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Blute sanft: Kriminalroman -  Werner Wöckinger

Blute sanft: Kriminalroman (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
250 Seiten
Federfrei Verlag
978-3-99074-276-1 (ISBN)
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Der Rettungssanitäter Alois Perger, getrieben von seinen Süchten und Sehnsüchten und berührt von den persönlichen Schicksalen seiner Klient:innen, schlittert ohne sein Zutun in eine blutige Spirale von Rache und Gewalt. Wer hat es auf einen honorigen Anwalt und den Schuldirektor abgesehen und was hat das mit einem jungen, schüchternen Mädchen zu tun, das sich wieder und immer wieder selbst verletzt? Die Polizei tappt bis zuletzt im Dunkeln.



Werner Wöckinger, geboren 1967 in Linz, lebt mit seiner Frau und seinen drei Söhnen in Mauthausen. Der hauptberufliche Rettungssanitäter hat neben lyrischen Texten und mehreren Theaterstücken bereits sechs Kinderbücher und zwei Kriminalromane, den Ökokrimi »Die Sonne geht nie unter« und das Flüchtlingsdrama »heimat.fremde«, veröffentlicht. Nähere Informationen zu seinen Publikationen finden Sie auf: www.wernerwoeckinger.at.

3


 

Der alte Professor in seinem Rollstuhl saß vornübergebeugt an seinem Tisch und versuchte, ein Kreuzworträtsel zu lösen. Oder war es ein Sudoku? Alois konnte das im Vorbeigehen nicht erkennen. Er schob den Tragsessel an den Lift und holte ihn aus dem Erdgeschoß. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass ihm der Professor zuwinkte.

Alois wandte sich um. Ja, er war gemeint. Alois zögerte. Der Aufzug meldete akustisch, dass er im zweiten Stock angelangt war. Die Tür ging auf. Der Professor winkte heftiger. Schweren Herzens ließ Alois den Sessel in der Aufzugstür stehen und trat an den Tisch des alten Mannes. Er beugte sich hinunter, hielt sein Ohr an den sabbernden Mund des Professors.

»Ich weiß, wer es getan hat«, flüsterte dieser. »Du kannst mich retten. Ich weiß, wer die Mörderin ist.«

»Schon gut, alter Mann«, klopfte Alois dem senilen Greis auf die Schulter. »Ich komme morgen vorbei und dann erzählst du mir, was dir am Herzen liegt.«

Dann ließ er den Professor in seinem Elend zurück, schob den Sessel in den Lift und drückte auf Erdgeschoß. Die Tür schloss sich in Zeitlupe, der Professor hatte zu weinen begonnen.

Der Lift setzte sich in Bewegung.

»Auf dich ist kein Verlass«, hörte Alois ihre Stimme. Erschrocken drehte er sich um. Susanne blickte ihn vorwurfsvoll an. »Du Mistkerl! Ich hab dich geliebt, aber du lässt alle im Stich. Statt in deinem Selbstmitleid zu ertrinken, solltest du mal für einen kleinen Moment an die anderen denken und überlegen, wie die sich fühlen.«

»Aber …«, wollte Alois erwidern, aber Susanne war nicht mehr da.

»Aber!«, schrie Alois und saß aufrecht in seinem Bett.

Diese verdammten Albträume. Er schlug die Bettdecke zur Seite und stellte die Füße auf den kalten Boden. Er stemmte die Ellbogen auf die Oberschenkel und begrub seinen verschwitzten Kopf in den Händen. Am Vorabend hatte er bei den Anonymen wieder einmal über seine Dämonen reden müssen. Danach war es besonders schlimm.

Alois schlurfte mit rasendem Puls und schlotternden Beinen, die wie Mus unter ihm nachzugeben drohten, ins Badezimmer und hielt den Kopf unters Wasser. Er trank einen Schluck und trocknete sich ab. Dann schaute er in diese grässliche Fratze, die ihn aus dem Spiegel anstarrte.

Jetzt mit dem Kopf den Spiegel zerschlagen und sich dann mit einem Stück der zerborstenen Scheibe die Pulsadern aufschneiden, das wär’s.

Als Sani wusste er, wie er es anstellen musste. Aber sogar dazu war er zu feige. Oder zu selbstverliebt? Er befand sich in einem seltsamen seelischen Hohlraum zwischen Selbstzerstörung und Selbstverliebtheit.

»Ich bin seit zwei Monaten und acht Tagen trocken«, erzählte er dem Spiegelbild. »Und es geht mir richtig scheiße!«

Es half alles nichts. Er musste dagegen ankämpfen. Tag für Tag, Nacht für Nacht. Musste sich das Positive ins Bewusstsein rufen. Es gab noch einen Funken Hoffnung. Wofür und wozu auch immer. Jeder neue Tag war ein guter Tag, redete er sich ein, ohne daran zu glauben.

 

Der Wecker riss ihn aus seinem traumlosen Schlaf. Hans Lackner drückte den Alarm ab und schnellte aus dem Bett hoch. Sanft strich er über das Totenbild seiner Gattin, das auf seinem Nachtkästchen stand und über ihn wachte.

Dann öffnete er die Vorhänge und ließ das fahle Mondlicht ins Zimmer. An der gegenüberliegenden Wand stand ein hölzerner Kleiderkasten, der einst als dekorative Antiquität galt. Mittlerweile war es ein wurmstichiges, altes Teil, dessen Scharniere beim Öffnen und Schließen quietschten und knarrten.

Im Stehen aß er ein Brot mit Aufstrich und trank eine Tasse schwarzen Kaffee. Die Küche war blitzblank geputzt. Auf seine Töchter konnte er sich verlassen. Über dem Herd prangte ebenfalls ein Foto seiner Frau, die früher die Chefin in der Wirtshausküche gewesen war. Es schnürte ihm das Herz zu, wenn er daran dachte.

Hans Lackner stellte die Tasse in die Spüle und wollte schon zur Tür raus, eher er sich besann und noch einmal die Treppe hochschlich. Es wäre nicht klug gewesen, ohne zu pinkeln das Haus zu verlassen, dachte er und hielt vor der Badezimmertür.

Das Plätschern des Wassers überraschte ihn. Waren die Mädchen auch schon wach? Er drückte den Griff und merkte, dass das Bad abgeschlossen war.

»Leni? Gitti?«, flüsterte er, bekam aber überraschenderweise keine Antwort.

Er probierte es noch einmal.

»Leni? Gitti?«

Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Teppich unter seinen Füßen nass war. Er stutzte für einen Moment, dann begriff er. Mit einem Schritt Anlauf warf er sich gegen die versperrte Tür, die zwar ein wenig erzitterte, aber nicht nachgab.

Lackner lief geistesgegenwärtig hinunter in die Garage und holte den Werkzeugkoffer. Mit einem Schlitzschraubenzieher öffnete er die Verriegelung und stürmte ins Bad. Mittlerweile war Leni von dem Lärm aufgewacht und taumelte hinter ihrem Vater Richtung Badewanne.

Gitti, ihre ältere Schwester, hatte sich in der Wanne die Adern an den Handgelenken aufgeschnitten. Das Wasser war blutrot gefärbt. Während Leni die Wasserzufuhr stoppte und den Ablauf öffnete, zog ihr Vater das spindeldürre Mädchen heraus und trug sie in ihr Zimmer zurück.

Alois dachte auf dem Weg zur Arbeit an Susanne und ihre Kinder. Er blinzelte gegen die aufgehende Sonne, die ihm ungeschützt auf der Hornhaut brannte und seine Augen tränen ließ. Mit den Gedanken ganz weit weg und im Blindflug steuerte sein Unterbewusstsein den Wagen zur Arbeit.

Er zog die Handbremse an, obwohl der Parkplatz nicht abschüssig war. Dann kletterte er aus dem Auto und sperrte ab. Er legte den Kopf zur Seite, dass die Halswirbel knarzten. Aus dem Augenwinkel erkannte er zwei zwielichtige Gestalten hinter einem der Wagen am Eck, wo die Mülltonnen standen.

Ohne genau hinzusehen wusste Alois, dass es Julia sein musste, die einem der neuen Zivis die Zunge in den Hals steckte. Sie konnte es einfach nicht lassen. Bei jedem Einrückungstermin wurde die Lage neu inspiziert und ein Favorit auserkoren. Und mit ihrem gewinnenden Charme gelang es ihr auch jedes Mal, den Gewinner herumzukriegen.

Der Arme, dachte Alois und ließ den Schlüsselbund in der Hosentasche verschwinden. Fünf, sechs Wochen Maximum, dann gehörte er sicher zum alten Eisen und die Fühler wurden wieder nach Frischfleisch ausgefahren.

Alois schüttelte den Kopf und versuchte mittels Fingerprint die Eingangstür zu öffnen. Seit er mit dem Zigarettendrehen begonnen hatte, waren seine Fingerkuppen abgenutzt und wurden oft nicht erkannt. Also zündete er sich einen Glimmstängel an und wartete darauf, dass ihm jemand die Tür öffnen würde.

Der Zivildiener, wenn er sich nicht täuschte, hieß Konstantin. Er kam um die Ecke geschlichen, begrüßte Alois mit einem schüchternen »Hallo!«, und huschte ins Haus. Alois inhalierte genüsslich die Zigarette und sog den Rauch in seine Lungen, die sich bis in die letzte Alveole aufblähten.

Keine Minute danach trat Julia vor ihn hin.

»Alois? Wie geht’s?«, begrüßte sie ihn mit heiserer Stimme und fuhr sich unsicher durchs Haar.

»Sicher nicht so gut wie dir«, erwiderte er und trat seine Zigarette aus.

Sie wartete auf das Summen der Tür und drückte sie auf. Alois folgte ihr.

»Du solltest das ein wenig kaschieren!«, deutete er auf ihren Hals, an dem ein riesiger Knutschfleck zu erkennen war.

»Ups!«, kicherte sie wie ein ertappter Teenager.

Er musste dringend ein ernstes Wort mit ihr reden. Sie war kein junges, unschuldiges Ding mehr, das ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierte und somit von der Hierarchie auf einer Ebene mit den Zivildienern stand. Als Berufliche sollte sie ein wenig Abstand gewinnen. Andernfalls würde ihr das womöglich zum Verhängnis werden.

 

»Papa! Aufstehen«, hüpfte Ella im Bett herum und machte einen Höllenlärm. Ihr Bruder Timon zog dem Vater die Bettdecke weg.

»Lasst mich in Ruhe, ihr Monster«, grummelte Raffael Reifeltshammer und zog sich die Decke über den Kopf.

»Papa! Aufstehen«, ließ Ella nicht locker und zerrte am Stoff.

Timon kletterte zum Bettende und legte Vaters Beine frei, um ihn an den Fußsohlen zu kitzeln.

»Stopp!«, schrie dieser und setzte sich im Bett auf. »Raus jetzt. Das ist nicht witzig!«

»Sorry«, stand seine Frau im Türrahmen. »Ich konnte die beiden leider nicht aufhalten.«

»Hm«, starrte er sie böse an.

»Kommt, Kinder! Papa ist noch müde. Ich spiele mit euch«, versuchte sie die beiden Quälgeister aus dem Zimmer zu treiben.

»Aber Papa hat es versprochen!«, stemmte Ella die Hände in die Hüften.

»Genau, Papa hat’s versprochen«, spielte Timon den Papagei.

Ihre Mutter zuckte mit den Schultern.

»Gebt mir fünf...

Erscheint lt. Verlag 29.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99074-276-0 / 3990742760
ISBN-13 978-3-99074-276-1 / 9783990742761
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