Der Schneefuchs (eBook)
264 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-5813-5 (ISBN)
Kerstin Erz wurde in Prenzlau (Land Brandenburg) geboren, studierte Tierproduktion an der Universität Rostock und war bis 1990 in der Landwirtschaft tätig. Kerstin Erz wurde in Prenzlau (Land Brandenburg) geboren, studierte Tierproduktion an der Universität Rostock und war bis 1990 in der Landwirtschaft tätig. Ihre neue Heimat fand sie im Jahr 2000 in einem kleinen Dorf in Mecklenburg. Seit 1997 ist sie als Freie Journalistin in der Zeitungsbranche tätig. Bereits seit den 80er Jahren schreibt sie Gedichte und vor allem Kurzgeschichten. Zwei Bücher Zeit für mich - Gedichte und Geschichten sowie Weihnachtsmärchen und -geschichten veröffentlichte sie in kleinster Auflage. Mit ihrem dritten Band Der Föhrskrat - Märchen und Geschichten präsentierte sie sich über BoD erstmals einer breiteren Öffentlichkeit. Dem folgen nun die Weihnachtsmärchen für Groß und Klein. Mit ihren Büchern möchte sie vor allem die Menschen ansprechen, die Märchen und Phantasie-geschichten gern lesen, um dem Alltagsstress zu entfliehen.
Es war einmal … Hm? Ja, was eigentlich? Ein Tier. Das Vorderteil bis zum Bauchnabel sah aus wie ein Schwein, das Hinterteil vom Bauchnabel bis zur Schwanzspitze sah aus wie ein Hund. Ja, da kann ich also schreiben:
Es war einmal ein Schweinehund. Dieser Schweinehund gehörte zur Gattung der Zeiträuber, Fortschrittsbremsen und Schwindler. Er war der Meister der Ausreden und das Symbol der Willensschwäche. Am liebsten überfiel er die Menschen in ihren anfälligsten Momenten, z. B., wenn sie erschöpft von der Arbeit kamen oder eine Tätigkeit verrichteten, die ihnen die Vernunft aufgetragen hatte, die aber beschwerlich war. Der Schweinehund war ständiger Begleiter willensschwacher Menschen. Und obwohl er ihnen vorgaukelte, nur das Beste für sie zu wollen, verhinderte er mit Leidenschaft, dass die Menschen ihre langfristigen Ziele erreichten.
Es hatte also dieser Schweinehund die Gabe, sich in den Willen der Menschen hinein zu zaubern, um dort mit großer Freude genau das Gegenteil zu bewirken von dem, was dieser Mensch eigentlich wollte.
~
So trug es sich zu, dass der Schweinehund wieder einmal unterwegs war in die große Stadt, in das kleine Dorf, um sich dort ein oder auch mehrere leichte, sprich willensschwache Opfer zu suchen.
Als er aus seinem Wald auf das offene Feld hinaustrat, sah er, wie ein Bäuerlein mit Pferd und Egge pflügte und sich dabei kräftig in die Riemen legen musste. Erst ein Drittel des Feldes hatten Mann und Ross geschafft und während seine treue Lotte vor Anstrengung um Maul und Hals schon weiß schäumte, lief dem Bauern hinter dem Pflug der Schweiß in Bächen den Rücken herunter. Trotzdem feuerte er seine Lotte immerfort an:
»Nur zu, Lotte, nur zu, wir müssen uns unser Essen schon verdienen.«
Hach, wie freute sich da der Schweinehund, war doch die Anstrengung des Bauern so ganz nach seinem Geschmack. So sprang der Schweinehund eins fix drei und schwuppdiwupp dem Bäuerlein auf den Buckel und machte es sich da so richtig bequem.
Von diesem Moment an wurde es dem Bauern immer schwerer, kaum noch konnte er vor Anstrengung einen Fuß vor den anderen setzen.
»Ach, das ist heute kein guter Tag zum Pflügen. Lotte, lass uns heimgehen und Morgen weiter machen«, sprach er und schirrte das Pferd vom Pflug aus, setzte sich drauf und ritt gemütlich nach Hause. Da freute sich der Schweinehund diebisch und krallte sich noch mehr auf dem Buckel des Bauern fest. So hatte der sonst so fleißige Mann auch am nächsten und am übernächsten Tag keine Lust mehr, sein Pferd anzuschirren und das Feld zu bestellen.
»Mich schmerzt das Kreuz«, sagte er zu seiner Bäuerin. »Ich zieh morgen wieder raus.« Aber er zog nicht raus, blieb Tag für Tag im Bett. Und die Frau zeterte und jammerte: »Oh, lieber Gott, was soll das nur werden. Bestellt mein Mann nicht das Feld, haben wir im Herbst keine Ernte, haben wir keine Ernte, können wir beim Müller kein Getreide zu Mehl mahlen, haben wir kein Mehl, können wir kein Brot backen und unseren Zehnten nicht entrichten, haben wir kein Brot, kommen wir nicht über den Winter und darüber hinaus holen sich die Häscher des Königs den Zehnten, egal ob etwas da ist oder nicht. Ach, wo soll das nur hinführen?« Doch so sehr sie auch jammerte, der Schweinehund flüsterte dem Bauern für jedes ihrer Argumente eine Ausrede zu, sodass er nicht zu bewegen war, den Acker fertig zu machen, noch sonst etwas in der Bauernwirtschaft zu tun.
Das ging solange, bis der Winter ins Land schneite. Das Bäuerlein lag immer noch im Bett, doch nun, weil er wirklich krank war. Denn die Vorratskammer war leer, der Ofen kalt, weil er auch kein frisches Brennholz gehackt hatte. Die Bäuerin konnte schon lange keine Suppe mehr kochen, das Vieh hatte sie verkaufen müssen und selbst ging sie Tag für Tag viele Meilen zu Fuß in die Stadt, um ein paar Taler zum Leben zu verdienen.
Als der Schweinehund dieses Werk zu seiner Zufriedenheit vollbracht hatte, sprang er wieder hinaus auf die Straße, um sich ein neues Opfer zu suchen. Er musste nicht weit laufen, da begegnete ihm eine Gruppe Kinder, die rodelten die sanften Hügel vor den Toren der Stadt hinab und hatten ganz viel Spaß dabei, denjenigen zu ermitteln, der am weitesten mit seinem Schlitten hinabgesaust war. Auch ein kleiner Dicker war unter den Kindern. Den wurmte es, dass seine Freunde viel flinker und wendiger waren als er.
»Du musst dich ganz viel bewegen«, hatte seine Mutter zu ihm gesagt.
»Hüpfe, laufe, rodle - mach alles mit, was sie tun und du wirst sehen, bald bist du nicht mehr der Letzte.« Der kleine Dicke hatte sich die Worte seiner Mutter zu Herzen genommen und war nun immer mitten unter seinen Freunden und so manches Mal war er schon auf seinem Schlitten vorn mit dabei. Das machte ihn ein klitzekleines bisschen stolz, auch wenn er vor lauter Anstrengungen einen hochroten Kopf hatte.
Dem Schweinehund gefiel dieser hochrote Kopf und eins fix drei und schwuppdiwupp zauberte sich der Schweinehund mitten in den Kopf des dicken Jungen und setzte sich so richtig fest in seinem Willen. Wollte dieser mit seinem Schlitten nach der Abfahrt den Berg wieder hoch stapfen, meinte der Schweinehund nur:
»Das ist doch viel zu anstrengend, dabei kommst du bloß ins Schwitzen, lass dich doch von den anderen hochziehen…« Doch als der Dicke das aussprach, lachten die anderen Jungen ihn nur aus und fragten:
»Was ist mit dir los? Bist du jetzt faul geworden? Dann verschwinde doch nach Hause!« Daraufhin zog der dicke Junge beleidigt ab und war zu Hause weder von Vater noch Mutter zu irgendeiner Arbeit zu bewegen. Stattdessen schlich er sich heimlich in die Speisekammer. Beim ersten Mal schnitt er sich nur einen kleinen Zipfel von der Wurst ab, schon bald meinte aber der Schweinehund, dass so ein Zipfel doch viel zu wenig sei, und so stibitzte er eine halbe Wurst, die er nachts unter der Bettdecke auffutterte. Aus einer halben Wurst wurden schon bald ein ganzer Kringel mit Brot und im Schmalztopf verewigte er seine Finger ebenfalls. Nach draußen zu den anderen Kindern ging er gar nicht mehr.
»Es ist viel zu kalt.« oder »Ich habe noch solchen Hunger, ich muss erst etwas essen. Danach gehe ich ganz bestimmt raus…« Und so aß und aß er, bewegte sich nicht mehr und wurde dicker und dicker und dicker bis er eines Tages platzte. Peng! Und übrig blieb nur noch ein riesengroßer Fettfleck auf den Dielen.
Natürlich hatte sich der Schweinehund rechtzeitig aus dem Staub gemacht, denn er hatte sein Ziel ja wieder erreicht. Durch Schnee und Kälte, die ihm überhaupt nichts anhatten, stapfte er durch das Burgtor in die kleine Stadt, um sich weitere Opfer zu suchen:
Schon bald wunderten sich die Leute, dass die sonst so rührige Gemüsehändlerin plötzlich faul hinter ihrem Stand in dicke Decken eingewickelt saß und ihr Obst und Gemüse einfach erfrieren ließ; dass die Straßen nachts nicht mehr beleuchtet waren, weil der Nachtwächter keine Lust hatte, die Laternen in den endlos langen Straßen jeden Abend anzuzünden und am Morgen wieder auszulöschen; dass es kaum noch Holz für die Feuerstellen in den Stadthäusern gab, weil es den Holzfällern viel zu beschwerlich war, durch den hohen Schnee in den Wald zu stapfen. Ja, sogar den guten alten Weihnachtsmann nahm sich der Schweinehund vor und redete ihm ein, dass die Kinder bereits viel zu viel Spielzeug hätten und das Weihnachtsfest in diesem Jahr vielleicht doch einmal ausfallen könnte. Hatte der Weihnachtsmann doch noch so viel anderes zu tun, als durch das Land zu fahren und Päckchen zu verteilen…
Der König des Landes hatte durch seine Boten und Höflinge schon von diesem Schweinehund und von dessen Schuld an dem nicht bestellten Feld, an dem dicken Jungen, der vor lauter Bewegungsfaulheit geplatzt war, von der ständigen Dunkelheit in seinem Königreich und so weiter vernommen. Als er dann selbst die Auswirkungen zu spüren bekam, weil das Schloss aus Holzmangel nicht geheizt werden konnte, da holte er seine Minister, Höflinge und all seine Bediensteten zusammen und rief:
»Es reicht! Es reicht! Dieser Schweinehund schafft es doch tatsächlich, mein halbes Königreich lahmzulegen. Deshalb hört meinen Befehl: Wer es schafft, den Schweinehund aus meinem Land zu verjagen, der soll meine Tochter, die Prinzessin, zur Frau bekommen und das halbe Königreich dazu.«
Diese Botschaft ließ er von seinen Herolden in allen Dörfern und Städten seines Reiches verkünden. Und schon bald begaben sich viele junge und auch ältere Männer auf die Suche nach dem Schweinehund. Dieser und jener traf auch auf ihn, doch der Schweinehund war schlau und ließ sich nicht so einfach einfangen und außer Landes bringen. Er sprang seinen Verfolgern einfach unbemerkt auf den Buckel oder in den Kopf oder ins Herz. Von dort aus überredete er sie, von der Suche nach ihm abzulassen, da der Weg doch zu beschwerlich und der Schweinehund ein unbezwingbares, reißendes Tier sei, welches auch ihnen gefährlich werden könnte. Zu dieser Ausrede kam eine weitere dazu: Der Schweinehund redete ihnen ein, die Königstochter sei...
Erscheint lt. Verlag | 19.10.2023 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-7583-5813-2 / 3758358132 |
ISBN-13 | 978-3-7583-5813-5 / 9783758358135 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich