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Tunnel der Mutigen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60663-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tunnel der Mutigen -  Christian Hardinghaus
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Tunnel der Mutigen | Historischer Roman über eine spektakuläre Flucht aus der DDR Ein aufwühlender Roman, der Familien- und Zeitgeschichte verknüpft In seinem spannenden historischen Roman »Tunnel der Mutigen« erzählt Christian Hardinghaus die unglaubliche Geschichte einer spektakulären Flucht aus der DDR durch einen illegalen Tunnel. Als die Mauer gebaut wird, muss Gerda mit ansehen, wir ihr Mann auf dem Arbeitsweg von West nach Ost von einem Grenzer erschossen wird. Der Täter kann unbehelligt in der DDR untertauchen. Gerda schließt sich einer Gruppe von Fluchthelfern an - auch weil unter ihnen russische Spitzel sind, die ihr bei der Suche nach dem Mörder ihres Mannes helfen können. Sie schaffen es, einen Tunnel zwischen BRD und DDR zu graben, der im Keller der widerständigen Oma Schmidtchen endet, die ihr Haus für Fluchtmissionen zur Verfügung stellt. Mit jeder Aktion gerät das Leben aller Beteiligten in höchste Gefahr ... Ein Haus direkt auf der Grenze, ein geheimer Tunnel, eine spektakuläre Flucht Es ist das Schicksal vieler Menschen in der DDR: Sie müssen ihr Leben riskieren, um ein neues Leben beginnen zu können: Ein aufwühlender Roman über eine dramatische Republikflucht. Der Autor und promovierte Historiker Christian Hardinghaus über den Berliner Stadtteil Staaken, in dem sein dramatischer Roman spielt: Bereits 1951 wurde Berlin-Staaken über Nacht in zwei Hälften geteilt. Ost-Staaken lag in der britischen Besatzungszone Spandau, West-Staaken hingegen fiel in die Sowjetisch Besetzte Zone. Außer gelegentlichen Passkontrollen für Menschen, die in Ost-Staaken lebten und in West-Staaken arbeiteten, merken die Bewohner nicht viel von der Trennung. Im Überschwang des wirtschaftlichen Aufschwungs verkannten die meisten die Gefahren, die sich in den nächsten Jahren schleichend über den Ort legten.

Dr. phil. Christian Hardinghaus, geb. 1978 in Osnabrück, promovierte nach seinem Magisterstudium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung und schloss danach ein Studium des gymnasialen Lehramtes mit dem Master of Education in der Fachkombination Geschichte/Deutsch ab. Seine historischen Schwerpunkte liegen in der Erforschung des NS-Systems und des Zweiten Weltkriegs. Er ist außerdem schulisch ausgebildeter Fachjournalist und arbeitet als Schriftsteller, Journalist und beratender Historiker. Hardinghaus veröffentlicht sowohl Sachbücher als auch Romane.

Dr. phil. Christian Hardinghaus, geb. 1978 in Osnabrück, promovierte nach seinem Magisterstudium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung und schloss danach ein Studium des gymnasialen Lehramtes mit dem Master of Education in der Fachkombination Geschichte/Deutsch ab. Seine historischen Schwerpunkte liegen in der Erforschung des NS-Systems und des Zweiten Weltkriegs. Er ist außerdem schulisch ausgebildeter Fachjournalist und arbeitet als Schriftsteller, Journalist und beratender Historiker. Hardinghaus veröffentlicht sowohl Sachbücher als auch Romane.

Die Gartenstadt


Die Gartenstadt hatte ihre Mutter den tristen, verlassenen Ort genannt, der sich nun vor Lotte auftat. Mit genau diesem hübschen Wort hatte sie Staaken bezeichnet, als sie eines eisigen Abends im Februar 1945 auf der beschwerlichen Flucht aus Breslau ihrer Tochter mit müder Stimme erstmals vom Wohnsitz ihrer Schwester Gerda in dem Berliner Vorort erzählt hatte. Hier wollten sie sich wieder treffen, sollte der fürchterliche Krieg sie auseinanderreißen. Seit etwa zwanzig Minuten marschierte das sechzehnjährige Mädchen mit dem verfilzten blonden Haar, das ihr über den Kragen eines viel zu weiten, schlammverschmierten Wehrmachtsmantels hing, vor dem einzigen halbwegs intakt gebliebenen Gebäude auf der kleinen Anhöhe des Staakener Veilchenwegs auf und ab wie ein Wachtposten ohne Befehl. Natürlich hoffte sie inständig, dass dies das Haus ihrer Tante war, den benachbarten Wohnhäusern fehlten nämlich Außenwände und Ecken, ganze Zimmer waren herausgesprengt worden. Aus den Schutt- und Trümmerbergen ragten zersplitterte Möbel, angesengte Kleiderhaufen und verbogene Rohre hervor. Ein Bild, das Lottes Weg durch die Hauptstadt genauso begleitet hatte wie der penetrante Geruch nach kaltem Rauch, verbranntem Holz und feuchtem Zement. In fast allen Kleinstädten, durch die sie während der letzten Wochen gekommen war, hatte sie Trümmerberge gesehen, aber das Ausmaß der Zerstörung in Berlin überwältigte und erschlug sie schier. In den Hausruinen und auf den Bürgersteigen hatte Lotte an diesem Tag entsetzlich entstellte und verkohlte Leichen anschauen müssen, und immer dann, wenn sie ein totes Kind entdeckt hatte, hatte sie leise für das arme Menschlein gebetet. Mittlerweile am Ziel angekommen, fragte sie sich, was sie denn anderes erwartet hatte. In Staaken sah es an diesem 4. Mai – zwei Tage nach der Kapitulation der Hauptstadt – natürlich nicht besser aus als im restlichen zerbombten Berlin. Dorthin hatte sie sich seit dem Morgen durchgekämpft, nachdem sie von deutschen Soldaten in einer vermeintlich sicheren Zone abgesetzt worden war. Neben dem feldgrauen Mantel hatten ihr die zermürbten Kämpfer noch ein halbes Kommissbrot sowie ein in Papier eingewickeltes Butterstück und Marmelade geschenkt. Während ihrer letzten Etappe auf der Flucht vor der ins Sudetenland einmarschierenden Roten Armee war sie auf dem Lkw mitgenommen worden. Von dem kulinarischen Schatz war schon nichts mehr übrig, denn Lotte litt Hunger wie seit vielen Wochen. Nun war sie zwar erschöpft, zum Glück aber am Ziel angelangt. Sie neigte den Kopf zur schmalen Fahrspur des Veilchenwegs, die wie ein grauer Fluss aus Schrapnell und Gesteinsbrocken wirkte. Mit aufmerksamem Blick folgte sie der Straße, und am unteren Ende in Richtung Hauptstraße erkannte sie ein ausgebranntes sowjetisches Fahrzeug, das nach dem vernichtenden Treffer noch ein Stück weitergerollt und gegen einen Laternenpfahl geprallt war. Halb geknickt ragte der Mast wie ein riesenhafter Uhrzeiger aus dem aufgebrochenen Gehweg. Dahinter lag ein schon stark verwestes kleines Pferd, das Lotte als russisches Panjepferd erkannte. Eines jener geschundenen Packtiere, die von ihren Besitzern bis zum Zusammenbruch geritten und getrieben wurden. Dass dieses verendete, fliegenumschwirrte Gäulchen niemand beiseitegeräumt hatte, bekräftigte Lottes Vermutung, dass die Gartenstadt menschenleer war. Hinter den weitgehend abgedeckten Dächern der Hausruinen auf der gegenüberliegenden Straßenseite bohrten sich dicke Rauchschwaden, fettig wie Rohöl, in den Himmel, kleine und größere, schmale und breitere, dunkle und hellere Säulen. Zu dieser frühen Abendstunde vermochte sie nicht zu unterscheiden, ob die noch sinkende Sonne den Himmelsstreifen dahinter glutrot färbte oder ob die am Horizont brennenden Häuser Berlins sich darin spiegelten. In der stehenden, feuchtwarmen Luft nahm sie angewidert den Gestank nach altem Schmauch, scharfem Motoröl und totem Pferd wahr. Als sie am Straßenende gedankenversunken und unentschlossen ein weiteres Mal auf der abgetretenen Sohle ihrer Schnürschuhe kehrtmachte, zog sie – als wollte sie sich noch ein letztes Mal versichern – den Zettel aus der Manteltasche, auf dem ihre Mutter die Adresse mit Bleistift notiert hatte. Sie stimmte immer noch. Neben der geschlossenen, grün gestrichenen Haustür hatte sie gleich beim so unauffällig wie möglich gehaltenen ersten Vorbeimarschieren am rußverschmierten Putz des dreistöckigen Wohnhauses ein blau-weißes Emailleschild mit der Ziffer 2 ausgemacht. Ein Straßenschild lag zerbeult auf der Fahrbahn davor. Lotte steckte das Stück Papier zurück in die Tasche und rümpfte die Nase. Von wegen wunderbarer Blütenduft! Der Name Veilchenweg war wirklich das Einzige, was in dieser Gegend noch an Gärten erinnerte. Immerhin war die Straße, in der ihre Tante leben sollte, noch als solche zu erkennen. Als sie diese erneut entlangging, wanderte ihr Blick zwischen den umgeknickten Bäumen neben dem Haus und zerschossenen Sträuchern umher. Die Gebäude der zweiten Straße, die dicht am Hang lagen, waren allesamt bis auf die Grundmauern eingestürzt und herabgekollert, sodass sich zuerst gar keine Wegführung mehr erkennen ließ. Es kam schon einer außergewöhnlichen Kuriosität gleich: Wenn man lediglich eine Adresse besaß, die man – wie in Lottes Fall – unbedingt erreichen wollte, den Sehnsuchtsort jedoch nie aus eigener Anschauung erlebt hatte, spielte einem die Fantasie einen gehörigen Streich. Immer wenn in den letzten Tagen das Haus der Tante in ihrer Vorstellung auftauchte, hatte sie für diese Örtlichkeit eine gänzlich andere Umgebung geschaffen, die ihr Geist lediglich aus den Begriffen Gartenstadt und Veilchenweg gebildet hatte. Einer Fata Morgana gleich war ihr vor dem inneren Auge dann als Zuflucht ein Traumhaus im Grünen erschienen, auf das sie über einen glänzenden Kieselweg in freudiger Erwartung zuschritt, während ihr ein fleißig die Hecken beschneidender Gärtner in engen Latzhosen zwischen blühenden Rosenbüschen schmunzelnd zuwinkte. Wenn sie dann klingelte, öffnete ihr eine ganz wie ihre Mutter lächelnde und dieser auch sonst verblüffend ähnelnde Frau in weißem Sommerkleid und mit hochgesteckter Frisur. Also genau in der Gestalt, wie Lottes Fantasie ihre Tante nach dem einzigen erhaltenen Foto formte und kleidete. Die jüngere Schwester ihrer Mutter lud sie dann überschwänglich und herzlich in die gute Stube ein. Schon am Eingang nahm Lotte den Duft nach Marmorkuchen und Kakao wahr. Dann verriet die Tante ihrer Nichte, dass die Mutter bereits gesund und munter am gedeckten Kaffeetisch auf der Veranda hinter dem Haus saß und sehnlichst auf ihre Tochter wartete. »Mist«, fluchte Lotte, als sie in diesem Moment vom Rasseln eines Maschinengewehrs aus ihren Träumen herauskatapultiert wurde. Eilig sprang sie über das kleine Tor, das in Tante Gerdas vertrockneten Vorgarten führte, duckte sich hinter den hüfthohen Zaun und lauschte angespannt. Schnell beruhigte sie sich jedoch wieder. Die Schüsse waren mindestens drei Häuserblocks entfernt gefallen, eingebettet in das dumpfe Donnergrollen der noch ferner liegenden Artillerie, die Lotte seit Wochen – einmal lauter, dann wieder leiser – als Hintergrundgeräusch begleitete und deswegen kaum mehr für Aufregung sorgte. Trotzdem müsse sie sich beeilen, ermahnte sie eine vertraute Stimme im Kopf. Sie sollte sich schleunigst einen Weg ins Haus suchen und darin ein sicheres Versteck finden, wo sie für eine Weile alles Weitere in Ruhe überlegen konnte. Denn mehr, als hier aufeinander zu warten, war zwischen Mutter und Tochter nicht abgesprochen worden. Auf das Grundstück hatte sich Lotte immerhin endlich gewagt, wenn dies auch dem plötzlichen Erschrecken geschuldet war. Doch eigentlich wusste sie gar nicht so genau, was sie überhaupt zu befürchten hatte. Die allgemeine Menschenleere in Staaken sprach für sich, der Schmutz auf den Stufen vor dem Haus Nummer 2 zeugte von längerer Verlassenheit. Auch die eingeschlagenen Vorderfenster sowie die halb heruntergerissenen gelblichen Vorhänge verhießen keine Belebtheit. Also folgerte sie, dass sie sich das Klingeln sparen konnte. Ganz offensichtlich war niemand zu Hause. Und was sollten Tante Gerda und ihre Kinder Luise und Helmut hier jetzt noch verloren haben? Sofern sie überhaupt noch lebten, wären sie wie alle anderen Familien hoffentlich vor dem Ansturm der Roten Armee in Richtung Westen geflohen. Aber prüfen, ob sie durch die Haustür kam, wollte sie schon. Sie stieg die Stufen hinauf, ergriff den bronzenen Knauf und rüttelte daran, doch die robuste Holztür gab keinen Spaltbreit nach. »War ja...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2024
Reihe/Serie Schicksalsmomente der Geschichte
Schicksalsmomente der Geschichte
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bücher • DDR • DDR Roman • Deutsche Familie • Deutsche Geschichte • dramatische Flucht • Dramatischer Roman • Flucht aus der DDR • Fluchthelfer DDR • Geteiltes Berlin • Historische Romane • historischer Roman Flucht • Historischer Thriller • Mauerbau • nach einer wahren Begebeheit • Ost-West • Republikflucht • roman berlin • Roman DDR • Roman deutsche Familie • Romane • Schicksal • Schicksalsmomente • spannend • Thriller • Todesstreifen • Tunnel • Wichtige historische Ereignisse • Widerstand
ISBN-10 3-492-60663-6 / 3492606636
ISBN-13 978-3-492-60663-9 / 9783492606639
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