Dorian Hunter 138 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5699-0 (ISBN)
»Konntet ihr den Faust-Geist beschwören?«, fragte Dorian gespannt.
»Ja«, antwortete Professor Becker. »So habe ich den Astralgeist noch nie erlebt. Sonst poltert er und macht manchmal derbe, aber gutmütige Späße. Doch diesmal war er völlig anders - entsetzt, betroffen und voller Sorge. Die Apokalypse stünde bevor, der Untergang der Welt. Er will sich mit dir darüber unterhalten, so bald wie möglich.«
»Mir egal, ob die Welt zum Teufel geht. Ich suche meinen Sohn!«
Im vierten Teil des großen Baphomet-Zyklus folgen Dorian und Coco einer Spur nach Sizilien, wo ein geheimnisvoller Baphomet-Kult von sich reden macht ...
1. Kapitel
Die Männer murmelten. Eine Schelle erklang, und im nächsten Moment bog der Pfarrer Don Emilio Gaspari in vollem Ornat um die Ecke. Ein Messdiener mit Schelle und Weihrauchfass ging vor ihm her.
Don Emilio war ein dicker, robuster Mann mit krausem, schwarzem Haar und vierzig Jahre alt. Sein Gesicht wurde noch finsterer, als er das Geschrei aus dem Haus hörte. Ein paar Schritte hinter ihm eilte ein alter Mann her, der völlig verstört und verzweifelt wirkte.
»Was geschieht hier?«, fragte der stämmige Pfarrer die Versammelten. »Adamo Monzo hat mir erzählt, dass seine Schwiegertochter verrückt geworden ist. Sie will ihren neugeborenen Sohn nicht taufen lassen?«
»So ist es, Hochwürden«, bestätigte einer der Männer vor dem Haus. »Hören Sie nur, was für einen Aufruhr Anna Monzo verursacht! Unsere Frauen benehmen sich in der letzten Zeit überhaupt äußerst merkwürdig.«
In dem weiß gekalkten Haus, dessen Fenster offen standen, wurde Geschirr zerschmissen. Die Männerstimme fluchte, schrie entsetzt auf und bettelte. Dann herrschte Schweigen. Gleich darauf rannte ein Mann aus dem Haus, in dem eine Frau schrill lachte. Ein böses Gelächter war es, das die Männer von Campobello zusammenzucken ließ. Immer noch sagten die schwarz gekleideten Frauen mit den dünnen, schwarzen Schleiern vor den Gesichtern nichts. Sie wechselten heimliche Blicke voller Triumph, verständigten sich ohne Worte. Der Mann, der aus dem Haus gelaufen war, wirkte völlig aufgelöst. Er trug nur ein Hemd, dessen oberste Knöpfe offen standen. Sein Haar war zerrauft. Er breitete die Arme aus und begann mit einem Wortschwall, den Umstehenden sein Leid zu klagen.
»Baphomet hat Anna wahnsinnig gemacht«, sagte er immer wieder. »Sie war stets eine sanfte Frau und eine gehorsame Gattin. Nie hörte ich ein lautes Wort von ihr. Aber seit ein paar Wochen ist sie völlig verdreht, eine richtige Furie, eine Hyäne. Ich dachte, es hängt mit der Schwangerschaft zusammen, aber jetzt hat sie entbunden, und es ist noch schlimmer geworden.«
Der unglückliche Mann schüttelte den Kopf.
Don Emilio, der sich durch die Menge geschoben hatte, baute seine Zwei-Zentner-Figur neben ihm auf. Aus seiner Stimme klangen Entschlossenheit und Autorität, als er sagte: »Ich werde mit deiner Frau reden, Sergio Monzo. Mir ist nicht verborgen geblieben, dass unter den Frauen von Campobello etwas vorgeht. Der Glaube wird offen verhöhnt und Gott gelästert. Meine Amtsbrüder in den umliegenden Dörfern und Städten haben mir berichtet, dass es bei ihnen nicht anders ist. Es scheint, dass eine Seuche die sizilianischen Frauen ergriffen hat.«
Don Emilios Blick schweifte in die Runde. Anklagend musterte er die Frauen, die seinem Blick auswichen; aber er spürte ihren Hohn und ihre Bosheit. Don Emilios massige Gestalt straffte sich. »Ich gehe jetzt ins Haus«, sagte er.
»Der Sohn Sergio und Anna Monzos wird getauft, wie die Sitte und die Regeln des Glaubens es verlangen. Ihr Frauen solltet euch alle schämen. Der Herr wird euch strafen, wenn ihr nicht ablasst von euerm Tun.«
»Alter Sabberer!«, sagte eine Frauenstimme.
»Sakristeiwanze! Stinkiger Kuttenbock!«, äußerte eine andere halblaut.
Niemand wusste genau, welche von den Frauen gesprochen hatte.
Don Emilios massiger Hals und sein Gesicht liefen rot an. Entschlossen stapfte er ins Haus. Mit dem Frauenvolk, das ihm beinahe schon unheimlich war, wollte er später abrechnen. Jetzt musste er zuerst einmal seine Pflicht als Pfarrer tun und den Säugling taufen. In einem sizilianischen Dorf war es etwas Unerhörtes, dass eine Mutter die Taufe ihres Sohnes verweigerte.
»Anna Monzo!«, rief der Pfarrer im düsteren Flur. »Wo bist du, Weib?«
Ein Kichern war die Antwort.
Die hintere Tür stand einen breiten Spalt offen. Langsam ging der Pfarrer darauf zu, packte den Türgriff und stieß die Tür dann entschlossen auf. Was er sah, ließ ihn erschrocken aufstöhnen. Die Wohnstube mit den altertümlichen dunklen Möbeln war ein einziger Trümmerhaufen. Tisch und Stühle waren umgestürzt. Die Glasscheibe des Schrankes war zerschlagen, und Scherben lagen überall verstreut herum. In diesem Tohuwabohu stand die Kinderwiege, über die Anna Monzo sich gebeugt hatte. Irr flackerten ihre Augen. Das Kind in der Wiege krähte.
Von Grauen gepackt, trat der Pfarrer dennoch näher. Er hielt das Kreuz hoch, das an einer Kette vor seiner breiten Brust baumelte.
»Sieh das Zeichen des Herrn, Unselige!«, sagte Don Emilio theatralisch. »Was ist in dich gefahren? Auf die Knie mit dir! Bereue!«
Anna Monzo spie dem Pfarrer auf das Chorhemd. Hass verzerrte ihre Züge. Don Emilio sah jetzt, dass sie dem Kind mit Blut oder mit roter Farbe seltsame Runen auf die Stirn gemalt hatte. Der Kleine schrie und strampelte in seiner Wiege.
Anna Monzo war eine Frau Ende der zwanzig. Sie war schwarz gekleidet, drall und breithüftig und hatte derbe Hände und ein breites Gesicht, das sonst gutmütig und ein wenig stumpfsinnig wirkte. Jetzt war es eine dämonische Fratze.
»Hinaus mit dir, du fettes Schwein!«, fauchte Anna Monzo. »Wage es nicht, mir oder meinem Sohn zu nahe zu kommen! Wir gehören Baphomet!«
Der Anblick des Kreuzes flößte der Frau Hass und Abscheu ein, doch es konnte sie nicht erschrecken.
Don Emilio wollte den Knaben aus der Wiege reißen. Er hielt die Frau für wahnsinnig, wollte ihr das Kind wegnehmen.
Anna Monzo griff hinter das Sofa. Im nächsten Augenblick hielt sie eine Lupara in den Händen, eine doppelläufige, großkalibrige Schrotflinte. Es klickte, als die schwarz gekleidete Frau die Hähne spannte.
Don Emilio, der den Säugling schon in den Händen hielt, wurde so bleich wie Ziegenkäse. Sein Unterkiefer sank herab. »Meine – Tochter ...«, stammelte er fassungslos.
»Ich bin nicht deine Tochter«, sagte Anna Monzo mit einer Stimme voller Hass. »Lange genug habt ihr uns unterdrückt. Die Kirche, die Obrigkeit, alle Männer. Baphomet wird das ändern. Ihr werdet es alle merken. Geh jetzt, Pfaffe, bevor ich dir eine Ladung Schrot in den Leib jage.«
Don Emilio sah, dass Anna Monzo es ernst meinte. Er legte das Kind in die Wiege und wich zur Tür zurück, die Frau mit der Lupara nicht aus den Augen lassend.
Da drängte sich Sergio Monzo an ihm vorbei. Der Ehemann Anna Monzos war außer sich. Nicht einmal der Anblick der Schrotflinte konnte ihn stoppen.
»Leg die Lupara weg und nimm Vernunft an, Anna!«, sagte er mit heiserer Stimme. »Oder – bei Gott! – es geschieht ein Unglück. Du hast mir genug angetan.« Langsam ging Sergio Monzo auf seine Frau zu.
»Keinen Schritt näher, Sergio!«, warnte sie ihn. »Sonst drücke ich ab!«
»Das wirst du nicht wagen. Ich bin dein Mann, der Vater deines Kindes. Was ist nur in dich gefahren, Anna? Wir haben uns doch immer geliebt?«
»Ich liebe nur Baphomet.«
Der verhasste Name brachte Sergio Monzo völlig um den Verstand. Er packte den Doppellauf der Schrotflinte. Da krachte donnernd ein Schuss. Eine fußlange Mündungsflamme fuhr aus dem Lauf und versengte Sergio Monzos Hemd. Die Bleiladung zerfetzte sein Herz.
Mit weit aufgerissenen Augen sah Don Emilio, wie Sergio Monzo gegen die Wand geschleudert wurde und an ihr herunterrutschte, tot, von seiner eigenen Frau erschossen. Es stank nach Pulverdampf in dem Zimmer, und der Säugling in der Wiege schrie durchdringend.
Anna Monzo richtete die Schrotflinte auf den Pfarrer. »Hinaus!«, flüsterte sie.
Don Emilio hörte das Flüstern wie einen Schrei. Totenbleich wankte der Pfarrer aus dem Haus. Entsetzt starrten ihn die Männer von Campobello an.
Die Frauen hatten sich zu einer Gruppe zusammengerottet. Sie standen auf der einen Seite, die Männer auf der anderen.
Mit zitternder Hand wies Don Emilio auf das Haus. »Anna Monzo hat ... hat ihren Mann mit der Lupara erschossen«, sagte er mit schwerer Zunge. Der Schock saß ihm in den Gliedern. »Sie hat ihn – einfach abgeknallt.«
Einige Sekunden herrschte Schweigen, dann entstand Tumult. Die Männer schrien durcheinander und gestikulierten wild. Sie konnten es nicht fassen, was sie da gehört hatten.
»Ins Haus!«, schrie ein älterer Mann. »Das werden wir der Mörderin heimzahlen. Wir werden Sergio Monzos Blut rächen. Diese Wahnsinnige soll es büßen.«
»Sie hat ein Gewehr«, warnte ein Mann.
»Egal«, rief der Ältere. »Sie kann uns nicht alle erschießen, diese Bestie. Seid ihr Männer oder Weiber? Wie könnt ihr nur zögern?«
Die Frauen marschierten nun in einer geschlossenen Gruppe zum Haus und stellten sich davor auf. Eine stämmige Frau mit schwarzem Kopftuch ging zu dem älteren Mann, der die anderen anführen wollte. Sie holte ein Stilett aus der Schürzentasche und reckte die Klinge nach vorne. Auch die übrigen Frauen zückten Stilette oder Küchenmesser. Sie bildeten eine schweigende, tödlich entschlossene Phalanx. Don...
Erscheint lt. Verlag | 9.12.2023 |
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Reihe/Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-5699-X / 375175699X |
ISBN-13 | 978-3-7517-5699-0 / 9783751756990 |
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