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Ein falsches Wort (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491753-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein falsches Wort -  Vigdis Hjorth
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»Eine der herausragendsten Autorinnen Norwegens.« The New Yorker Das Schlimmste passiert dort, wo wir uns sicher fühlen: in der eigenen Familie. Was nach dem plötzlichen Tod des Vaters zunächst wie ein Erbstreit zwischen Geschwistern aussieht, wird für die ältere Schwester Bergljot zu einem Kampf um die jahrzehntelang verdrängte Wahrheit. Es geht nicht um Geld und Besitz. Es geht darum, wem die Vergangenheit gehört. Mit unverwechselbarer Konsequenz erzählt Vigdis Hjorth von der Sehnsucht nach Anerkennung, von der Kraft der Befreiung und von der Frage, ob wir unserer eigenen Geschichte vertrauen dürfen. Mit »Ein falsches Wort« gelang Vigdis Hjorth der internationale Durchbruch. Der Roman löste in Norwegen einen Skandal um die Wahrhaftigkeit von Literatur aus, gewann eine Vielzahl von Preisen und festigte Hjorths Status als eine der bedeutendsten Autorinnen unserer Zeit, die 2023 für den International Booker Prize nominiert war und deren Werk in 20 Sprachen übersetzt ist.

Vigdis Hjorth, 1959 in Oslo geboren, ist eine der meistrezipierten Gegenwartsautorinnen Norwegens. Sie ist vielfache Bestsellerautorin, wurde für ihr Werk unter anderem mit dem norwegischen Kritikerprisen und dem Bokhandlerprisen ausgezeichnet und war für den Literaturpreis des Nordischen Rates, den National Book Award sowie den International Booker Prize nominiert. Im Herbst 2023 erschien bei S. FISCHER »Die Wahrheiten meiner Mutter«, im Frühjahr 2024 der Roman »Ein falsches Wort«. Nach Stationen in Kopenhagen, Bergen, in der Schweiz und in Frankreich lebt Vigdis Hjorth heute in Oslo.

Vigdis Hjorth, 1959 in Oslo geboren, ist eine der meistrezipierten Gegenwartsautorinnen Norwegens. Sie ist vielfache Bestsellerautorin, wurde für ihr Werk unter anderem mit dem norwegischen Kritikerprisen und dem Bokhandlerprisen ausgezeichnet und war für den Literaturpreis des Nordischen Rates, den National Book Award sowie den International Booker Prize nominiert. Im Herbst 2023 erschien bei S. FISCHER »Die Wahrheiten meiner Mutter«, im Frühjahr 2024 der Roman »Ein falsches Wort«. Nach Stationen in Kopenhagen, Bergen, in der Schweiz und in Frankreich lebt Vigdis Hjorth heute in Oslo. Dr. Gabriele Haefs, geboren 1953, studierte Sprachwissenschaft in Bonn und Hamburg. Sie übersetzt aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen, Englischen, Niederländischen und Gälischen, u.a. Werke von Jostein Gaarder, Håkan Nesser und Anne Holt. 

Vigdis Hjorth erzählt ihr großartiges Buch in einem ganz eigenen, stockenden, hochintensiven Stil, der [...] meisterhaft vermittelt.

Ein Buch, das herausfordert und fesselt.

Tiefgründig.

[...] ein raffiniertes, abgründiges und kluges Stück Literatur.

Mit unglaublicher psychologischer Tiefenschärfe schreibt die norwegische Autorin Vigdis Hjorth über eine Tochter, deren Geschichte von ihrer Mutter und ihren Geschwistern verleugnet wird.

Formal und stilistisch ist alles so ausgearbeitet, so klug gemacht [...].

In klarer, unaufgeregter Sprache, die erschüttern und mitfühlen lässt [...].

eine fesselnde Lektüre.

Ein Buch, dessen Lektüre nicht erholsam ist, aber verwandelnd.

[...] keine leichte, aber eine faszinierende Lektüre. Unaufhaltsam wird man in den Gedankenstrom der Protagonistin hineingezogen [...].

Es sind 400 faszinierend nahegehende, schonungslose [...] Seiten

Das Buch geht einem sehr nahe.

Ein gewaltiger frischer Wind geht durch "Ein falsches Wort" – trotz der düsteren Thematik.

Ich trank den Kaffee nicht, ich war unruhig, also zog ich mich an und ging nach draußen, um mir den Wind ins Gesicht pusten zu lassen und den Kopf freizubekommen. Ich habe mich nicht angemessen verhalten, dachte ich. Ich rief Søren an, der die Familie von all meinen Kindern am besten kennt. Er war überrascht wegen der Überdosis, natürlich, aber er wusste, dass es nicht die erste war und dass es die letzten Male immer gutgegangen war, seine Großmutter rief immer rechtzeitig an, damit ihr geholfen wurde. Als ich die Überschreibung der Hütten und den festgesetzten Marktwert erwähnte, wurde er nachdenklich und sagte, er könne Bårds Reaktion verstehen. Er habe nicht mit ihnen gebrochen, so wie ich es getan hatte, er habe immer Kontakt gehalten, er habe zwar kein so enges Verhältnis zu Mutter und Vater wie Astrid und Åsa, klar, aber das dürfe doch keine finanziellen Nachteile mit sich bringen, nicht wahr?

Ich rief Klara an, die empört war. Einen Selbstmord zu inszenieren gehörte sich nicht. Klammheimlich zwei von vier Kindern Ferienhütten zu vermachen und sie auch noch zu niedrig zu schätzen, gehörte sich auch nicht.

 

Meine Eltern hatten jedes Recht, zu tun, was sie getan hatten, aber in den letzten Jahren hatten sie stetig beteuert, dass sie ihre Kinder in Bezug auf das Erbe gleich behandeln wollten. Trotzdem war die Summe, die Bård und ich als Ausgleich für die Hütten erhalten sollten, auffällig niedrig. Das war es, was ihn umtrieb, begriff ich, und außerdem der Umstand, dass ihn niemand darüber informiert hatte, dass die Überschreibung bereits stattgefunden hatte. Auch ich war nicht informiert worden, allerdings hatte ich, wie gesagt, seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu meiner Familie gehabt. Während der letzten ungefähr zwanzig Jahre hatte ich nur Kontakt zu meiner zweitjüngsten Schwester, Astrid, gehabt, und auch nur in Form von ein paar, über das Jahr verteilten Telefongesprächen. Deshalb war ich überrascht gewesen, als ich vor einigen Monate zum Geburtstag eine SMS von meiner jüngsten Schwester, Åsa, bekam, von der ich seit Jahren nichts gehört hatte. Sie schrieb, sie habe mir auch zu früheren Geburtstagen gratuliert, aber wahrscheinlich die falsche Nummer gehabt. Und dann verstand ich: Bisher waren sie zwei gegen einen gewesen, Astrid und Åsa gegen Bård. Aber jetzt, da ich dazugekommen war, könnte sich alles verschieben. Ich hatte immer gesagt, ich wolle nichts erben, und ich glaube, meine Schwestern hofften, dass ich bei dieser Aussage blieb, konnten sich aber nicht sicher sein. Ich hatte das in meinen Gesprächen mit Astrid behauptet, wenn sie mich dazu bringen wollte, mich mit unseren Eltern zu versöhnen. Es kam mir jedes Mal wie emotionale Erpressung vor, wenn sie beschrieb, wie sehr meine Eltern unter meiner Abwesenheit litten, wie alt sie geworden waren, dass sie bald sterben würden, und sie mich fragte, warum ich mich nicht wenigstens zu einem Fest oder einem runden Geburtstag blicken lassen konnte? Vielleicht hatte Mutter sie wieder bedrängt, aber ich wurde von ihrem Gerede über Alter und Tod nicht weich, sondern es provozierte mich und machte mich wütend. Nahm sie mich nicht ernst? Ich hatte ihr doch alles erklärt. Ich hatte ihr erklärt, dass es mich krank machte, mit Mutter und Vater zusammen zu sein. Sie zu treffen und so zu tun, als sei nichts geschehen, wäre Verrat an mir selbst und an allem, wofür ich stehe, es war unmöglich, ich hatte es doch versucht! Ich wurde nicht weich, sondern ich war provoziert und wurde immer wütender, nicht in der konkreten Situation, sondern danach, nachts, per E-Mail. Ich schrieb ihr, ich wollte unsere Eltern niemals wiedersehen, ich würde niemals wieder einen Fuß in den Bråtevei setzen, und sie sollten mich doch einfach enterben.

 

Nachdem ich damals den Kontakt abgebrochen hatte, rief Mutter viele Male an, es war vor der Zeit der Mobiltelefone, und man konnte die Rufnummern noch nicht auf den Displays sehen, deshalb wusste ich nicht, dass sie es war, die anrief. Entweder weinte sie oder beschimpfte mich, und ich fühlte mich krank, mir blieb keine Wahl, wenn ich überleben und nicht untergehen und ertrinken wollte, musste ich den Kontakt abbrechen. Sie fragte, warum ich sie nicht sehen wollte, als ob sie nicht wüsste, warum, und sie stellte mir unmögliche Fragen. Wie kannst du mich so hassen, obwohl du alles für mich bist? Zahllose Male hatte ich ihr gesagt, dass ich sie nicht hasste, bis ich anfing, sie zu hassen, ich hatte erklärt und wieder erklärt, musste ich ihr wirklich noch einmal alles erklären, wenn sie bei nächster Gelegenheit doch wieder so tun würde, als hätte ich nie auch nur versucht, etwas zu erklären, wenn sie mich abwies? Sollte ich denn wieder abgewiesen werden?

 

In den ersten Jahren nach dem Bruch machten mich diese Anrufe extrem nervös. Mutter rief an, überschüttete mich mit ihren Anklagen und Bitten, und ich war verstört und außer mir. Irgendwann wurden sie weniger, dann gab sie auf; ich glaube, auch sie suchte letztlich Ruhe und Frieden statt der nervenaufreibenden Unruhe, die diese Telefongespräche auslösten. Dann sollte lieber Astrid ab und zu einen Vorstoß versuchen.

In den letzten Jahren hatte Mutter jedoch angefangen, mir ihre gelegentlichen Nachrichten zukommen zu lassen. Manchmal, wenn sie krank war, wie die meisten älteren Menschen es manchmal sind, schrieb sie mir eine SMS. Ich bin krank, können wir bitte reden? Es war immer spätabends, sie hatte vielleicht getrunken, ich hatte mit Sicherheit getrunken, ich antwortete, sie könne mich am nächsten Morgen anrufen. Dann schrieb ich Astrid, dass ich mit Mutter über ihre Krankheit und Behandlung sprechen könnte, aber wenn sie wieder mit ihren Anklagen und theatralischem Verhalten anfinge, würde ich auflegen. Ich weiß nicht, ob Astrid es weitergegeben hat, aber wenn Mutter am nächsten Vormittag anrief, sprach sie nur über ihre Krankheit und Behandlung, und vielleicht hatte sie, nachdem wir aufgelegt hatten, wie ich das Gefühl, dass das Gespräch gut verlaufen war. Jedenfalls lud sie ihre Enttäuschungen und ihr Unglück nicht mehr bei mir ab, stattdessen lud sie ihre Enttäuschungen und ihr Unglück bei Astrid ab, begriff ich. Es musste schwer für Astrid sein, mit Mutters Enttäuschungen und Unglück umzugehen, vielleicht war es deshalb kein Wunder, dass sie versuchte, mich in Richtung Versöhnung zu lenken.

 

Wegen der Enttäuschungen und des Unglücks, die ich meinen Eltern mit dem Kontaktabbruch zugefügt hatte, rechnete ich damit, enterbt zu werden. Wenn sie gegen meine Erwartung darauf verzichteten, dann nur, weil es keinen guten Eindruck machen würde, und sie wollten immer gern einen guten Eindruck machen.

Aber all das lag weit in der Zukunft, denn sie waren beide bei bester Gesundheit.

 

Deshalb war ich überrascht, als ich zu Weihnachten vor drei Jahren einen Brief von Mutter und Vater bekam. Meine erwachsenen Kinder hatten sie am 23. Dezember wie üblich besucht, das hatten sie immer so gehalten, seit ich den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen hatte – auf meine Aufforderung hin, denn der Druck auf mich war geringer, wenn Mutter und Vater ihre Enkelkinder sahen. Meine Kinder fanden es nett, ihre Vetter und Cousinen zu treffen und mit Geld und Geschenken nach Hause zu kommen. Und vor drei Jahren dann auch mit dem Brief. Ich öffnete den Brief, während die Kinder um mich herumsaßen, und ich las ihn vor. Dort stand, meine Eltern hätten ein Testament aufgesetzt und dass alle vier Kinder zu gleichen Teilen erben sollten. Abgesehen von den Hütten auf Hvaler, die sollten Astrid und Åsa bekommen, zum zu diesem Zeitpunkt geschätzten Marktwert. Meine Eltern freuten sich darüber, ihren Kindern diese Werte überschreiben zu können, hieß es. Meine Kinder lächelten zaghaft, auch sie hatten damit gerechnet, dass ich enterbt werden würde.

Es war ein seltsamer Brief. Sehr großzügig, wenn man bedachte, wie deprimiert sie meinetwegen angeblich waren. Ich fragte mich, was sie als Gegenleistung erwarteten.

 

Einige Monate, nachdem ich den Weihnachtsbrief über das Testament erhalten hatte, rief Mutter an. Ich stand mit meinen Kindern und Enkeln auf einem Markt in San Sebastián, es war Ostern, wir feierten in einer Wohnung, die ich gemietet hatte. Ich wusste nicht, dass es Mutter war, ich hatte ihre Nummer nicht gespeichert. Ihre Stimme zitterte, wie immer, wenn sie erschüttert war: Bård macht einen Höllenaufstand, sagte sie. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.

Bård macht einen Höllenaufstand, wiederholte sie und benutzte denselben Ausdruck, den Astrid später gebrauchen würde, wegen des Testaments, sagte sie, weil Astrid und Åsa die Hütten bekommen. Aber Astrid und Åsa seien immer so lieb gewesen, sagte sie, so fürsorglich. Sie waren jedes Jahr mit uns dort, es war immer so schön, es ist nur natürlich, dass sie die Hütten bekommen. Bård ist nie in die Hütten gefahren, du bist nie in die Hütten gefahren; willst du eine Hütte auf Hvaler?

Ich hätte nichts lieber gehabt als eine Hütte auf Hvaler, am Rand der Felsen, mit Blick aufs Meer, wenn es nicht mit der Gefahr einhergegangen wäre, dort Mutter und Vater über den Weg zu laufen.

Nein, sagte ich.

Das war die Antwort, die sie hatte hören wollen, begriff ich, sie wurde sofort ruhiger. Und da ich keinen Kontakt zu Bård hatte, verstand ich nicht, was sie mich eigentlich fragte. Ich wiederholte, ich wollte keine Hütte auf Hvaler, ich fände das Testament großzügig, denn ich hätte damit gerechnet, gar nichts zu bekommen.

 

Astrid erzählte mir später, dass es einen riesen Streit um die Hütten...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Übersetzer Gabriele Haefs
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anspruchsvolle Literatur • Die Wahrheiten meiner Mutter • Ein Buch von S. Fischer
ISBN-10 3-10-491753-1 / 3104917531
ISBN-13 978-3-10-491753-5 / 9783104917535
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