Wie die Schweden das Träumen erfanden (eBook)
160 Seiten
C. Bertelsmann (Verlag)
978-3-641-31800-0 (ISBN)
Das perfekte Weihnachtsgeschenk für eine glückliche Lesezeit
Überall auf der Welt schlummert man selig in den kuscheligsten Betten der Marke Traumbett, made in Hamburg, Germany. Überall? Nein, einzig in Schweden konnte das Unternehmen sich noch nicht durchsetzen. Das will der neue Firmenbesitzer Konrad Kaltenbacher Jr. schnellstens ändern. Und wenn es nach Julia, der Bürgermeisterin von Halstaholm in der schwedischen Provinz, ginge, dann hätte sich Traumbett mitsamt seinen 800 neuen Arbeitsplätzen sowieso schon längst bei ihnen niedergelassen. Um die Deutschen von den Vorzügen ihrer Heimatstadt zu überzeugen, startet Julia fest entschlossen eine Charmeoffensive, die man so in Halstaholm noch nicht gesehen hat: Vom kurzerhand umbenannten Angela-Merkel-Kreisverkehr, selbstverständlich mit schwarz-rot-goldener Bepflanzung, über eine aus dem Boden gestampfte Deutsche Schule unter der Führung von drei betagten Rentnerinnenfräuleins, bis hin zur umfunktionierten »Bierstube Badehaus« - das Schwimmbad stand doch sowieso schon seit Jahren leer! -, jeder muss mitziehen. Denn Julia bekommt immer, was sie sich in den Kopf setzt. Eine Hartnäckigkeit, die auch den deutschen Traumbett-Chef Konrad Jr. beeindruckt ...
Charmant, rasant und originell wie immer!
»In diesen schweren Zeiten wollte ich etwas Hoffnungsvolles schreiben, über die Freundschaft - nämlich über die Freundschaft zwischen den Schweden und den Deutschen, die ich so sehr liebe. In meiner neuen Geschichte trifft Blau-Gelb auf Schwarz-Rot-Gold und es zeigt sich: Mit den richtigen Freunden an der Seite geht es für alle wieder bergauf!« Jonas Jonasson
Jonas Jonasson, geboren 1961 im schwedischen Växjö, arbeitete nach seinem Studium in Göteborg als Journalist unter anderem für die Zeitungen »Smålandsposten« und »Expressen«. Später gründete er eine eigene Medien-Consulting-Firma. Doch nach 20 Jahren in der Medienwelt verkaufte er seine Firma und schrieb den Roman, über den er schon jahrelang nachgedacht hatte: »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand«. Das Buch wurde weltweit zu einem Bestseller und auch höchst erfolgreich verfilmt. Seitdem beglückt Jonas Jonasson seine Fans immer wieder mit turbulent witzigen Romanen, jeder ein wahres Feuerwerk an genialen Einfällen und jeder ein gefeierter Bestseller.
Erster Arbeitstag
Im Großraum Hamburg wohnten gut fünf Millionen Menschen – und alle wussten, wer Konrad Kaltenbacher, der Bettenkönig der Stadt, war.
In Halstaholm, hundert Kilometer südwestlich von Stockholm, wohnten achttausendzweihundertacht. Die wenigsten von ihnen hatten je von Julia Bäck gehört.
Oder, etwas netter ausgedrückt: Halstaholm war nicht viel größer, als dass hier jeder jeden ein bisschen kannte. Aber dass die neunundzwanzigjährige Julia soeben den Posten der Bürgermeisterin der sterbenden Kleinstadt übernommen hatte, das hatte bloß in der Lokalzeitung gestanden, und deren Abo konnte sich allmählich sowieso kaum einer mehr leisten.
Es war also kein Wunder, dass der ältere Herr, der mit seinem Hund Gassi ging, Julia nur einen desinteressierten Blick zuwarf, als sie mit Aktenkoffer in der Hand an ihm vorbeiging.
»Guten Morgen«, sagte sie fröhlich.
»Morgen, das schon«, sagte der Hundebesitzer. »Aber was an diesem Morgen gut sein soll, das weiß ich auch nicht.«
Einer von den vielen Arbeitslosen und dann früher oder später Frühverrenteten, dachte Julia. Na, immerhin wohnte er im Gegensatz zu so vielen anderen immer noch hier. Bestenfalls zahlte er außerdem Hundesteuer. Kleinvieh macht schließlich auch Mist!
Die frischgebackene Bürgermeisterin kam an der einzigen Ladenzeile entlang der Hauptstraße des Städtchens vorbei. Die Hälfte der Geschäfte noch zu, weil es früh am Morgen war. Die andere Hälfte endgültig geschlossen: Halsta Bild & Ton, Halsta Buchhandlung, Wanjas Reformhaus …
Julia überlegte kurz, wohin es Wanja nach der Geschäftsaufgabe wohl verschlagen hatte? Bestimmt nach Stockholm, wie üblich.
Ihr Ziel, das Rathaus, war nebenbei erwähnt ein schlechter Scherz, genau wie alles andere. Die Empfangsdame – in Personalunion eigentlich auch Mädchen für alles – Harriet Ljungberg war als Einzige übrig geblieben. Und natürlich die Bürgermeisterin. Dazu die Amateurpolitiker*innen im Gemeinderat, der einmal im Monat tagte. Einundzwanzig Mitglieder. Achtzehn matte und resignierte Gestalten, eine senile Neunzigjährige, von der keiner mehr wusste, unter welchen Umständen sie an ihr Amt gelangt war und warum sie es immer noch innehielt, und der unvermeidliche Protestpolitiker, der nur herummeckerte und Unmögliches verlangte. Und am Kopfende des Tisches jetzt Julia Bäck, den Hammer der Vorsitzenden in der Hand.
Die neue Bürgermeisterin musste sich an ihrem ersten Tag im neuen Job selbst reinlassen. Super-Harriet war noch nicht am Platz. Warum auch, es war schließlich noch eine Stunde bis Dienstbeginn.
Julia schritt am Empfang vorbei durch die Glastüren und nahm die Treppe in den ersten Stock. Während sie ihren leeren Schreibtisch ansteuerte, fiel ihr das Schild an der Bürotür ins Auge:
Torsten Blomqvist
Bürgermeister
Ihr Parteigenosse Torsten konnte sich von nun an ganztags dem Angelsport widmen. Beim Gedanken an ihn musste Julia lächeln. Wie der sich für das Wohl der Kommune eingesetzt hatte! Fünfundzwanzig lange Jahre am Stück! Die ersten zehn waren der reinste Siegeszug gewesen. Die Stadt wuchs, Leute zogen zu, alle glaubten an die Zukunft.
Bis sich die ersten Anzeichen bemerkbar machten, dass die Reifenfabrik in Schieflage geriet. Halstadäck hatte ja Konkurrenz bis zum Abwinken. Michelin, Goodyear, Nokian …
Torsten hatte den Ernst der Lage begriffen. Und sich aus Leibeskräften dafür starkgemacht, dass die Stadt einen Mammutkredit aufnahm. Die Reifenfabrik mit ihren ganzen zweiundsiebzigtausend Quadratmetern Firmengelände wurde in Topzustand gesetzt, der es dem Unternehmen ermöglichen sollte, sich aus der Krise zu stemmen.
Wenn es da mal bloß nicht zu spät gewesen wäre.
Elf Jahre war das jetzt her. Fünfhundertfünfzig Halstaholmern war fristlos gekündigt worden. Torsten und die Stadt blieben auf einem der größten und modernsten Betriebsgelände Schwedens sitzen. Leer wie ein Nistkasten im Dezember.
Während sich die Umzugswagen von Halstaholm weg anstatt in die richtige Richtung auf den Weg machten, versuchte Julias Vorgänger, einen neuen Mieter zu finden. Hunderttausend Kronen Monatsmiete konnten ja auch reichen. Oder fünfzig. Oder fünfundzwanzig.
Während der letzten beiden Jahre von Torstens Zeit auf dem Bürgermeisterstuhl, auf dem Julia soeben Platz genommen hatte, war der Preis auf eine Krone im Monat gesunken. Mit anderen Worten: zehn Cent für den internationalen Player, der eventuell nicht abgeneigt wäre.
Und da war doch tatsächlich einer aufgekreuzt! Eine estländische Firma erbot sich, die zehn Cent im Monat während des halben Jahres zu zahlen, das sie brauchten, um die Fabrik abzureißen und die Backsteine auf dem Secondhandmarkt für fünfhundert Euro den Kubikmeter zu verkaufen. Das war das erste und einzige Mal gewesen, dass Julia Torsten fluchen gehört hatte.
»Haut bloß wieder ab nach Tallinn, ihr verdammten Halsabschneider!«, hatte er verlauten lassen.
So hatten es die Halsabschneider gemacht, und seither war nichts Neues unter der Sonne passiert. Oder unter den Regenwolken. Es war ja schon Oktober.
Nichts Neues, nicht mal was die Arbeitslosenquote anging. Die stand gleichbleibend bei dreißig Prozent. Ohne anzusteigen, weil ja so viele wegzogen.
Natürlich ins verdammte Stockholm. Anderthalb Stunden Busfahrt, einschließlich einmal Umsteigen in Södertälje. Zu Zeiten der Reifenfabrik hatte es täglich vier Direktfahrten gegeben.
***
Julia Bäck klappte ihren mitgebrachten Laptop auf, schloss das Kabel an und begann zu googeln. Ihr war sonnenklar: Eine zu neuem Leben erweckte Fabrik stellte die einzige annehmbare Alternative dazu dar, dass Halstaholm den langsamen, aber schnurgeraden Weg in den eigenen Tod ging.
Doch weiter kam sie nicht, denn da flog die Bürotür auf, und herein kam Harriet, das Mädchen für alles, mit einem Tablett mit Kaffee und Zimtschnecken und einer einsamen Rose in einer kleinen Vase. Und dazu einem Namensschildchen aus Leichtmetall.
»Guten Morgen, Frau Bürgermeisterin!«, zwitscherte Harriet. »Da bin ich schon, mit Kaffee!«
Harriet und Julia kannten und duzten sich schon lange. Julia war sich also ziemlich sicher, dass das feierliche »Frau Bürgermeisterin« nur für ihren ersten Tag im Rathaus vorbehalten war.
Nun stellte Harriet die Vase mit der einsamen Rose vor Julia auf den Schreibtisch.
»Die hier ist von einem heimlichen Verehrer, das heißt also von mir!«, verkündete sie.
»Ja, alles andere hätte mich auch sehr gewundert«, sagte Julia. »Denn leider ist der Dating-Markt in Halstaholm genauso trostlos wie der ganze Rest. Von daher bin und bleibe ich nun mal Single, und zwar bis ans Ende meiner Tage, wenn du mich fragst.«
Harriet nahm das Aluminium-Namensschildchen, stellte sich auf die Schwelle zu Julias Büro, tauschte Torsten Blomqvist. Bürgermeister gegen Julia Bäck. Bürgermeisterin aus, kam mit dem Schild des Vorgängers in der Hand wieder herein und warf es mit den Worten »Pardon, Torsten« in den Papierkorb in der Ecke.
Anschließend deckte sie ebendort den runden Tisch, an dem zwei Sitzgelegenheiten standen.
»Komm und setz dich, liebe Julia!«, sagte sie. »Der Kaffee ist frisch aufgebrüht, und die Zimtschnecken sind aus Algots Konditorei. Ein Wunder, dass die noch nicht dichtgemacht haben!«
Julia bedankte sich für die Rose und erhob sich vom Bürostuhl, um ihrer Assistentin am runden Tisch Gesellschaft zu leisten. Zur Rose fiel Harriet ein: »Unten am Empfang sind noch mehr Blumen. Die sind gleichzeitig mit mir gekommen. Ich hab alle ins Wasser gestellt.«
»Wollen mich etwa so viele beglückwünschen?«, staunte Julia.
»Na ja, wie man’s nimmt«, murmelte Harriet mit vollem Zimtschneckenmund. »Torsten natürlich. Ist er nicht süß! Und Andersson von der Klempnerei Andersson, ich glaube, der fischt nach Aufträgen, für den Fall, dass wir uns entschließen, das Hallenbad renovieren zu lassen und neu aufzumachen. Und dann noch einer …«
»Das Schwimmbad?«, fragte Julia. »Wozu sollten wir das denn wieder aufmachen? Damit alle, die noch nicht von hier weggezogen sind, was haben, worin sie sich ertränken können?«
Für eine Antwort hatte Harriet zu viel am letzten Bissen ihrer Zimtschnecke zu kauen. Und Julia schien in sich hineinzulauschen. Ein Weilchen blieb es still, bis Harriet sagte: »Denkst du an die Reifenfabrik?«
Julia nickte.
»Elf Jahre ist es jetzt her, dass sie aufgegeben haben. Da war ich achtzehn und bis dahin der felsenfesten Überzeugung, dass Halstaholm das Himmelreich auf Erden war … Zu der Zeit waren wir über sechzehntausend. Jetzt sind wir achttausendzweihundertacht.«
»Demnächst achttausendzweihundertvier«, sagte Harriet. »Gestern hab ich von dem Gartencentermann gehört, dass er mit seiner Familie einpackt. Die ziehen wohl nach Göteborg. Er hat gesagt, er versteht ja, dass die Leute von ihrem letzten Geld keine Rhododendronsträucher kaufen, aber wenn er jetzt nicht mal mehr Geranien für neun Kronen das Stück loswird, dann weiß er sich auch nicht mehr zu helfen.«
»Verdammt!«, sagte Julia. »Die Stadt sitzt auf der modernsten Fabrikhalle der Welt, die einfach leer steht! Wusstest du, dass es uns sechzigtausend im Monat kostet, den Scheiß einfach nur zu erhalten?«
»Wofür genau?«, erkundigte sich Harriet.
»Verfluchter Mist, was weiß ich denn! Strom, Wasser, Heizung … Ich hab nur die Zahlen gesehen.«
»Irre, du hast in...
Erscheint lt. Verlag | 15.11.2023 |
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Übersetzer | Astrid Arz |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Det rådiga kommunalrådet |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2023 • Bestseller aus Schweden • Bestseller Weihnachten • Buchgeschenk für Männer • buch zum verschenken • Der Hundertjährige • eBooks • Freundschaft • Neuerscheinung • Roman • Romane • Schweden • Weihnachtsgeschenk |
ISBN-10 | 3-641-31800-9 / 3641318009 |
ISBN-13 | 978-3-641-31800-0 / 9783641318000 |
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