Commander Rena Sunfrost, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER, saß in ihrem Raum neben der Brücke, nippte an einem Becher Kaffee und starrte ein wenig amüsiert auf den letzten Eintrag in ihrem Logbuch: »Keine besonderen Vorkommnisse.«
Besondere Vorkommnisse waren auch ziemlich unwahrscheinlich bei dem Auftrag, den die STERNENKRIEGER gerade ausführte: Sie spielte Taxi, wie die Besatzung ihn respektlos nannte. Einige empfanden das als Erholung, die Meisten aber langweilten sich.
Gerade erst hatten sie einige Wissenschaftler aus dem Nawdara-System, einer Welt der sauroiden Fulirr, abgeholt und zurück zur Erde gebracht. Anschließend hatte Sunfrost auf deren Heimatwelt darüber berichten müssen, was aus ihrer Sicht im Nawdara-System vorgefallen war. Denn die K'aradan, mit denen sich die Fulirr im Krieg befanden, hatten genau zu dieser Zeit angegriffen und den ersten Sieg seit Langem errungen.
Und weil sich die STERNENKRIEGER gerade im System befand, musste sie erneut als Taxi fungieren – diesmal für Botschafterin Isabella Chang.
Diese hatte überraschend eine Allergie gegen eine eigentlich unbedeutende Komponente in der Atmosphäre des Planeten entwickelt, und das hatte ihre sofortige Ablösung erforderlich gemacht. Natürlich bot sich die STERNENKRIEGER für diese Aufgabe an.
Rena Sunfrost persönlich begrüßte diesen ruhigen Auftrag. Es gab ihr die Gelegenheit, mal wieder ein paar Nächte durchzuschlafen und ein gutes eBook zu lesen, wozu sie in den letzten Wochen wenig Zeit gehabt hatte. Ihr derzeitiger Favorit war – wieder einmal – Sun Tzus »Kunst der Kriegführung«. Zwar hatte sie das Buch schon öfter gelesen, aber sie kam bei jedem weiteren Mal immer wieder zu neuen Erkenntnissen.
Der Interkom riss sie aus ihren Gedanken.
»Ma’am, ein Funkspruch von Commodore Jackson für Sie«, meldete Lieutenant David Kronstein, ihr Ortungs- und Kommunikationsoffizier.
»Stellen Sie ihn durch.«
Gleich darauf erschien das Gesicht ihres Vorgesetzten, Commodore Tim Bray Jacksons, auf dem Bildschirm. »Wie geht es der Botschafterin, Commander Sunfrost?«, fragte er nach einer kurzen Begrüßung.
»Gut, Sir. Lieutenant Nikolaidev, unsere Schiffsärztin, hat sich ihrer sofort angenommen, als sie an Bord kam, und sie behandelt. Es besteht keinerlei Gefahr für ihre Gesundheit mehr, und sie wird auch keine bleibenden Schäden zurückbehalten, wie mir Lieutenant Nikolaidev versichert hat.«
»Das freut mich zu hören. Dann besteht keine zwingende Notwendigkeit, sie unverzüglich zur Behandlung zur Erde zu bringen?«
»Nein, Sir«, bestätigte Sunfrost und fragte sich, worauf der Commodore hinaus wollte.
»In dem Fall habe ich einen neuen Auftrag für Sie, Commander. Schalten Sie bitte die Verschlüsselung A38 ein.«
Rena Sunfrost gehorchte.
Nachdem die Kommunikation über den abhörsicher verschlüsselten Kanal wieder aufgenommen wurde, erklärte Jackson: »Wir haben Berichte erhalten, dass die K'aradan ein auffallendes Interesse am Gredi-System haben. Sie hielten sich eine geraume Weile dort auf und zogen sich anschließend zurück. Was uns beunruhigt ist die Tatsache, dass sie seitdem verstärkt Flottenverbände in der Nähe zusammenziehen.«
»Wissen wir, aus welchem Grund?«, fragte Rena gespannt.
»Nein. Und genau das sollen Sie herausfinden. Sie sind Gredi am nächsten, sodass es für Sie nur ein relativ kleiner Umweg ist und Sie am schnellsten vor Ort sind. Wir verfügen kaum über Daten zu Gredi, aber alles deutet darauf hin, dass es in dem System intelligentes Leben gibt. Wenn dem so ist, interessiert es uns natürlich, ob sie Verbündete der K'aradan sind. Ihr Auftrag lautet, so viel wie möglich herauszufinden – ohne sich von den K'aradan dabei erwischen zu lassen. Falls die Bewohner des Systems nicht mit den K'aradan paktieren, versuchen Sie, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Botschafterin Chang wird Ihnen dabei sicher nützlich sein. Vielleicht können wir die Bewohner des Systems für uns als Bundesgenossen gewinnen. Untersuchen Sie die Sache, Commander. Aber gehen Sie kein unnötiges Risiko ein.«
»Das tue ich nie, Sir«, erinnerte Rena ihren Vorgesetzten und fügte hinzu: »Wenn es sich vermeiden lässt.«
Jackson schmunzelte unterdrückt. »Dann sehen Sie zu, dass es so bleibt«, schlug er vor und unterbrach die Verbindung.
Rena Sunfrost erhob sich und ging in die Zentrale. »Lieutenant Taranos, nehmen Sie Kurs auf das Gredi-System!«
»Jawohl, Ma’am!«, bestätigte der Ruderoffizier den Befehl.
»Und in einer Stunde treffen sich alle Führungsoffiziere im Besprechungsraum.«
*
»Wir haben den Auftrag erhalten, im Gredi-System nach dem Rechten zu sehen«, eröffnete Rena Sunfrost eine Stunde später den versammelten Offizieren.
Außer ihrem Führungsstab waren noch anwesend die Botschafterin, der Kommandant der an Bord stationierten Marines Sergeant Oliver Rolfson und Bruder Guillermo, der junge Berater aus dem Olvanorer-Orden.
»Die K'aradan zeigen ein auffallendes Interesse an diesem System, und wir sollen herausfinden warum«, fuhr Sunfrost fort.
»Und wann gedenken Sie, mich zur Erde zurückzubringen, Captain?«, fragte Botschafterin Chang entgeistert. »Wer weiß, wie lange Sie für diese … Nachforschungen brauchen werden!«
Rena Sunfrost konnte die Reaktion der Frau gut verstehen. Isabella Chang hatte sich nach eigenem Bekunden sehr darauf gefreut, vor Ablauf der geplanten Zeit, die sie ursprünglich bei den Fulirr verbringen sollte, wieder nach Hause zu ihrer Familie zurückzukehren. Dieser unerwartete Auftrag würde ihre Heimkehr um mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen verzögern. Natürlich war die Botschafterin von dieser Aussicht alles andere als begeistert.
»Sofort im Anschluss daran, Botschafterin«, versicherte Rena ihr ruhig. »Doch möglicherweise wird auch Ihre Anwesenheit dort von größerer Bedeutung sein. Wie es aussieht, ist das Gredi-System bewohnt, und wir haben auch den Auftrag, zu diesen Bewohnern Kontakt aufzunehmen, falls sie keine Verbündeten der K'aradan sind. In dem Fall sind natürlich Ihre diplomatischen Fähigkeiten gefordert.«
Isabella Chang beugte sich interessiert vor. »Weiß man schon etwas über diese Bewohner?«
Sunfrost registrierte erstaunt, dass mit dieser Information die Frage, wann sie wieder zu Hause sein würde, für die Botschafterin schlagartig bedeutungslos geworden war. Sie schien nun begierig darauf zu sein, mehr zu erfahren, und Rena glaubte in ihren Augen Neugier und Interesse zu erkennen.
»Bruder Guillermo?«, leitete sie die Frage der Botschafterin an den Olvanorer weiter. »Wissen Ihre Leute etwas über die Gredianer?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Leider nein, Captain. Mein Orden ist, aus welchen Gründen auch immer, nie in diese Gegend gekommen.«
»Also werden wir die Ersten sein, die mit ihnen Kontakt aufnehmen!«, freute sich Isabella Chang. »Das wird interessant!«
»Hoffentlich nicht zu interessant«, warnte Raphael Wong, der Erste Offizier der STERNENKRIEGER. »Die Ersten, die mit den Gredianern Kontakt hatte, waren ja wohl die K'aradan. Und wer weiß, welchen Schaden die bei denen angerichtet haben.«
»Was meinen Sie denn mit ›Schaden‹?«, wollte die Botschafterin wissen.
»Nun, Madam, ich will Ihren Einsatz ja nicht bremsen, aber es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste ist, dass sie die Gredianer als Verbündete gewonnen haben. In diesem Fall werden die uns sicher nicht allzu freundlich empfangen. Die zweite ist, dass sie die Gredianer angegriffen haben. In dem Fall werden die uns wohl auch nicht als Freunde empfangen, sobald sie erkennen, wie ähnlich wir den K'aradan äußerlich sind. Ich glaube nicht, dass sie in uns eine andere Rasse erkennen werden.«
»Aber unser Schiff ist sieht doch ganz anders aus als eins der K'aradan«, wandte Chang ein.
»Ein Dreadnought sieht der STERNENKRIEGER auch nicht unbedingt ähnlich, aber beide Schiffstypen gehören den Menschen.«
Chang nickte. »Ich verstehe, was sie meinen. Trotzdem bin ich gespannt, die Gredianer kennen zu lernen. Ich hoffe, ich finde eine Möglichkeit, ihnen zu beweisen, dass wir zwar äußerlich wie die K'aradan aussehen mögen, aber nicht zu ihnen gehören.«
»Das wird sich alles finden, wenn wir da sind«, übernahm Rena Sunfrost wieder das Gespräch. »Unsere oberste Priorität ist als Erstes, überhaupt hinzukommen, ohne dass die K'aradan uns entdecken. David«, wandte sie sich an Lieutenant Kronstein, »Ihre Aufgabe ist es, K'aradan-Schiffe aufzuspüren, bevor sie uns aufspüren, sobald wir bei Gredi wieder in den Normalraum eingetreten sind. Ebenso kontrollieren Sie dann den Funkverkehr in der gesamten Umgebung. Fähnrich Jamalkerim wird sie unterstützen.«
»Jawohl, Ma’am.«
»Und sobald wir am Ziel sind, bleibt das Schiff in ständiger Gefechtsbereitschaft.«
»Rechnen Sie damit, dass wir in ein Gefecht geraten, Captain?«, fragte die Botschafterin unbehaglich.
»Diese Möglichkeit besteht immer, Mrs. Chang«, antwortete Rena. »Und da wir wissen, dass sich K'aradan in der Nähe von Gredi befinden, werde ich, soweit es in meiner Macht steht, nichts dem Zufall überlassen.« Sie sah die Anwesenden...