The Haven: Micah (eBook)
218 Seiten
Cursed Verlag
978-3-95823-998-2 (ISBN)
Kapitel 1
Micah
Was auch immer Leute über Escorttätigkeiten denken mögen, es ist nur selten langweilig.
Aber an einem weiteren ruhigen Montagabend war ich mir da nicht so sicher. Der Besitzer, Rick, und ich waren die Einzigen in der Lobby des Haven Hotels. Er besetzte die Rezeption, während ich nicht ganz so lässig dagegen gelehnt stand. Ich hatte nichts anderes zu tun, außer hier in meinen Skinny Jeans und dem eng anliegendem Mesh-Top zu stehen, zuzusehen, wie die Uhr langsam auf neun Uhr zu tickte und anzunehmen, dass niemand so spät am Abend hier auftauchen würde, weil er hoffte, zufällig jemanden buchen zu können. Außerdem war Rick wirklich kein Fan von Spontankunden, weshalb es so aussah, als würde das wieder ein Abend ohne Einnahmen für mich werden.
Noch hatte ich keine Geldsorgen, aber das Monatsende rückte näher. Mama war noch immer auf der Suche nach einem neuen Job, während Jaden Schulbücher und Naomi neue Schuhe brauchte. Und das war noch, bevor ich die Miete für meine schäbige WG bezahlt hatte. An meinem nächsten Geburtstag wurde ich 25 und manchmal hatte ich das Gefühl, die Geldsorgen von jemandem zu haben, der doppelt so alt war wie ich.
Ich atmete tief durch und überlegte, ob ich Rick fragen sollte, ob sein Partner irgendeinen Bürojob hatte, bei dem ich mir etwas dazuverdienen konnte. Eliot führte oben von Zimmer fünf aus eine Firma für Unternehmensdienstleistungen. Ich hatte zwar nicht viel Erfahrung mit der Arbeit in einem Büro, aber ich lernte schnell…
»Nimm deine dreckigen Pfoten von ihm!«
Als wir den Ausruf hörten, drehten Rick und ich uns beide um, um den Gang entlang zur Treppe zu schauen. Das war Liams Stimme gewesen, die ein Stockwerk höher erklungen war, und sie war so deutlich, dass er nicht mehr in seinem Zimmer sein konnte.
»Was zur Hölle ist da los?« Rick runzelte die Stirn.
»Soll ich nachsehen gehen?« Wir hatten hier im Hotel nicht oft Probleme, was vielleicht der Grund war, warum wir nicht sofort in Panik ausbrachen. Das lag zum Teil daran, weil Rick und Eliot jeden überprüften, der anrief und jemanden buchen wollte, und zum Teil daran, dass die meisten von uns einen sechsten Sinn für Unruhestifter entwickelt hatten. Rick würde eingreifen, wenn eine härtere Hand vonnöten war. Und ich griff manchmal ein, wenn Diplomatie gefragt war. Es schien so, als wäre ich gut darin, die Wogen zu glätten.
Ich hatte mehr als genug Übung darin, aber das war eine andere Geschichte…
»Ja, vielleicht solltest du…«
Ein Krachen von Möbeln, die umgeschmissen wurden, ertönte und schwere, taumelnde Schritte erklangen im Stockwerk über uns. Ein weiterer, unverständlicher Ruf erklang, gefolgt von einer Reihe schmerzhafter Aufschläge, die uns beide zusammenzucken ließen.
Rick war binnen Sekunden von seinem Platz aufgesprungen und vor die Rezeption geeilt, aber ich war leichter und schneller als er und rannte bereits den Flur entlang in Richtung Treppe. Ich hörte auf dem Absatz über uns einen dumpfen Aufprall, dann ein Klatschen und ein Rufen. Die zweite Stimme kannte ich auch.
Ich hielt inne, kurz davor, die Treppe zwei Stufen auf einmal nehmend hochzurennen und drehte mich zu Rick um. »Warum ist Tom da oben? Er hätte heute früh Feierabend machen sollen.«
Rick blinzelte heftig. Ich schätzte, meine Stimme war viel zu laut. »Er war auf dem Weg nach Hause, als dieser Typ angekommen ist. Du warst mit Arne in der Küche, als ich den Termin gemacht habe.«
»Laufkundschaft?«
Rick verzog das Gesicht. »Nicht wirklich. Er hat schon mal im Hotel angerufen, also hatten wir die Zeit, die üblichen Hintergrundkontrollen durchzuführen. Aber er hatte keinen festen Termin für heute vereinbart, sondern ist einfach aufgetaucht. Er hat einen Dreier erwähnt und ich wollte ihm sagen, dass das im Vorhinein vereinbart werden muss. Aber Liams Kunde ist nicht aufgetaucht, also wollte er den Job und Tom hat angeboten, mitzumachen.«
Tom, du verdammter Idiot. Ja, ich übernahm ab und an Dreier. Aber nur mit Tom, damit ich ein Auge auf die Sache haben konnte, und er sollte umgekehrt eigentlich auch nur Dreier mit mir haben. Den Kunden gefiel der Kontrast zwischen uns, meine dunkle Haut, Toms blondierter, blasser Look. Aber bei drei Persönlichkeiten in einem Raum bestand immer die Chance, dass etwas schiefging.
Ich nahm den Rest der Stufen in Sekunden und Rick war mir dicht auf den Fersen. Auf dem Gang vor Zimmer vier gab es eine Rauferei, die Luft war erfüllt von Grunzen, Schlägen und einem Knirschen, als jemand gegen die Wand krachte.
Ein Chaos aus männlichen Gliedmaßen. Liam, Tom und ein dunkelhaariger, korpulenter Mann. Der Kunde trug nur seine Unterhose, während Liam einen Harness über seinem tätowierten Oberkörper, einen ledernen Jockstrap und Bikerstiefel trug, aber es sah aus, als wäre Tom nackt. Er war unter dem schweren Mann eingeklemmt und keuchte, während Liam einen Arm um den Hals des Mannes geschlungen hatte und versuchte ihn wegzuziehen. Tom hatte es definitiv am schlimmsten getroffen.
Ich schaute zur Treppe, die weiter nach oben zu den Zimmern sieben und acht führte. Die Tür zu Zimmer acht stand weit offen. Es war das einzige Zimmer für Escorts auf der Etage und Liam spielte gerne dort oben.
Was war heute passiert? Eine weggeworfene Augenbinde hing über dem Geländer, ein Seil über der obersten Stufe. Einer von Toms roten Lieblings-High-Heels lag verkehrt herum auf halbem Weg nach oben auf der Treppe. Oder war es auf halbem Weg nach unten. War er gestürzt?
Rick drängte sich ins Gemenge. Er packte den Kunden am Arm und zerrte ihn von Tom herunter. »Schluss damit! Habt ihr mich gehört?«
Liam sackte gegen den Türrahmen von Zimmer vier, sein Gesicht schweißbedeckt, während sich seine Brust rapide hob und senkte. Er hielt seinen Bauch umklammert, als würde er wehtun.
Ich hatte nur Augen für Tom. Meinen besten Freund.
»Der Drecksack hat sich nicht an die Regeln gehalten«, sagte Liam abgehackt atmend zu Rick.
»Welche verdammten Regeln?« Der Mann kämpfte wütend gegen Ricks Griff an.
Er war mittleren Alters, hatte dunkle Augen und die Züge um seinen Mund waren hart und grausam. Obwohl sein Haar zerzaust war, konnte ich den teuren Haarschnitt erkennen. Geld und Arroganz. Ein mögliches Rezept für Ärger.
»Ich bin der verdammte Kunde, ich kann tun, was ich will.«
»Hier können Sie das nicht und schon gar nicht in einer vorher abgestimmten Szene«, knurrte Rick. »Wir müssen alle sicher sein.«
Der Klient schnaubte. »Er hat jede Minute genossen. Hast du gesehen, wie er danach gelechzt hat?«
»Du Arschloch!« Liam stürzte sich wieder auf den Mann, aber Rick hielt Liam seine freie Hand vor die Brust und hielt ihn zurück.
»Ich sagte aufhören. Ihr beide.«
»Was hat er getan?«, fragte ich Tom. Seine Augen waren geweitet und wild. Wir hatten früher schon mal Schwierigkeiten bekommen, als wir noch zusammen auf den Straßen von Earls Court gearbeitet hatten – Tom immer öfter als ich, weil er eine extrem leichtfertige Ader hatte –, aber heute sah er wirklich verängstigt aus.
»Mir geht's gut, Micah. Ehrlich. Jetzt ist alles vorbei.« Tom setzte sich mühsam auf und streckte die Hand aus, als wollte er mich beruhigen.
Ich ignorierte ihn. Ich hatte nur Augen für seine Verletzungen. Er war auf dem Teppich des Treppenabsatzes zusammengesackt, hatte Kratzer auf seinem Rücken, blaue Flecken an seinem Hals. Seinem Hals.
Rick hatte beide Arme des Mannes hinter seinen Rücken gezogen, die Handgelenke fest im Griff. Er war mehr als zehn Zentimeter größer und einige Kilo schwerer als der Kunde, dazu kam noch die Entschlossenheit, seine Escorts zu beschützen.
Toms Blick war noch immer wild. »Micah. Hör mir zu. Es gibt kein Problem, okay?«
»Tom, es gibt hier definitiv ein Problem«, sagte Rick heftig. »Und dafür gibt es keine Entschuldigung. Dieser Scheißkerl verschwindet jetzt von hier, und zwar sofort.« Er wandte sich zu Liam, dessen Atem sich langsam beruhigte, auch wenn er noch immer vornübergebeugt dastand und die Hände auf den Oberschenkeln abstützte. »Was zum Teufel ist passiert?«
»Er hat versucht, Tom zu erwürgen. Mir ist plötzlich aufgefallen, dass er sein Handy auf dem Kopfteil platziert hatte, als wollte er einen Snuff-Film oder so drehen. Elender, kranker Perversling!«
»Ist das wahr, Tom?«
Tom atmete harsch ein, was schmerzhaft aussah. »Ja. Augenbinde. Spitroasting. Bis da war alles gut, dann… Hände um meinen Hals. Hätte okay sein können, aus Spaß.« Sein Blick verdunkelte sich. »Aber er hat zugedrückt.«
»Ich hab ihm gesagt, er soll aufhören.« Liam war einer der härteren Kerle im Haven, aber als er zu Tom schaute, glänzten seine Augen feucht. »Er hat weder mich noch Toms Safeword beachtet. Ich hab ihn weggezerrt, Rick, aber das Arschloch ist einfach durchgedreht. Hat einen Glückstreffer gelandet und mich umgeschubst. Tom ist auch auf ihn losgegangen.«
»Ich habe ihm an den… verdammten Ohren… gezogen«, keuchte Tom. »Auf s-seine Augen gezielt.«
Ich wusste, dass das eine gute Taktik war. Aber Tom war nicht wirklich stark und mit einigem Abstand der Kleinste der drei.
»Dann hat er Tom die Treppe heruntergeschubst!«, rief Liam.
Ich drehte mich langsam zu Mr. Heimliches-Mordvideo. Seine Arme spannten sich unter Ricks Griff an und seine Haut war von Toms Tritten und seinen Versuchen, sich zu befreien, gerötet....
Erscheint lt. Verlag | 21.7.2023 |
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Übersetzer | Ray Celar |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-95823-998-6 / 3958239986 |
ISBN-13 | 978-3-95823-998-2 / 9783958239982 |
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