Dame vernichtet (eBook)
472 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-95739-8 (ISBN)
Katja Wilhelm wurde 1975 in Innsbruck, Tirol, geboren. Nach Abschluss der Bundeshandelsakademie in Innsbruck studierte sie Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte. Beruflich war sie in vielen Bereichen tätig, das Schreiben aber war ihr ständiger Begleiter. Seit 2021 lebt und arbeitet sie als freie Autorin und Texterin in der Nähe von Innsbruck.
Katja Wilhelm wurde 1975 in Innsbruck, Tirol, geboren. Nach Abschluss der Bundeshandelsakademie in Innsbruck studierte sie Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte. Beruflich war sie in vielen Bereichen tätig, das Schreiben aber war ihr ständiger Begleiter. Seit 2021 lebt und arbeitet sie als freie Autorin und Texterin in der Nähe von Innsbruck.
Kapitel 1: Endstation Prunktreppe
Die Waffe lag schwer in seiner Hand. Tonnenschwer. Sie glühte förmlich in einer Sekunde, in der nächsten war sie kalt wie ein Klumpen Eis. Er hatte schon viel zu lange gezögert. Opfer oder Täter? Das war es doch immer, worauf es im Leben hinauslief, oder? Wollte er immer noch das Opfer sein? Eher nicht. Er hob die Hand, die die Pistole hielt, und warf noch einen flüchtigen Blick darauf. Sie zitterte. Doch er musste es tun, ob er wollte oder nicht. »Was ist da los?«, rief plötzlich eine Männerstimme. Er zuckte zusammen. Fast hätte er die Waffe fallen lassen. »Was soll das werden, wenn’s fertig ist?« Der Mann kam nun näher, stand plötzlich dicht hinter ihm. »Ich kann nicht«, sagte Major Cornelius Metz und legte die Waffe weg. Er nahm die Brille und den Gehörschutz ab und legte sie zu seiner Dienstpistole. »Immer noch traumagebeutelt was, Conny?«, fragte der Schießtrainer wenig mitfühlend. Alle Polizist*innen kannten das. Jeder kam früher oder später an einen Punkt, wo die Waffe nicht mehr dein Freund war, sondern dein schlimmster Feind. Der erste tödliche Schuss war so ein Punkt. Nur den wenigsten Kolleg*innen war es vergönnt, diese Erfahrung niemals machen zu müssen. Es veränderte einen, wenn man ein Leben ausgelöscht hatte. Wenn die eigene Frau sich mit deiner Dienstwaffe das Leben genommen hatte, veränderte das alles. Metz wollte gerade unverrichteter Dinge von dannen ziehen, als der Trainer ihn aufhielt. »Was soll das, Conny? Du weißt, dass du darum nicht herumkommst, wenn du wieder Teil der Truppe sein willst.« Metz nickte. Natürlich wusste er das. Dieser Termin heute war schon die Nachfrist. Leo Katzinger würde nur darauf warten, dass der Schießstand rotes Licht für Metz und das Tragen einer Dienstwaffe meldete. »Weißt du noch, der Einsatz damals in dem Einkaufszentrum? Amoklauf in der Wiener City. Wer hätte das gedacht?« Metz nickte. Natürlich wusste er das noch. Sie beide waren damals im Einsatzteam ganz vorne mit dabei gewesen. »Es war schon cool, wie du die jungen Leute da einfach aus der Schusslinie geholt hast.« Metz schüttelte nur leicht den Kopf. »Das war der Job. Da hat man nicht großartig darüber nachgedacht.« »Ich habe darüber nachgedacht. Jeden Tag fast, seitdem«, führte der Schießwart aus. »Meine Tochter war damals im selben Alter. Wenn ich dran denke, dass sie genauso gut unter den Opfern hätte sein können …« Und mit diesen Worten blickte der erfahrene Polizist mit den grauen Schläfen und der Figur eines Profi-Schwimmers kurz nach links und rechts und aus alter Gewohnheit noch schnell in den toten Winkel, nahm Metz’ Dienstwaffe und feuerte mehrmals kurz hintereinander auf den Bogen mit dem Fadenkreuz. Er holte ihn heran. »Treffer versenkt, würde ich sagen. Du hast es immer noch drauf, Conny. Ich schick meinen Bericht gleich an die Chefetage. Wird dem Katzbuckler nicht gefallen, dass du wieder ›on Stage‹ bist.« Und mit diesen Worten gab er Metz die Waffe zurück und schickte sich an, zu gehen. »Wieso machst du das?«, fragte dieser. »Das kann dich deinen Job kosten, wenn das jemand erfährt.« »Muss ja keiner erfahren. Gibt viel zu wenig Gute wie dich in dem Laden. Ich finde, es ist höchste Zeit, dass du wieder unter den Lebenden weilst.« Noch bevor Metz etwas entgegnen konnte, war der Herr des Hauses schon wieder verschwunden. Metz hatte eigentlich vorgehabt, an diesem Vormittag noch eine Hürde zu nehmen, oder besser gesagt, es zu versuchen und dem Friedhof einen Besuch abzustatten. Doch auch vor diesem Canossagang bewahrte ihn das Schicksal. Sein Handy klingelte. »Guten Morgen, Chef«, meldete sich Gruppeninspektorin Hilde Attensam, knapp wie immer. »Was gibt’s, Kollegin?«, fragte Metz, doch er konnte es sich schon denken. Ein Anruf um die Uhrzeit bedeutete Arbeit. Er ließ sich die Adresse schicken und fuhr los. Der Friedhof und die Rückkehr in sein Leben würden warten müssen. Am Weg zum Tatort warf er einen Blick in den Rückspiegel seines Dienstwagens. Er war noch immer eine stattliche Erscheinung für einen Mittfünfziger. Stahlblaue Augen, blondes Haar, das von gerade so viel Grau durchzogen war, dass es die Frauenwelt ausreichend verrückt machen konnte. Seine Nase war ein wenig zu lang, aber genau das bewahrte sein Gesicht vor dem Prädikat ›langweilig‹. Die Lachfältchen um seine Augen herum verrieten, dass er jenseits seines Berufes ein angenehmer Mensch gewesen war, jedenfalls bis vor zweieinhalb Jahren. Doch auch zu seinen Bestzeiten hatte er nie in dem Ruf gestanden, ein Frauenheld zu sein. Über sein Privatleben war außer dem Drama, in welchem es geendet hatte, nie viel bekannt geworden, und das sollte auch so bleiben. Alle, die je mit ihm gearbeitet hatten, schätzten seine professionelle Art inklusive der kunstvoll gewahrten Distanz sehr. Seine Arbeit zeichnete ihn aus, mehr gab es über ihn nicht zu wissen. Die weiblichen Polizeibeamten jedenfalls bissen sich die Zähne an ihm aus, für die männlichen Interessenten war er eindeutig zu hetero, fast ein Macho, aber eben auch wieder nicht. Er passte in keine Schublade, dabei war es aus seiner Sicht genau umgekehrt. Die passende Schublade war nur noch nicht erfunden worden. Natürlich kursierten die wildesten Gerüchte über ihn, als er vor einigen Monaten nach zweijähriger Abstinenz wieder zurück in den aktiven Dienst berufen worden war. Das merkwürdige Team, dem er seit damals vorstand, hatte schon bald den Beinamen Soko ›Reha‹ erhalten. Es bestand aus ihm mit seinem ›Dachschaden‹, seiner Gruppeninspektorin, die wegen gefährlicher Körperverletzung an einem Kollegen fast suspendiert worden war, und dem Neffen des Sektionschefs im Innenministerium, Kevin Wiesinger. Dieser war bei Tag Polizist, bei Nacht ein Hacker von zweifelhaftem, wenn auch internationalem Ruf. Seine Recherchen waren nicht immer legal, aber bislang hilfreich und zielführend gewesen. Der Deal, den Cornelius Metz mit der Chefetage hatte schließen müssen, glich ein wenig dem Pakt mit dem Teufel. Er bekam die ›heiklen‹ Fälle zugeteilt. Im Insiderjargon bedeutete das, dass es nicht immer erwünscht sein würde, diese auch zu lösen. Wien war ein Dorf. Die Schickeria, zu der sich auch das mittlere und höhere Beamtentum zugehörig fühlte, führte das eigentliche Regiment. Seine tadellosen Umgangsformen und sein nicht minder tadelloser Ruf als integrer Polizist machten ihn zum perfekten Ermittler für Fälle, die Fingerspitzengefühl und Diskretion bedurften, aber nicht unbedingt einer Lösung. Früher hätte er so einem Arrangement niemals zugestimmt. Doch angesichts seiner Lage hatte er keine Wahl. Am Ermitteln konnte ihn niemand hindern. Was die Staatsanwaltschaft dann mit seinen Ergebnissen tat, lag ohnehin außerhalb seines Wirkungskreises.
Am Tatort angekommen, stieg er aus seinem Dienstwagen aus und trat durch das imposante, schwarz lackierte schmiedeeiserne Gartentor in eine gepflegte Parkanlage. Ein gepflasterter Weg führte direkt zum Haus. Wobei Haus die Untertreibung des Jahrhunderts war. Die weiße Jugendstilvilla mit zwei Türmchen links und rechts, wo bei anderen Menschen maximal ein Dachfenster für Licht sorgte, ragte wie ein Felsen aus dieser grünen Idylle. Die Industriellenfamilie Ledec zählte zu den Big Playern, wenn es um große Namen und große Bedeutung ging. Den Namen hielten die Süßwarenfabrikanten jedoch gekonnt aus sämtlichen Medien heraus. Jedenfalls bis heute. Hilde Attensam, wie fast immer in Uniform, erwartete ihn an der Haustür. Sie kam sich vor wie ein törichter Teenager, der seinem Schwarm die Haustür öffnete, der zum ›Lernen‹ zu ihr nach Hause kam, verdrängte den dummen Vergleich aber sofort wieder. Auch sie hatte die 50 schon ein Weilchen hinter sich gelassen. Ihre stämmige Statur mit den farblosen, schulterlangen dunklen Haaren und ihrem ›Topfgesicht‹ – wie ihre Mutter es immer genannt hatte – war nicht ihr Kapital, und das wusste sie. Allerdings hatte sie in all den Jahren eine halbwegs passable Polizistin abgegeben. Bis zu ihrem ›Ausrutscher‹ eben. Die Stelle bei Metz in der Soko ›Reha‹ war ihre allerletzte Chance, wenn sie ihre Tage nicht für einen privaten Wachdienst schuften oder auf dem elterlichen Bauernhof im Burgenland dahinfristen wollte. »Was haben wir?«, fragte Metz sie knapp wie immer. Sie antwortete: »Linda Ledec, die Schwiegertochter des Hauses. Ihr Mann hat sie in den frühen Morgenstunden tot am Treppenabsatz liegend vorgefunden.« »Endstation Prunktreppe«, dachte Metz. »Professor Hagedorn und sein Team sind schon hier. Im Moment gilt noch: Alles ist möglich«, fuhr Hilde fort. Sie betraten das Haus durch die imposante weiße Haustür mit den bunten Bleiglasfenstern und einem Löwenkopf aus Messing, der zweifelsohne die Funktion eines...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2023 |
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Reihe/Serie | BEWEIS_LAST |
BEWEIS_LAST | |
Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Elite • Erbe • Familie • Familiengeheimnis • Familiengeschichte • Krimi • Mord • Mordfall • Notwehr • Polizei • Rache • Schuld • Sühne • Totschlag • Unrecht • Wien • Zeitgeschichte |
ISBN-10 | 3-347-95739-3 / 3347957393 |
ISBN-13 | 978-3-347-95739-8 / 9783347957398 |
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