Allison - Ein Thriller (eBook)
288 Seiten
Festa Verlag
978-3-98676-090-8 (ISBN)
Jeff Strand (geboren 1970) ist Amerikaner. Er hat viele Romane und Kurzgeschichten geschrieben, aber auch Drehbücher und Sketche für Comedy-Shows. Seine Werke sind geprägt durch einen eigenwilligen makabren Humor. Als Einflüsse auf sein eigenes Schreiben nennt er Autoren wie Douglas Adams, Richard Laymon, Dave Barry oder Jack Ketchum.
PROLOG
35 Jahre zuvor
Verdutzt legte Dad das Buch zur Seite. Eigentlich sollte niemand an die Tür der Holzhütte klopfen, vor allem nicht so spät am Abend. Es war ein lautes Klopfen, als ob jemand in großen Schwierigkeiten steckte.
Einmal pro Jahr mieteten sich Mom und Dad die Hütte, damit sie dem Arbeitsstress eine Zeit lang entfliehen konnten. Alle beide hatten Jobs, in denen sie es oft mit wütenden Menschen zu tun bekamen. Daher reisten sie im Sommer für eine Woche hierher, weit weg von allem Alltag. »Endlich habe ich Zeit für die beiden Menschen, die ich wirklich mag«, sagte Dad immer und grinste dabei, weil er in Wirklichkeit eine Menge Leute mochte.
Mom nutzte die Tage ausgiebig zum Malen und Spazieren. Dad hatte einen großen Bücherstapel dabei und verließ seinen Sessel kaum, außer zum Essen, Schlafen oder für einen Gang auf das Plumpsklo. Allison las oder zeichnete, ging mit Mom spazieren, dachte sich Lieder aus, spielte Brettspiele und schrieb Geschichten. Im Grunde tat sie einfach immer das, wozu sie gerade Lust hatte. Sie liebte diesen Ort.
Dad stand auf und ging an die Tür. »Kann ich Ihnen helfen?«, rief er laut.
»Wir haben uns verlaufen«, antwortete ein Mann auf der anderen Seite.
Dad seufzte und öffnete die Tür. Der Fremde auf der Veranda schubste Dad so heftig, dass er beinahe hinfiel. Er konnte gerade so sein Gleichgewicht halten, als zwei Männer bereits in die Hütte drängten. Einer hatte fettiges schwarzes, der andere fettiges blondes Haar. Alle beide trugen eine Pistole.
Allison schrie.
»Bring das Kind zum Schweigen, sonst passiert was«, knurrte der Mann mit dem schwarzen Haar und hielt seine Waffe auf Mom gerichtet. Der Blonde zielte auf Dad.
Allison ließ ihre Kreiden fallen und lief zum Stuhl, in dem Mom saß, die sie fest in die Arme nahm.
Die Männer hätten Brüder sein können. Ihre Gesichter sahen aus wie das von Dad am Ende der Woche, wenn er sich während seiner freien Tage nicht zu rasieren brauchte. Sie waren völlig verschwitzt, und doch zitterten sie, wie jemand vor dem Erfrieren. Ihre Kleidung war verschmutzt und zerrissen, als wären sie eine ganze Weile in den Wäldern umhergeirrt.
»Wir wollten das alles nicht«, sagte der Blonde. »Es ist nicht unsere Schuld, dass ihr einfach nicht gegangen seid. Wenn ihr wenigstens einmal für ein paar Minuten weg gewesen wärt, hätten wir hier reingekonnt und niemand hätte verletzt werden müssen.«
»Es braucht immer noch niemand verletzt zu werden«, sagte Dad. »Was wollen Sie?«
»Was glaubst du, was wir wollen?« Der Mann reagierte so, als wäre das die dämlichste Frage gewesen, die ihm je zu Ohren gekommen war. »Geld. Und alles andere von Wert, das ihr hier habt.«
Der Schwarzhaarige ging auf Mom zu und hielt die Waffe weiterhin auf sie gerichtet. »Du hast doch einen Ehering, oder? Her damit!«
Mom zerrte sofort an ihrem Ring, doch er ging nicht ab.
»Spiel keine Spielchen mit mir.« Das Gesicht des Mannes war eine hässliche Maske der Wut.
»Ringe sollen nicht einfach abfallen! Ich mache Ihnen keine Schwierigkeiten.« Sie zeigte zur Küchenzeile. »Da ist Seife.«
»Wir haben keine Zeit für Seife! Gib mir einfach den Ring, bevor ich ihn abschieße!«
Mom zerrte so heftig an ihrem Ring, dass sie sich beinahe den Finger brach. Als sie ihn endlich abbekommen hatte, reichte sie ihn dem Mann. Er hielt ihn hoch und besah ihn genauer, dann schob er ihn in seine Hosentasche.
»Deinen auch«, sagte der Blonde zu Dad.
Schnell streifte er seinen Ehering vom Finger und gab ihn ab. »Jetzt dein Portemonnaie.«
»Es liegt im Schlafzimmer.«
»Warum liegt es im Schlafzimmer?«
»Hören Sie, Sir«, sagte Dad. Er klang genau so, wie wenn er Allison die Leviten lesen wollte und sie dabei deutlich erkennen konnte, wie viel Mühe es ihn kostete, ruhig zu bleiben. »Ich bin absolut bereit dazu, mit Ihnen zu kooperieren, meine Herren, aber Sie müssen mir auch entgegenkommen. Ich kann verstehen, dass Sie in einer verzweifelten Lage sind und unter großem Druck stehen. Aber meine Familie und ich saßen bis eben in einer Hütte und genossen unseren Urlaub. Selbstverständlich ist mein Portemonnaie im Schlafzimmer. Das ist kein Trick.«
Der Blonde nickte heftig. »Ja, ja, ja, du hast recht, du hast recht.« Er zeigte auf den anderen Mann. »Los, hol es.«
Der lief ins Schlafzimmer.
»Gleich neben dem Bett«, rief Dad ihm hinterher.
Mit dem Portemonnaie in der Hand war der Mann schnell wieder zurück. Waffe in der einen, Portemonnaie in der anderen Hand, versuchte er es auszuschütteln, doch musste er einsehen, dass es so nicht funktionieren würde, und schob daher die Waffe in den Hosenbund. Dann griff er in das Portemonnaie und holte einige Scheine heraus. »Was zum Teufel ist das?« Er wedelte wütend mit den Scheinen vor Dad herum. »Das sind gerade mal 30 Piepen!«
»Was haben Sie gedacht, wie viel darin wäre?«
»Mehr als 30 Piepen!« Der Mann steckte das Geld in die Hosentasche und warf das Portemonnaie auf den Boden. Sofort hatte er seine Waffe wieder gezogen.
»Bei uns war von Anfang an nicht viel zu holen«, sagte Dad, »Sie haben jetzt zwei Ringe und 30 Dollar. Nehmen Sie es und kaufen Sie sich, was Sie brauchen.«
»Oder vielleicht töten wir euch drei ganz einfach. Dann nehmen wir diese Bude komplett auseinander. Schauen mal, was hier noch so steckt.«
»Bitte, bleiben Sie doch vernünftig. Was ist mit dem Auto? Sie können es haben. Es steht weniger als eine halbe Meile entfernt. Ich werde Ihnen die Schlüssel überlassen und erklären, wie man hinkommt.«
Der Schwarzhaarige zielte auf Mom und grinste höhnisch: »Wie wär’s, wenn wir stattdessen ein bisschen Spaß haben?« Er leckte sich über die Lippen und besah Allison. »Wie alt bist du?«
»Lassen Sie sie in Ruhe«, sagte Mom.
»Wie alt?«
Allison sah ihm in die Augen. »Zehn.«
Der Mann kicherte. »Wow. Ich hätte dich wenigstens auf zwölf geschätzt. Ganz schön groß für dein Alter, was? Das könnte interessant werden.«
»Was zum Fick ist los mit dir?«, fragte der andere Mann.
»War nur Spaß!«
»Das sagst du jetzt, nachdem ich was gesagt habe.«
»Nein, es war echt nur Spaß.«
»Wenn ich nichts gesagt hätte, hättest du nicht gezögert. Das ist verdammt kranke Scheiße. Du musst echt mal klarkommen.«
»Es war ein Spaß!«, erwiderte der Schwarzhaarige. »Ich habe nur versucht, die Stimmung aufzulockern!«
»Warum zum Teufel sollte die Stimmung locker sein?«
»Ich … Ich weiß nicht. Warum nicht? Es war nur ein Witz, okay? Ich stehe nicht auf so was. Wenn du nichts gesagt hättest, hätte ich dir die Fresse weggeballert.«
»Drohst du mir etwa?«
»Nein, ich drohe dir nicht! Im Ernst jetzt! Ich versuche zu erklären, dass ich einen Witz gemacht habe, und du hast ihn nicht verstanden. Wenn du keinen Sinn für Humor hast, ist das nicht mein Problem.«
Während die Männer sich stritten, bemerkte Allison, wie Dad seinen Blick durch die Hütte schweifen ließ. Sie vermutete, er versuchte die nächstbeste Waffe zu finden. Hoffentlich würde er nicht irgendetwas Unüberlegtes tun – die Männer achteten zwar nicht auf ihn, hatten aber beide immer noch Waffen.
»Schön«, sagte der Schwarzhaarige. »Es war eben nicht witzig. Lass uns einfach verschwinden, okay?«
»Ich will noch nicht los.«
»Du bist derjenige, der mich für krank hält!«
»Weil du voll einen auf Kinderschänder gemacht hast. Die Mutter ist nicht zehn Jahre alt.« Er warf einen erregten Blick zu Mom. »Wie alt bist du? 29? 30?«
Mom antwortete nicht. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment weinen.
»Wenn ihr sie anfasst«, sagte Dad, »bringe ich euch um.«
»O nein, das wirst du nicht. Du wirst zusehen, wie es passiert, und dabei auch rein gar nichts tun, denn selbst wenn es dir egal ist, wenn ich dir dein Hirn wegpuste, weiß ich trotzdem, dass du deine Tochter in Sicherheit haben willst. Wenn du willst, schließen wir sie im Schlafzimmer ein, damit sie hiervon nicht total abgefuckt wird.«
Allison war klar, sie musste ihre Kräfte nutzen.
Mom und Dad fürchteten sich vor ihren Kräften. Sie verstanden sie nicht. Allison konnte sie auch nicht wirklich kontrollieren, und die meiste Zeit versuchten sie alle drei einfach so zu tun, als wäre es nur eine Art Einbildung gewesen. Aber egal wie sehr ihre Kräfte ihnen Angst einjagten, diese Männer waren viel schlimmer, und Allison würde nicht zulassen, dass sie ihren Eltern etwas antaten.
Sie konnte ihre Kräfte nicht einfach einsetzen, wie sie wollte. Es gelang ihr nur in »äußerst emotionalen Momenten«, wie Mom diese nannte. Das hier war mit Sicherheit einer dieser Momente.
Sie sah den schwarzhaarigen Mann an, starrte ihn förmlich an, konzentrierte sich mit all ihrer Kraft und versuchte ihn dazu zu bringen, die Hütte zu verlassen.
Er machte einen Schritt zurück, weg von ihnen. Seine Augen waren vor Überraschung weit aufgerissen, was ihn schlicht verwirrt aussehen ließ, als ob er nicht verstehen konnte, was mit ihm geschah.
Seine Waffe war immer noch auf Mom gerichtet. Das gefiel Allison nicht.
Der Schwarzhaarige begann nun langsam seine Pistole zu senken. Sein Arm zitterte, als er sich dagegen...
Erscheint lt. Verlag | 19.10.2023 |
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Übersetzer | Morton Tartas |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-98676-090-3 / 3986760903 |
ISBN-13 | 978-3-98676-090-8 / 9783986760908 |
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