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Das Haus Zamis 83 (eBook)

Die Fähre des Grauens
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5937-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 83 - Christian Montillon
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Als wir in die Hafenstadt Ostende einrollten, war immer noch alles neblig. Ich legte die Fingerspitzen beider Hände zusammen. »Was willst du hier, Mutter? Wartet in der Stadt ein weiterer Verbündeter aus deiner Vergangenheit?«
Ihr Blick wandte sich kurz mir zu, ohne dass sie den Kopf drehte. »Ostende ist eine Zwischenstation, nicht mehr. Wir gehen auf die Fähre nach Ramsgate in England. Und ja ... in gewissem Sinn hat es mit meiner Vergangenheit zu tun.«

Nachdem die Zamis die Fähre betreten und abgelegt haben, stoppen die Maschinen wie durch Geisterhand. Nichts bewegt sich mehr. Kein Laut ist zu hören.
Dämonen haben sich des Schiffes bemächtigt und blasen zum Angriff. Vor allen auf einen haben sie es abgesehen: Michael Zamis!


2. Kapitel


Vergangenheit, 1933

Aus den Erinnerungen der jugendlichen Dämonin Christine,

die sich später Thekla Zamis nennen wird.

Ein Vogel saß auf der eigentlich immergrünen, in Wirklichkeit jedoch trist und bräunlich verfärbt aussehenden Hecke. Ein Rotkehlchen, vermutete Christine; sie war sich nicht sicher. Das Tier sang – zumindest stand der Schnabel offen und bewegte sich. Der brausende Wind verhinderte, dass die junge Dämonin etwas hörte außer dem Pfeifen um das heruntergekommene Bahnhofsgebäude.

Ihre Schwester Carola trippelte neben ihr von einem Bein auf das andere, hob den Arm und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Vogel. Einige abgehackte Laute kamen aus ihrem Mund, eine einfache Todesformel, gerade einmal ausreichend für schwache Gespenstererscheinungen ... oder eben für kleine Tiere.

Das Rotkehlchen kippte um und klatschte auf den Boden. »Iih!«, schrie ein Kind, das ganz nahe stand. Es war ein Mädchen mit rotem Kleid und goldblonden Locken, vielleicht fünf Jahre alt. Seine Mutter hielt es an der Hand. »Was hast du denn?« – »Der Vogel«, kreischte das Kind. »Der Vogel, Mama!« Dann begann es zu weinen.

Carola hingegen kicherte und schien sich bestens zu amüsieren.

Madame Croon, ihre Hexen-Lehrerin, schaute zu ihnen herüber. Ein Grinsen lag auf den blassen Lippen; das Gesicht wirkte zerknitterter als sonst. Die Augen sahen müde und erschöpft aus, das Weiße war blutunterlaufen.

Nicht dass Christine auch nur einen Hauch von Mitgefühl für die Alte übrig hatte. Im Grunde genommen verachtete sie die Croon, die von Anfang an ihre Schwester Carola vorgezogen hatte und sie für die talentiertere Hexe hielt; in Christine sah sie nur das schwache, missratene Dämonenmädchen. Sie verstand nichts – überhaupt nichts.

»Der Zug fährt gleich ein«, krächzte die alte Hexe. Ihre Stimme klang heiser, erinnerte an verbrauchtes Schmirgelpapier, das über Metall rieb. »Die Reise beginnt.«

»Wohin?«, fragte Carola. »Sie haben uns immer noch nicht gesagt, wo das Ziel liegt.«

In der Hinsicht war Christine mit ihrer Schwester ausnahmsweise einer Meinung; beide wollten wissen, an welchen Ort ihre Lehrmeisterin sie so plötzlich schickte. Am frühen Morgen, direkt nach dem Aufstehen noch im alten, kalten Badezimmer, hatten sie erfahren, dass sie für einige Zeit woanders unterrichtet werden würden. Mehr nicht – weder eine Begründung noch ein Ziel hatte die Croon genannt.

Und das änderte sich auch jetzt nicht, am Bahnhof des Nordseebads Knokke, mitten im noch immer zunehmenden Wind, der um das windschiefe Gebäude heulte. »Glaubt ihr etwa, es wäre ein Versehen, dass ich euch nicht mehr sage?« Ihre Augen glitzerten bösartig. »Habe ich euch denn gar nichts beigebracht? Oder besser – habt ihr denn gar nichts davon behalten, was ich euch beigebracht habe? Wenn ich euch etwas auftrage, sollt ihr mir ...«

»... vertrauen?«, beendete Christine den Satz.

Madame Croon kicherte humorlos und böse. »Ist das alles, was dir dazu einfällt, Hexen-Kind?«

»Wenn Sie uns etwas auftragen«, sagte Carola in ihrer einschleimenden Art, »dann sollen wir gehorchen.«

Ihre Lehrerin klatschte gekünstelt in beide Hände. »Bravo, Carola! Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass du weitaus verständiger bist als deine missratene Schwester.«

Carola sonnte sich in der Aufmerksamkeit, reckte sich und zupfte ein imaginäres Staubkörnchen von ihrer blütenweißen Bluse. Sie wollte noch etwas sagen, doch der infernalische Lärm der kreischenden Zugbremsen schnitt ihr die Worte ab. Das stählerne Ungetüm donnerte in den Bahnhof.

»Folgt mir!«, schrie die Croon gegen das Getöse.

Christine griff ihren kleinen Koffer, in den sie vor ihrem Aufbruch in aller Hektik das Nötigste hineingeworfen hatte, und ging hinter ihrer alten Lehrerin her. Es kam ihr vor, als sei das Gepäckstück viel zu schwer für die wenigen Sachen, die sie darin transportierte; ob wohl ihre Schwester oder sogar die Croon selbst einen Schwerezauber daraufgelegt hatte?

Im Augenwinkel sah sie, wie die Mutter das noch immer heulende goldgelockte Mädchen mit sich in Richtung Zug zog. Doch die beiden stiegen nicht ein, sondern begrüßten winkend einen jungen Mann in einem maßgeschneiderten Anzug mit perfekter Bügelfalte.

»Wie idyllisch«, ätzte Carola. »Die Menschen sind so ... ekelhaft.«

Das Findest du?, das Christine, die dicht neben ihr ging, auf den Lippen lag, schluckte sie hinunter. Es hätte nur zu Diskussionen Anlass gegeben, und darauf verspürte sie nicht die geringste Lust. Dafür vernahm sie, wie ihre Schwester wieder eine magische Formel murmelte – doch nichts geschah. Sie wusste, wieso; Carola hatte eine Silbe völlig falsch betont. Christine lachte sich ins Fäustchen, als sie ihre Schwester fluchen hörte.

Inzwischen stieg die Croon über die hohen Eisenstufen in den Zug. Ihren riesigen Koffer trug sie dabei mit Leichtigkeit, als wäre er mit nichts als Luft und Federn gefüllt. Christine wusste, was das zu bedeuten hatte – ihre Lehrmeisterin übertrug auf magischem Weg einen Teil des Gewichts auf ihr, Christines, Gepäckstück.

Eine Spielerei, mehr nicht, doch es machte sie wütend, und ihr war klar, wie sie es unterbinden konnte. Ohne lange darüber nachzudenken, wob sie mit raschen Handbewegungen einen Blockierungszauber.

Madame Croons Koffer krachte auf den Boden. Die Alte fluchte so lästerlich, dass eine Reisende in der Nähe von ihrem Platz aufsah und angewidert das Gesicht verzog. Die Hexen-Lehrerin drehte sich zu ihren Schülerinnen um. Carola stand ihr am nächsten und wurde das Opfer eines langen, ausgestreckten Zeigefingers, der gegen ihr Kinn rammte.

»Du trägst meinen Koffer zu unseren Sitzen«, schnauzte die Croon. »Nummer 47 bis 49.« Sie stampfte auf ihren dürren Beinen weiter. Jeder Platz war belegt, das Gemurmel vieler Stimmen bildete ein stetes Hintergrundrauschen. Das hohe, fast taubenartig gurrende Lachen einer Frau schwebte über allem.

Christine wunderte sich noch, dass sich die alte Hexe nicht auf magischem Weg einen freien Sitzplatz in der Nähe des Einstiegs verschaffte, dann erkannte sie, dass die Sitze rund um die Plätze 47 bis 49 leer standen. In einem derart voll besetzten Zug war das garantiert kein Zufall.

Als sie alle drei saßen, entdeckte Christine draußen auf dem Einstiegsbereich des Gleises noch immer die glücklich wiedervereinte kleine Familie.

Madame Croon, der die schlechte Laune ins Gesicht geschrieben stand, entging es offenbar ebenfalls nicht. Sie klopfte mit ihrem gichtigen Zeigefingerknöchel gegen die Scheibe. »Übrigens, Carola, habe ich ein gutes Gehör! Deiner Schwester ist ihr Zauber wenigstens gelungen, wenn es auch eine Unverschämtheit war, meinem Koffer sein natürliches Gewicht wieder zuzuführen. Aber sie hat es richtig erkannt, das muss ich ihr lassen, und sich gut gewehrt, sodass ich von einer Bestrafung absehe. Du hingegen, Carola ... von dir hätte ich mehr erwartet. Was du tun wolltest, war das!«

Eine krächzende, perfekt betonte magische Formel folgte, und draußen rutschte das Mädchen mit den goldblonden Locken aus; nein, mehr noch, sie hob vom Boden ab, schlug einen Rückwärtssalto und krachte auf den Rücken.

Der Aufschrei der Mutter klang sogar noch durch die geschlossene Scheibe. Das Kind rollte sich auf die Seite und schrie ebenfalls, stand aber wieder auf. Christine erinnerte sich an ein Sprichwort der Menschen: Katzen und kleine Kinder haben einen besonderen Schutzengel, oder so ähnlich. Offenbar musste das zumindest im Fall des Mädchens zutreffen, denn es hatte sich nichts gebrochen, obwohl der Sturz sehr brutal ausgesehen hatte.

Nach einem schrillen Pfiff rollte der Zug an.

»Ich wollte euch eigentlich eine ruhige Reise gönnen, aber nach dem, was ihr euch beide geleistet habt, werde ich euch vor der Ankunft ein weiteres Mal prüfen.«

»Vor der Ankunft wo?«, bohrte Carola erneut nach. Diesmal brachte sie ein schneidender Blick ihrer Lehrerin zum Schweigen.

Das ewige Rattern der Räder war monoton und einschläfernd, genau wie das Stimmengemurmel der anderen Reisenden.

Sie rollten ... und rollten ... und rollten. Vor den Fenstern zog eine trübe, neblige Landschaft vorüber. Die Silhouetten von Bäumen und Büschen bildeten ein bizarres Schattenspiel.

Einige Zwischenhalte lagen hinter ihnen. Wann immer eine der beiden Schwestern ein Gespräch beginnen wollte, unterband die Croon es mit scharfen Worten. Sie spielte ihre Rolle als Hexen-Lehrerin und damit zeitweiliger Vormund voll aus, schien sich in der Autorität geradezu zu baden.

Langeweile kroch in Christine hoch, so sehr, dass sie sogar mit Carola gerne gesprochen hätte, was sonst gelinde gesagt selten vorkam. Meistens ärgerte sie sich nur über ihre Schwester – wenn nicht Schlimmeres. Hin und wieder brach ein offener Konflikt zutage, wie neulich, als es um...

Erscheint lt. Verlag 16.12.2023
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-5937-9 / 3751759379
ISBN-13 978-3-7517-5937-3 / 9783751759373
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