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Bunny -  Mona Awad

Bunny (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
464 Seiten
Festa Verlag
978-3-98676-074-8 (ISBN)
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Samantha ist an der Warren University eine Außenseiterin. Eigentlich ist sie von den anderen Mitgliedern ihrer Schreibgruppe - einer Clique unerträglich reicher Mädchen, die sich alle nur Bunny nennen - regelrecht abgestoßen. Doch dann erhält sie eine Einladung zu einer Party der Bunnys, und Samantha fühlt sich auf seltsame Weise zur Haustür, über die Schwelle in den Kaninchenbau gezogen. Als Samantha immer tiefer in die unheimliche und doch zuckersüße Welt des Bunny-Kults eintaucht, beginnen die Grenzen der Realität zu verschwimmen, und bald schwebt sie in tödlicher Gefahr ... Ein düster-komischer, verführerisch-skurriler Roman. Ein Mix aus Satire und märchenhaftem Horror von einer der originellsten neuen Stimmen in der Belletristik der USA. Margaret Atwood: »O Bunny, du bist sooo genial!« Los Angeles Times: »Awad hat sich als eine der innovativsten und originellsten Autorinnen erwiesen, die es gibt, und BUNNY ist ein wilder, kühner und auch unvergesslicher Roman.« The Washington Post: »Köstlich böse ... Awad ist ein eiskaltes Genie.« Elle: »Wie einer dieser Rasierapparate, die für Frauen vermarktet werden: Sie wissen schon, rosa, aber immer noch scharf und gefährlich.« The Irish Times: »Seltsam, gruselig und bösartig unterhaltsam.« Booklist: »Scharfsinnig und völlig durchgeknallt.«

Mona Awad wurde 1978 in Montreal geboren und lebt seit 2009 in den USA. Sie promovierte in kreativem Schreiben und englischer Literatur. Ihre Dissertation beschäftigte sich mit der Angst im Märchen. Sie lebt in Boston. Ihr Debütroman 13 WAYS OF LOOKING AT A FAT GIRL (2016) gewann u. a. den Amazon Best First Novel Award und den Colorado Book Award. BUNNY (2019) gewann den Ladies of Horror Fiction Best Novel Award. Die Autorin Margaret Atwood (THE HANDMAIDS TALE - DER REPORT DER MAGD) hat Mona Awad als ihre offensichtliche literarische Erbin bezeichnet. E auf Goodreads.com: »Mona Awad schreibt wie keine andere Autorin über verrückte Frauen und definiert den magischen Realismus für ein zeitgenössisches Publikum neu. Ihre Protagonistinnen sind eine besondere Art von Frauen am Rande. (...) Sie verfallen ihrem eigenen Wahnsinn und verlieren ihre Fähigkeit, Realität von Vorstellungskraft, Fantasie von Wahrheit zu unterscheiden. Das Spektakel ihres Abstiegs ist etwas Besonderes.« Los Angeles Times: »Awad hat sich als eine der innovativsten und originellsten Autorinnen erwiesen, die es gibt, und BUNNY ist ein wilder, kühner und auch unvergesslicher Roman.«

1

Wir nennen sie die Bunnys, weil sie einander selbst so nennen. Allen Ernstes. Bunny.

Hier ein Beispiel:

Hi, Bunny!

Hi, Bunny!

Was hast du gestern Abend getrieben, Bunny?

Na, mit dir abgehangen, Bunny. Weißt du nicht mehr?

Stimmt genau, Bunny, mit mir abgehangen. Die beste Zeit meines Lebens.

Hab dich lieb, Bunny.

Ich hab dich lieb, Bunny.

Und dann umarmen sie einander so fest, dass es aussieht, als würden ihre Brustkörbe gleich implodieren. Insgeheim hoffte ich sogar darauf, wann immer ich am anderen Ende des Hörsaals / des Institutsfoyers / der Aula saß / stand / lehnte und Zeuge wurde, wie sich vier erwachsene Frauen – meine akademischen Mitstreiterinnen – zur Begrüßung girrend gegenseitig zerquetschten; oder zum Abschied; oder einfach nur, weil du so toll bist, Bunny. Wie sie sich leidenschaftlich in der rosig-bleichen Haut der jeweils anderen festkrallten und zu einem engen, überhitzten Zirkel verschmolzen, der vor brustberstender Liebe und Verständnis dermaßen überquoll, dass es mir schier den Atem raubte.

Wie sie die Stupsnäschen und Pfirsichflaumbäckchen aneinander rieben, die Schläfen so dicht an dicht, dass ich an die Schamlippenreibung vögelnder Bonoboweibchen oder die telepathische Kommunikation jener bildhübschen, mordlustigen Kinder aus Horrorfilmen denken musste. Dabei schlossen sie die acht Augen immer so fest, als würde diese Gruppenstrangulation eine Art religiöse Glückseligkeit auslösen. Und aus allen vier schimmernden Mündern drangen die Quietschlaute einer monströsen Liebe, von denen mir das ganze Gesicht brannte.

Hab dich lieb, Bunny.

Das gesamte letzte Jahr betete ich im Stillen dafür, dass die nächste Umarmung endlich in der ersehnten Implosion gipfelt, dass sie einander so fest in die Arme schließen, bis die Fleischmasse wie gehaltloser Zuckerguss aus den Ärmeln, Ausschnitten und Rocksäumen ihrer A-Linien-Kleider quillt. Dass sich ihre Game of Thrones-Frisuren ineinander verheddern und sie von den übertriebenen Zöpfen, die sie einander pausenlos an die herzförmigen Köpfchen flechten, erdrosselt werden. Dass sie an ihrem faden Grasparfüm ersticken.

Aber das passierte nie. Kein einziges Mal.

Aus jeder dieser Umarmungen lösten sie sich völlig unverletzt, trotz des bösen, vor Gift triefenden Blicks, den ich ihnen jedes Mal wie ein Comicbösewicht zuwarf. Sie lächelten einander nur weiter an, hielten Händchen, und ihre Haut leuchtete vor Liebe und Zugehörigkeitsgefühl, als hätten sie sich gerade im klarsten aller Gebirgsbäche erfrischt.

Hab dich lieb, Bunny.

Völlig immun gegen die Verachtung ihrer Kommilitonin. Gegen meine: die von Samantha Heather Mackey. Die kein Bunny ist. Und die nie eines sein wird.

In der hintersten Ecke des grünen Rasens unter dem Zelthimmel, wo ich an einer weißen, mit wallendem Tüll geschmückten dorischen Säule lehne, schenke ich Ava und mir noch einen Schluck Gratissekt nach. September. Warren University. Die alljährliche Welcome-Back-Soiree des Instituts für Erzählende Künste – weil diese Uni zu sehr Ivy League und New England ist, um eine Party beim Namen zu nennen. Man beachte die mit Tigerlilien verzierten Tafelaufsätze; die von Lichterketten erleuchteten weißen Gazebahnen, die wie Gespenster überall durch den Raum schweben; die Zinntabletts voller Lachsröllchen und Entenleber-Crostini, verziert mit winzigen Zuckerorchideen; die weißen Gäste, die ganz in Schwarz gekleidet über Stipendien diskutieren, die ihnen für die Übersetzung irgendwelcher französischer Dichter gewährt wurden, die sowieso kein Schwein liest; das prunkvolle Zelt, unter dem sich die Übergebildeten tummeln, die in jeder Kunst außer der der Konversation bewandert sind, in selig lächelnder Unwissenheit darüber, dass sie sich eigentlich gerade im Schlund der Hölle befinden – oder, wie Ava und ich es zu nennen pflegen, in der Höhle Cthulhus. Cthulhu ist ein riesiges Tentakelmonster aus der Feder eines Horrorschriftstellers, der dem Wahnsinn verfallen und hier in der Gegend gestorben ist. Und das passt, denn wenn man durch die Straßen jenseits der Warren-Bubble streift, spürt man, dass mit dieser Stadt etwas nicht stimmt. Irgendetwas am Licht, an den Häusern und Bäumen hier ist nicht ganz geheuer. Wenn man das laut ausspricht, sehen einen die meisten Leute nur fragend an. Aber nicht Ava. Ava sagt nur: Meine Fresse, ja. Die ganze Stadt, die Häuser, die Bäume, das Licht … alles abgefuckt.

Hier stehe ich also und schwanke, bis zum Hals abgefüllt mit lauwarmem Sekt, Tierlebern und was auch immer mir Ava da an Hochprozentigem aus ihrem Drink Me-Flachmann in den Plastikbecher kippt. »Was ist da noch mal drin?«, frage ich.

»Trink einfach.«

Durch die Gläser meiner geliehenen Sonnenbrille beobachte ich, wie sich die Damen, die ich wohl oder übel als meine Kommilitoninnen bezeichnen muss, zum ersten Mal wiedersehen, nachdem sie den Sommer an schrecklich strapaziösen Orten wie abgelegenen Tropeninseln, Südfrankreich oder den Hamptons verbracht haben; wie sich ihre zierlichen Körper in einer Art Verzückung inbrünstig aufeinander stürzen; wie sie die Fingernägel in biologischen Warnfarben tief in den Armen ihres Gegenübers vergraben, mit der ganzen Wucht der, wie ich mir immer wieder einrede, vorgetäuschten, ganz sicher vorgetäuschten Zuneigung. Und aus den schimmernden Lippenspalten dringt der gemeinschaftliche Kosename.

»Scheiße, meinen die das ernst?«, flüstert mir Ava ins Ohr. Sie hat die Bunnys noch nie zuvor aus der Nähe beobachtet. Und sie hatte mir kein Wort geglaubt, als ich ihr letztes Jahr zum ersten Mal von ihnen erzählt hatte. Nie im Leben führen sich erwachsene Frauen so auf, hatte sie gesagt. Das denkst du dir bloß aus, Smackie. Im Verlauf des Sommers glaubte ich das sogar langsam selbst. In gewisser Weise ist der Anblick gerade eine Erleichterung, und sei es auch nur als Bestätigung meiner geistigen Gesundheit.

»Jap«, antworte ich. »Viel zu ernst.«

Ich beobachte, wie sie die Frauen aus ihren Bowie-Augen hinter dem Netzschleier gleichermaßen entsetzt und gelangweilt mustert. Ihre Lippen bilden eine unbeeindruckte, rote Linie.

»Können wir jetzt endlich abhauen?«

»Noch nicht«, sage ich, ohne den Blick abzuwenden. Inzwischen haben sie sich endlich voneinander gelöst, ohne auch nur die kleinste Knitterfalte in ihren niedlichen Kleidchen zu hinterlassen. Die glänzenden Frisuren sitzen nach wie vor perfekt. Und ihre rosige Haut strotzt nur so vor teuren Krankenversicherungen, als sie alle gleichzeitig in die Hocke gehen, um den hüpfenden Shih Tzu eines Profs lautstark zu liebkosen.

»Aber warum?«

»Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich mich kurz blicken lassen muss.«

Ava wirft mir einen vielsagenden Blick zu und rutscht beschwipst an der Säule hinunter. Bisher habe ich niemanden begrüßt: weder die Dichter, die ihren eigenen, griesgrämigen Höllenkreis bilden, noch die angehenden Belletristiker, die verlegen vor einem Turm aus Shrimps vor sich hin kichern. Noch nicht einmal Benjamin, den netten Verwaltungsangestellten, an den ich mich bei derlei Veranstaltungen normalerweise halte und dem ich sonst dabei helfe, schwabbelige Innereien auf trockene Brotstückchen zu klecksen; auch nicht Fosco, die Seminarleiterin aus dem letzten Sommersemester, geschweige denn irgendein anderes Mitglied des hochverehrten Lehrkörpers.

Und wie war dein Sommer, Sarah? Und wie kommst du mit der Hausarbeit voran, Sasha? Höfliche, gleichgültige Fragen. Jedes Mal nennen sie mich beim falschen Namen. Ganz egal wie meine Antwort ausfällt – sei es ein aufrichtiges Geständnis meines unmittelbar bevorstehenden Scheiterns oder eine schamlose Lüge, die mir die Röte ins Gesicht treibt –, sie reagieren immer mit dem gleichen wissenden Nicken, dem gleichen weltverdrossenen Lächeln und irgendwelchen Floskeln darüber, wie schwer fassbar der Schaffensprozess, wie mühevoll das Resultat doch sei.

Hab Vertrauen, Sasha. Nur Geduld, Sarah. Manchmal muss man die Dinge einfach ruhen lassen, Serena. Manchmal, Stephanie, muss man den Stier eben bei den Hörnern packen.

Darauf folgen oft Schilderungen eigener ähnlicher Schreibblockaden oder Durchbrüche, die sie während einer inzwischen eingestellten Autorenresidenz fernab in Griechenland, der Bretagne oder Estland durchlitten haben. Dabei nicke ich nur und vergrabe die Fingernägel in den Oberarmen.

Und selbstverständlich habe ich nicht mit dem Löwen gesprochen. Obwohl er natürlich hier ist, irgendwo. Vor einer Weile sah ich ihn noch aus den Augenwinkeln – die Mähne wilder, die Tattoos dichter denn je –, als er sich an der Gratisbar ein Glas Rotwein einschenkte. Er blickte zwar nicht auf, aber ich spürte genau, dass er mich ebenfalls bemerkt hatte. Und dann bemerkte ich, wie er wiederum bemerkte, dass ich seinen Blick bemerkt hatte, während er weiter sein Glas befüllte. Seitdem habe ich ihn zwar nicht mehr zu Gesicht bekommen, aber seine Anwesenheit deutlich im Nacken gespürt. Gleich als wir ankamen, hatte Ava im Gefühl, dass er ganz in der Nähe sein musste, denn schau mal, der Himmel hat sich plötzlich verdunkelt.

Das Einzige, was man bei mir heute Abend als Socializing bezeichnen könnte, ist das subtile Lächeln in Richtung...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2023
Übersetzer Elena Helfrecht
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-98676-074-1 / 3986760741
ISBN-13 978-3-98676-074-8 / 9783986760748
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