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Die Herren des Abgrunds (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024
720 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-28431-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Herren des Abgrunds - Adrian Tchaikovsky
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Vor beinahe einem Jahrhundert hat die feindliche Alien-Zivilisation der Architekten beinahe die Menschheit zerstört. Dann haben Intermediäre wie Idris Telemmier den Krieg beendet, und die Aliens verschwanden. Bis jetzt. Ein neuer Krieg droht, doch Idris hat das Geheimnis der Architekten entdeckt, ihre größte Schwäche - und nun droht der Menschheit Gefahr von ihren Verbündeten. Niemand weiß, wie die Galaxis der Zukunft aussehen wird ...

Adrian Tchaikovsky wurde in Woodhall Spa, Lincolnshire, geboren, studierte Psychologie und Zoologie, schloss sein Studium schließlich in Rechtswissenschaften ab und war als Jurist in Reading und Leeds tätig. Für seinen Roman »Die Kinder der Zeit« wurde er mit dem Arthur C. Clarke Award ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Familie in Leeds.

1


Andecka


Andecka Tal Mar: Intermediäre auf einem Drei-Mann-Schiff mit Namen Skipjack, das sich derzeit mit einer nur zweiköpfigen Besatzung begnügen musste, weil es gerade überall an entsprechendem Personal fehlte, besonders an Menschen. Hinter ihr die Welt Assur: ein einzigartiges Ökosystem, hervorragende Perspektiven für Agrikultur, Wissenschaft und Bergbau. Eine Bevölkerung von siebzig Millionen, überwiegend Menschen, aber auch größere Gruppierungen von Castigar und Hanni. Und davon brachte jedes Schiff, das den Orbit erreichen konnte, im Moment so viele von dort weg wie irgend möglich. Genau wie in den alten Kriegs-Historios. Denn der alte Krieg war zurück.

Vor ihr in einer Entfernung von mehreren Hundert Millionen Kilometern, mit bloßem Auge nicht einmal zu erkennen, der Architekt. Er verringerte den Abstand in stetigem Tempo, und Staven, Andeckas Pilot, hatte seine elegant gekrümmte Bahn geplottet. Sie würde Assurs Orbit auf den Punkt genau schneiden, den Architekten um die Welt schleudern, und sie dann …

Zerstören. Umgestalten. Die lebende Welt in ein totes Kunstwerk verwandeln.

Den Schätzungen von Assurs Kybernet nach wären zu diesem Zeitpunkt im besten Fall noch etwa siebenundsechzig Millionen Individuen auf dem Planeten.

»Gibt es Nachricht von unserer Verstärkung?« Andeckas Narben juckten. Operationsnarben, die sich wie Blitze über ihre Kopfhaut zogen. Es hatte nur eine einzige Intermediäre mit natürlicher Begabung gegeben, Sankt Xavienne, die Seite an Seite mit Andecka Berlenhof verteidigt hatte und dabei umgekommen war. Damals waren sie auf einem sehr viel größeren Schiff als der Skipjack gewesen, einem vollwertigen Schlachtkreuzer, aber genutzt hatte es ihnen nichts.

Staven brummte nur, und als sie die Frage wiederholte, fuhr er sie an: »Glaubst du nicht, ich hätte es dir gesagt, wenn wir eine hätten?« In jenem sarkastischen Ton, den er nur anschlug, wenn er fast umkam vor Angst.

Es war also keine Hilfe gekommen. Ein Problem, wenn der ganze Angriffsplan darauf beruhte, dass es jemanden gab, an den man den Ball abgeben konnte.

»Dann improvisieren wir eben«, sagte Andecka.

»Wir sind tot«, erklärte Staven, aber er drehte mit der Skipjack nicht ab.

Bei seiner optimistischen Schätzung der Opferzahlen stützte sich das Kybernet darauf, dass jemand Zeit für die Evakuierung gewinnen konnte, und dieser Jemand war anscheinend Andecka Tal Mar. Damals im alten Krieg waren es Flotten von Kriegsschiffen und Drohnen gewesen, jedes verdammte Ding, das als kurzfristige Ablenkung besser geeignet war als ein Flüchtlingstransporter. Wenigstens das hatte sich verbessert. Jetzt lag diese Aufgabe bei Intermediären wie Andecka. Denn im ganzen Universum war sie diejenige, die versuchen konnte, mit dem Architekten zu reden. Zu jenem gewaltigen Alien-Bewusstsein Kontakt aufzunehmen und es wie in dem alten Medio für Kinder anzuschreien: Wir sind hier. Damit es einen Moment innehielt.

Vielleicht auch länger … nur war ihre Stimme so schwach, dass sie sich das nicht vorstellen konnte. Vielmehr würde der Architekt ihrer überdrüssig werden, um daraufhin sie, Staven und die Skipjack in ein interessantes filigranes Molekülgitter zu verwandeln, bevor er dem Planeten die gleiche Behandlung angedeihen ließ.

»Warte mal, gerade ist was Großes durchgekommen.« In Stavens Stimme flammte ein Fünkchen Hoffnung auf und erlosch gleich wieder. »Nicht sie. Es sind nicht sie.«

Andecka kämpfte mit ihren Instrumenten, während Assur hinter ihnen zurückblieb. Staven hatte sie auf Abfangkurs gebracht, damit sie ihre winzigen Klagen in das Kristallohr des Architekten rufen konnte. »Wer dann …?« Im schlimmsten Fall ein zweiter Architekt, das war schon einige Male vorgekommen. Offenbar gab es Planeten, bei denen die Ungeheuer sichergehen wollten. Selbst wenn Andecka gegen eines davon eine Chance haben sollte, für zwei wäre sie nicht einmal ein Stein im Weg.

»Transporter. Scheiße.« Staven hechelte nach jedem Wort, als hätte er bereits jetzt einen Herzinfarkt. »Transporter. Castigar.«

Sie holte sich die Daten auf ihren Bildschirm. Eigentlich sollte sie sich jetzt nicht darauf konzentrieren, aber sie musste es wissen. »Der ist verdammt groß«, bestätigte sie. Natürlich nicht mit einem Architekten zu vergleichen, sie hatte jedoch nicht gewusst, dass die Castigar mit solchen Megafrachtern um sich werfen konnten. Sie war immer noch mit dem Kybernet von Assur verbunden und platzte dort in ein Gespräch. Ein tentakelgesäumtes Maul schaute ihr entgegen, der Kopf eines Castigar, jeder Schlangenarm mit einer Augenperle und einer Klaue besetzt.

»Sie sagen …« Andecka blinzelte verdutzt. »Sie können zweieinhalb Millionen Passagiere aufnehmen. Wie wollen sie die …?«

Staven schob ihr die technischen Daten des Schiffs hinüber. Sie hatte wirklich nicht einschätzen können, wie groß der Frachter war. Sie hatte in Städten gelebt, die kleiner waren. Die Kolonien der Menschen nutzten überwiegend kleine Transportfahrzeuge, Überbleibsel aus der Zeit, als jeder Kubikmeter Frachtraum gebraucht wurde, um eine in rasantem Zerfall begriffene Zivilisation zu befördern. Die Castigar dagegen schworen für den Transport zwischen ihren Welten auf Großraumschiffe, und hier war vielleicht zum ersten Mal eines ihrer größten über einer von Menschen bewohnten Welt aufgetaucht. Und es näherte sich mit so hoher Geschwindigkeit, dass Andecka nur hoffen konnte, die Grav-Bremsung der Castigar wäre der menschlichen Technik überlegen, andernfalls bekäme der Architekt womöglich doch keine Chance, den Planeten zu überarbeiten.

Jetzt meldete sich das Kybernet bei ihnen. Denn was nutzte die Kapazität für weitere zweieinhalb Millionen Flüchtlinge, die den Planeten verlassen wollten, wenn einem nicht genügend Zeit blieb, um sie an Bord zu schaffen.

»Sag ihnen, wir tun, was wir können«, seufzte Andecka. Wo zum Teufel bleibt die Verstärkung? Sie übernahm die Steuerung, wenn auch nur, weil die Illusion von Kontrolle bei der mentalen Einstimmung hilfreich war. Wie ein Pfeil schossen sie auf das ferne Lichtpünktchen zu, das sie mittlerweile erkennen konnte. Ein Monster von der Größe eines Mondes, in dem sich ein Bewusstsein verbarg. Ihr Ziel.

»Wundert mich trotzdem«, bemerkte Staven und riss sie aus ihrer Konzentration.

»Was, Staven? Was wundert dich?«

»Ich habe die Medios von dieser Hegemonie-Welt gesehen. Wo der Architekt angegriffen wurde. Zwei weitere sind ihm zu Hilfe gekommen, sind praktisch geradewegs in den Orbit gesprungen. Ich meine, das können sie doch. Warum also dieses lange Vorspiel?«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht brauchen sie eine Auszeit zum Nachdenken?«, zischte Andecka. Jetzt war ihre Konzentration endgültig dahin, denn er hatte recht. Die Art, wie sich die Architekten ihren Mordopfern näherten, wirkte seltsam höflich. Sie konnten natürlich aus dem Unraum direkt in die Schwerkraftsenke eines Planeten eintreten. Selbst wenn das schwierig oder mit großem Aufwand verbunden sein mochte, die Fähigkeit war vorhanden. Kein Grund, so langsam vorzurücken, dass den Leuten Zeit blieb, die Welt zu verlassen. Es war, als wollten sie das Entsetzen ihrer Opfer im Angesicht des Endes auskosten. Oder als wollten sie uns jede Möglichkeit zur Flucht geben.

Man konnte getrost sagen, dass die Meinungen darüber, was die Architekten tatsächlich wollten, geteilt waren. Die Mehrheit hielt sie für völkermordende Ungeheuer, und eine Reihe von eher wissenschaftlich Denkenden meinte, sie seien eben nicht zu verstehen, und Lebewesen seien ihnen gleichgültig. Und dann gab es einige, die den Geist der Instanzen berührt hatten und sie tatsächlich verstanden. Einige wie Andecka. Oder ihr Quasi-Mentor Idris Telemmier, der älteste noch lebende Intermediär. Der Mann, der so weit gegangen war wie niemand sonst und nun noch weiter gehen wollte.

Sie seien Sklaven, hatte er gesagt. Die meisten Leute – selbst die aktuell am Gemeinschaftsprojekt am Auge Beteiligten – hatte er nicht überzeugen können. Andecka dagegen schon. Es gab nicht viel, was Andecka nicht geglaubt hätte, wenn Idris Telemmier es sagte. Diese Art von Heldenverehrung war ihm zutiefst zuwider, doch sie hatte ihn aus nächster Nähe arbeiten sehen, Glanz und Elend zugleich. Er war die menschliche Kerze, die doppelt so hell leuchtete, aber niemals abbrannte. Und das Brennen tat weh, sie wusste es. Sie hatte die Hitze gespürt, und Idris stand vermutlich andauernd in Flammen.

Zumindest zum Teil war Idris dafür verantwortlich, dass man sie in aller Eile hierher nach Assur verfrachtet hatte, noch vor dem anderen Intermediär, damit sie das hiesige Kybernet rechtzeitig auffordern konnte, mit der Evakuierung zu beginnen. Noch etwas, das es im ersten Krieg nicht gegeben hatte. Ein Frühwarnsystem.

Wenn wir nun noch die magische Technik hätten, die es der Hegemonie erlaubt, jeden von einem Planeten wegzuteleportieren. Die Technologie gab es anscheinend, doch die Hegemonie der Essiel wollte das nicht zugeben und sie erst recht nicht mit anderen teilen.

Vor ihnen war der Architekt zu einem hellen Fleck von der Größe eines Daumennagels angewachsen. Wenn sie die Augen zusammenkniff, konnte sie auf dem zackigen Antlitz, das er Assur und dem Stern des Systems präsentierte, bereits Einzelheiten erkennen.

Da drin ist jemand zu Hause, sagte sie sich. Jemand, den ich...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2024
Reihe/Serie Die Scherben der Erde-Reihe
Die Scherben der Erde-Reihe
Übersetzer Irene Holicki
Sprache deutsch
Original-Titel Lords of Uncreation – Shards of Earth Trilogy Book 3
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2024 • Alien-Invasion • Alien-Technologie • Architekten-Trilogie • Arthur C. Clarke Award • britische Science Fiction • children of time • eBooks • Galaktische Imperien • Kinder der Zeit • Military SF • Neuerscheinung • Shards of Earth Trilogy • Space Opera • The Final Architecture
ISBN-10 3-641-28431-7 / 3641284317
ISBN-13 978-3-641-28431-2 / 9783641284312
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