangen wären. Auch ich hatte wieder eine Menge dazugelernt in dieser nahezu unendlich weit entfernten, so fremden und doch auch wieder vertrauten Riesengalaxis im kontrachronen Universum. Wir hatten Freunde gewonnen und ... zurückgelassen.
»Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ganz normal«, gestand ich. »In mir streiten sich die Gefühle.«
Ich mochte ein paar Tausend Jahre alt sein, aber ich war keineswegs abgebrüht; mir war nichts und niemand egal. Ganz im Gegenteil, aus dem Grund begab ich mich ja immer wieder in solche Ungewissheiten.
»Shema Ghessow«, sagte Antanas und nickte gedankenvoll. Der Gedanke an sie ging ihm wohl genauso wenig aus dem Kopf wie mir.
»Ich kann nur hoffen, dass die RAS TSCHUBAI sie abholt«, murmelte ich. »Falls sie überhaupt losgeschickt wurde.«
Wir hatten Shema in der Kondor-Galaxis zurückgelassen – zurücklassen müssen, als wir ins kontrachrone Universum aufgebrochen waren, weil sie dort trotz des Schutzes nicht hätte überleben können. Gewiss, die RA war bei ihr, und vielleicht schaffte diese auch den Rückweg. Aber nicht in Shemas natürlicher Lebensspanne.
Der Gedanke, dass sie deswegen vielleicht für immer in Spaphu festsaß, war nahezu unerträglich. Wenn es tatsächlich so käme, würde ich nach meiner Rückkehr alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zu holen.
»Wir lassen niemanden zurück«, fügte ich laut und grimmig zu meinem Gedankengang hinzu.
»Ich weiß«, sagte Antanas versöhnlich. »Ich kenne niemanden, der verantwortungsbewusster wäre als du, Perry. Deshalb gibt es auch keinen Grund, Shema aufzugeben. Wir werden einen Weg finden, sie zu holen, falls die RAS TSCHUBAI das nicht erledigt.« Er öffnete den Mund, um etwas hinzuzufügen, doch ich kam ihm zuvor.
»Derzeit haben wir keine Wahl, ich weiß.«
Deshalb musste ich mein schlechtes Gewissen hintanstellen und mich auf das konzentrieren, was vor uns lag. Und das war ungewiss genug.
*
DAN hatte uns geweckt, denn den Großteil der weiten Reise durch Zeit und Raum hatten wir in Kryostase verbracht. Nun würde sich herausstellen, ob der Bordrechner der LEUCHTKRAFT mit seinen Berechnungen richtiggelegen hatte.
Wir hatten uns durch den anderen Zeitverlauf weit in die Vergangenheit zurücktragen lassen, bevor wir das kontrachrone Universum verließen und die Milchstraße ansteuerten.
Wir, das waren neben mir noch der Hyperphysiker Antanas Lato und die beiden Maghane Soynte Abil und Vetris-Molaud. Die Maghane hatten Antanas und ich während unserer gelegentlichen Wachphasen kaum zu Gesicht bekommen. Wie zu erwarten war – und das war mir nur recht –, sonderten sie sich von uns ab, spielten ihr seltsames Spiel namens Sota, dessen Regeln niemand verstand, und schmiedeten Pläne für das ES-Fragment, die völlig im Gegensatz zu unserem Auftrag standen.
»Die gute Nachricht ist«, sagte Antanas, der inzwischen wegen seiner Kastellans-Insigne ein besonderes Verhältnis zu DAN besaß und vielleicht gar als künftiger Kommandant galt, »dass wir nun räumlich unser Ziel erreicht haben: Wir befinden uns im Orion-Arm.«
»Nur zu welcher Zeit, das ist noch die Frage«, meinte ich.
Das machte mich nervös. Ich hatte schon so viele freiwillige und unfreiwillige Reisen in die Vergangenheit unternommen, dass ich genügend Gründe hatte, sie zu hassen. Noch dazu da ich in meine eigene Vergangenheit unterwegs war.
Ein ES-Fragment hatten wir bereits an Bord – und das nächste wollten wir nun bergen. Woher wir wussten, dass es in der Vergangenheit existierte?
Ein Bote der Kosmokratin Mu Sargai, eine für uns Normalmenschen nicht fassliche, ätherische Erscheinung, hatte mit DAN Kontakt aufgenommen und ihm neue Informationen übermittelt. Außerdem hatte das Bordgehirn der LEUCHTKRAFT mit dem bereits an Bord befindlichen Fragment kommunizieren können und war in der Lage, den zeitlichen Standort des nächsten großen Fragments einzuschätzen: im Solsystem, und mit großer Wahrscheinlichkeit auf Terra.
Zu Hause.
Das konnte eigentlich kaum überraschen, nicht wahr?
Immerhin war der Zeitpunkt einigermaßen eingegrenzt worden: nach dem Dolankrieg. Eine genauere Datierung war nicht möglich gewesen, und selbst die kobaltblaue Kosmokratenwalze ließ sich nicht sekundengenau durch die Zeit steuern. Obwohl eine solche Steuerung ganz gewiss möglich wäre, sofern die LEUCHTKRAFT es zuließe.
Aber so war das eben mit Kosmokraten und Chaotarchen. Unberechenbar und außerhalb unseres Verständnisses waren sie, und das galt ebenso für alle Vehikel, seien es nun eine Kosmokratenwalze oder ein Chaoporter.
»Fast wie eine Heimkehr, oder?«, unterbrach Antanas' Stimme meine Gedanken.
»Fast, ja.« Ich nickte. »Es wäre mir lieber, eine echte Heimkehr in unsere aktuelle Gegenwart zu erleben.«
»Dein Vorteil ist, dass du dich in dieser Epoche sehr gut auskennst, weil sie deine eigene Vergangenheit darstellt. Du kannst dich schnell und leicht zurechtfinden und musst nicht viel recherchieren.«
»Das macht es zugleich schwieriger«, erwiderte ich. »Ich darf mir keinesfalls selbst begegnen, ich darf nicht erkannt werden, und auf meine bewährten und vertrauten Kontakte kann ich nicht zurückgreifen. Eine heikle Gratwanderung, weswegen ich sehr hoffe, dass wir richtigliegen.« Ich sagte ja: emotionale Turbulenzen.
Ich räusperte mich. »DAN, hat der Hyperfunk schon Resultate gebracht?« Genug der Grübeleien, wir mussten unsere Aufgabe angehen.
»Oh ja, das wird dich interessieren.«
*
Antanas und ich hielten uns in einer »Wohnlandschaft« auf, die DAN für uns kreiert hatte. Eine Terrasse, umgeben von Bäumen, Gras und zwitschernden Vögelchen, bequeme Sitzmöbel, die in komfortable Schlafliegen umgebaut werden konnten. Wenn wir den Wunsch geäußert hätten, wäre ein Büfett aufgebaut worden, mit allem, was das Herz begehrte.
Wir hatten es uns also gemütlich gemacht, während wir auf einem Holo die Annäherung an den Orion-Arm beobachtet hatten. Selbstverständlich war die LEUCHTKRAFT getarnt, niemand würde etwas von ihrer Anwesenheit mitbekommen.
Dass die Tarnung funktioniert hatte, wussten wir deshalb, weil ich mich nicht daran erinnern konnte, dass irgendwann im 25. Jahrhundert ein ungewöhnlicher, kobaltblauer Riesenraumer aufgetaucht wäre.
Illustration: Swen Papenbrock
Nun wurde das Bild des Weltraums überblendet – und ich sah mich selbst.
Ich stand neben einem schwarzen Monolithen von 50 Metern Höhe und 700 Metern Länge. Der Dolan Memorial Park in Terrania City, ganz eindeutig.
»Ich fühle mich geehrt«, begann ich eine Rede, die vermutlich ins gesamte Solare Imperium – dem, was noch davon übrig war – ausgestrahlt wurde, »dass ich heute, am 4. April 2466, dieses Mahnmal eröffnen darf. Neunundzwanzig Jahre nach dem Dolankrieg sind der Park und das Memorial bei Weitem noch nicht fertiggestellt ...«
»Ich habe genug«, murmelte ich und stellte den Ton ab.
Nun wussten wir also, zu welcher Zeit wir angekommen waren – und es passte gut, zumindest DANS Berechnungen nach.
Aber es war für mich eine furchtbare Zeit. 2437 war ein Katastrophenjahr gewesen, von dem wir uns sehr lange nicht mehr erholten – und der Anfang vom Ende des Solaren Imperiums. Terra, insbesondere Terrania City, lag in Trümmern, ebenso viele Kolonialwelten. Nur einige wenige waren wie durch ein Wunder der Vernichtungswut der Zweitkonditionierten und deren Dolans entgangen.
Ich spürte Antanas' Blick auf mir, als ich abrupt aufstand und bis an den Rand der Terrasse ging, die Hände in den Hosentaschen, den Blick starr auf die künstlich gestaltete Landschaft gerichtet, ohne sie bewusst wahrzunehmen.
Ich konnte nicht mit ihm darüber sprechen.
Welche unendlichen Verluste hatte ich damals erlebt! Angefangen bei meinem Sohn Michael, den ich Mike genannt hatte, am 7. Oktober; von all den Milliarden Bürgern und verwüsteten Welten ganz zu schweigen. Es hatte mich fast gebrochen, und ich hatte in den folgenden Jahren mehr als einmal mit mir gehadert, auf welche Weise wir weitermachen sollten.
Das Schlimmste daran: Aus der jetzigen Warte wusste ich, wie es weiterging.
Sollte ich nicht doch etwas dagegen unternehmen? Inkognito Kontakt zu Ras Tschubai, John Marshall oder Allan D. Mercant aufnehmen, um sie subtil davor zu warnen, was als Nächstes auf das Solare Imperium zukam?
Unsinn. Es war müßig, auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Ich hatte es nicht getan, weil immer noch alles so war wie zuvor. Meine Erinnerungen hatten sich nicht geändert.
Mein Schmerz ebenfalls nicht. Alles, was lange vergangen schien, schwappte wieder in mir hoch.
Aber: Es war vergangen! Das Leben im 21. Jahrhundert NGZ resultierte aus dem, was einst geschehen war. Ich durfte nichts »geraderücken«, weil das, verbunden mit meiner eigenen Vergangenheit, eine Katastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes auslösen konnte. Oder vielmehr würde.
Reiß dich zusammen! Ich musste mich auf meinen Auftrag konzentrieren und die Vergangenheit...
Erscheint lt. Verlag | 19.9.2024 |
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Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage | Perry Rhodan-Erstauflage |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-6292-8 / 3845362928 |
ISBN-13 | 978-3-8453-6292-2 / 9783845362922 |
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