Ein 10/33 Leben (eBook)
256 Seiten
Gerth Medien (Verlag)
978-3-96122-622-1 (ISBN)
Anna Hofacker hat die Initiative 'sick of pretending' (SOP) gegründet. SOP ist eine Zusammensetzung aus Netzwerk und diakonischer Arbeit, die barmherziges Handeln im Hier und Heute praktisch umsetzt. Als 'Möglichkeits-Reporterin' und Sprecherin ist sie begeistert von leuchtenden Augen, unperfekten Menschen, gelebter Nächstenliebe und ihrem Glauben an einen Gott, der die Liebe selbst ist. Die angehende Theologin lebt mit ihrem Mann in ihrer Wahlheimat Herrenberg.
Anna Hofacker hat die Initiative "sick of pretending" (SOP) gegründet. SOP ist eine Zusammensetzung aus Netzwerk und diakonischer Arbeit, die barmherziges Handeln im Hier und Heute praktisch umsetzt. Als "Möglichkeits-Reporterin" und Sprecherin ist sie begeistert von leuchtenden Augen, unperfekten Menschen, gelebter Nächstenliebe und ihrem Glauben an einen Gott, der die Liebe selbst ist. Die angehende Theologin lebt mit ihrem Mann in ihrer Wahlheimat Herrenberg.
In der Nähe von Nürnberg bin ich mit Daniela (Jele) Mailänder verabredet. Diese Route ist zwar rein geografisch sinnvoll, doch während ich die kleine Straße in das Wohngebiet abbiege, bemerke ich, dass keine Person besser an den Start der Tour gepasst hätte als sie. Jele ist „Anfangs-Expertin“. Ich parke am Straßenrand und hänge mir meine Tasche voll mit Fragen um.
Kurze Zeit später stehe ich mit einer Tasse Tee in der Hand in Jeles Küche. Während sie die Kartoffeln in Viertel schneidet, spricht sie euphorisch über die Zukunft der Kirche – hier verbinden sich Alltag und Pioniergeist in einer Handbewegung. Sprudelnd vor Ideen könnte sie vermutlich ein Hochregallager mit ihren Gedanken füllen. Sie befasst sich mit zahlreichen Initiativen, in denen es darum geht, neue Wege zu finden, um das Morgen von Gemeinschaft, Glaube und Kirche zu gestalten. Dabei geht Jele unglaublich ehrlich und liebevoll vor. Trotzdem lässt sie es sich nicht nehmen, auch mal Klartext zu sprechen. Starker Rücken, weiches Herz – eine Mischung, die mich neugierig macht. Eine Abenteuerfrau, die zwischen Berggipfeln, Schreibtisch und Kirchenbänken unterwegs ist, steht vor mir und grinst, während sie schon zum nächsten Schritt der Essenvorbereitung übergegangen ist und mir mit einem Leuchten in ihren hellblauen Augen aus ihrem Leben erzählt:
DEN EIGENEN RHYTHMUS FINDEN
Ich bin unglaublich gerne in Bewegung. Draußen in der Natur, mit meinen Gedanken oder mit Menschen, die Freude daran haben, etwas zu bewegen. Das „Abenteuer Leben“ macht mich dankbar. So sehr, dass ich tatsächlich jeden Abend an meinen zehn Fingern abzähle, wofür ich dankbar bin. Doch trotz, oder vielleicht sogar gerade wegen der Liebe für Bewegung, gehe ich immer wieder zurück in die Ruhe. Ich fokussiere mich und komme bei mir selbst, meiner Seele und meiner Herzheimat an. Ich habe gelernt, Jesus, der in mir lebt, zu begegnen, und mich immer wieder auf ihn auszurichten. Gott ist mittendrin. Wenn ich Berge erklimme oder durch Täler schlürfe. Ob ich laut bin und meine Stimme erhebe oder beobachte und zuhöre. Alles hat seine Zeit. Eine Zeit, zu der ich immer einen Wecker gestellt habe, ist zwölf Uhr mittags. Dieser Wecker erinnert mich daran, dass der Gott, der mir am Morgen einen neuen Tag schenkt und dem ich abends die Gedanken über diesen hinlegen kann, auch mitten im Trubel des Alltags komplett am Start ist. Ich staune immer wieder über die Kraft, die ich aus diesen Gedankenroutinen schöpfe.
Staunend zu bleiben und mit Neugier und geöffneten Augen durchs Leben zu gehen, ist mir in meinem Glaubensleben genauso wichtig, wie einen sicheren Rückzugsort, Routinen und Rituale zu etablieren.
DAS GEFÜHL VON VERÄNDERUNG
Nachdem ich in meinen ersten Berufsjahren als Dekanatsjugendreferentin eine Jugendkirche mit aufbauen durfte, habe ich erlebt, wie wichtig es ist, ein gesundes Wachstum in Projekten zu fördern. Im Bereich Kirchenentwicklung arbeite ich inzwischen bei der FRESH X Initiative Kirche Kunterbunt und bei der ELKB M.U.T mit. In beiden Projekten werden neue Wege für innovative Ausdrucksformen von Kirche gebildet und gefördert. Außerdem arbeite ich für den CVJM Landesverband Bayern.
Für ein gesundes Wachstum braucht es einen gesunden Start. Einen Start, der von Faszination, Mut und Unzufriedenheit beflügelt wird. „Moment, Unzufriedenheit?!“, denkst du jetzt vielleicht. Ja, ich denke, dass es eine „heilige Unzufriedenheit“ gibt. Einen Schmerz, den man über die eigene Situation oder einen Zustand im eigenen Umfeld spürt. Einen Frust und das dringende Gefühl, etwas ändern zu wollen, unterstützt von der Faszination und dem Träumen von dem, wie es sein könnte. Da ist eine Freude, die einen überkommt, wenn man nur daran denkt, was durch Veränderung alles möglich sein könnte. Und dann kommt ganz konkret der Mut dazu.
Das Problem ist oft, dass sich Mut manchmal weniger wie Mut, sondern mehr wie Angst anfühlt. Jeder Aufbruch hin zur Veränderung oder in die Wildnis, wie ich sie gerne nenne, bringt immer auch ein Stück Unsicherheit mit sich. Doch wenn wir im Bild der Wildnis bleiben, ist diese Unsicherheit in Veränderungsprozessen gar nicht unbedingt etwas Schlechtes. Die Unsicherheit lässt dich wachsam werden. Gerade bei Veränderungen ist es wichtig, ganz genau hinzuhören, was gebraucht wird, und Details nicht außer Acht zu lassen, sondern genau hinzuschauen. In die Wildnis der Veränderung zu gehen, ist kein Spaziergang, doch es lohnt sich. Es gibt unglaublich viel zu entdecken.
Zieh dir gute Wanderschuhe an, pack dir genug Proviant ein und suche dir gute Begleiter. Menschen, mit denen du lange Strecken zurücklegen kannst. Dein Veränderungswunsch kann dabei ganz unterschiedlich sein. Ich begleite die verschiedensten Pionierprojekte und manche der Gründenden würden sich gar nicht als Pionier oder Pionierin bezeichnen. Es sind Menschen wie du und ich, die aus der heiligen Unzufriedenheit heraus einen neuen Weg einschlagen. Sie wagen sich hinaus in die Wildnis. Oft ist es die „Struktur-Wildnis“ oder die „Unverständnis-Wildnis“, fernab der „Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Zivilisation“.
In meinen verschiedenen Arbeitsbereichen liebe ich es, genau diese Menschen zu begleiten. Menschen, die nicht mehr so tun wollen „als ob“ und die leidenschaftlich um Veränderung ringen. Zahlreiche Herzen, die bewegt wurden und nun etwas bewegen wollen. Oft schütteln die Leute um sie herum die Köpfe und hinterfragen den Sinn hinter ihren Ideen. Umso mehr geht mir das Herz auf, wenn ich sehe, was passiert, wenn sich im Alltäglichen durch das Wirken eines „Trotzdem-Machers“ Türen öffnen. Das müssen nicht immer Kirchentüren sein, auch Kneipentüren sind bestens geeignet. Ein Teamleiter einer großen Automobilfirma hat zum Beispiel erstaunt festgestellt, dass er Gott eher in seiner Lieblingskneipe beim Bier erlebt als sonntagmorgens im Gottesdienst. So hat er begonnen, immer donnerstags zu „Bibel und Bier“ einzuladen. Die Freunde, zu denen er früher in den Hauskreis gegangen ist, haben nur mit dem Kopf geschüttelt.
Oder die Familie, die, nachdem in unmittelbarer Nähe Geflüchtete untergebracht wurden, den eigenen Konsum infrage gestellt und die Nähe zu ihren neuen Nachbarn gesucht hat. Der Vater der Familie hatte eine innere Unzufriedenheit und ging über die Straße, um Hilfe anzubieten und Nächstenliebe zu zeigen. Aus den Unterhaltungen mit Händen und Füßen entstanden ein ganzes Nachbarschaftsnetzwerk und Patenschaften für geflüchtete Familien, obwohl viele zuvor kritisch eingestellt waren.
Ein anderes Beispiel ist die Pfarrerin, die in einer kleinen Landgemeinde aktiv ist und der eines Tages blitzartig ein Gedanke kommt: Anstatt sonntags nach dem Gottesdienst zum Kirchencafé einzuladen, würde sie lieber mit einer italienischen Ape, einem dreirädrigen Rollermobil, mittwochs auf dem Dorfplatz mit wem auch immer einen Espresso trinken. Der Dekan hat nur den Kopf geschüttelt und gemeint, sie könne das schon machen, wenn der Gottesdienst am Sonntag nicht zu kurz käme. Das kam er nicht.
BALANCE FINDEN
Darauf, dass nichts zu kurz kommt, muss auch ich in meinem Leben achten. Das sage ich dir ganz ehrlich. Trotz meiner Euphorie muss ich gesund mit meiner Zeit haushalten.
Ich lebe in einem Lebensabschnitt, in dem ich zwei Berufungen habe und keine soll unter der anderen leiden. Ich habe ein riesiges Löwenherz und bin leidenschaftlich berufene Mama von drei wundervollen Kindern. Unsere Kinder und die Zeit, die ich mit ihnen verbringen kann, stehen für mich an erster und vorrangiger Stelle. Daher zieht es mich im Zweifelsfall immer hin zu meinem Dienst als Mama. Außerdem bin ich Ehefrau von einem großartigen Ehemann. Meine zwei Berufungen funktionieren nur, weil er mein Verbündeter ist. Das meine ich damit, wenn ich schreibe, dass man sich beim Aufbruch in die Wildnis gute Verbündete suchen sollte. Menschen, mit denen man sehr gerne weite und auch manchmal anstrengende Strecken zurücklegen kann. Das muss nicht unbedingt ein Ehepartner sein. Es sind Menschen, die mit dir, egal, ob Anstieg oder Abstieg, auf dem Weg bleiben.
Meine Berufung in Kirche liebe ich sehr. Leidenschaftlich gerne arbeite ich hauptamtlich im Reich Gottes mit. Eine meiner Leidenschaften ist es, zu predigen. Mein Herz schlägt höher, wenn ich an die Zukunft der Kirche denke, und dafür möchte ich mit Worten und Taten einstehen. Mich faszinieren Prozesse und Neugründungen. Daran mitwirken zu dürfen, erfüllt mich. Wo Menschen von Gottes Geist berührt werden, fließt etwas davon zu mir zurück. Ich bin begabt, ausgebildet und berufen, im hauptamtlichen Dienst tätig zu sein.
Diese Tatsache hilft mir, mich zu positionieren. Ich bin begeistert davon, auf Augenhöhe und in der Ergänzung von verschiedenen Fähigkeiten zu arbeiten. Ich nehme in Freiheit die Aufgaben wahr, für die Gott mich befähigt, berufen und beauftragt hat. Das kann auch eine Leitungs- oder Lehrposition sein. Wo nötig, benenne ich Missstände, die aufgrund von Geschlechter- und Rollenbildern gemacht werden. Und wie schon erwähnt, achte ich auf Ruhezeiten. Eine einwöchige Auszeit plane ich zum Beispiel viele Monate zuvor ein. Ich habe meine festen Rituale und werde trotzdem Fehler machen.
Das Gute ist, es muss nicht alles perfekt laufen. Wirklich nicht. Ich arbeite an meinen Lernfeldern. Bitte um Vergebung, wenn etwas schiefgelaufen ist, und bleibe als Lernende auf dem Weg. Dieses „Auf dem Weg sein“ und „Veränderung wagen“ möchten wir auch unseren Kindern vorleben. Gerade, weil sie in einer Zeit aufwachsen, in der Begriffe wie...
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2024 |
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Verlagsort | Asslar |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Schlagworte | Engagement • Erlebnisberichte • Nächstenliebe |
ISBN-10 | 3-96122-622-9 / 3961226229 |
ISBN-13 | 978-3-96122-622-1 / 9783961226221 |
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