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Jonah und die Stadt -  Dean Koontz

Jonah und die Stadt (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
544 Seiten
Festa Verlag
978-3-98676-086-1 (ISBN)
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Jonah Kirk ist neun Jahre alt. Für ihn gibt es nichts Wichtigeres als seine Familie, seine Freunde und die elektrisierende Kraft der Musik. Aber Jonahs Leben wird sich für immer verändern. Erst wird er von einer rätselhaften Frau gewarnt, die sich selbst »Die Stadt« nennt. Dann suchen ihn prophetische Visionen und Albträume heim - bis er das erschreckende Geheimnis seiner Stadt entdeckt ... Zusätzlich enthalten ist die Vorgeschichte zum Roman, die schildert, wie in einer dunklen Nacht ein geheimnisvoller neuer Nachbar in das Haus nebenan einzieht. The Times: »Dean Koontz ist nicht nur der Experte für unsere dunkelsten Träume, sondern auch ein literarischer Künstler.« Dean Koontz ist neben Stephen King der weltweit meistverkaufte Meister der dunklen Spannung.

Dean Ray Koontz wurde im Juli 1945 in Pennsylvania geboren. Er verkaufte weit über 500 Millionen Bücher, die in 38 Sprachen übersetzt wurden. Dean Koontz ist einer der erfolgreichsten Autoren der Welt. Er lebt mit seiner Frau Gerda in Südkalifornien. The Times: »Dean Koontz ist nicht nur der Experte für unsere dunkelsten Träume, sondern auch ein literarischer Künstler.«

1

Mein Name ist Malcolm Pomerantz, und ich bin ein Axtschwinger, aber nicht so einer wie in den Reality-TV-Serien über Holzfäller. Wäre ich diese Art von Axtschwinger, hätte ich mir wohl schon längst beide Füße abgehackt oder wäre von einem umstürzenden Baum erschlagen worden. Mein ganzes Leben lang bin ich ungeschickt gewesen. Ich blieb nur deshalb von einem Unfalltod verschont, weil mein Beruf – ich bin Musiker – nicht erfordert, dass ich mit Elektrowerkzeugen hantieren oder mich durch tückisches Gelände bewegen muss. Axt ist Musiker-Slang für Instrument, und meine Axt ist ein Saxofon. Ich spiele seit meinem siebten Lebensjahr. Damals haben ich und das Saxofon noch beinahe dieselbe Größe gehabt.

Jetzt bin ich 59, zwei Jahre älter als Jonah, der seit einem halben Jahrhundert mein bester Freund ist. Ich bin groß, Jonah nicht. Ich bin weiß, er ist schwarz. Als ich ihm im Sommer 1967 zum ersten Mal begegnete, war Jonah zehn. Er war flink, elegant, ein Piano-Wunderkind. Ich war zwölf und stapfte umher wie Lurch, der Butler aus Addams Family, einer Serie, die im vorangegangenen Jahr ein großer Fernseherfolg gewesen war. Als ich ihn zum ersten Mal spielen hörte, rockte er die Tasten mit Fats Dominos I’m Gonna Be A Wheel Someday. 1967 sollte sich für uns beide als ein Jahr erweisen, das … unvergesslich war.

Auf mein Drängen hat Jonah vor Kurzem die Geschichte seines Lebens – oder zumindest eines merkwürdigen, turbulenten Abschnitts davon – auf Tonband gesprochen. Aus seiner Erzählung wurde ein Buch mit dem Titel Die Stadt. Mein Leben nachzuerzählen würde keinen Sinn ergeben, denn das Interessanteste daran ist das, was geschah, während ich Zeit mit Jonah verbrachte. All das hat er bereits berichtet. Doch ich habe noch eine kleine Erfahrung zu erzählen, eine sonderbare Abfolge von Ereignissen, die ein paar Wochen vor meiner ersten Begegnung mit ihm stattfanden. Ebenso wie seine spannendere Story legt auch die meine nahe, dass die Welt meist rätselhafter ist, als sie erscheint, während wir von morgens bis abends unserer beruhigenden Tagesroutine nachgehen.

Meine Schwester Amalia war damals 17, fünf Jahre älter als ich, aber wir standen uns so nahe, als wären wir Zwillinge. Nicht dass wir uns ähnlich gesehen hätten. Sie band ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz, war geschmeidig und zierlich, steckte so voller Begeisterung für das Leben, dass ihr Strahlen sowohl bei Licht als auch bei Dunkelheit nicht nur der Einbildungskraft ihres sie bewundernden kleinen Bruders entsprungen sein konnte. Ich dagegen war ein tollpatschiger Zwölfjähriger mit einem Adamsapfel, der mich aussehen ließ, als hätte ich einen ganzen Granny-Smith-Apfel geschluckt, der in meiner Kehle stecken geblieben war. Obwohl ihre Garderobe nicht besonders umfangreich war, trug Amalia zu jeder Gelegenheit die passende Kleidung und sah immer aus, als wäre sie einem Sears-Katalog entstiegen. Da ich runde Schultern hatte und meine Arme so unverhältnismäßig lang waren wie die eines Orang-Utans, versuchte ich, meine unvorteilhafte Figur zu verbergen, indem ich mich kleidete wie ein Erwachsener. Weil ich jedoch blind für Mode war, lenkte ich dadurch nur noch mehr Aufmerksamkeit auf meine schlaksige Gestalt: schwarze Wingtips, aber mit weißen Socken; Anzughosen, die mir bis mehrere Zentimeter über den Bauchnabel reichten; kurzärmlige Hemden mit breitem Kragen, die ich bis zum Hals zuknöpfte.

Mit zwölf Jahren dachte ich noch nicht viel an Mädchen. Vielleicht war mir bereits bewusst, dass ich auch als Erwachsener mit meinem langen, blassen Gesicht und den trüben Augen hinter dicken Brillengläsern niemals ein Kerl sein würde, dem die hübschen Mädchen in Scharen nachliefen. Ich hatte die Liebe meiner Schwester und mein Saxofon, und das genügte mir.

Das musste es auch, denn Amalia und ich hatten kein Familienleben, das sich für eine Fernsehserie wie Ozzie and Harriet oder Erwachsen müsste man sein geeignet hätte. Unser alter Herr war Maschinist, der Vorarbeiter einer ganzen Werkstatt voller Dreher. Meistens blieb er stumm wie ein Felsbrocken. Er war ein kühler Mann, der allein durch seinen Blick seine Missbilligung zum Ausdruck bringen konnte sowie seinen glühenden Wunsch, jemanden an seiner Drehbank zu etwas Ansprechenderem umzuformen. Was für einen frommen Katholiken die Hostie ist, waren für ihn Chesterfield-Zigaretten. Amalia hat nachdrücklich die Ansicht vertreten, dass er nicht kaltherzig, sondern nur vom Leben verletzt und emotional isoliert sei. Unsere Mutter sah gern rund um die Uhr fern, nur unterbrochen von Klatsch und Tratsch mit Mrs. Janowski, die nebenan wohnte, sowie den Lucky-Strike-Zigaretten, von denen sie so viele rauchte, als hinge die Zukunft der Erde davon ab, und das selbst während der Mahlzeiten, die sie meist im Wohnzimmer von einem Tablett zu sich nahm. Sie war stolz darauf, eine gute Hausfrau zu sein, was in ihrem Fall bedeutete, dass sie sämtliche Arbeit effizient an Amalia und mich delegierte.

Der König und die Königin unseres kleinen Schlosses der unteren Mittelschicht sprachen so selten miteinander, dass man hätte annehmen können, dass ihre Kommunikation vor allem telepathisch stattfand. Doch selbst wenn das der Fall war, verriet ihr Verhalten, dass sie so gut wie jeden telepathischen Austausch miteinander verabscheuten. Amalia sagte, dass vor langer Zeit irgendetwas Bedeutendes zwischen unseren Eltern vorgefallen sein musste, dass sie einander verletzt hatten, dass sie sich darüber alles gesagt hatten, was es zu sagen gab, und sich nicht überwinden konnten, einander zu vergeben. Daher war für sie jede Unterhaltung miteinander qualvoll. Amalia nahm nie gern das Schlechteste über jemanden an, bevor derjenige sich eindeutig als unverbesserlich schlecht herausgestellt hatte.

Meine Schwester hatte mit acht Jahren begonnen, Klarinette zu spielen, nachdem ein Junge im nächsten Block, dessen Eltern ihm den Unterricht aufgezwungen hatten, rebelliert und überzeugend damit gedroht hatte, sich zu erhängen. Man hatte ihr das Instrument geschenkt, und sie hatte es vor allem deshalb erlernen wollen, weil sie wusste, dass es unsere Eltern stören würde. Sie hoffte, dass ihr Spiel ihnen so auf die Nerven gehen würde, dass sie sie zum Üben in die vom Haus getrennte Ein-Fahrzeug-Garage verbannen würden. Dort würde sie nicht mitansehen müssen, wie sie so entschlossen das Gespräch miteinander verweigerten. Dort roch die Luft nicht nach Chesterfields und Lucky Strikes, sondern nach Schmierfett, Reifengummi und Schimmel. Ihre Hoffnung wurde erfüllt. In den letzten Jahren, die wir noch im Haus wohnten, lauteten die Worte, die unsere Eltern am häufigsten aussprachen: »Geh doch in die Garage.« Sie sagten es nicht nur, wenn wir Klarinette oder Saxofon übten, sondern auch, wenn wir sie durch unsere bloße Anwesenheit von den Fernsehsendungen, dem Trinken und dem leidenschaftlichen Rauchen ablenkten.

Amalia wurde ziemlich gut an der Klarinette, aber ich stellte mich am Saxofon als ein Naturtalent heraus. Ich brachte mir alles selbst bei und versuchte ständig, mich zu verbessern, und sei es nur ein wenig. Das Saxofonspielen war die einzige Sache, in der ich glänzen konnte.

Mit ihrem Notendurchschnitt von 4,0 und ihrem beträchtlichen Schreibtalent war Amalia eine Amateurmusikerin, für die die Zukunft Größeres bereithielt als die Mitwirkung in einer Tanzkapelle. Obwohl unsere geistesabwesenden Eltern es für keine große Errungenschaft hielten, bekam sie aufgrund ihrer Noten, aber auch aufgrund einiger cooler Kurzgeschichten, mit denen sie verschiedene Preise gewonnen hatte, ein Vollstipendium an einer großen Universität.

Ich war stolz auf sie. Ich wollte, dass sie großen Erfolg hatte, dass sie den giftigen Wolken und der Düsternis unserer verbitterten Eltern entkam, die das Haus der Familie Pomerantz wie Poes Haus Usher kurz vor dessen Versinken im Sumpf erscheinen ließen. Gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, wie mein Leben wäre, wenn sie am Ende dieses Sommers weit wegging und die Universität besuchte. Dann wäre ich das einzige Familienmitglied, das sein Abendessen nicht von einem Tablett zu sich nehmen wollte.

Anfang Juni, fast einen Monat bevor ich hörte, wie Jonah Kirk im Haus seines Großvaters, das unserem gegenüberlag, diese Fats-Domino-Nummer rockte, geschah nebenan etwas Seltsames. Es war nicht das Haus im Osten, wo die Janowskis wohnten und wo meine Mutter regelmäßig mit Mrs. Janowski Klatschgeschichten austauschte, die meisten davon wahnhafte Fantasien über die ehelichen Beziehungen anderer Menschen in unserer Straße. Es handelte sich um das Haus direkt westlich von uns, das einmal Rupert Clockenwall gehört hatte und leer stand, seit der alte Mr. Clockenwall vor einem Monat an einem schweren Herzanfall gestorben war.

Das seltsame Ereignis begann eines Morgens um drei Uhr, als ich von einem ungewöhnlichen Geräusch geweckt wurde. Ich setzte mich im Bett auf. Das Geräusch schien nicht in meinem Zimmer gewesen zu sein. Ich war ziemlich sicher, dass es von draußen gekommen war. Vielleicht war es der letzte Klang eines Traums gewesen, der so bedrohlich gewesen war, dass er mich geweckt hatte. Er erinnerte an den Laut, der entsteht, wenn ein langes Schwert aus einer metallenen Scheide gezogen wird, wie Stahl, der über Stahl schleift.

Selbst in einem älteren Wohnviertel wie unserem, das weit von den Hochhäusern und der Hektik der Innenstadt entfernt liegt, ist es nie ganz still. Man lernt, schon lange bevor man zwölf Jahre alt ist, all das Rattern, Klirren und Hämmern der Stadt auszublenden, um nachts ausreichend schlafen...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2023
Übersetzer Patrick Baumann
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-98676-086-5 / 3986760865
ISBN-13 978-3-98676-086-1 / 9783986760861
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