Das glückliche Paar (eBook)
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01840-2 (ISBN)
Doch Celine, begabte Pianistin, bedeutet das Klavierspiel mehr als alles andere, und Luke betrügt sie von Anfang an. Phoebe, die Trauzeugin, trinkt lieber Bier, statt sich endlich einen Job zu suchen. Archie, Lukes Trauzeuge und Ex-Freund, sollte eigentlich die Karriereleiter emporklettern, doch seine Gefühle für Luke stehen ihm im Weg. Und Vivian, Lukes Ex-Freundin, beobachtet die anderen wie in einem Reagenzglas.
Die banale Frage: Werden Celine und Luke heiraten?, nutzt Naoise Dolan aufs Raffinierteste für ein Sittengemälde ihrer Generation und beobachtet so einfühlsam wie ironisch fünf junge Menschen auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt.
Naoise Dolan wurde 1992 in Dublin geboren. Sie studierte Englische Literatur in Dublin und Oxford. Nach ihrem Studium unterrichtete sie Englisch in Singapur und Hongkong. Ihr Debütroman Aufregende Zeiten war u. a. für den Women′s Prize for Fiction und den Dylan Thomas Prize nominiert und international ein großer Erfolg. Naoise Dolan lebt in Berlin.
Anke Caroline Burger studierte Amerikanistik und Germanistik. Sie übersetzt seit 1992 Literatur aus dem Englischen und wurde dafür mit dem Christoph-Martin-Wieland-Preis und zahlreichen DÜF-Stipendien ausgezeichnet. Zu den von ihr übersetzten Autor:innen gehören Ottessa Moshfegh, Adam Johnson, Tanya Tagaq, Jon McGregor und Candice Fox. Nach vielen Jahren in San Francisco und Montreal lebt sie heute in Zürich und Berlin.
Ein Jane-Austen-Roman für das 21. Jahrhundert – Naoise Dolan erfindet den Marriage-Plot neu.
«Naoise Dolan führt uns mit viel Humor durch die Welt moderner Beziehungen und die damit verbundenen Absurditäten von Schamgefühlen. Es ist für mich jetzt schon das beste Buch des Jahres.» Anika Decker
«Eine unterhaltsame, fesselnde Lektüre, voller scharfsinniger Beobachtungen über moderne Romantik.» Vogue
3
Sechs Jahre zuvor hatte Celine geglaubt, Maria sei die Liebe ihres Lebens.
«Die Sache wird kein gutes Ende nehmen», sagte Maria.
Es war Frühling. Sie saßen in Portobello am Grand Canal und tranken Dosencocktails. Maria hatte einen selbstbewussten Gang, besaß eine umfangreiche Kollektion Männerhemden und trug dunklen Lippenstift. Sie waren beide zwanzig und halb fertig mit ihrem Bachelor an der Royal Irish Academy of Music. In ihrem Jahrgang waren sie die Besten.
Maria legte ihre Hand auf Celines. «Ich bin Salieri», sagte sie. «Und du bist Mozart. Wir sind Komponisten und treten gegeneinander an, ich will dich übertrumpfen, aber du willst nur Spaß haben. Deswegen ermorde ich dich.»
Celine blickte auf ihre Hände. «Bitte kein Blut.»
Maria sagte: «Ich werd’s versuchen.»
«Mich umzubringen?»
«Mit dir zusammen zu sein.»
Im August nach ihrer Abschlussprüfung mieteten sie sich zusammen eine Wohnung, die noch kleiner war als die, die Celine später mit Luke bewohnen würde.
Dort begannen Celine und Maria ihre Laufbahn als Berufspianistinnen. Celines Traum war es, ihren Lebensunterhalt durch Konzerte zu bestreiten. Maria wollte Preise und La Scala und Plattenverträge. In Wirklichkeit gaben sie beide Klavierunterricht, um über die Runden zu kommen.
Eine ihrer Lehrerinnen an der Musikhochschule hatte im Vertrauen zu Celine gesagt, sie sei die bessere Künstlerin und Maria die bessere Performerin. Maria konnte mit ihrer offenen, überschwänglichen Art bei jedem Publikum Gefühle hervorrufen. Celines Stil war subtiler, voller Andeutungen, Anspielungen, Humor. Musikerinnen und Musiker liebten Celine; alle liebten Maria. Celine machte das nichts aus. Auf der Welt war genug Platz für sie beide. Aber Maria schien den Verdacht nicht abschütteln zu können, dass Celine insgeheim überzeugt war, etwas sei schlecht daran, dass Maria allseits beliebt war.
Jeden Meilenstein erreichte Maria als Erstes. Dann holte Celine sie ein, und Maria fühlte sich in den Schatten gestellt.
Marias Reaktion:
1. Maria kann sich nicht uneingeschränkt für Celine freuen, weswegen Maria eine schlechte Freundin ist.
2. Zugegeben, Celine hat nicht gesagt, dass Maria eine schlechte Freundin ist, aber sie ist insgeheim davon überzeugt. Das merkt Maria genau.
3. Maria fragt sich, ob Celine sich wirklich uneingeschränkt für Maria freuen konnte, als sie das Ziel als Erste erreichte. Wenn ja, dann ist Celine ein besserer Mensch als sie – und «besser als Maria» ist gefährliches Terrain, wie wir bereits festgestellt haben.
4. Wenn Celine nur so getan hat, als würde sie sich freuen, dann will Maria, dass sie weiß, sie darf das ruhig sagen. Aber wenn sie nur so getan hat, als ob, hat Celine es offensichtlich geschafft, ihre Missgunst zu verstecken, wozu Maria nie in der Lage wäre, was heißt, dass Celine cooler ist. Von ihr aus, dann soll sie halt besser sein in Sachen Coolness, soll sie baden in ihrer Überlegenheit, ist Maria Luft für sie oder was, soll sie Maria doch überlegen sein, in allem, von ihr aus, nur zu.
Beide waren mit dem Glauben aufgewachsen, man müsse andere übertrumpfen, um es in der Welt zu etwas zu bringen. Aber sie waren unterschiedlich damit umgegangen. Maria musste Erste sein. Celine dachte: Von mir aus, dann übertrumpfe ich andere eben nicht und bringe es nirgendwohin.
Dabei war Celine nicht faul. Aber sie spielte um des Spielens willen.
Wenn sie einmal angefangen hatte, sich ein neues Stück zu erarbeiten, gab sie alles. Sie fing mit den schwierigsten Passagen an, damit sie die dann am Ende zum Spaß spielen konnte. Mehr als fünf Stunden Zeit hatte sie am Tag nicht zum Klavierspielen – alles darüber hinaus beschwor auch eine Sehnenscheidenentzündung herauf –, aber im Kopf hörte sie nie auf zu üben. Eine schwarzweiße Klaviatur bewohnte ihr Gehirn. Auf der spielte sie beim Abwaschen, an der Kasse im Lidl, auf der Busfahrt in die Häuser ihrer Schülerinnen und Schüler. Die ununterbrochene Filmmusik ihres Großhirns ließ wenig Energie zum Sprechen übrig – nicht einmal mit Maria.
Für Celine war das ein himmlischer Zustand.
«Du kannst mir nicht einfach vor den Kopf knallen, du willst nicht mit mir reden, und nicht mal sagen, dass es dir leidtut», beschwerte sich Maria im Flur, als Celine gerade aus einem einwöchigen Liszt-Koma erwachte. «Kannst du dich vielleicht wenigstens entschuldigen?»
«Aber es tut mir nicht leid.» Celine legte ihren Schirm auf die Heizung. Es war September und regnete jeden Tag. «Sonst würde ich es ja nicht machen.»
«Ich muss wissen, dass du es bereust, mir wehzutun.»
«Aber ich bereue es nicht, sonst würde ich –»
Und so weiter und so fort.
Der Streit drehte sich nicht darum, ob Celine Maria manchmal links liegen lassen durfte. Das war beiden recht. Maria hatte weniger Zeit für Celine als umgekehrt, da Maria ihre Aufmerksamkeit gleichmäßiger verteilte.
Das Problem war, dass Maria sich auch entschuldigen konnte, wenn keine von beiden das Gefühl hatte, sie habe etwas falsch gemacht. Das konnte Celine nicht.
«Das wäre gelogen», wandte Celine ein. «Und Lügen ist stressig.»
«Es ist nicht gelogen!» Maria legte ihren Schirm neben den von Celine. «Du hast vielleicht das Richtige getan, aber es tut dir trotzdem leid, dass ich mich so beschissen fühle.»
«Aber ‹leidtun› bedeutet doch was anderes.» Celine weinte. «Entschuldigung sagt man nur, wenn man sich unfair verhalten hat.»
Diesen Streit hatten sie ungefähr einmal im Monat, drei Jahre lang.
Aber wenn es gut war, war es unübertroffen.
Beim Sex zum Beispiel.
Celine hatte einen Orgasmus lange als etwas angesehen, zu dem sie körperlich nicht in der Lage war. Sie würde nie den Mount Everest besteigen, sie würde nie paddeln gehen, sie würde nie kommen.
Dieses Handicap hatten ihre männlichen Partner sportlich ertragen.
(Zumindest irgendwann, nachdem sie anfangs beharrt hatten, dass jede andere Partnerin, mit der sie zusammen gewesen waren, es geschafft habe. Mit diesem Powermove punktete Celine völlig unbeabsichtigt, weil sie keine Ahnung hatte, wie sie auf andere wirkte. Sie hatte nicht das Selbstvertrauen, so zu tun als ob, nicht, nachdem sie mitbekommen hatte, wie viele echte Orgasmen diese Männer offensichtlich schon miterlebt hatten. Diese Hengste würde sie nie reinlegen können.)
Der Streit um Sexspielzeug war ein anderer Dauerbrenner bei Celine und Maria.
«Das würde mir den Augenblick ruinieren», sagte Celine in einer Nacht im Oktober.
«Kann sein», sagte Maria, «aber es ruiniert mir den Augenblick, wenn ich die Einzige bin, die kommt. Kannst du wenigstens mal allein einen Vibrator ausprobieren?»
«Das funktioniert nicht. Ich habe alles probiert.»
«Abgesehen von dem Ding, das ich vorschlage.»
«Funktioniert nicht.»
Als sie zwei Jahre zusammen waren und seit vier Monaten zusammenwohnten, flogen sie nach Japan. Es war Mitte Dezember. Celine spielte bei einem Wettbewerb in Tokio. Als das Urteil verkündet wurde, Celine habe den dritten Platz belegt, knurrte Maria, die Gewinnerin habe «tödlich harmlos» gespielt. Celine erwiderte: «Der dritte Platz ist gut. Hör auf, mir meinen dritten Platz madig zu machen.»
An diesem Abend kehrten sie in ihr Hotelzimmer zurück. Der dicke Teppichboden war weich zwischen Celines Zehen, und Marias Parfüm duftete nach Holz und Lilien.
«Ich habe schon ein Weihnachtsgeschenk für dich», sagte Maria.
Es sah aus wie ein lindgrüner Stressball in einem kleinen Glasgehäuse. Celine nahm den Ball heraus und drückte ihn mit der Hand. «Süß», sagte sie. «Danke. Echt – oh.»
Er vibrierte.
«Wenn der nicht funktioniert, versuchen wir einen schwedischen», sagte Maria. «Die Schweden sind top in Sachen Funktionalität, aber die Japaner sind die Kings im Design.»
«Ich weiß ja nicht», sagte Celine. «Wenn ich das ausprobiere und immer noch nicht komme, dann muss ich ein für alle Mal akzeptieren, dass ich kaputt bin.»
«Ich kann’s nicht glauben, dass ich deine erste Partnerin bin, die dir einen Vibrator schenkt», sagte Maria. «Männer sind Maschinenhasser. Wollen alles zerschlagen, was einem Mann seinen Job wegnimmt. Wenigstens waren...
Erscheint lt. Verlag | 16.4.2024 |
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Übersetzer | Anke Caroline Burger |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Aufregende Zeiten • Autismus • bücher literatur • Bücher Neuerscheinungen 2024 • dolly alderton • Dublin • exciting times • fleabag • Freundschaft • Gegenwartsliteratur • Generation Z • Gesellschafsroman • Hochzeit • Irische Literatur • Irland • Jane Austen • LGBTQ+ • Liebesroman • London • Millenials • Moderne Literatur • Moderner Roman • Polyamorie • Queerness • romane neuerscheinungen 2024 • Romantik • sally rooney • Sittengemälde • The Happy Couple deutsch • Verlobung • Zeitgenössische Literatur |
ISBN-10 | 3-644-01840-5 / 3644018405 |
ISBN-13 | 978-3-644-01840-2 / 9783644018402 |
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