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Paris-Trilogie (eBook)

Ein Frauenleben in drei Romanen: «Sehr intim und berührend.» WDR
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
208 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01938-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Paris-Trilogie -  Colombe Schneck
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Frau, Freundin, Geliebte, Mutter, Schriftstellerin: Colombe Schneck schaut mit kühlem Blick auf ihr Milieu und voller Emotionen auf ihr Leben. «Diese Literatur ist von enormer Wichtigkeit, sie steckt voller Kraft und Lebendigkeit. Eine tiefschürfende Betrachtung der Existenz zu verschiedenen Lebenszeiten.» Deborah Levy Colombe wächst in den Achtzigerjahren als Kind linksliberaler jüdischer Eltern in der Pariser Bourgeoisie auf. Als sie mit siebzehn ungewollt schwanger wird, ist das die erste große Zäsur in ihrem Leben. Die zweite: der viel zu frühe Tod ihrer besten Freundin Héloïse, mit der sie seit der Kindheit eng verbunden war. Die beiden besuchten die besten Schulen und Universitäten, kämpften mutig gegen gesellschaftliche Erwartungen und fühlten sich dennoch weniger emanzipiert als gedacht. Warum war das so? Die dritte Zäsur ist eine unerwartet intensive Liebe, mit fünfzig Jahren, vielleicht die glücklichste ihres Lebens überhaupt. Colombe Schneck erzählt stets persönlich und doch auf frappierende Weise exemplarisch. Ihre Paris-Trilogie erzählt auf überragende Weise von den großen Themen im Leben einer Frau - Körper, Sexualität, Klasse, Herkunft, Freundschaft, Liebe, Tod.  «Diese Texte haben mich von Grund auf verändert. Sie sind mein lebendiger Körper, mein lebendiger Geist.» Colombe Schneck «Ein wunderschönes Buch über Dankbarkeit, eine Geschichte über Verlust und die Entdeckung der inneren Freiheit.» Le Monde

Colombe Schneck, geboren 1966 in Paris, hat an einer der renommiertesten Hochschulen in Paris Politik studiert und arbeitet als Journalistin. Schriftstellerin wurde sie eher durch Zufall, nachdem sie entdeckte hatte, dass ihr Großvater von seinem Liebhaber ermordet worden war, der ihn in Stücke zersägt in einem Koffer durch Frankreich bugsierte. Seitdem ist Colombe Schneck besessen von der Wahrheit und hat viel über die Geheimnisse ihre jüdisch-großbürgerliche Familiengeschichte geschrieben, ihre Bücher wurden in Frankreich mehrfach ausgezeichnet. Die drei unter dem Titel «Die Paris-Trilogie» zusammengefassten Kurzromane erschienen in Frankreich 2015, 2019 und 2021.

Colombe Schneck, geboren 1966 in Paris, hat an einer der renommiertesten Hochschulen in Paris Politik studiert und arbeitet als Journalistin. Schriftstellerin wurde sie eher durch Zufall, nachdem sie entdeckte hatte, dass ihr Großvater von seinem Liebhaber ermordet worden war, der ihn in Stücke zersägt in einem Koffer durch Frankreich bugsierte. Seitdem ist Colombe Schneck besessen von der Wahrheit und hat viel über die Geheimnisse ihre jüdisch-großbürgerliche Familiengeschichte geschrieben, ihre Bücher wurden in Frankreich mehrfach ausgezeichnet. Die drei unter dem Titel «Die Paris-Trilogie» zusammengefassten Kurzromane erschienen in Frankreich 2015, 2019 und 2021. Claudia Steinitz, 1961 in Berlin geboren. Sie übersetzte u. a. Nancy Huston, Claude Lanzmann, Yannick Haenel, Virginie Despentes und Emma Becker aus dem Französischen. Ausgezeichnet mit dem Johann-Friedrich-von-Cotta-Übersetzerpreis der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Jane Scatcherd-Preis.

Weder meine Familie noch meine nächsten Freunde wissen, was ich im Frühjahr 1984 erlebte. Scham, Schande, Traurigkeit … Ich habe nie erzählt, wie ich durch einen Zufall die Welt der Erwachsenen betreten habe.

Letztes Jahr sagte Annie Ernaux in einem Interview mit der Tageszeitung L’Humanité: «Unendliche Einsamkeit umgibt die Frauen, die abtreiben.»

Diese Einsamkeit hatte Annie Ernaux 1964 selbst erlebt. Damals war sie dreiundzwanzig, und Abtreibung war eine Straftat. In dem Interview erzählte sie, wie sie die Bibliotheken nach literarischen Werken durchsuchte, in denen die Heldin abtreiben wollte. Sie hoffte auf eine wohlmeinende Stimme in der Literatur, doch sie fand nichts. In den Romanen war die Heldin schwanger, dann war sie es nicht mehr, der Übergang von einem Zustand zum anderen wurde immer ausgelassen. Unter dem Stichwort «Abtreibung» gab es in der Bibliothek nur wissenschaftliche oder juristische Zeitschriften, die das Thema unter dem Aspekt der Strafbarkeit behandelten.

Sie fühlte sich noch stärker auf ihre Einsamkeit, ihre soziale Stellung zurückgeworfen. Von illegalen Abtreibungen, ihrer körperlichen und seelischen Brutalität hörte man nur durch Gerüchte in der Nachbarschaft.

Heute ist die Abtreibung zwar gesetzlich geregelt, aber in der Literatur immer noch ein Randthema.

Als Annie Ernaux 2000 Das Ereignis über eine Abtreibung vor der Legalisierung durch das Veil-Gesetz veröffentlichte, stieß das Buch auf geringes Echo. Ihre Geschichte störte. Ein Journalist beschimpfte sie: «Von Ihrem Buch wird mir übel.»

Die Abtreibung ist kein schönes literarisches Thema.

Sie ist ein Krieg, den man durchlebt, ein Krieg zwischen Leben und Tod, Demütigung, Schande und Bedauern.

Nein, es ist kein schönes Thema.

Ich habe gehört, was Annie Ernaux über das Schweigen sagt, über die Scham, wenn «für die Frauen nichts gewonnen ist», und dass dennoch «die Mädchen sich nicht genug engagieren».

Während in Europa Gesetze über den Schwangerschaftsabbruch infrage gestellt werden, während man immer noch von der Banalisierung der Abtreibung spricht und sogar den Begriff Komfort-Abtreibung erfindet, muss ich erzählen, wie dieses «Ereignis» für mich war und immer noch ist.

Weder banal noch komfortabel.

Ich habe keine Wahl, ich muss vom Frühjahr 1984 erzählen.

Ich bin siebzehn, und ich habe einen Liebhaber. Ich bin nicht verliebt, aber ich habe einen Liebhaber. Trällernd überquere ich den Boulevard Saint-Michel, ich bin siebzehn, und ich habe einen Liebhaber, ich bin sehr zufrieden. Ich bin nicht wie meine Mutter, ich bin nicht ihre Einsamkeit. Ich bin ich, ein Mädchen, das mit einem Jungen schläft, ohne verliebt zu sein. Ich bin siebzehn, und ich habe einen Liebhaber. Keinen Freund, keinen Schwarm, nicht so ein Teenieding, einen Liebhaber, ein Frauending.

Ich bin ein freies Mädchen.

Wir sind im Jahr 1984, die Linke ist an der Macht. Die Todesstrafe wurde abgeschafft, die Fête de la Musique erfunden, die CD ist garantiert unzerbrechlich. Der Ministerpräsident ist achtunddreißig, Aids ist für mich eine ebenso bedrohliche wie ferne Krankheit, die feministische Revolution ist fast vollendet. Im Fernsehen sehen und hören wir «Apostrophes», «Droit de réponse» und den Filmclub von Claude-Jean Philippe. Endlich sind wir alle intelligent und modern.

Heute ist diese Welt, in der ich lebte und die ich für unzerstörbar hielt, nicht mehr da. Komfort, Eltern, Unterstützung, Vertrauen in die Staatsmacht und die Frauen und Männer, die sie verkörpern– das alles ist verschwunden.

Mein Liebhaber ist ein Junge aus meiner Klasse. Er heißt Vincent, er ist neu hier, er kommt von der Rive droite. Groß, mit Hornbrille. Er ist süß, er hat einen Motorroller. Ich bin nicht in ihn verliebt, aber ich habe ihn gern.

Ich habe ihn ausgesucht. Zu der Zeit habe ich das Zepter in der Hand. Ich wähle, ich entscheide, ich ernenne. Alles ist so einfach. Ich frage meine Eltern nicht um Erlaubnis, wenn ich bei ihm schlafe oder übers Wochenende bleibe.

Ich habe keine Angst, ich habe so viele erotische Szenen in der Literatur gelesen, ich kann es kaum abwarten, die Gefühle und Handlungen zu erleben, die mich auf dem Papier so faszinieren. Ist es ebenso berauschend, so strahlend und erregend wie in den Büchern? Ich habe x-mal Emmanuelle gelesen. «Sie kämpfte dagegen an, aber nur, um die Wonnen der Hingabe nach und nach umso voller auszukosten. Die Hand des Mannes regte sich nicht, aber sie war spürbar da: Allein durch ihr Gewicht übte sie einen Druck auf die Klitoris aus. Sonderbar erregt empfing Emmanuelle die langen und würzig riechenden Strahlen die sich über ihre Arme, ihren nackten Leib, ihre Brust, ihr Gesicht, ihren Mund und ihre Haare ergossen. Ein unbekannter Rausch überkam sie.» Würde es auch so schön sein?

Wir haben nicht so viel Erfahrung mit dem Körper des anderen, wir liegen nicht in den Erste-Klasse-Sitzen eines Flugs von Paris nach Bangkok, kaum vor dem Blick der Stewardess verborgen, ich trage keine Nylonstrümpfe und Seidendessous, die Hand ist nicht die eines Unbekannten, sondern gehört einem Klassenkameraden, wir liegen im engen Bett eines Siebzehnjährigen, in einem Zimmer, das noch die Spuren der Kindheit trägt, Weltkarte, Snoopy-Poster, karierte Decke, ich will nur das, er auch.

Ich sage ihm nicht, dass er der Erste ist, ich will nicht, dass er sich nicht traut, dass er vorsichtig ist, dass er mich für ungeschickt oder schamhaft hält. Er ist nur der Erste auf einer Liste, die lang werden soll. Ich erfinde eine Geschichte mit einem älteren Mann, dem Unbekannten aus dem Flugzeug, einem Amerikaner, der kaum Französisch sprach.

Wir lernen schnell, uns zu berühren wie Emmanuelle und der Unbekannte im Flugzeug Paris–Bangkok. Nur der Ledergeruch fehlt. Wir fangen gleich wieder von vorn an, bekommen nie genug. Seine Haut ist zart, seine Haut ist hart. Es ist toll.

 

Ich bin begeistert, ich bin meine Jungfräulichkeit los, ich erlebe dasselbe wie in einem Roman, ich fühle mich noch freizügiger. Das ist nur der Anfang. Ich könnte die ganze Welt umarmen.

Am nächsten Morgen, dem ersten Morgen, hat Vincents Mutter ein Frühstück für die neue Freundin ihres Sohnes und für ihn vorbereitet.

Wir leben in dem Teil der Welt, wo ein Junge und ein Mädchen unter dem wohlwollenden Blick ihrer Eltern miteinander schlafen.

In jenem Frühjahr sitze ich an einem Freitagabend zwischen meinen Eltern auf dem Sofa im Salon. Wir reden über irgendwas, und plötzlich frage ich:

«Habt ihr vielleicht einen Frauenarzt unter euren Freunden?»

Sie sind Ärzte, sie sind links, wohnen Rive gauche, sind offen, charmant, gebildet. Meine Frage finden sie völlig normal. Sie freuen sich, dass sich ihre Tochter an sie wendet. Sie nehmen die Frage ernst. Wem werden sie den Körper ihrer Tochter, die Sexualität ihrer Tochter, ihre Brüste, ihr Geschlecht anvertrauen?

Sie sitzen auf dem breiten Ledersofa im halbrunden hellen Salon und überlegen.

Meine Mutter steht auf tunesische Gynäkologen. Ihr Arzt ist Doktor Lucien Bouccara, genannt Lulu, er ist auch ein Freund von ihr. So läuft das in den Achtzigerjahren in Paris, Rive gauche.

Meine Mutter ist überzeugt, dass die besten Gynäkologen Tunesier sind. Und das ist noch nicht alles: Die meisten von ihnen haben blaue Augen. Für sie ist das ein Zeichen, ein Beweis ihrer beruflichen Kompetenz.

Ich bin nicht einverstanden. Ich möchte keinen Lulu, keinen Doktor Bouccara, der mich zur Welt gebracht hat und zum Abendessen zu uns kommt.

«Ich stell mich doch nicht nackt vor Lulu hin, seid ihr bescheuert?»

Mein Vater hat eine andere Idee. Er schlägt vor, einen Termin bei Doktor L. zu vereinbaren. Auch ein Tunesier, um meiner Mutter eine Freude zu machen. Er kennt ihn, ein ernster und freundlicher Arzt, seine Praxis ist in der Rue de l’Université.

Der passt mir, ich mache einen Termin aus. Ich gehe allein hin. Bezahlen muss ich sowieso nicht. Meine Eltern sind Ärzte, und ich bin mit der unausgesprochenen Regel aufgewachsen, dass man unter Ärzten keine Rechnung stellt. Für mich betrifft diese Unentgeltlichkeit viele Dinge, meistens muss ich nur wollen und kann mich bedienen. Ich bin so weltfremd.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich beim ersten Termin Angst hatte oder mir etwas wehgetan hat. Ich war voll Vertrauen, überzeugt, dass alles gut ist, dass sich alles immer lösen lässt.

Doktor L. ist freundlich und aufmerksam, er nimmt sich Zeit, mit mir zu sprechen. Auf einem Blatt Papier macht er mit dem Bleistift verschiedene Zeichnungen, erklärt mir, dass ich ganz leicht schwanger werden kann. Bis die Pille wirkt, sollen wir sehr aufpassen, mein Freund und ich. Und ich darf vor allem nicht vergessen, die Pille jeden Tag zu nehmen.

Ich komme mir vor wie im Biologieunterricht, ich langweile mich ein bisschen, ich höre nicht richtig zu. Es ist doch ganz einfach, ich will die Pille nehmen, ich brauche ein Rezept. Ich verabschiede mich unbekümmert. Alles ist so leicht.

Ich bereite mich aufs Abi vor, trage ein hellblau-cremefarben gestreiftes T-Shirt von agnès b., schlafe mit einem Jungen, nehme die Pille. Ich mache mir keine Sorgen.

Waren in der Geschichte je andere siebzehnjährige Mädchen so frei wie ich?

Ich lese verbotene Bücher, seit ich lesen kann. Meine Eltern merken es immer zu spät.

Ich habe genaue Vorstellungen davon, was ich...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2024
Übersetzer Claudia Steinitz
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Annie Ernaux • Anspruchsvolle Literatur • Autofiktion • Autofiktionaler Roman • autofiktionales Schreiben • Bourgeoisie • bücher literatur • Bücher Neuerscheinungen 2024 • Deborah Levy • Feministische Literatur • Frankreich • Französische Literatur • Freundschaft • Gegenwartsliteratur • Judentum • Jüdisch • Jugendliebe • Klasse • Linksliberalismus • Milieu • Moderne Literatur • Moderner Roman • Oberschicht • Paris • Rive Gauche • romane neuerscheinungen 2024 • Romantrilogie • Simone de Beauvoir • Soziologe • Zeitgenössische Literatur
ISBN-10 3-644-01938-X / 364401938X
ISBN-13 978-3-644-01938-6 / 9783644019386
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