John Sinclair 2373 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5805-5 (ISBN)
'Hexe! Hexe!'
Laura Patterson war fassungslos. Wie hatte es bloß so weit kommen können? Sie kannte jeden Einzelnen in der Meute, seit sie denken konnte. Und jetzt bildeten diese Menschen einen Mob, der nach Blut gierte. Nach ihrem Blut!
Was für ein Irrsinn!
Als ob sie sich im finstersten Mittelalter befände!
Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie biss sich auf die Unterlippe, um sich nicht durch einen unbedachten Schluchzer zu verraten.
Eine Scheibe klirrte in unmittelbarer Nähe. Laura zuckte zusammen, ein Schrei des Entsetzens entfuhr ihrer Kehle.
'Da ist sie! Schnappt euch die Hexe! Sie soll brennen!'
Ein Dorf auf Hexenjagd
Von Ian Rolf Hill
»Hexe! Hexe!«, schallte es durch die Straße.
Laura Patterson war fassungslos. Wie hatte es bloß so weit kommen können? Sie kannte jeden Einzelnen in der Meute, seit sie denken konnte. Und jetzt bildeten diese Menschen einen Mob, der nach Blut gierte. Nach ihrem Blut!
Was für ein Irrsinn!
Als ob sie sich im finstersten Mittelalter befände!
Sie alle hatten nur ein Ziel: Laura zu töten! Weil sie angeblich Unglück über Egloskerry gebracht hatte und für den Tod so vieler Menschen verantwortlich war.
Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie biss sich auf die Unterlippe, um sich nicht durch einen unbedachten Schluchzer zu verraten.
Eine Scheibe klirrte in unmittelbarer Nähe. Laura zuckte zusammen, ein Schrei des Entsetzens entfuhr ihrer Kehle.
»Da ist sie! Schnappt euch die Hexe! Sie soll brennen!«
Eine Woche zuvor
»Hast du schon den neuen Arzt kennengelernt?«
»Hm, scheint noch recht jung und unerfahren zu sein.«
»Bist du schon bei ihm in Behandlung gewesen?«
»Nein, aber Martin. Er war nicht gerade begeistert von unserem neuen Herrn Doktor.«
»Aha, und warum nicht?«
»Dr. Simmons hat die Blutdrucktabletten, die Martin von Jim verschrieben bekam, gleich wieder abgesetzt. Angeblich würden sie sich nicht mit den anderen Medikamenten vertragen. Und dann meinte er, Martin solle sich mehr bewegen. Und weniger fettig essen.«
»Also auf mich macht Greg ... äh, ich meine Dr. Simmons einen ziemlich kompetenten Eindruck. Und nur weil er jung ist, muss er ja nicht automatisch unerfahren sein. Oder ein schlechter Arzt. Im Gegenteil, neue Besen kehren oftmals besser. Abgesehen davon sind sie auf dem neusten Stand der Forschung.«
»Ja, vielleicht hast du recht, Maggy.«
»Bestimmt.« Margaret Carson senkte die Stimme. »Und mal ehrlich, so gern ich unseren alten Brummbär Farnstworth auch hatte, manchmal war der alte Jim doch schon ein wenig senil, findest du nicht?«
Berta Sherman kicherte, verstummte jedoch abrupt, als Maggy Carson sie anstieß, den Kopf hob und Laura Patterson über den Einkaufswagen hinweg anstarrte, die Lippen zu einem verkrampften Lächeln verzogen.
Laura war gerade dabei, den Wocheneinkauf für ihre Pension zu tätigen, die sie seit dem Tod ihrer Eltern allein führte. Es gab zwar noch ihren jüngeren Bruder Timothy, doch der hatte als Teenager andere Probleme, als die Bewirtung von Touristen, die Urlaub in Cornwall machten. Davon gab es zwar reichlich, allerdings nicht im Winter und schon gar nicht in Egloskerry. Dafür lag der Ort zu sehr abseits der Hauptverkehrsstraßen und nicht nah genug an der Küste.
Laura war Mitte zwanzig, hatte ein hübsches rundes Puppengesicht, das durch die große Brille mit dem schwarzen Rahmen schmaler wirkte. Ihr langes brünettes Haar färbte sie gerne knallrot.
Eigentlich hatte Laura in London Betriebswirtschaft studieren wollen, doch der Tod ihrer Familie hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nicht nur ihre Eltern, auch ihre Schwester waren nämlich die Opfer eines Nachzehrers geworden, eines Untoten, der in seinem Grab lag und sein eigenes Leichenhemd verzehrte, während er seine Angehörigen zu sich ins Grab rief. Auch Timothy wäre seinem Ruf beinahe erlegen.
Dass dies nicht geschehen war, hatte er vor allem Lauras Ex-Freund Johnny Conolly zu verdanken, den sie während des Studiums kennengelernt hatte.1
Allzu lange hatte ihre Beziehung indes nicht gehalten. Zum einen, weil Laura sich um ihren jüngeren Bruder Timothy und die Pension kümmern wollte. Aber das war nur die halbe Wahrheit.
Eine Beziehung wäre dennoch irgendwie möglich gewesen, schließlich gab es immer einen Weg, wenn der Wille vorhanden war. Tatsächlich hatte sich Laura von Johnny getrennt, weil sie genau gewusst hatte, dass er immer wieder mit dem Übernatürlichen konfrontiert werden würde, und sie nicht in ständiger Sorge leben wollte. Inzwischen bereute sie es manchmal, dass sie Johnny einfach so hatte ziehen lassen ...
Es war nicht leicht, jemanden kennenzulernen, wenn man in einem Kaff wie Egloskerry wohnte. Zumal sie nicht viele Freunde hatte.
Einer von ihnen war Dr. James Farnsworth gewesen, der alte Landarzt, der für Laura wie ein Vater gewesen war. Doch der war nun tot.
Was fiel der Carson ein, so über Jim zu sprechen? Nach allem, was er für das Dorf getan hatte?
Es war purer Zufall gewesen, dass Laura dem Gespräch zwischen den beiden Frauen gelauscht hatte. Sie hatte sich im Nachbargang aufgehalten, bei den Putz- und Reinigungsmitteln, als sie hörte, wie sich Maggy und Berta unterhielten.
Als Laura sah, wie Maggy den Mund öffnete, schob sie den Wagen rasch weiter.
Sie war nicht an irgendwelchen Ausflüchten oder Entschuldigungen interessiert. Ebenso wenig wie am Dorftratsch, der sich seit kurzer Zeit ohnehin bloß um den neuen Doktor drehte, der Jims Stelle eingenommen hatte.
Sie selbst war ihm nur flüchtig begegnet, hatte aber noch kein Wort mit ihm gewechselt.
In Gedanken versunken warf Laura noch drei Packungen Toilettenpapier in den Einkaufswagen, bevor sie ihn zur Fleischtheke schob. Momentan hatte sie zwar keine Gäste, aber Timothy liebte ihre Cornish Pasties. Fast ebenso sehr, wie Jim sie geliebt hatte ...
Für die Teigtaschen benötigte sie frisches Rindfleisch, das im Angebot war.
Laura ließ sich ein halbes Pfund einpacken, das war mehr als reichlich, selbst wenn Timothys Freundin Imogen zu Besuch kam.
Als Laura zurücktrat, um das Päckchen in den Einkaufswagen zu legen, stieß sie gegen eine hinter ihr stehende Person, der sie versehentlich sogar noch auf die Füße trat.
»Oh, Verzeihung«, entfuhr es ihr.
»Hoppla!« Der schlanke, hochgewachsene junge Mann ergriff reflexartig Lauras Schultern. Er befürchtete wohl, sie könnte fallen. Ihr Herz übersprang vor Schreck einen Schlag.
Ein gebräuntes Gesicht, mit sanft geschwungenen Lippen, die sich zu einem unverschämt sympathischen Lächeln kräuselten, schaute auf sie herab. Die Iriden der Augen schimmerten dunkelgrün, durchzogen von einem braunen Ring, der sich eng an die Pupillen schmiegte.
Das volle braune Haar fiel in dichten Locken bis auf die Schultern.
Der Fremde trug hellblaue Jeans, einen roten Pullover und weiße Sneakers.
Aber so fremd war ihr der Mann gar nicht, der soeben die randlose Brille zurechtrückte, die ihm während des Beinahezusammenstoßes nach unten gerutscht war. Nur war Laura ihm bisher nicht so nahegekommen wie jetzt.
»Dr. Simmons!«, entfuhr es ihr. »Ich hab sie überhaupt nicht bemerkt. Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht wehgetan.«
»Alles noch dran«, versicherte ihr der Arzt und bewegte die Beine, als wollte er einen Sprint durch den Supermarkt hinlegen.
Schließlich verharrte er und reichte Laura die Hand. Dabei entblößte er sein prächtiges, makelloses Gebiss, mit dem er jederzeit Werbung für Zahnpasta machen konnte.
»Aber bitte tun Sie mir einen Gefallen!«
»Und der wäre?«, erkundigte sich Laura misstrauisch.
Simmons strahlte. »Nennen Sie mich Greg!«
Auf dem Heimweg dachte Laura viel über das Gespräch mit dem jungen Doktor nach. Es war natürlich nicht bei der gegenseitigen Vorstellung geblieben. So hatte Gregory Simmons — pardon, Greg — seinem Wunsch Ausdruck verliehen, sie demnächst in seiner Praxis begrüßen zu dürfen.
»Natürlich nicht als Patientin«, hatte er schnell hinzugefügt und gelacht. »Ich möchte lediglich die Leute hier im Dorf kennenlernen.«
»Dann sollten sie ins Black Sheep gehen, dort lungert die Hälfte davon herum.«
»Oh, das tue ich. Tatsächlich bin ich dort regelmäßig zu Gast.«
Mit diesem Geständnis hatte Simmons sie überrascht. »Wirklich? Entschuldigen Sie, aber Sie sehen mir nicht wie jemand aus, der seine Abende im Pub verbringt.«
»Wie sieht denn jemand aus, der seine Abende im Pub verbringt?«, hatte Greg nachgehakt und ihr zugezwinkert.
Laura war rot angelaufen. »Sorry, so war das nicht gemeint. Es ist nur ... keine Ahnung. Sie machen auf mich eben nicht den Eindruck, als hätten Sie Spaß daran, sich zu betrinken und Stammtischparolen von sich zu geben. Oder sich am Dorfklatsch zu beteiligen.«
»Es gibt noch mehr Dinge, die man in einem Pub tun kann.«
»Und zwar?«
»Darts!«
»Wie bitte?«
»Darts spielen. Sie wissen schon. Pfeile auf eine Scheibe werfen.«
»Ich weiß, was Darts sind. Ich ... ich wusste nur nicht, dass im Black Sheep eine Scheibe hängt. Geschweige denn, dass Sie jemand benutzt.«
»Jetzt schon. Sie sollten mal vorbeikommen. Sie würden sich wundern, wie gut man die Menschen bei einem zwanglosen Spielchen kennenlernt. Bislang spielen wir nur zum Vergnügen. Aber ich bin guter Dinge, dass sich das bald ändert.«
»Inwiefern?«
»Ich hoffe, dass wir in ein paar Monaten erste kleine Turniere austragen...
Erscheint lt. Verlag | 30.12.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | John Sinclair |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-5805-4 / 3751758054 |
ISBN-13 | 978-3-7517-5805-5 / 9783751758055 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 4,7 MB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich