Wandering Hearts (eBook)
448 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30258-0 (ISBN)
Taras Leben ist durchgeplant: Sie studiert Tiermedizin, um eines Tages die Familienpraxis zu übernehmen. Als sie beschließt, für ein Praktikum nach Kanada zu gehen, kommt es zu einem heftigen Streit mit ihren Eltern. Dennoch bricht Tara auf. Kurz nach ihrer Ankunft soll sie ausgerechnet Jaimie, den mürrischen Ranger, der sie von Anfang an nicht leiden kann, auf eine Forschungsreise begleiten. Auf ihrem Weg durch die Rocky Mountains, vorbei an versteckten Wasserfällen und atemberaubenden Seen, müssen sie auf engstem Raum miteinander auskommen. Langsam taut Jaimie auf, und zwischen den beiden knistert es gewaltig. Bei ihrer Rückkehr jedoch droht die Seifenblase, in der sie sich befinden, jäh zu zerplatzen, als sie sich mit der Realität und schmerzhaften Wahrheiten konfrontiert sehen.
Josi Wismar studiert Buchwissenschaft in Mainz, und fast ihr gesamtes Leben ist mit der Buchbranche verknüpft. Auf ihren Social-Media-Kanälen tauscht sie sich gerne mit ihren Leser*innen aus, schreibt in Livestreams gemeinsam mit der Community an ihrem neuesten Buch und verbringt einen gefährlich großen Teil ihrer Bildschirmzeit auf BookTok. Wenn sie nicht gerade versucht, für ihren Buch-Podcast #Ausgelesen mehr zu lesen als ihre Podcast-Partnerin Sarah, steht sie auf dem Fußballplatz oder vermisst die Berge, in die sie ganz dringend mal wieder fahren muss. Josi Wismar war nominiert als #BookTok Autor:in des Jahres 2023!
Kapitel 1
Tara
Packlisten zu schreiben war mir nie sonderlich schwergefallen.
Doch jetzt stand ich hier vor meinem Koffer, der fast größer war als ich, und starrte auf die leeren Packhilfen. Ich wusste nicht, was auf mich zukommen würde. Genauso wenig wusste ich, wie viele Tage ich weg sein würde.
»Du ziehst das echt durch, ja?«, drang Milas Stimme aus dem Handy, das ich auf den Schreibtisch gelegt hatte. Direkt neben meinen Kalender, in dem ich mit babyblauem Textmarker das Wort KANADA hervorgehoben hatte.
»Ich glaube schon«, nuschelte ich und zählte die neun Packhilfen – die einen organisierten und ordentlichen Koffer versprachen – ein weiteres Mal ab. Ich glaubte nicht, dass die Berge an Klamotten, die daneben auf sortierten Stapeln lagen, wirklich hineinpassen würden. Ich wusste, dass es neun waren, weil ich die Kategorien für meine Klamotten selbst durchdacht und danach die dunkelgrünen Beutel aus dem Keller geholt hatte.
»Deine Stimme sagt auf jeden Fall Ich steige morgen in ein Flugzeug, um für unbestimmte Zeit in Kanada zu bleiben, und der Gedanke macht mir überhaupt keine Angst.« Ich konnte das Kopfschütteln meiner besten Freundin dank ihrer sarkastischen Stimme vor mir sehen, auch wenn wir nur telefonierten.
»Ich bin ja gar nicht für unbestimmte Zeit weg«, versuchte ich mich selbst vom Gegenteil zu überzeugen. »Spätestens für das nächste Sommersemester muss ich zurück sein.« Was immer noch knapp sieben Monate waren, aber das sagte ich nicht laut. Ich hörte die Haustür im Erdgeschoss, und mit einem Mal spürte ich den Herzschlag viel stärker in meiner Brust hämmern.
»Hast du schon ein Rückflugticket gebucht? So mit festem Datum und allem?«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf und ließ mich resigniert auf den hellen Teppich in der Mitte meines Zimmers fallen. Mila schwieg und rieb mir nicht noch mal unter die Nase, dass sie natürlich recht hatte. Ich würde erst mal auf unbestimmte Zeit in Kanada sein.
Ein Klopfen an der Tür, doch ich schaute nur weiter auf den leeren Koffer. Für jeden anderen Trip hätte ich schon gestern Mittag fertig gepackt.
»Komm rein.«
»Noch nicht fertig mit packen?« Mein Bruder schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ist das Matty?«, fragte Mila überflüssigerweise.
»Nein, nur ihr unglaublich gut aussehender Freund, von dem sie dir noch nichts erzählt hat«, konterte er mit einem breiten Grinsen.
»Erzähl keinen Quatsch. Ich weiß alles aus Taras Leben. Sogar die Dinge, die sie selbst nicht weiß. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass Unterhosen für zwei Wochen völlig ausreichen und sie dann eben eine Waschmaschine zwischen Bergen und Bären finden muss.«
»Warum habe ich das Gefühl, in ein Gespräch hineingeplatzt zu sein, an dem ich überhaupt nicht teilhaben will?« Matty lachte auf, doch ich verdrehte nur genervt die Augen.
»Nanaimo ist überhaupt nicht so sehr in der Wildnis, wie das jetzt aus deinem Mund klingt.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Nanaimo war die zweitgrößte Stadt auf Vancouver Island. Da musste es eine Menge Waschmaschinen geben. Oder?
»Und warum heißt es dann Wildlife Rescue Center? Wo Wildlife ist, muss ja wohl auch Wild sein?« Mila kicherte über ihren eigenen Witz, aber mir war ganz und gar nicht zum Lachen zumute.
»Warum machst du dir eigentlich so sehr in die Hosen?« Mein Bruder setzte sich neben mich auf den Teppich »Du bist quasi in den Bergen groß geworden, was ist da schon ein bisschen kanadische Natur?« Ich lächelte und erinnerte mich an zahlreiche Momente, die wir gemeinsam in den Alpen erlebt hatten. Ständig waren wir von München in die Berge gefahren und hatten ganze Sommer dort verbracht. »Und mit den Tieren wirst du ja wohl klarkommen.« Ich hob den Blick und sah meinem Zwillingsbruder, der die gleichen aschblonden Haare hatte wie ich, in die Augen.
»Aber dir ist schon bewusst, dass Krallen schneiden bei Kaninchen oder Ultraschall bei Hauskatzen in eine andere Kategorie fallen als verletzte Luchsbabys und verwaiste Pumas?« Matty zuckte nur mit den Schultern.
»Und seit wann machen dir neue Herausforderungen Angst?«
»Tara, dein Bruder sagt manchmal ziemlich kluge Dinge.« Auch wenn Mila nicht hier war, half es mir, zu wissen, dass sie doch alles mitbekam, und ihre Worte beruhigten mich.
»Matthias? Tara?« Die schrille Stimme meiner Mutter hallte durch das Treppenhaus. »Kommt ihr zum Essen?« Ich schnaubte resigniert und klappte den leeren Koffer einfach wieder zu.
»Wir sollten sie nicht warten lassen.« Matty strich mir sanft über den Rücken.
»Ja, Matthias. Ihr solltet eure Eltern nicht warten lassen, Matthias.«
»Ich leg gleich einfach auf, Mila«, erwiderte dieser entnervt, doch Mila hörte ihn vor lauter Lachen vermutlich nicht einmal. Ich stand auf und war in wenigen Schritten bei meinem Handy. Mit einem schnellen »Bis morgen, Mila« verabschiedete ich mich von meiner besten Freundin und stand nun allein mit meinem Bruder im Zimmer, das auf einmal so unangenehm still war.
»Wird bestimmt nicht so schlimm.« Das war diese Sache mit den Zwillingsbrüdern. Sie konnten fühlen, was man dachte, auch wenn man der festen Überzeugung war, sein Pokerface verbessert zu haben.
»Ja, stimmt. Wir reden heute bestimmt über das schöne Sommerwetter und nicht über die Tatsache, dass ich es wage, ein Auslandspraktikum zu machen. Sprechen wir heute über den Alltag in der Praxis oder wird es doch eher wieder Thema sein, wie enttäuscht alle von mir sind, weil ich gehe?«
»Ich bin nicht enttäuscht von dir.« Die Worte meines Bruders schmerzten.
»Sorry.« Ich wollte ihn da nicht mit reinziehen. Er war auf meiner Seite, und ohne ihn hätte ich die letzten Wochen nicht überstanden, doch gegen meine Eltern hatte man den Kampf bereits verloren, noch bevor er überhaupt angefangen hatte. »Ich verstehe das nur alles nicht, Matty …« Ich hatte aufgegeben zu zählen, wie häufig dieser Satz in den letzten Wochen meinen Mund verlassen hatte. Ich verstand nicht, warum es so ein Problem war, dass ich nach Kanada wollte, wenn doch alle in der Familie mindestens ein Semester ihres Veterinärmedizinstudiums im Ausland verbracht hatten. »Ihr wisst doch alle, dass ich zurückkomme. An dem Plan, dass wir beide die Praxis übernehmen, hat sich doch nichts geändert.« Ich warf die Hände in die Luft und schnalzte genervt mit der Zunge.
»Ich kann es dir nicht sagen.« Matty wusste, wie hart die letzte Zeit für mich gewesen war. Er legte seine Hand auf meinen Oberarm und sah mich voller Mitleid an. Jeden Tag mit meinen Eltern zu streiten, verunsicherte mich, aber ich war mir sicher: Ich wollte nach Kanada.
Mattys mitleidiger Blick wich einem schelmischen Grinsen. »Ich würde ihnen an deiner Stelle nur nicht sagen, dass du die Praktikumsstelle nicht bekommen hast und dir noch nicht sicher bist, was genau du nach der Zeit bei Beth im Rescue Center machst.«
»Danke, Matty. Hilfreicher Tipp.« Ich verdrehte die Augen und wollte ihm am liebsten in die Schulter boxen, aber er hatte recht. Ich war aus allen Wolken gefallen, als mich eine Absage der renommierten Praxis in Calgary erreicht hatte, aber zwischen Wir sind enttäuscht von dir und Du zerstörst dir deine Zukunft hatte ich bisher einfach noch nicht den richtigen Moment gefunden. »Wenn ich das mache, bin ich noch vor dem Nachtisch enterbt.« Wir lachten beide, auch wenn uns bewusst war, dass das kein Witz war. Abwegig war nach den letzten Wochen rein gar nichts mehr.
»Du bleibst erst mal bei Beth, und dann sehen wir weiter.« Ich legte die Packhilfe von einer Seite neben dem Koffer auf die andere und wünschte mir, Mattys Optimismus würde auf mich abfärben.
»Ich hoff’s. Keine Ahnung, wie es wird, sie wiederzusehen.« Ich ließ den Kopf in alle Richtungen kreisen, um die Verspannungen in meinem Nacken zu lösen. »Ist ja immerhin schon über zehn Jahre her.« Kurz schwiegen wir beide, aber ich spürte, dass Matty noch etwas hinzufügen wollte.
»Weißt du …«, begann er, und ich richtete meinen Blick wieder auf ihn. »Manchmal tun Menschen doofe Dinge. In dem Glauben, das Richtige zu tun.«
»Meinst du mit Menschen zufälligerweise unsere Eltern?« Ich schnaubte ungläubig und räumte ein paar weitere Klamotten hin und her. Mein Bruder sah mich an, und das Mitleid in seinem Blick verursachte ein Stechen in meiner Brust.
»Du musst dir das nicht gefallen lassen, Tara.«
»Aha«, antwortete ich nur. Seine Worte überforderten mich. Wie sollte dieses nicht gefallen lassen denn seiner Meinung nach aussehen?
»Ich steh hinter dir Tara, das ist eigentlich alles, was ich damit sagen will.« Ich atmete tief ein und zog meinen Bruder in eine Umarmung.
»Danke«, nuschelte ich an seiner Schulter und hoffte, dass das die Situation irgendwie erträglicher machen würde.
Die unangenehme Stille wurde nur vom Quietschen des Bestecks unterbrochen, wenn es über die glänzend weißen Porzellanteller kratzte. Matty und ich waren nach unten ins Esszimmer gegangen, wo wir seitdem schweigend mit unseren Eltern zu Abend aßen. Es war verwirrend, wenn sich Alltägliches plötzlich anfühlte, als würde jeder meiner Schritte kritisch beäugt werden. Was tut Tara als Nächstes? Wen enttäuscht sie nun mit ihren hirnrissigen Entscheidungen?
»Möchtest du noch Erbsen?« Meine Mutter hielt mir die kleine Schale hin, und ich nickte, obwohl ich noch...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2024 |
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Reihe/Serie | Die Wild-Hearts-Reihe |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2024 • Ayla Dade • Bianca Iosivoni • Bookstagram • Booktok • booktok autorin • booktok bücher deutsch • Broken Hero • Buchbloggerin • Deutsche Autorin • eBooks • enemies to lovers • Familie • Good vibes • Große Gefühle • Kanada • Kathinka Engel • Liebesroman • Liebesromane • Lilly Lucas • Maren Vivien Haase • Mona Kasten • Natur • Neuerscheinung • New Adult • new adult deutsch • New-Adult-Reihe • one bed • Prickelnder Liebesroman • Romance • Romantik • Sarah Sprinz • Serie • shortlist tiktok book awards • SPICE • spicybooks • summer vibes • tiktok book awards 2023 • tiktok made me buy it • Wildnis • Wohlfühlroman |
ISBN-10 | 3-641-30258-7 / 3641302587 |
ISBN-13 | 978-3-641-30258-0 / 9783641302580 |
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