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Mord, Medizin und Smaragde -  Amelia Green

Mord, Medizin und Smaragde (eBook)

Ein Krimi in bester Whodunit-Tradition

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 2. Auflage
282 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-7664-8 (ISBN)
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Zwei ebenso schockierende wie rätselhafte Morde rücken das St. Patrick´s Krankenhaus in Clearbridge ins Scheinwerferlicht. Zwei Patienten, durch eine Insulininjektion getötet, die offensichtlich keine Verbindung zueinander haben, außer dass ihre Vornamen - Saphire und Emerald - Edelsteine bezeichnen. Ins Visier der Polizei gerät die Krankenschwester Amber Walker. Ihr Bruder Clifford Walker macht sich mit seinem Detektivpartner Laurentius Newcombe auf den Weg, ihre Unschuld zu beweisen, obwohl das Verhältnis zwischen den Geschwistern seit Jahren zerbrochen ist. Doch was steckt hinter diesen Morden, die offenbar niemandem nützen? Könnte die Polizei doch Recht damit haben, Amber zu beschuldigen? Clifford und Laurentius beginnen in einem Fall zu ermitteln, hinter dem weit mehr steckt als angenommen ...

Amelia Green hat ihre früheste Kindheit in England verbracht, bevor sie in Süddeutschland heimisch wurde. Ihre Liebe zu Cottages, Tea Time und Crime lebt sie seither beim Schreiben aus.

Der kleine Zeiger der Bahnhofsuhr rückte langsam auf den zweiten Stundenstrich, der große ruhte auf der römischen Drei. In der Bahnhofshalle war es dunkel bis auf einige fahl gelblich leuchtende Gaslaternen, die in Abständen von vielleicht sechs Yards an schmiedeeisernen Pfosten auf dem Bahnsteig standen. Nachdem der Nachtzug Richtung Southampton vor über einer Stunde abgefahren war, hatte lange Stille geherrscht. Jetzt aber erklang in der Ferne das Rattern und Stampfen einer nahenden Eisenbahn. Ich erhob mich und nahm meinen kleinen Koffer von der hölzernen Bank, wo ich seit elf Uhr abends gewartet hatte.

Es war also so weit.

Trotz der späten Stunde war ich hellwach, spürte keinerlei Verlangen nach Zigaretten oder Ruhe, denn ich wusste, was mir bevorstand. Ich hatte alles aufgegeben, ohne ein Zurück, und würde das Einzige tun, was mir möglich war, um eine letzte Chance auf eine Zukunft zu haben. Der Nachtzug um drei Uhr fünfzehn gemeinsam mit Clifford, den ich damals noch kaum kannte. Ein Fremder, eine Zufallsbekanntschaft auf dem Charles-Dickens-Platz aus einer Januarnacht vor einigen Wochen, mit dem ich nichts gemeinsam hatte außer dem Wunsch, ein neues Leben anzufangen. Clearbridge hinter sich zu lassen. Zu gehen. Ich ließ meinen Blick durch die Bahnhofshalle schweifen, versuchte mich zu erinnern, wessen Idee es gewesen war, den Nachtzug zu nehmen und gemeinsam zu verschwinden. Wem immer sie gekommen war, er hatte uns beiden aus der Seele gesprochen.

Alles verlieren oder alles gewinnen. Ein Leben haben oder aufgeben; ich war mir dessen bewusst. Selbstmord war mir kein Fremdwort. Ich würde die Gelegenheit nicht vergeuden, ihm zu entkommen, aber ich glaubte kaum noch an mich selbst. Alles verlieren oder alles gewinnen. Als der Zug kreischend zu bremsen begann und seine Scheinwerfer wie Augen am fernen Ende des Gleises auftauchten, meinte ich, das cis-Tremolo aus Mendelssohns Venetianischem Gondellied in meinen Ohren dröhnen zu hören.

Plötzlich spürte ich, dass jemand neben mir auftauchte. Ich sah auf. Clifford lächelte mich an. »Bereit für die Odyssee?«

Er war groß; die 4 7/8 Inches, die er tatsächlich größer ist als ich, erschienen mir wie zehn. Damals betrachtete ich ihn noch mehr, als ich das jetzt tue, und so erinnere ich mich, dass er einen groben dunklen Mantel trug, einen großen Koffer hielt und trotz seines Lächelns sein Gesicht voll harter Schatten war, Spuren des Kriegs und der Trauer, wie ich später erfahren würde. Er war so optimistisch, wie ich es gern gewesen wäre, und ich spürte, wie mir das Kraft gab. Alles verlieren oder alles gewinnen. Ich nickte stumm.

Der Zug fuhr ein. Instinktiv schützten wir unsere Augen vor den Scheinwerfern und verschwanden in einer Flut aus gleißendem Licht und weißem Dampf. Clifford sah auf seine Fahrkarte, lief einige Waggons ab und kam dann vor einer der Türen zum Stehen, die er öffnete, seinen Koffer die Stufen hochwuchtete und dann selbst einstieg. Ich folgte ihm in eins der Dritte-Klasse-Abteile, wo er sich auf die hölzerne Sitzbank niederließ, unter die er den Koffer schob. Es brannte nur eine kleine Lampe an der Wand, sonst war es dunkel, und vor den Fenstern lag nur nächtliche Schwärze. »Haben Sie Ihren Platz auch hier?«, fragte er, während ich mich ebenfalls setzte.

»Ich habe keinen Fahrschein«, erwiderte ich. Das Geld, das ich so mühsam gespart hatte, hätte ich nie für so etwas ausgegeben. Ich hatte keine Angst, nicht ich, der nicht einmal den eigenen Tod scheute. Der Zug pfiff und fuhr langsam wieder an. Ich sah aus dem Fenster, wo sich alles in Bewegung setzte, und spürte das Ruckeln des Wagens, das immer stärker wurde, als der Zug an Geschwindigkeit gewann. Plötzlich war mir, als sei ich wieder sieben Jahre alt, starr vor Angst und allein stundenlang in einem Eisenbahnabteil, unwissend, welche Hölle auf Erden mich beim Aussteigen erwarten würde. Bevor ich jedoch anfangen konnte, zum unzähligen Mal in den Krieg gegen meine Erinnerungen zu ziehen, zwang ich mich in die Realität zurück und richtete meinen Blick auf den Boden des Abteils. Dort entdeckte ich drei Sixpence-Münzen und ein unbenutztes Streichholz. Rasch griff ich unter die Sitzbank und sammelte es auf.

Clifford sah mich überrascht an. »Das ist Diebstahl!«

Ich betrachtete die achtzehn Pence. »Mitnichten. Es ist das Ergreifen einer Gelegenheit.«

»Finden Sie das in Ordnung?«, fragte er überrascht.

»Nein«, erwiderte ich nüchtern. »Aber es gibt zu viele Dinge dieser Sorte in meinem Alltag.« Von dieser Antwort war ich selbst überrascht. Ich vertraute Clifford nicht, aber auf magische Weise gelang es ihm hin und wieder, meine Zunge zu lösen – was sich nicht so schlecht anfühlte, wie es das hätte tun sollen.

»Oh«, erwiderte Clifford. »Das tut mir sehr leid.«

Ich hob verwirrt eine Augenbraue. Er schien zu verstehen, was ich meinte. »Es tut mir leid, dass Sie Dinge tun müssen, die Sie nicht in Ordnung finden«, versuchte er es zu erklären.

»Weshalb?«, wollte ich wissen. Damals zog ich es noch nicht oft in Betrachtung, dass manchen Leuten Gefühle etwas ausmachten. Ich hingegen tat, was getan werden musste, mein Empfinden hin oder her.

»Ich stelle es mir unangenehm vor.«

Ich schwieg.

»Wenn Sie irgendetwas daran ändern möchten, helfe ich gern.«

Jetzt wurde mir klar, dass er versuchte, in meine Emotionen einzudringen, und ging, auf der Bank zur Tür hin rutschend, sofort in die Defensive über. »Warum sollte ich Veränderung wollen?«

»Ich dachte, das sei der Grund, weswegen wir in diesem Zug sitzen.« Er ließ seinen Blick kurz aus dem Fenster schweifen, obwohl dort nichts als Schwärze zu sehen war. Halbherzig lächelnd fügte er hinzu: »Das ist zumindest mein Grund.«

Im Nachhinein denke ich manchmal, dass ich Clifford viel Dank schulde, denn er hat mein Leben verändert – das zuzugeben, wäre allerdings grobe Verletzung der Distanz, und damals ahnte ich noch nichts davon.

Wir schwiegen eine Weile.

»Wohin fahren wir?«, fragte ich dann, denn ganz egal war mir diese Fahrt nicht. Zum ersten Mal, seit ich denken konnte, sehnte ich mich nach Konversation, um nicht an das zu denken, was ich als Letztes getan hatte: Der Abschied von Sir Charles. Ich hatte beinahe geweint, als er mir den Dorian Gray geschenkt hatte. Ich schuldete ihm so viel, und er gab mir das, was lange mein wertvollster Besitz sein würde.

»Edinburgh, laut Karte.« Clifford zog einen zerknickten ABC-Fahrplan aus der Manteltasche.

»Edinburgh«, wiederholte ich. Vermutlich hatte Clifford diesen Ort gewählt, weil –

»O nein«, bemerkte er, den ABC betrachtend. »Wir fahren nach Süden. Ich habe den Plan falsch herum gehalten.«

Irgendwie amüsierte mich das. Der Mann, der mein Partner und Freund werden sollte, lachte laut.

»Die erste Eisenbahn verkehrte ja zwischen Liverpool und Manchester«, sagte ich dann, ohne zu wissen, warum.

»Tatsächlich? Interessant«, meinte Clifford.

»In Ägypten wurden auch Mumien als billiger Brennstoff für die Lokomotiven verwendet«, gab ich mein üppiges Wissen preis.

»Das ist ja widerlich!« Er verzog das Gesicht, musste aber schmunzeln.

»Der Tod muss zu irgendetwas gut sein.« Das war mein voller Ernst.

Clifford schwieg kurz, dann meinte er: »Ich habe schon erwähnt, dass ich meine Schwester umgebracht habe?«

Ich war überrascht. Mein Gegenüber schien mir nicht wie ein Mörder, aber falls er mich im Laufe der Reise in unserem einsamen, dunklen Zugabteil ermorden sollte, blieben mir wenigstens weitere Scherereien in Form meines Lebens erspart. Ohne dass ich aus der Ruhe gebracht worden wäre, erwiderte ich: »Nein, aber es ist mir gleich.«

Clifford wirkte irritiert. »Wie?«

»Falls Sie Mitleid erwarten, von mir bekommen Sie keins«, erklärte ich und zündete mir mit dem Streichholz eine Zigarette an.

Schon damals war mir bewusst, dass die Distanz für Clifford und mich sehr wichtig war, auch wenn ich mir wünschte, ich hätte nicht so scharf über Lily geurteilt, ohne die ganze Geschichte zu kennen.

»Eventuell haben Sie damit recht«, erwiderte er düster, »man sollte die Vergangenheit vergessen.«

Ich fand ihn dafür sehr naiv, weil ich noch nicht wusste, dass das Vergessen tatsächlich möglich ist, wie er mir mittlerweile demonstriert hat. Mit einundzwanzig ging ich noch davon aus, sich zu distanzieren und Suizidfantasien zu haben wäre der einzige Weg, Vergangenes zu bewältigen. Inzwischen weiß ich, dass Clifford einen besseren Weg gefunden hat, und ich beneide ihn darum.

»Man kann das natürlich nicht so pauschal sagen«, setzte er nach einer Weile hinzu, in der ich schweigend geraucht hatte. »Nur durch die Reflexion der Vergangenheit kann man seinen Frieden mit ihr schließen. Wenn man es...

Erscheint lt. Verlag 24.10.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7568-7664-0 / 3756876640
ISBN-13 978-3-7568-7664-8 / 9783756876648
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