Romantic Thriller Spezialband 3048 - 3 Romane (eBook)
500 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-8536-8 (ISBN)
2
Inspector Lyle Parker kannte Vianna seit mehr als zwei Jahren, und genau so lange bemühte er sich um mehr als höfliche Aufmerksamkeit von ihrer Seite. Vianna hatte jedoch nie mehr als einen freundlichen Blick für ihn übrig gehabt. Als sie ihn bat, zur Vorlesung zu kommen, hatte er nicht für einen Augenblick gezögert, auch wenn er keine Ahnung hatte, wozu er sich da bereiterklärte.
Die Blicke der Studenten wirkten fast mitleidig, und er fragte sich warum.
„Inspector, wir haben hier zukünftige Kriminalisten vor uns, und so möchten wir alle einen ganz besonderen Beitrag leisten zur Aufklärung der Überfälle auf dem Campus.“
Lyle wirkte überrascht, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
„Bislang gibt es dazu nicht viel berichten“, erklärte er etwas verlegen. „Wir haben eine ungenaue Personenbeschreibung, einige Fußspuren und ein verlorenes Zigarettenetui. Seit die Kollegen hier Streife gehen, haben sich zwei weitere Vorfälle ereignet, jeweils an Orten, an denen die Streife gerade nicht war.“
„Das ist alles?“, fragte Vianna sachlich.
Der Polizist nickte.
„In welche Richtung haben Sie ermittelt? Welcher Personenkreis wurde intensiv befragt?“
Er fragte sich, was dieses Kreuzverhör sollte. Vianna war aus dem aktiven Polizeidienst ausgeschieden, obwohl sie großartige Erfolge vorzuweisen hatte. Was bedeutete jetzt dieses Profiling? Er wollte sich nicht blamieren, im Übrigen trat er ohnehin auf der Stelle, es konnte also nicht schaden, vielleicht ein wenig Hilfe von der Frau zu bekommen.
„Wir haben die Opfer befragt und die wenigen Zeugen, die in der Nähe waren, außerdem natürlich das Personal der Verwaltung.“
„Ohne greifbares Ergebnis?“, forschte Vianna. Er nickte. Sie ging ein paar Schritte auf und ab, musterte dabei die neugierigen Gesichter der Studenten.
„Haben Sie unter dem Personal nachgeforscht, ob sich Raucher darunter befinden? Nicht nur in der Verwaltung, sondern generell?“
Verblüfft hielt der Inspector inne. „Natürlich, ja, aber da sich keine verwertbaren Fingerabdrücke auf dem Etui befinden, hat auch das nicht viel gebracht.“
„Und die Abdrücke im Boden?“
„Nicht eindeutig auszuwerten und zuzuordnen.“
Sie runzelte die Stirn. „Inspector, ich bin überzeugt davon, dass es sich bei dem Täter um jemanden handelt, der zum Personal gehört. Zum einen war ihm bekannt, welche Route die Polizeistreife genommen hat, zum anderen ist er mit dem Gelände recht gut vertraut, und er weiß Bescheid über den Tagesablauf auf einem Campus. Jemand, der erkennbare Schuhabdrücke hinterlässt, trägt feste Arbeits- oder Sportschuhe mit besonderem Profil. Sportler rauchen jedoch in der Regel nicht, also engt das Kreis der möglichen Personen weiter ein. Wer hat jederzeit Zutritt auf dem Campus, kennt jeden Schlupfwinkel und fällt nicht auf? Ein Gärtner, würde ich meinen. Es gibt im Ganzen sieben davon. Drei von ihnen arbeiten bereits seit mehr als zehn Jahren hier, einer ist schon an der Pensionsgrenze und außerdem nicht sehr gut zu Fuß. Ein weiterer ist der Vorarbeiter, eine besondere Vertrauensperson und außerdem auch schon recht lange hier. Bleiben noch zwei als mögliche Täter. Der eine ist Student und verdient sich das Geld für das Studium, er gilt als fleißig und ehrlich, wenn man den Aussagen der Leute glauben darf. Außerdem ist er ein fanatischer Gesundheitsapostel und demnach Nichtraucher. Bleibt nur noch einer. Frederick Smythe. Sie sollten ihn rasch intensiv befragen.“
Inspector Parker war total verblüfft über diese Aussagen. War er so sehr in die tägliche Routine eingespannt, dass er offensichtliche Dinge nicht mehr sah? Vianna musste nicht unbedingt recht haben mit diesen Schlussfolgerungen, aber er hätte jede Summe gesetzt, dass es sich tatsächlich so verhielt. Aufgrund der vorliegenden Hinweise und Indizien löste sie diesen Fall, an dem sich mehrere Beamte bereits seit zwei Wochen die Zähne ausbissen. Jetzt musste er allerdings versuchen, hier keinen allzu schlechten Eindruck bei den Studenten zu hinterlassen. Also rang er sich ein gequältes Lächeln ab.
„Sie sehen, meine Damen und Herren, wozu ein guter Profiler fähig ist. Ich rate Ihnen das Privileg zu nutzen, von einer der Besten zu lernen. Dr. Blackhawk wird bei Scotland Yard schon jetzt schmerzlich vermisst, umso dankbarer bin ich, dass sie uns jetzt geholfen hat. Nun wollen Sie mich bitte entschuldigen, ich habe noch etwas vor.“ Er lief hinaus und informierte die Kollegen.
Die Studenten klatschten Beifall, aber der junge Mann, der Vianna schon vorher herausgefordert hatte, blieb skeptisch und hartnäckig. Wie Vianna mittlerweile wusste, hieß er Michael Holburn und war Sohn eines Staatsanwalts. Vermutlich war er von Zuhause her gewohnt alles zu hinterfragen.
„Sie hatten bereits Informationen eingeholt, Dr. Blackhawk?“
„Ich besaß nicht alle Informationen von Scotland Yard, aber einiges war mir bekannt, wie Ihnen übrigens auch“, erwiderte sie spöttisch.
„Dann hätte jeder den Fall lösen können“, beharrte er.
„Einschließlich Ihnen“, bestätigte sie ironisch. „Aber wir wollen die Vorlesungen nicht immer so aufregend gestalten. Kehren wir also zum normalen Alltag zurück. Ich würde allerdings die Interessierten von Ihnen auffordern, mit mir eine Arbeitsgruppe zu gründen.“ Diese Idee war ihr gerade erst gekommen.
„Wie soll das gehen? Was soll diese Gruppe tun?“
„Berühmte Kriminalfälle nachzustellen und zu analysieren wäre doch eine reizvolle Aufgabe, oder nicht? Denken Sie darüber nach.“
Vianna führte die Vorlesung auch dann noch in aller Ruhe zu Ende, als ein uniformierter Polizist ihr die Nachricht überbrachte, dass Frederic Smythe vorhaftet worden war und bereits gestanden hatte.
Nach dem Unterricht traf sie sich mit Eryk. In den wenigen Tagen war es für sie beide zur lieben Gewohnheit geworden, die Mittagspause miteinander zu verbringen. Sie diskutierten über Gott und die Welt, tauschten Meinungen aus und waren dabei längst nicht immer einer Meinung. Aber gerade das wirkte auf beide anziehend. Noch kannten sie einander nicht gut genug, um dem Gefühl der Sympathie nachzugeben, doch zarte Berührungen, lange Blicke und die wachsende Vertraulichkeit zeigten an, saß zwischen ihnen schon mehr stand als kollegiale Freundschaft. Vianna erzählte Eryk von ihrer Idee, und er war gleich Feuer und Flamme.
„Ich mache auch mit“, erklärte er begeistert.
Es waren immerhin sechs Studenten, die sich zu dieser Arbeitsgruppe zusammengefunden hatten. Eryk wunderte sich nicht wenig, denn Vianna hatte von vornherein klargestellt, dass die Teilnahme für die Noten nicht ausschlaggebend sein würde. Doch diese sechs wollten offenbar wirklich mehr in die Tiefe gehen und blickten nun erwartungsvoll umher.
Die junge Dozentin verblüffte alle. Das Innere der Hütte, in der sie sich trafen, war ganz im Stil der Zeit von Sherlock Holmes eingerichtet. Bücherregale standen gut gefüllt an den Wänden, auf dem Kaminsims waren einige Fotos in silbernen Rahmen zu finden, tiefe Sessel und zwei verschnörkelte Tische standen im Raum, und die Gardinen vor den Fenstern waren aus Spitze und Samt. Dazu kamen eine Chaiselongue und ein paar Stühle.
„Das ist unglaublich“, staunte Eryk. „Es muss dich ein kleines Vermögen gekostet haben.“
Vianna lachte kurz auf. „Nicht ganz. Die Hütte gehört eigentlich meinem Vater, und die Einrichtung habe ich im Laufe der Zeit auf Flohmärkten erstanden. Du kannst es einen Spleen nennen, wenn du willst. Aber hierher ziehe ich mich zurück, wenn ich Ruhe brauche oder an einem Fall nicht weiterkomme. Ich dachte, dies wäre die geeignete Umgebung.“
„Und was tun wir jetzt?“, erkundigte sich Mary, ein unscheinbares Mädchen, das trotz seiner hohen Intelligenz an Minderwertigkeitskomplexen litt. „Ich meine – es macht doch nicht viel Sinn, wenn wir nur die Fälle nachstellen, die sind doch schließlich alle schon gelöst.“
„Richtig.“ Vianna bot allen einen Platz an, holte aus der Küche Getränke und einen kleinen Imbiss. Dann setzte sie sich selbst. „Professor Whittaker kennt die Bücher über Holmes recht genau. Deshalb habe ich ihn gebeten, ein paar neue Fälle beizusteuern. Nicht bei allen habe ich mitgeholfen, so dass die Herausforderung für mich ebenso groß ist wie für Sie.“
Die Studenten lachten, doch ihnen allen war klar, dass Vianna Blackhawk einem jeden etwas vormachen konnte, wenn sie es wollte. Allein die Überlegungen schulten jedoch schon den Verstand, und Spaß würde es vermutlich auch noch machen. Erwartungsvoll blickten sie auf Eryk, der den ersten Fall vortragen sollte.
Es klopfte ein wenig überraschend an der Tür. Als Vianna öffnete, stand ein Bote davor und überreichte ihr einen versiegelten Umschlag. Gehörte auch das schon zum Spiel? Die Dozentin schien überrascht, doch auch Eryk Whittaker war einigermaßen verblüfft. Er hatte keinen Boten bestellt, was ihn im Augenblick etwas ärgerte, aber er nahm an, dass es zu Viannas Vorbereitungen für den Fall gehörte.
Die riss den Brief auf und runzelte die Stirn. „Ich hoffe, du meinst das nicht ernst, Eryk.“
„Wie bitte? Ich verstehe dich nicht. Mit diesem Brief habe ich nichts zu tun. Was steht denn da drin?“
Sie reichte ihm das einzelne weiße Blatt und schaute dann in den Umschlag. Darin...
Erscheint lt. Verlag | 26.9.2023 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
ISBN-10 | 3-7389-8536-0 / 3738985360 |
ISBN-13 | 978-3-7389-8536-8 / 9783738985368 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 972 KB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich