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Ich, Santa -  Jay Kay

Ich, Santa (eBook)

Willst du werden, was du bist, leg deine Vergangenheit ab.

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
324 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7528-7442-6 (ISBN)
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Magischer Realismus für die schönste Zeit des Jahres. Sagen und Märchen erzählen von Feen und Kobolden, von Nixen und Elfen und von ihm, Santa. Doch wer weiß schon, dass all die Geschichten, die Sagen und Märchen, aus ihrer Feder stammen. Denn sie leben unter uns, unerkannt. Und das soll auch so bleiben. Wäre da nicht ein Unfall und mein Onkel Frank, ein manischer Sammler. Wenn ich ihn nicht stoppe, wird es bald keine Weihnachten mehr geben. Die Geschichte von einem Jungen und seinem magischen Erbe. Ein Abenteuer um den Zauber der Jahreszeiten, den Mythos von Santa und die Realität, wenn man zu retten versucht, was von der Vergangenheit noch zu retten ist. EIN PHANTASTISCHES ABENTEUER IN DER TRADITION DER GROSSEN FANTASYERZÄHLER.

Jay Kay ist nicht nur Schriftstellername, sondern seit jeher Spitzname des Autors dieser Geschichte. Wenn er keine Bücher schreibt, macht er die Weltmeere unsicher und die Unterweltmeere sicher. Er war schon Journalist, Übersetzer, Fotograf, Pressesprecher, Grafiker und Programmierer. Lesen und Schreiben ist rein passionsmäßig bei ihm nicht zu trennen. Mit seinem Magischen Realismus wandelt Jay Kay erfolgreich auf dem schmalen Grat zwischen U- und E-Literatur. Zur Zeit wohnt er mit einer Maus in der Herzogstadt Erding bei München.

Kapitel I

Friedhof, Pinguin, Lächeln


Er war ein seltsamer Mann. Schon damals, bei unserer ersten Begegnung, hatte ich ihn nicht berührt und kaum näher betrachtet, aber er hatte mich bemerkt. Und das hatte ihm ganz sicher gereicht.

Wenn meine Erinnerung nicht trügt, traf ich ihn das erste Mal auf einem Friedhof. Ganz und gar unpassend könnte man meinen. Noch dazu befand ich mich in einer ganz und gar unpassenden Situation. Ich stand am Grab meiner Mutter und hatte nichts. Nichts zu geben, nichts zu sagen und auch kein Zuhause. Alles, was sich am Horizont abzeichnete, war nicht gut, bestenfalls unangenehm und meistenteils bedrohlich.

Der Rest meiner Verwandtschaft und ein paar Mitarbeiter des Jugendamtes standen um mich herum. Ich starrte in die Grube, in die der Sarg gleich einfahren würde.

Ich wollte etwas geben. Etwas, das mit ihr hinunterfährt und dort für alle Zeiten verbleibt. Eine Blume vielleicht, oder ein Licht; eine Seite aus meinem Schulheft mit der besten Note der letzten Klassenarbeit, oder auch eines von meinen Lieblingsspielzeugen aus alter Zeit. Hätte ich doch etwas dabei gehabt, aber tatsächlich hatte ich nichts.

Mir war nichts erlaubt gewesen und mein Geist hatte sich in den letzten Tagen dermaßen auf Tauchstation begeben, dass ich nicht daran gedacht hatte, etwas in meine Taschen zu schmuggeln.

Doch ich wollte etwas haben und wenn ich es suchen musste mit aller Macht, die ein Junge mit sechzehn Jahren aufbringen kann.

Ich schaute mich unauffällig um. Trocken und steinkalt lag die Luft an diesem Tag über der Erde. Es war Ende Februar und der Morgen hatte verschlafen. Er wollte partout nicht hell werden.

Was für ein Brimborium wurde veranstaltet, nur um jemanden unter die Erde zu betten. Der Glaube an irgendetwas oder irgendjemand konnte sie jetzt auch nicht mehr retten. Der Glaube an ein gutes Ende war mir gerade abhandengekommen.

So fühlte ich mich verlassen, als Letzter der Familie. Meine einzige Bezugsperson war vor nicht einmal einer Woche unwiderruflich gegangen. Überraschend und nach kurzer Krankheit, wie es ebenso mitleidslos wie knapp im Fachjargon heißt. Für mich stellte sich das eher leidvoll und einprägsam dar.

Meinen Vater hatte ich nie kennengelernt. Wenn meine Mutter von ihm sprach, dann nur das Nötigste. Ich hatte immer das Gefühl, sie wollte nicht über ihn sprechen. Kaum mehr wusste ich, als dass er gegangen war, kurz nachdem ich das Licht der Welt erblickt hatte. Es war einfach so passiert. Damals scheinbar nichts Ungewöhnliches. Er war schlicht verschwunden. Hatte sie allein gelassen. Etwas, das sie ihm nie vergeben konnte.

Heute stand ihre letzte Reise an, und auf ähnliche Weise hatte sie mich verlassen. Einfach so. Als ich am Endpunkt ihres Weges durchs Leben stand, fühlte es sich für mich zumindest so an.

Wahrscheinlich war es mein Verlangen, dem Endgültigen nicht ins Auge zu sehen. Konnte man es mir verdenken? Sicher nicht, wenn die richtigen Leute um mich herum gestanden hätten. Aber das war nicht der Fall. In der zweiten Reihe lauerten zwei Beamte des Jugendamtes, denn auf ihr Geheiß musste ich hier erscheinen. Obwohl ich noch heute der Ansicht bin, dass auch bei dieser Sache mein Onkel seine Finger im Spiel hatte. Aber wer kann das jetzt noch wissen.

Als ich ein kleiner Junge war, hatte meine Mutter mich zum ersten Mal alleine gelassen. Sie war zum Einkaufen gegangen und der Meinung, ich wäre schon soweit. Ich saß vor dem Fernseher und wie es der Zufall wollte, lief eine Dokumentation über Pinguine. Einer der Kleinen war noch nicht lange aus dem Ei geschlüpft, da passierte es, dass seine Mutter auf Nahrungssuche ging. Er wartete und wartete, doch sie kehrte nicht zurück. Er saß verlassen auf seinem Felsen, umringt von all den anderen Pinguinen, aber keiner wollte ihm helfen. Seine Mutter würde nicht zurückkehren. Sie war im Meer verschollen. Sie würde nie wieder aus den Fluten auftauchen. Am Ende war klar, auch er würde es nicht überstehen.

Als meine Mutter nach Hause kam, war ich kaum zu trösten und für Wochen traumatisiert. Das mit dem Trauma und den unangenehmen Erinnerungen legte sich erst nach ein paar Monaten. Dann konnte ich nur noch den Kopf darüber schütteln. Bald hatte ich es völlig verdrängt.

Nun stand dieser Pinguin am Rand der Grube. Meine Mutter würde aus dem Meer der Zeit nie wieder auftauchen.

Der Pfaffe trat gegen einen kleinen Hebel und der Sarg glitt nach unten. Er schwebte in Richtung Erdmittelpunkt, so als würde ein Magier ihn verschwinden lassen. Mir war gar nicht magisch zumute, als die schwarzgelackte Holzkiste über den Rand der Grube aus dem Blickfeld geriet.

Ich nahm all meinen Mut zusammen, drehte mich um und rannte. Ich rannte, so schnell ich konnte und ich konnte schon immer verdammt schnell rennen. Zudem war niemand darauf gefasst. Die schwarzen Schuhe taten meinen Füssen weh. Die schwarze Hose flatterte bei jedem Schritt um meine Beine und das Jackett war weit, aber nicht zu weit, als dass es mich behindert hätte. Alles von Onkel Frank für diesen Anlass gekauft. Damit ich seiner Vorstellung von einer weihevollen Beerdigung entspräche.

Jetzt kam mir der Friedhof entgegen. San Michele war sein Name. Wie passend. Es war der einzige Friedhof der Stadt, auf dem vorwiegend Einwanderer aus dem Süden ihre Verwandten, ihre Clans, ihre Zweige und ihre Ableger beisetzten. Auf diesem Platz hatte meine Mutter bestanden. Ihre Familie ruhte dort. Auch wenn ich keinen von ihnen jemals zu Gesicht bekommen hatte. Außer meinen Onkel Frank, aber der war zu allem Unglück der Einzige, den das Leben noch nicht verlassen hatte.

San Michele war nicht groß, von einer hohen Mauer umrahmt. Im Innern über und über gefüllt mit einer Landschaft aus Stein, als hätte ein unsichtbarer Gott seine phänomenale Sammlung marmorner Bauklötze in einen viel zu kleinen Sandkasten gekippt. Zwischen den unzähligen Gräbern und Steinen, Altären und Mausoleen, Grabplatten und Grabwänden breitete sich ein labyrinthisches Gangsystem aus, in dem man sich leicht verlieren konnte.

Ich würde meinen Weg schon finden und etwas, das ich nehmen und wieder geben konnte. Der Begriff Stehlen kam mir damals weder in den Sinn, noch hätte ich in meinem Zustand einen Pfifferling darauf gegeben.

Sie riefen meinen Namen. Überrascht selbstverständlich, das waren die Beamten. Unverhohlen spöttisch, das waren meine Cousins. Unverzeihlich erbost, das war mein Onkel.

Ich hörte ihre Echos, als ich einen Gang nach dem anderen durchmaß, eine Ecke nach der anderen nahm. Bald hörte ich kaum noch ihre Stimmen, bald hörten sie nicht mal mehr meine Schritte. Bald senkte sich die Stille der Totenstadt auf meine Ohren.

Zuerst wollt ich nichts weiter als Abstand gewinnen. Dann begann ich zu suchen. Manch mickriger Altar war vergittert, die Kerzen brannten in einem Gefängnis aus Stein und Eisen. Mächtige Mausoleen waren mit Türen verschlossen. Viele Gräber bestanden aus tonnenschweren Platten und imposanten Skulpturen. Doch als ich um eine Ecke bog, sah ich am Ende eines schmalen Pfades zwischen hochaufragenden Kolumbarien einen Mann stehen. Er war unscheinbar gekleidet, und hätten nicht auf dem Grab vor ihm ein paar Lichter gebrannt, ich hätte ihn womöglich übersehen. So aber schlich ich langsam voran, meine Hände an die kalten Wände in den grauen Schatten gepresst. Er hielt etwas in der Hand. Es war eine Blume. Als ich näher kam, erkannte ich eine langstielige Rose.

Still stand er, in Gedanken versunken. In einiger Entfernung blieb ich stehen und hoffte, er würde gehen und mehr noch hoffte ich, er würde die Blume dort lassen. Zu meiner Überraschung tat er das auch. Er murmelte etwas, ich konnte jedoch nicht verstehen, was er sagte. Dann fuchtelte er kurz in der Luft, wies hierhin und dorthin und gestikulierte auf eine wunderliche Art, als würde er mit jemandem sprechen. Erst war ich ungehalten, er sollte lieber verschwinden. Dann musste ich lächeln. Wahrscheinlich hat mich das Lächeln damals offenbart. Er hat es mir nie verraten. Mir schien es, als würde er mit den Geistern reden oder mit den Toten, die dort begraben lagen, was ich ziemlich absurd fand.

Meine Mutter hatte mich so wenig gläubig erzogen, wie es ihr möglich war. Und ich war nicht mehr in dem Alter, an Geister, Feen oder womöglich den Weihnachtsmann zu glauben. Über nichts in meinem Leben sollte ich mich mehr täuschen.

Schließlich schwang der Mann seinen Arm, so als wollte er das Universum einladen. Dann legte er die Blume auf das Grab und ging seines Weges.

Ich wartete keine Sekunde länger, huschte zu dem Grab hinüber und griff nach der Blume. Die Rose war weiß. Ich war in Eile, das möge man mir verzeihen. Ich kann mich erinnern, dass ich für einen winzigen Moment auf die Inschrift auf dem Grabstein schaute, aber schon Sekunden später hatte ich sie wieder vergessen. Heute wünschte ich mir, ich würde noch wissen, was dort geschrieben stand. Dann könnte ich die Stelle wiederfinden. Vielleicht noch einmal die Historie aufarbeiten, die Namen auflösen, die Geschichten nachverfolgen. Doch ich bin mir sicher, selbst heute würde ich dieses...

Erscheint lt. Verlag 3.9.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
ISBN-10 3-7528-7442-2 / 3752874422
ISBN-13 978-3-7528-7442-6 / 9783752874426
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