Und Großvater atmete mit den Wellen (eBook)
416 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491904-1 (ISBN)
Eine ergreifende Geschichte von Schicksal, Hoffnung und Freundschaft. Das bewegende neue Werk der renommierten norwegischen Autorin Trude Teige über ein unbekanntes Stück Geschichte.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 29/2024) — Platz 20
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 18/2024) — Platz 5
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 16/2024) — Platz 4
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 15/2024) — Platz 4
Trude Teige ist eine der bekanntesten Autorinnen, TV-Moderatorinnen und Journalistinnen Norwegens. In ihren Romanen bietet sie einen bewegenden Einblick in unbekannte Stücke unserer Geschichte und zeigt, wie das Schicksal auch die folgenden Generationen prägt. »Als Großmutter im Regen tanzte« stand monatelang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Auch ihr zweiter zeitgeschichtlicher Roman, »Und Großvater atmete mit den Wellen«, wird in in viele Sprachen übersetzt. Trude Teige hat drei erwachsene Kinder und lebt mit ihrer Familie am Oslofjord.
Günther Frauenlob ist Übersetzer, Moderator und Literaturagent. Er überträgt erzählende Literatur und Sachbücher aus dem Norwegischen und Dänischen. Daneben gehört er der Redaktion der Zeitschrift »Aqua viva« an. Frauenlob ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in Waldkirch.
»Egal, ob es stürmt oder ganz ruhig ist, die Wellen treffen das Land immer im gleichen Rhythmus. Und wenn du Angst hast oder traurig bist, musst du mit dem Meer atmen.« – Konrad
»Trude Teige zeigt erneut, wie gut sie erzählen kann. Ein beeindruckendes, mitreißendes Buch.« – Verdens Gang
»Übertrifft sogar noch den Vorgänger-Roman.« – Jyllandsposten
4
4. April, Catherine Booth’s Hospital, Java, Indonesien
Sigrid Greve blieb stehen und verbeugte sich vor dem japanischen Soldaten, der am Tor des Krankenhauses Wache hielt, ehe sie weiter durch den Garten ging und den Duft der gelben Kletterrosen neben der Treppe einsog. Auf der obersten Stufe blieb sie stehen, fuhr sich mit den Fingern durch die langen, blonden Haare, teilte sie zu drei Strähnen und flocht sie langsam zu einem Zopf.
Das Krankenhaus war ein typisches Landhospital, ursprünglich ein alter Bungalow, erbaut vor mehr als hundert Jahren als Landsitz eines Plantagenbesitzers. Ein Dach erstreckte sich über die Veranda, die mit kleinen Tischen, Lehnstühlen und Sofas als Außenraum eingerichtet worden war. Hier konnten Patienten, denen es gut genug ging, vor der Sonne geschützt ausruhen.
Der Morgendunst lag wie ein seidenes Band um die Palmen und großen Birkenfeigen. Weiter oben an den Hängen verdeckte er die Reisfelder und die bunten Rosenbüsche an den terrassierten Hängen. Wenn die Sonne zum Vorschein kam, glänzten die Tautropfen wie Kristalle. An manchen Stellen war der Nebel durchsichtig, die Luft noch frisch, doch bald würden Sonne und Hitze wieder die Oberhand gewinnen. Eine Gruppe Männer kam aus dem Dunst den Pfad herunter. Die Körbe, die sie an Stangen über den Schultern trugen, waren voller Früchte und Gemüse. Hinter ihnen folgten Frauen mit Körben voller Blumen. Einige trugen Säuglinge in ihrem Selendang, einem langen Tuch, das sie um Schultern und Oberkörper geschlungen hatten. Sie alle waren auf dem Weg von den kleinen, überall verstreuten Dörfern zu dem Markt in der Stadt, um ihre Waren zu verkaufen. Ein paar kleine Mädchen sprangen mit weißen Blüten in den Haaren zwischen ihnen hindurch. Sigrids Blick ging an ihnen vorbei zu den Bergen und Hügelzügen dahinter. »Blauende Berge« hatte ihr Vater das einmal genannt, als sie Ferien in den Fjorden an der norwegischen Westküste gemacht hatten. Sie war zehn Jahre alt gewesen, als ihre Familie von Kristiansand nach Java gezogen war, jetzt war sie zwanzig. Manchmal sehnte sie sich nach Norwegen zurück, wo alles so anders war als hier. Winter mit Strickmützen und Handschuhen, Schnee und Skiern und Sommer mit Krabbenfischen, Lagerfeuern und Sonnenbaden auf flachen Uferfelsen gemeinsam mit Cousins und Cousinen. Nachdem die Japaner Java besetzt hatten, war die Sehnsucht größer geworden. Doch jetzt war es völlig unmöglich, irgendwohin zu reisen.
Sigrid fand ein Band in ihrer Tasche und knotete es um das Ende ihres Zopfes. Wie so oft vor der Arbeit hatte sie den Pfad genommen, der an den Felsen entlangführte. Ihre Gedanken waren weit weg gewesen, bei ihren Verwandten auf der anderen Seite der Erde. Das Meer war wie eine Brücke, die ihre beiden Welten miteinander verband. Zu Hause sprach sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester immer nur Norwegisch, und jeden Donnerstag gab es norwegisches Essen. Ihre Mutter hatte den Koch gelehrt, Fleischbällchen mit Erbsenpüree, Kohlrouladen und Fleisch in brauner Soße zu machen. Und sogar einige Nachtische hatte er gelernt – Pflaumenkompott, Karamellpudding und Verschleierte Bauernmädchen.
Java gehörte zu Niederländisch-Ostindien, und Sigrid war auf eine niederländische Schule gegangen. Außerdem sprach sie Javanisch, da sowohl ihr Kindermädchen als auch der Koch Einheimische waren. Der Gärtner war obendrein Japaner und hatte ihr genug Japanisch beigebracht, um einfache Gespräche zu führen. Englisch und Französisch hatte sie in der Schule gelernt.
Die beinahe still stehende Luft war angefüllt von dem Duft der Blumen im Krankenhausgarten. Sigrid glaubte, die Wellen zu hören, die in der Ferne gleichmäßig an die Felsen schlugen. Auf dem Rasen vor dem Haus stolzierte ein Pfau herum, und große Schmetterlinge mit schwarz-weißen Flügeln schwirrten hin und her. Dann übernahm die Sonne langsam die Regie, der Dunst löste sich auf, und Gras und Bäume begannen zu dampfen.
Gleich darauf durchbrach ein kräftiges Motorengeräusch die Idylle. Ein Lastwagen fuhr vorbei. An der Seite prangte eine rote Sonne mit kräftigen Strahlen auf weißem Grund. Auf der Ladefläche standen dicht an dicht japanische Soldaten. Die Bajonette auf ihren Gewehren zeigten zum Himmel und erinnerten an einen Wald.
Vor etwas mehr als einem Jahr hatten die Japaner Java besetzt. Die Alliierten hatten sich ergeben, und das Personal im Krankenhaus hatte das Schlimmste befürchtet, schließlich kursierten Gerüchte über Massaker an Patienten und Angestellten in anderen von den Japanern besetzten Ländern. Es war aber nicht viel passiert, ein japanischer Offizier hatte lediglich alle Angestellten in den Garten beordert und ihnen mitgeteilt, dass das Krankenhaus nun unter japanischer Leitung stehe und sie als Angestellte keinerlei Rechte mehr hätten. Gleiches gelte für die Heilsarmee, unter deren Leitung das Krankenhaus vorher gestanden hatte. Es war ein Wachmann am Tor platziert worden, um zu kontrollieren, wer kam und ging, sie hatten aber weiterhin verletzte Australier, Niederländer und britische Soldaten behandeln dürfen. Viele, die sich in den Bergen versteckt hatten, waren mit der Zeit von den Japanern aufgegriffen worden. Waren die Patienten gesund genug, wurden sie abgeholt und in das Gefangenenlager außerhalb der Stadt gebracht, so dass sie mittlerweile nur noch wenige alliierte Soldaten betreuten.
Hinter ihr wurde die Tür geöffnet. Einer der Ärzte, der Holländer Cornelis van Hoosen, trat neben sie und wünschte ihr einen guten Morgen. Mit einem ärgerlichen Hupen scheuchte der Lastwagen in der Kurve ein entgegenkommendes Auto zur Seite. Dem Fahrer gelang es gerade noch auszuweichen, und als der Wagen gleich darauf am Krankenhaus vorbeifuhr, sah Sigrid einen Mann und eine Frau mit zwei Kindern auf der Rückbank. Auf dem Dach waren Matratzen befestigt, und auf dem übervollen Anhänger erkannte sie zwischen Kisten und Kästen einen Schrank.
»Es ist zu spät, man kommt hier nicht mehr weg«, sagte Cornelis. »Wir sind auf allen Seiten vom Meer umgeben, und Schiffe, die uns nach Europa bringen könnten, gibt es nicht. Wir sind verurteilt zu bleiben.«
»Was glaubst du, wird mit uns geschehen?«, fragte Sigrid.
»Das weiß niemand, aber die Niederlande haben Japan den Krieg erklärt, als Erstes werden sie es wohl auf uns abgesehen haben.«
»Aber was wollen die denn hier?«
»In erster Linie geht es ihnen vermutlich ums Öl. Aber sie haben auch Größenphantasien. Sie wollen unter ihrem heiligen Kaiser ein Weltreich errichten. Nur die Götter wissen, was die mit uns anstellen werden.«
»Mit den Holländern?«
»Ja, mit uns und all den anderen Imperialisten und Vertretern der Kolonialmächte. Wir haben den Javanern ihr Land genommen, und jetzt haben die Japaner es uns genommen. Die Alliierten sind überall in Südostasien besiegt worden. Zehntausende, vielleicht Hunderttausende Soldaten sind in Gefangenschaft geraten. Und jetzt verhaften sie auch Zivilisten. Vorläufig haben sie es nur auf die Männer abgesehen, aber was passiert mit den Frauen, wenn die Männer interniert sind? Wie sollen all diese verwöhnten, gintrinkenden Kolonialherrinnen, die Diener und Kindermädchen gewohnt sind und sich nur für die nächste Cocktailparty interessieren, zurechtkommen, wenn alles in Auflösung gerät und ihre Männer fort sind?«
Eine perfekte Beschreibung meiner Mutter, dachte Sigrid.
»Das Leben wird ein anderes sein. Sie werden sich darin nicht zurechtfinden«, fuhr er fort. »Und nicht nur die Japaner hassen die Europäer. Auch die Einheimischen werden sich erheben, wenn sie sehen, dass die Reiche ihrer Kolonialherren zusammenbrechen. Sie wollen hier weder die Japaner noch die Europäer haben. Das Leben auf Java, wie wir es kennen, ist für immer zu Ende.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Früher oder später wird das Volk aufstehen. Es ist die Unterdrückung leid. Ob in Krieg oder Frieden, sie werden sich gegen die Invasoren erheben, gegen die Japaner ebenso wie gegen uns, die wir schon vor mehreren hundert Jahren hierhergekommen sind.«
Sigrid betrachtete ihn nachdenklich. Cornelis war der jüngste der drei Ärzte, die im Krankenhaus arbeiteten. Er war unverheiratet und vielleicht zehn Jahre älter als sie. Sein autoritärer Charme beruhte auf seiner Kompetenz als Arzt, sonderlich attraktiv war er aber nicht. Die rötlichen Haare waren dicht, seine Haut eher rot als braun, und zwischen seinen Schneidezähnen klaffte eine große Lücke, wodurch sein Lächeln etwas schelmisch wirkte. Sigrid mochte ihn, er war lustig, offen und hatte einen guten Draht zu den Patienten.
»Bushidō«, sagte er.
»Was ist das?«
»Der Ehrenkodex der Japaner. Es ist besser zu sterben, als in Schande zu leben. Und was die Frauen angeht … Frauen werden als unterlegen betrachtet, als eigensinnig und dumm.« Er stieß sie leicht in die Seite und hatte ein Zwinkern in den Augen. »Genau deine Eigenschaften, Sigrid.«
»Woher weißt du das alles?«
»Ich habe ein Jahr lang in einem Krankenhaus in Tokio gearbeitet. Da kam ich gerade frisch von der Universität.« Er sah sie ein paar Sekunden lang voller Ernst an, ehe er sagte: »Du darfst einem japanischen Soldaten nie direkt in die Augen blicken, Sigrid. Vergiss das nie.«
...Erscheint lt. Verlag | 27.3.2024 |
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Übersetzer | Günther Frauenlob |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Alena Schröder • Als Großmutter im Regen tanzte • Arno Geiger • Bruder • Deutsche Geschichte • Dörte Hansen • eintauchen • Enkel • Familiengeheimnisse • Familiengeschichte • Familiensaga • Florian Illies • Flucht • Frauenschicksal • Generationenroman • geschenke für freundinnen • Glück im Unglück • Heilung • Heimat • Heimkehr • Historische Romane • Identität • Indonesien • Japan • Krieg • Liebe im Krieg • Liebesgeschichte • Liebesroman historisch • Nachkriegszeit • Neuanfang • neuerscheinung 2024 • Roman für Frauen • Stay away from Gretchen • Südostasien • Susanne Abel • Tochter • Trauma überwinden • Zur See • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-10-491904-6 / 3104919046 |
ISBN-13 | 978-3-10-491904-1 / 9783104919041 |
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