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Riannu (eBook)

Das verborgene Volk
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
512 Seiten
Hybrid Verlag
978-3-96741-209-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Riannu -  Marina K. Wolf
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Ein launischer Findeljunge mit einer außergewöhnlichen Verbindung zu Feuer. Ein menschenscheues Waisenmädchen, das die eigene Macht fürchtet. Zolan und Maris führen sehr unterschiedliche Leben, bis zu der Nacht, in der Zolans Welt zusammenbricht und er Hals über Kopf fliehen muss. Sein Weg führt in die Schatten seiner Vergangenheit und damit unweigerlich zu Maris. In einer zerrissenen Welt, in der ein Verdacht auf Hexerei leicht zum Tod führen kann, kämpfen sie gemeinsam um die Kontrolle über ihre magischen Fähigkeiten und gegen einen Feind, der ihnen eben diese entreißen will.

Marina Karoline Wolf ist als Kind einer Patchworkfamilie in Portugal und Deutschland aufgewachsen. Sie liebt Geschichten und Sprachen, begeistert sich für Mythen und Sagen verschiedener Kulturen. In ihrer Freizeit treibt sie sich gern auf Bäumen, in anderen Ländern oder im und unter Wasser herum. Alternativ taucht sie in die fiktiven Welten ab, die sie auf dem Sofa ihrer kleinen Sendlinger Wohnung kreiert. Am liebsten mit einer guten Tasse Kaffee.

Marina Karoline Wolf ist als Kind einer Patchworkfamilie in Portugal und Deutschland aufgewachsen. Sie liebt Geschichten und Sprachen, begeistert sich für Mythen und Sagen verschiedener Kulturen. In ihrer Freizeit treibt sie sich gern auf Bäumen, in anderen Ländern oder im und unter Wasser herum. Alternativ taucht sie in die fiktiven Welten ab, die sie auf dem Sofa ihrer kleinen Sendlinger Wohnung kreiert. Am liebsten mit einer guten Tasse Kaffee.

1.

 

Maris stand über den reglosen Körper gebeugt und keuchte. Sie spürte ihr Herz schlagen. Einmal. Zweimal. Dreimal. Wie ein Donnerschlag hallte es in ihren Ohren und jagte das Blut in heißen Strömen durch ihren Körper. Funken knisterten in ihrem Haar, zuckten als kleine Blitze über ihre Fingerspitzen und fuhren in den Boden. Sie stürzten sich auf das verstreute Papier und tanzten jubelnd umher. Erfassten die Kutte des Priesters und schmolzen das Medaillon auf seiner Brust. Der absurde Geruch von Gebratenem lag in der Luft und vermischte sich mit dem dichter werdenden Rauch. Mit einem Mal wirkte der Mann nicht mehr groß und bedrohlich. Er lag einfach da, in sich zusammengefallen. Das Gesicht war noch immer in einem letzten, panischen Aufschrei verzerrt und kein Atem hob mehr seine Brust.

Erst als freundliche Flammenzungen an ihren Füßen leckten, blinzelte Maris und schüttelte ihren tranceartigen Zustand ab. Orangeroter Feuerschein erhellte das Turmzimmer. Wann war das Feuer so groß geworden? Sie rief nach ihm, doch es wollte nicht mehr auf sie hören. Es war jung und hungrig und es gab hier zu viele lockende Bücher und Schriften. Funken stoben lachend durch den Raum und fielen wie Sternschnuppen auf die mit Stroh gefüllte Matratze und den zweiten Mann, der darauf lag.

»Nein!«, schrie Maris und scheuchte sie vom Lager fort. Sie stürzte auf den reglosen Körper zu, nahm ihn in ihre Arme und suchte verzweifelt nach dem Pochen eines schlagenden Herzens. Stattdessen hörte sie wie durch einen Nebel den warnenden Klang einer Glocke. Ein Wimmern entwand sich ihrer Kehle, während die Hitze in ihrem Inneren langsam einem kalten Grauen wich. Das Blut auf Manglons Kutte begann bereits zu trocknen und seine Augen starrten blicklos in eine Leere, in die Maris ihm nicht mehr folgen konnte. Ihr Ziehvater war tot. Sein Mörder ebenfalls. Ein Würgen stieg in ihr auf. Draußen schlug die Glocke hell und aufgeregt. Sie musste hier weg.

Noch einmal beugte sie sich über den Mann, der ihr immer Liebe und Vertrauen geschenkt hatte. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie heiser. Sie kreuzte seine Hände auf der Brust, schloss ihm mit zitternden Fingern die Augen und wühlte in ihren Taschen, bis sie zwei Münzen fand, die sie auf seine Lider legen konnte. »Möge Sahed dir Frieden schenken in seinem ewigen Reich.« Sie küsste ein letztes Mal seine faltige Wange, dann ging sie zur Tür.

Rauch folgte ihr und zog in dunkler werdenden Fäden an der Decke entlang. Ein Teil von ihr wollte bleiben und die Flammen mit offenen Armen erwarten. Sie riefen nach ihr. Sie waren warm und freundlich und würden sie aufnehmen wie eine der ihren. Zusammen würden sie tanzen und essen und wachsen, bis sie die dunkle Nacht sonnenhell erleuchteten.

Maris setzte mühsam einen Fuß vor den anderen. »Wir haben ihn getötet«, flüsterte sie und ihre Stimme brach.

Das Feuer verstand sie nicht. Es kannte kein Leben oder Tod, nur das Licht und den Wind und den Hunger.

Da riss sie sich endlich los und floh. Sie rannte mit lauten Schritten über die Steinfliesen den Gang entlang, eine steile Treppe hinunter und durch den hohen Säulengang bis in den Hof. Prasselnder Regen schlug ihr entgegen und zischte auf ihrer Haut.

Die Glocke hatte die Brüder geweckt. Männer liefen verwirrt über den Hof, viele noch in ihren Nachtgewändern. Sie schrien durcheinander und zeigten auf die feurigen Zungen, die aus dem Westturm leckten. Der Tempel war nur in den unteren Geschossen aus Stein gebaut, die darüber liegenden Stockwerke und die beiden Türme bestanden hauptsächlich aus Holz. Die Flammen waren begeistert. Maris’ Kopf dröhnte. Tränen rannen aus ihren Augen und verdampften, kaum dass sie ihr heißes Gesicht berührten. Menschen kreischten in Panik.

Maris zog den Kopf ein und rannte schneller, wich dunklen Gestalten aus und hielt den Blick auf ihr Ziel gerichtet. Dort vorne lag das Tor, sie war fast da.

Eine Hand schoss aus der Dunkelheit auf sie zu, packte ihren Arm und eine Bassstimme brüllte etwas Unverständliches. Ihr Herz pochte heftiger und sie glaubte, ihr Kopf müsste in all diesem Lärm zerspringen. Das Feuer in ihren Adern ließ ihr Blut rauschen und zischen. Funken tropften von ihrer Haut. Die Bassstimme schrie überrascht auf und der Griff lockerte sich.

Maris riss sich los und hetzte weiter, immer auf das Tor zu, während der Tanz der Flammen um sie herum die Nacht erhellte. Ihr Atem schlug hart und heiß gegen ihre Brust. Sie fand das Tor unbewacht vor. Die Wächter waren wohl in dem Chaos auf dem Tempelhof untergegangen.

Maris hatte noch nie versucht, die schweren Riegel allein zu öffnen, doch jetzt stemmte sie sich mit aller Kraft dagegen. Das alte Eisen knirschte unwillig und regte sich nicht. Panisch blickte Maris sich um. Die schreiende Menge formierte sich langsam zu einer Ordnung. Die Brüder bildeten eine Eimerkette, einer brüllte Anweisungen über den Hof. Jeden Moment konnte jemand auf sie aufmerksam werden.

»Geh auf!«, knurrte sie dem großen Torflügel zu. »Lass mich raus!« Verzweifelt warf sie sich mit aller Kraft gegen Tür und Riegel. Hinter ihr fraßen die Flammen sich durch uralte Balken und sprengten Dachziegel. Maris griff nach ihrer Hitze und zerrte einen Teil davon zu sich.

Ihr habt das hier angerichtet, erklärte sie wütend. Jetzt bringt mich auch hier raus!

Das Feuer strömte nur zu gerne, gestärkt von Holz und Stroh und alten Schriften. Unter Maris’ Händen glühten die eisernen Riegel auf und brannten sich durch die Torflügel. Noch einmal drückte sie und mit einem Ruck stand sie im Freien. Kalter Wind fuhr in ihre Kleidung und das Feuer in ihr jauchzte auf. Maris konzentrierte sich auf ihre Füße und lief los. Sie musste fort.

Hinter ihr schallte ein Befehl durch die Nacht. Sie hatten sie gesehen, sie folgten ihr. Maris rannte wie noch nie in ihrem Leben, stolperte über die Wiese und durch die flackernden Schatten. Sie hörte Schritte hinter sich, wagte aber nicht, sich umzusehen. Weiter, sie musste weiter, über das Feld, am Fischteich entlang, bis zum Wald. Dort hinein würden sie ihr nicht folgen.

Wie eine schwarze Mauer ballten sich die Bäume vor ihr zusammen. Eine stumme Drohung im kalten Winterregen. Maris keuchte jetzt so laut, dass sie die Stimmen hinter sich nicht mehr hören konnte. Ihre Füße platschten ins Wasser, rutschten im Schlamm aus und Dampf stieg in zischenden Wolken auf.

Dann lag der Teich hinter ihr und das Ackerland verwandelte sich in felsigen Hang. Sie stürzte, stand auf, stolperte weiter. Die Schatten wurden tiefer. Da endlich kletterte sie an den ersten Baumriesen vorbei und in das dichte Unterholz des Waldes. Knorrige Baumstämme und dornige Sträucher stellten sich ihr in den Weg und rissen an ihren Kleidern, als wollten sie sie am Betreten des verbotenen Grundes hindern.

Sie zwängte sich mit Gewalt in die Dunkelheit und blieb auch nicht stehen, als Äste und Zweige hinter ihr zusammenschlugen. Sie strauchelte über Wurzeln und moderndes Laub, bis sie endlich auf eine kleine Lichtung taumelte. Nach Atem ringend drehte sie sich um und sah zurück. Nur noch ein undeutlicher, orangeroter Schein flackerte durch die kahlen Äste und wies ihr den Ort, an dem der Tempel brannte.

Die Knie knickten unter ihr weg, sie fiel und schlug auf harten Stein. Der scharfe Schmerz zerriss das Bild von Feuerschein und dunklen Bäumen. Es flackerte, verschwamm und löste sich auf wie Rauch im Wind.

Maris’ Atem blieb in ihrem Hals stecken und sie begann heftig zu husten. Tränen füllten ihre Augen und als sie endlich wieder klar sehen konnte, war sie von den vertrauten Umrissen ihres Zimmers umgeben. Sie lag auf dem Boden neben dem Bett, die Decke um ihren verschwitzten Körper verknotet, und es dauerte, bis sie sich endlich aus ihr befreien konnte.

»Ein Traum«, sagte sie laut, halb wütend über sich selbst, dass sie das nicht gemerkt hatte. »Es war nur ein verdammter Traum.«

 

Maris zitterte noch immer, als sie sich in der kleinen Küche ihres Gildenhauses zusammenkauerte. So ungefähr musste sich ein Hase fühlen, der sich auf der Flucht vor Jagdhunden in eine Grube drückte.

Sie hielt sich an ihrer Teetasse fest und starrte auf die dunkle Flüssigkeit. Der Dampf erinnerte sie an Rauch und zischenden Winterregen. »Wenn ich den finde, der hier so einen Mist zusammenträumt …«

Sie biss sich auf die Lippe und schloss die Augen. Es war nicht das erste Mal, dass sie unabsichtlich in die Erinnerungen eines anderen eintauchte. Tagsüber hatte sie wenigstens eine Chance, fremde Empfindungen von ihren eigenen zu unterscheiden, aber nachts war sie ihnen hilflos ausgeliefert. Nur hatte dieser Traum sich anders angefühlt. Nicht wie die verschwommenen Eindrücke und Erinnerungsfetzen, die sie sonst im Schlaf umflirrten wie Mücken im Sommer. Es war intensiver gewesen und auf eine unheimliche Art real. Noch immer konnte sie das hungrige Lachen der Flammen hören und in ihrem Mund lag der Geschmack von Asche.

Sie riss die Augen wieder auf und nahm hastig einen Schluck Tee. Prompt verbrannte sie sich die Zunge und fluchte laut.

Vorsichtiger geworden blies sie auf die heiße Flüssigkeit, bevor sie einen zweiten Schluck wagte. Diesmal verursachte der volle, würzige Geschmack nur noch ein angenehmes Prickeln auf ihrer Zunge und ließ sie freier atmen.

Langsam entspannte sie sich. »Einfach nur ein dummer Alptraum.«

Kurz fragte sie sich, ob sie jemandem davon erzählen sollte. Vielleicht handelte es sich bei ihrem Traum genau um die Art von Vision, die eine Seherin haben sollte.

Andererseits war es bisher nie gut gegangen, wenn sie von...

Erscheint lt. Verlag 20.6.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte episch • Fantasy • Feuer • Findeljunge • Hexe • High Fantasy • Magie • Volk • Waise • Zauber
ISBN-10 3-96741-209-1 / 3967412091
ISBN-13 978-3-96741-209-3 / 9783967412093
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