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Das Bindewerk -  Lissa Harfenecker

Das Bindewerk (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-180-8 (ISBN)
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Die Besatzung der Sternensängerin bricht zu einer wichtigen Mission ins Zentauri-System auf. Der neue Pilot ist ein 'Grauer', ein Mensch ohne Gefühlswelt, und er löst bei der Schantin Marra Abscheu und Verunsicherung aus. Kennen sich die beiden tatsächlich von früher? Während der Vorbereitungen für eine Fünfjahres-Bindefeier muss Marra ihrer verschütteten Vergangenheit ins Auge sehen... Packend. Wortgewaltig. Voll Poesie.

Schon früh las Lissa Harfenecker Bücher über ungewöhnliche Menschen und ferne Welten. Während ihres Sprachenstudiums begann sie, selbst verschiedene Werke zu verfassen. "Das Bindewerk" ist ihr erster Roman. Lissa Harfenecker lebt in Österreich.

AUFBRUCH

Knackend flackerten die Flammen in der schwarzen Feuerschale, als Irvek Nordernuk, der oberste Schante und Hüter des Lichts, gemeinsam mit der Kommandantin die Schutzkräfte anrief. Die Zweige von Eibe, Fichte und Wacholder hatte ich vor einigen Wochen zu Hause im Wald aufgesammelt, und der Wacholder, an dem noch die Nadeln hingen, ging zischend in einem hoch stiebenden Funkenregen auf, was wir als günstiges Zeichen für unser sorgfältig geplantes Vorhaben werten konnten. Um das Feuer, die Kommandantin und den obersten Schanten standen in Kreisformation die achtzehn Expeditionsmitglieder und vier Verbindungsleute mit ihren Opfergaben; zudem nahm auch die Hochkönigin über eine Holo-Szenerie an dem Aufbruchsritual teil.

Der große, mit seinen zweiundsiebzig Jahren noch immer in jedem Maße imponierende Hüter sowie auch die Kommandantin und ich als tätige Schantinnen trugen schwere, hellrote Roben zum Zeichen dafür, dass es das Ziel unserer Mission war, für die Lebenskraft unzähliger Menschen einen neuen Feueratem zu entfachen. Alle anderen hatten sich in Umhänge mit jenen Farben gehüllt, die dem Element entsprachen, dessen Symbol sie in den Händen hielten. Über die konzentrierten Gesichter sprangen die Schatten der Flammen, während die Erde prächtig in Blau und Weiß erstrahlend über der ausladenden Glaskuppel der lunaren Versammlungshalle stand.

Nun zeigten sich die Schutzkräfte. Sie traten ernst in unsere Mitte, um im Aufatmen der allgemeinen Erleichterung für die Dauer des Rituals Aufenthalt zu nehmen. Daraufhin ging der Hüter zu den einzelnen an dieser Mission Beteiligten, um Segen für alle zu erbitten. Jetzt war für die Kommandantin die Zeit gekommen, sich zwischen Liebesdienerin und Antriebstechnikerin in den inneren Kreis einzugliedern; ich selbst stand gemäß der durch heiligen Losentscheid festgelegten Reihung zwischen dem Zweiten Kapitän und der Mentalforscherin. Wie gut, dass die Abstände zwischen den einzelnen Personen in der Formation zwei Armspannweiten betrugen!

Nordernuk begann die Segnungsrunde bei der Kommandantin, welche von einem Ständer eine lange, kunstvoll geschnitzte Flöte aus Eschenholz nahm, sie zum Feuer brachte und dort als Ausdruck der Ehrfurcht niederlegte. Unterhalb des Schallloches blinkte ein winziges Wangiumplättchen im Licht der Feuerzungen, ein Zeichen der Hoffnung für den Erfolg unserer Expedition in kaum erforschte Gebiete der Milchstraße.

„Auf dich, Kommandantin der Sternensängerin, lege sich der höchste Segen – bei allen deinen Unternehmungen, die dem gemeinsamen Ziel dieser Mission dienen.“

Er hielt seine Hände über ihren Kopf, in tiefer Sammlung verharrend, bevor er zur Antriebstechnikerin Hettra trat. Diese platzierte ihren zum dünnen Wollumhang passenden schweren, silbrig-grünen Fuchsit neben der Brennschale, bevor ihr Nordernuk ähnliche Segensworte mitgab. Danach folgte der Erste Dimensionsbrecher Fergin mit der Feder eines Eichelhähers, welche mit einem Stück Platindraht kunstvoll umwickelt war.

Als der Hüter nun dem Zweiten Kapitän den Segen aussprechen musste, geriet der Energiefluss in der Versammlungshalle in Stocken, weil sämtliche Anwesende den Atem anhielten. Die sieben Angehörigen der Interplanetarischen Sondertruppe, welche die Hochkönigin in letzter Minute auf den irdischen Trabanten entsandt hatte, hoben die Strahlenstöcke, als hätte Nordernuk die Absicht gezeigt, den Zweiten Kapitän zu attackieren. Sie hatten den Befehl, alle auszuschalten, die unser Vorhaben zu untergraben versuchten – auch jemanden mit einer unangefochtenen spirituellen und moralischen Autorität. Der Hüter blieb im Angesicht der demütigenden Einsatzbereitschaft von Distanzwaffen äußerst beherrscht, aber die Anspannung, welche der Zorn in seine Muskeln und den Emotionalkörper schnitt, zerrte schmerzhaft an unseren Nerven. Kapitän Mallinger, der im Zentrum dieses Zorns stand, bewegte keine Miene und veränderte auch nicht im Geringsten die Haltung seiner schmalen, fokussierten Gestalt, als der breitschultrige Mann mit dem wallenden weißen Haar düster auf ihn hinunterstarrte. Ungerührt schritt er ans Feuer und legte dort das von seinem Heimatplaneten stammende kleine Mars-Roheisenstück ab, während sich der dazugehörige Mantel wie ein dunkelgraues Unheilszeichen bauschte.

„Auch auf dich, Zweiter Kapitän, lege sich der höchste Segen – bei allen deinen Unternehmungen, die dem gemeinsamen Ziel dieser Mission dienen. Alles jedoch, was du tust, um der Mission oder einem der Besatzungsmitglieder auf der Sternensängerin zu schaden, möge umgehend Stublaks Zorn auf dich ziehen.“

Die anschließende Segensgeste fiel mehr als sparsam aus. Nun hatte Nordernuk deutlich genug mitgeteilt, dass er dem Zweiten Kapitän aus tiefster Seele misstraute und dass es bei dessen Zuwiderhandeln gegen unsere Vorgaben harte Konsequenzen seitens der Sonnengilde geben würde. Während ich einen mit hellroten Früchten geschmückten Vogelbeerzweig zur Brennschale brachte, hatte ich Schwierigkeiten, die heiligen Energien zu halten. Die Ursache dafür lag weniger in dem gerade erst überstandenen Eklat als in meiner Unfähigkeit, emotionslos mit der Unverfrorenheit des Zweiten Kapitäns umzugehen. Er hatte in dieses wichtige Ritual, welches ausschließlich der Stärkung und dem Schutz einer überlebensnotwendigen Unternehmung gewidmet war, eine fremde, eine ungehörige Komponente eingeflochten, die lediglich seinen privaten Zwecken diente und daher den Kräftefluss in unserer Mission schwächte: Er hatte die der Eibe innewohnenden Wesen für einen ihm allein dienenden Wunsch benützt – ein verbotenes Ansinnen an eine Frau. Der Eindruck war nur flüchtig gewesen, aber das leichte Prickeln an meiner Haut zeigte, dass er tatsächlich mich damit ansprach.

Nun hob Irvek Nordernuk segnend seine Hände über mich, und er berührte im Gegensatz zu seinen sonst distanzierten Gesten tatsächlich kurz meinen Scheitel; ein intensiver Strom gehaltvoller Kraft floss in meinen Körper über. Darin lag ein überraschender Ansatz von Akzeptanz für meine Teilnahme an dieser Mission, welche er mir bisher verweigert hatte und die mir nun einen dicken Kloß der Rührung in die Kehle stopfte.

Der oberste Schante fuhr in seinem Ritualhandeln fort, während sich die glänzende Erdkugel drehte; er vollendete die Segensarbeit für den inneren Kreis aus Expeditionsmitgliedern und begann mit der Brennschale in den Händen den äußeren Kreis abzuschreiten, welcher aus jenen fünf Kommunikationsleuten gebildet wurde, die vom Sonnensystem aus mit uns Verbindung halten sollten. Auch die Hochkönigin wurde mit einer Segensgeste bedacht, bevor sie sich zurückzog. Anschließend löschten wir alle gemeinsam die verbliebene Glut und brachten die dargebotenen Gaben in eine besonders gesicherte Vitrine im Kontrollgebäude, bevor wir, treu beschützt von den hochköniglichen Wachen, noch in die Kantine auf das traditionelle Glas Kornelkirschensaft gingen.

Alle waren angespannt, einige auch ziemlich aufgeregt, und gerade deshalb wurde laut gescherzt und gelacht. Der Einzige, bei dem die psychische Belastung nicht im Geringsten Wirkung zeigte, saß mit lässig übereinander geschlagenen Beinen neben dem Ersten Kapitän und diskutierte mit emotionsfreiem Interesse über den bevorstehenden Eintritt der Sternensängerin in die seit drei Stunden offene Dimensionspassage.

„Der schamlose Graue hat tatsächlich die Frechheit besessen, mit Hilfe der Eibenmacht deine Schutzwälle zu infiltrieren!“ Wütend ballte Irvek Nordernuk die Faust in Richtung des Zweiten Kapitäns. „Wenn ich es rechtzeitig bemerkt hätte, hätte er statt des Segens einen Fluch erhalten.“

Ich antwortete nicht, zumal Nordernuk keine Äußerung zuließ, sondern in seiner zornigen Tirade fortfuhr: „Ich bin mir sicher, dass er einer von denen ist, die dich damals so zugerichtet haben.“ Er schnaubte abfällig. „Es ist zu ärgerlich, dass sich die Hochkönigin einbildet, euch unbedingt jetzt auszuschicken, da ihr so geschwächt seid.“ Ein verächtlicher Blick zuckte wie ein Peitschenhieb über den Zweiten Kapitän. „Stublak allein weiß, womit sich der alte Mallinger seine vier missratenen Söhne verdient hat. Wenigstens beherrscht der dürre Bengel dort ein vernünftiges Handwerk.“

Wir starrten beide zu dem dreißigjährigen „Bengel“ hinüber, Nordernuk und ich, und trieben ihm unseren Argwohn völlig unverhohlen durch seine harte feinkörperliche Hülle bis in die Knochen hinein. Solche Machtspiele waren mir zuwider, aber im Vorfeld einer keineswegs ungefährlichen Mission und im Beisein des mächtigsten Schanten, der dies von mir erwartete, blieb mir gar nichts anderes übrig. Und natürlich...

Erscheint lt. Verlag 26.7.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-99152-180-6 / 3991521806
ISBN-13 978-3-99152-180-8 / 9783991521808
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