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Die Frau des Messerers -  Herta Krondorfer

Die Frau des Messerers (eBook)

Mittelalterroman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-609-4 (ISBN)
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Um ihrem lieblosen Elternhaus zu entkommen, heiratet Eva Katrina, von allen nur Kati genannt, den wesentlich älteren Witwer und einflussreichen Messerer Jakob Fuchs und übernimmt ihre neue Aufgabe als Gattin, die sich als schwieriger erweist, als sie erwartet hat. Nach einem Brandanschlag auf den Steyrer Pfarrhof gerät ihr Mann ins Visier der Inquisition und wird zu einem Verhör beordert. Doch dort kommt er nie an. Gerüchte machen die Runde, die Jakob sowie Kati schwer belasten. Damit sie ihren guten Ruf wiederherstellen kann, muss sie ihre Schüchternheit überwinden. Zusammen mit dem Wundarzt Ulrich macht sie sich auf die Suche nach der Wahrheit. Ein Roman über Neid und Missgunst, Liebe, Glaube und Hass in Steyr des späten 14. Jahrhunderts.

Herta Krondorfer wurde am 26. Jänner 1972 in Steyr, Oberösterreich, geboren. Mit ihrem Sohn und ihrer Mutter lebt sie in Haus in einer Kleinstadt im westlichen Niederösterreich. Geschichte und Geschichten haben sie schon immer fasziniert. Besonders die Antike und das Mittelalter haben es ihr angetan. Trotzdem hat sie mit Lyrik begonnen und ist später über Kurzgeschichten zur Romanautorin geworden. In ihren Geschichten beleuchtet sie nicht nur menschliche Abgründe, sie möchte die Leser auch auf eine Reise in die Vergangenheit mitnehmen, wobei die Unterhaltung im Vordergrund steht. Aber nicht nur die Historie hat es der Niederösterreicherin angetan. Sie widmet sich auch zeitgenössischen Themen. Unter ihrem Pseudonym Ysardsson schreibt sie Science-Fiction und Fantasy. Zahlreiche ihrer Kurzgeschichten wurden auch in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht.

ANNO 1391

KAPITEL I

Nicht nur auf der Straße herrschte Dunkelheit, sondern auch in der Stube eines Hauses in Steyrdorf. Blind vor Angst starrte Jakob Ulbert Fuchs auf seine zum Gebet gefalteten Hände. Vor zwei Stunden hatte ihn die Hebamme aus dem Zimmer geschickt, in dem seine Frau Elisabeth niederkam. Elisabeth war so blass, so müde und kraftlos. Seit mehr als zehn Stunden kämpfte sie mit der Geburt. Am Anfang war die Hebamme noch guter Dinge gewesen, hatte aufmunternde Worte gesprochen und gelacht. Als sie ihn jedoch hinausgeschickt hatte, war sie weniger fröhlich und Elisabeth teilnahmslos. Noch bei keiner Geburt hatte er solche Angst um seine Frau verspürt wie bei diesem Mal.

»Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum. Benedicta Tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris Tui, Jesus. Sancta Maria, Mater Dei, ora pro nobis peccatoribus nunc et in hora mortis nostrae1. Amen«, betete er voller Inbrunst. Ungeduldig und ängstlich richtete er den Blick immer wieder zur Tür. Aber es geschah nichts. Schon die Schwangerschaft war für Elisabeth schwer gewesen. Sie hatte viel Ruhe halten müssen und mehr ab als zugenommen, dafür waren ihre Beine stark angeschwollen. Jede Anweisung des Stadtphysicus2 und der Hebamme hatte sie eingehalten und es zeigte sich auch eine Besserung. Doch jetzt beschlichen Jakob ernste Zweifel.

Vor fünfzehn Jahren hatte er Elisabeth geheiratet. Kurz zuvor war seine einzige lebende Schwester ausgezogen, um selbst zu heiraten. Jetzt war niemand mehr da, der ihm in diesen schweren Stunden zur Seite stehen konnte, denn auch seine Eltern waren bereits vor Jahren gestorben. Mit dem Erbe des Betriebes war die gesamte Verantwortung auf ihn übergegangen.

Er hoffte so sehr, dass Elisabeth bald wieder die Alte sein würde. Deshalb betete er rasch weiter und noch inbrünstiger.

»Ich liebe meine Frau, lieber Gott, bitte, lass sie die Geburt gesund überstehen und das Kind ebenfalls«, hängte er an das nächste »Ave Maria«. Er wusste nicht, wie er einen weiteren Verlust verkraften sollte.

Die Minuten zogen sich dahin. Müde sank sein Kopf auf die Tischplatte. Kaum berührte seine Stirn das Holz, schrak er hoch. Wie konnte er an Schlaf denken, wenn sich Elisabeth mit der Geburt abmühte und er ihr nicht beistehen konnte?

Er betete weiter. Der Schein einer kleinen Öllampe spendete ihm etwas Licht, viel zu wenig, um die Schatten auf seiner Seele und aus der Stube zu vertreiben. In ein paar Stunden würde er Öl nachfüllen müssen, doch bis dahin war der Tag angebrochen. Jakob seufzte und schaute erneut zur Tür. War da nicht etwas gewesen?

Da! Laute Schritte. Er horchte auf und lauschte. Was er hörte, war der Schrei eines Neugeborenen, das seinen Unmut über die kalte neue Welt kundtat. Jakob sprang auf, stolperte in seiner Hast beinahe über einen Hocker und stürmte hinaus. So schnell er konnte, lief er die steile Treppe nach oben und ins Schlafzimmer.

Wie angewurzelt blieb er stehen. Sein Blick richtete sich auf das Bett, in dem eine Gestalt völlig reglos lag. Dagegen wirkte die Hebamme, die das Neugeborene trug, richtiggehend hektisch und laut auf ihn. Sein Blick pendelte zwischen ihr und dem Bett.

»Das … Gott … Das ist nicht …«, flüsterte er, sobald er erkannte, was die Hebamme verschwieg. Sie musste es nicht aussprechen, er wusste es auch so. Eine bleierne Schwere legte sich auf Jakob, sie zog ihn nach unten und erschwerte es ihm, weiterzugehen, zum Bett, zu seiner Frau.

»Es tut mir so leid, Meister Jakob. Ich … ich habe getan, was ich konnte. Aber …« Hilflos brach die erfahrene Hebamme ab. Jakob glaubte ihr, aber er war unfähig, ein Wort zu sprechen. Tränen sammelten sich in seinen Augen und hinderten ihn am Sprechen. Wo war Gott, wenn man ihn brauchte? Wo war er jetzt, als Elisabeth tot im Bett lag und das Kind ohne Mutter aufwachsen musste? Das Kind!

Jakob wankte zum Bett, hielt sich am Vorhang fest, den er beinahe herabriss und schluchzte. Er konnte es nicht mehr unterdrücken. Es war ihm gleich, dass es ihm als Schwäche ausgelegt werden konnte. Alles war ihm in diesem Moment egal.

»Meister Jakob.«

Er hörte die Hebamme, aber er reagierte nicht auf sie. Erschlagen setzte er sich aufs Bett und griff nach der schlaffen Hand seiner Frau. Seine Augen brannten, aber er ließ die Tränen nicht zu. Nicht jetzt. Stattdessen schaute er Elisabeth an. Sie lag so friedlich da. Der Schein einer Kerze und zweier Öllampen erhellte nur unzureichend das Schlafzimmer, aber er tauchte Elisabeths Gesicht in ein wundersames Licht, ließ es fast schon himmlisch strahlen. Er schluckte und strich ihr zärtlich mit zittrigen Fingern über die Wange.

»Meister Jakob. Bitte, Eure Tochter.«

Er ignorierte die Hebamme wieder und starrte nur seine Frau an.

»Nein«, flüsterte er heiser, wusste aber selbst nicht, was er damit meinte. War das alles ein Alptraum, die Angst vor weiteren Verlusten, die ihn quälte? Er wollte nicht wahrhaben, was passiert war.

Die Hebamme zog sich mit dem Neugeborenen zurück und ließ ihn vorerst in Ruhe.

Wie versteinert saß er da, hielt Elisabeths Hand und streichelte sie sanft. Es konnte nicht sein, dass sie nicht mehr lebte.

Warum tat Gott ihm das an? Hatte er zu wenig gebetet? Hatten die verdammten Waldenser3 am Ende doch recht mit ihren Forderungen nach einem Verbot der Anbetung von Heiligen, der Verehrung von Reliquien oder dem Besuch von Wallfahrtsorten und der Armut? Ihm lief es kalt den Rücken hinab. Kurz sah er die blassen Gesichter vor sich, die er vor einigen Tagen bei einer Predigt überrascht hatte. Mitten auf dem Feld hatten ein ärmlich wirkender Mann und eine Frau auf die Arbeiter am Feld eingeredet. Sobald sie ihn auf dem Pferd bemerkt hatten, waren sie davongelaufen. Aber er hatte genug gehört. Es war nicht seine Welt. Jetzt fragte er sich, ob sie recht hatten. Seine Gedanken kehrten zu Elisabeth zurück und er machte sich Vorwürfe.

»Niemals hätte ich mich von der Hebamme hinausschicken lassen dürfen. Du hast mich gebraucht und ich bin nicht für dich dagewesen, hab in der dummen Stube gesessen und gebetet. Wenn es wenigstens etwas genutzt hätte. Jetzt bist du tot«, flüsterte er. Zögernd hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange, hob ihre schlaffe Hand an und drückte sie sich an den Mund. Sie fühlte sich noch warm an, fast lebendig. Wenn er die Augen schloss und wieder öffnete, dann war sie am Leben. Die Versuchung war groß, aber er wusste, dass das nicht passieren würde. Die Tränen bahnten sich einen Weg und tropften unbemerkt auf Elisabeths Hand.

Das Weinen eines Kindes riss ihn aus seinen Grübeleien. Die Hebamme wiegte es in den Armen und wollte eben das Zimmer verlassen.

»Warte. Ich … ich … ist es gesund?«, fragte er leise, damit er sein Weinen verbergen konnte.

»Ja, Meister Jakob. Ihr habt eine gesunde Tochter, eine lebhafte, gesunde Tochter. Wollt Ihr sie nehmen?«

Auffordernd hielt sie ihm das fest eingewickelte schreiende Bündel hin. Jakob zitterte. Es war alles, was ihm von seiner Frau blieb. Er schaute Elisabeth an, dann die Hebamme. Schließlich nahm er den Säugling entgegen und betrachtete dieses verhutzelte kleine Etwas, das ohne Mutter aufwachsen würde. Wie sollte er das nur schaffen?

»Wir … wir … ich meine …« Er räusperte sich mehrmals, ehe er fortfuhr: »Wir brauchen eine Amme für sie.«

»Ich werde mich darum kümmern, dann habt Ihr Zeit, die Taufe und die …« Kurz hielt die Hebamme inne, ehe sie mit fester Stimme fortfuhr: »Ihr müsst auch das Begräbnis Eurer Gattin organisieren. Soll ich Euren Knecht zum Pfarrer schicken? Dann kann ich in der Zwischenzeit nach einer Amme suchen, das muss recht schnell gehen, zur Not tut es auch Ziegenmilch. Und der Magd gebe ich Bescheid, dass sie für Frühstück sorgt. Ihr seht übernächtigt aus.«

Du auch, dachte er, als er die Hebamme anschaute, die gewiss besser als er wusste, was mit einem Neugeborenen zu tun war. Es war nicht sein erstes Kind und trotzdem war er unsicher, wie er es halten sollte. Elisabeth hat es gewusst, sinnierte er betrübt. Vor seiner Frau hatte er die allergrößte Hochachtung gehabt. Er dachte zurück, als sie sich vor vielen Jahren kennen gelernt hatten. Damals hatte er noch für seinen Vater gearbeitet. Leise seufzte er.

Wie schön Elisabeth gewesen war. An diesem Tag hatte er zur Strafe für seinen Ungehorsam – Jakob wusste nicht einmal mehr, was er angestellt hatte - niedere Botendienste übernehmen müssen. Bei einem dieser Dienste hatte er Elisabeth gesehen. Sie hatte ihrer Mutter im Geschäft geholfen. Sobald er sie sah, wandelte sich die Strafe zu einer Belohnung, und er hatte nur noch Augen für Elisabeth gehabt. Ihr ging es ähnlich. Jede freie Minute verbrachten sie zusammen oder sie suchten irgendeine Ausrede, warum sie ins Geschäft oder die Werkstatt des anderen mussten....

Erscheint lt. Verlag 2.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-99152-609-3 / 3991526093
ISBN-13 978-3-99152-609-4 / 9783991526094
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