Kein Happy End für die Prinzessin? (eBook)
256 Seiten
CORA Verlag
978-3-7515-1597-9 (ISBN)
Frei sein! Nichts möchte Prinzessin Alba mehr, als ihrem tyrannischen Sultansvater zu entfliehen und die Palastmauern, hinter denen sie jahrelang gefangen war, hinter sich zu lassen. Als der ehrenwerte Conde Inigo der schönen Prinzessin zu Hilfe eilt, schöpft sie Hoffnung auf ein Leben in Freiheit - das sie nur zu gern mit dem spanischen Adligen verbringen möchte. Doch zu Albas Unglück ist Inigo mit einer anderen verlobt!
Carol Townend schreibt packende Romances, die im mittelalterlichen England und Europa spielen. Sie hat Geschichte an der Universität London studiert und liebt Recherchereisen nach Frankreich, Griechenland, Italien und in die Türkei - historische Stätten inspirieren sie. Ihr größter Traum ist, den Grundriss einer mittelalterlichen Stadt zu entdecken, die einzelnen Orte abzuschreiten und sich ihre Heldinnen und Helden dort vorzustellen. Beim Schreiben hat sie einen lateinischen Leitspruch 'Omnia vincit amor', das bedeutet 'Liebe siegt über alles'.
1. KAPITEL
1396 – Der Alhambra-Palast im Emirat Granada
Ein ungewöhnliches Geräusch holte Prinzessin Alba aus ihren Träumen, auch wenn sie, während sie sich unruhig von einer Seite auf die andere wälzte, nicht hätte sagen können, was sie geweckt hatte. Fast hatte es wie das Trillern eines Vogels geklungen, welches ihr das Bild eines ganzen Schwarms vor Augen rief, der über Wiesen und Flussterrassen in wilder Freiheit dahinflog. Der Ausdruck reinen Glücks.
Sie schlug die Augen auf und ließ den Blick auf ihren beiden Schwestern ruhen, die in sanftem Lampenschein weiterhin von tiefem Schlaf umfangen waren. Prinzessin Leonor und Prinzessin Constanza, auf deren glatte Wangen das milde Licht den halbmondförmigen Schatten ihrer langen dichten Wimpern malte, glichen ihr aufs Haar, weil die drei Schwestern Drillinge waren.
Die Vorstellung, sie blicke auf Variationen ihrer selbst, die sie gründlich von außen betrachten konnte, überkam sie; doch schob sie den Gedanken kopfschüttelnd beiseite, denn ähnelten die Prinzessinnen sich auch äußerlich wie ein Ei dem anderen, könnten sie charakterlich kaum unterschiedlicher sein.
Noch war der hölzerne Fensterladen, durch dessen sternförmige Durchbrüche zu dieser frühen Stunde noch kein Licht fiel, fest geschlossen. Und waren die drei Schwestern auch erst wenige Tage zuvor im Lieblingspalast ihres Vaters angekommen und in diesem Turm untergebracht worden, hatte es sich Alba doch bereits eingeprägt, wie schön das helle Sonnenlicht tagsüber durch die Gucklöcher ins Zimmer schien und als kleine sternförmige Tupfen leuchtend auf den Bodenfliesen liegen blieb.
Erneut vernahm sie den eigenartigen Laut, den sie nicht zuordnen konnte, sodass sie sich aufsetzte. Für den Schrei des Habichts war er nicht spitz genug; eher ähnelte er dem Wimmern eines Säuglings.
Während sie mit angehaltenem Atem gespannt lauschte, überlegte sie fieberhaft, wem ein solch kleines Kind zuzuordnen war. Denn ihr Vater, Sultan Tariq, auf den sie Gottes Segen herabbeschwor, hatte nur seine drei Töchter in die Welt gesetzt; sein Wunsch nach einem Sohn war unerfüllt geblieben.
Leise kroch Alba zum Fenster hinüber und hielt, auf einem dicken Kissen kniend, lauschend das Ohr an den hölzernen Laden. Ihr bisheriges junges Leben hatte sie mit ihren Schwestern in der fernen Burg zu Salobreña verbracht, wo sich nie eine Gelegenheit geboten hatte, einen Säugling in den Armen zu halten. Jetzt verlangte es sie schmerzlich danach, das Kind, welches sie schreien hörte, an ihre Brust zu drücken.
Ohne die beiden anderen zu wecken, warf sie geschwind ein seidenes Gewand und ihren Schleier über, nahm die Laterne hoch und schlich die Treppe hinunter. Unten wuchtete die schwere Tür auf und schlüpfte hinaus.
Draußen war die Luft angenehm frisch, und die Sterne wurden bereits blasser. Vor ihr, hinter einigen sich kreuzenden Wegen, ragten andere Türme und hohe Mauern schwarz in den perlgrauen Himmel. Noch war ihr das Gelände fremd und unübersichtlich, doch ließ sie sich von dem Wimmern des Kindes leiten. Dass es im Palast einen Säugling gab, war unbestreitbar.
An der sprudelnden Fontäne eines Springbrunnens vorbei eilte sie über eine gut gepflegte Rasenfläche, durchquerte ein Wäldchen und atmete gleich darauf den intensiven Duft blühender Orangenbäume ein. Linkerhand verlief ein Teilstück der Palastmauer, das von einem Wachhaus, in dem Licht brannte, gekrönt war. Albas Vater, der mächtige Sultan, legte Wert auf gute Bewachung.
Und weil er es mit dem Verschleierungsgebot auf dem Palastgelände sehr genau nahm, steckte Alba sich den Schleier noch einmal fester. Jedermann, der auch nur aus Versehen einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht hätte erhaschen können, wäre streng bestraft worden, denn ihr Vater regierte mit eiserner Hand. Nie hätte sie es sich vergeben, wäre ein Wächter ihretwegen zu Schaden gekommen.
Doch schien Gott die Hand über sie zu halten, denn sie begegnete niemandem.
Sie fand die Quelle des Kindergeschreis hinter einer üppigen Myrtenhecke, wo sich mehrere Gebäude zusammendrängten. Im inzwischen immer stärker einsetzenden Dämmerlicht zeigten sich ihr hufeisenförmige Fenster und eine hohe Holztür mit schweren Eisenbeschlägen, die sich überraschend geräuschlos öffnen ließ. Alba trat ein, folgte dem aufgebrachten Weinen des Säuglings, das vom weißen Marmorfußboden verstärkt zurückgeworfen wurde, und näherte sich aufgeregt einer samtverhangenen Bogenöffnung.
Inzwischen war ihr aufgegangen, dass dieses Gebäude zum Harem ihres Onkels, Prinz Ghalib, gehören musste, der wesentlich jünger als sein Bruder war. Als Nächster in der Thronfolge wurde er, seinen Nichten gleich, förmlich gefangen gehalten, wenn es auch ein goldener Käfig war, in dem er lebte. Die Gründe dafür kannte Alba: Die lange und blutige Chronik der Nasriden-Dynastie verzeichnete unzählige Aufstände, weil Brüder sich immer wieder der Macht wegen gegenseitig umbrachten. Zweifellos fürchtete auch Sultan Tariq, sein Bruder könne einen Staatsstreich anzetteln, um ihn vom Thron zu stürzen, weshalb er nicht nur seine Töchter, sondern auch Prinz Ghalib lange nach Salobreña verbannt hatte.
In jener Zeit hatte Alba gelernt, dass ihr Onkel viele verschiedene Gesichter besaß, die von einem Moment zum nächsten wechseln konnten. Doch selbst in seinen glücklichsten Stunden war bei ihm stets eine dunkle und bittere Unterströmung fühlbar, für die seine Nichte durchaus Verständnis hegte, machte der Sultan doch seinem Bruder fortlaufend Versprechungen, die er nicht hielt.
„Ich gebe dir eine eigene Burg, teurer Bruder, vertrau mir!“, schwor er einmal. Ein anderes Mal: „Eine ganze Armee werde ich dir unterstellen!“
Jedes seiner Versprechen aber hatte er gebrochen. Dem Prinzen war längst klar, dass er zu Lebzeiten Sultan Tariqs keinen Fußbreit an Freiheit gewinnen würde. Dass der jüngere Bruder eine stolze Reihe an Nachkommen aufzuweisen hatte, war ein weiterer Stachel im Fleisch des älteren.
Ghalib war zusammen mit seinen Nichten von Salobreña nach der Alhambra geführt worden, wo alle seither inmitten verschwenderischen Prunks lebten; die Freiheit aber blieb ihnen verwehrt.
Als der Säugling Atem schöpfen musste, bevor er weiterschreien konnte, trat Alba durch den samtverhangenen Durchgang in ein Zimmer, wo das beruhigende Summen der Frau, die das kleine Wesen auf ihren Armen wiegte, sie in die Zeit ihrer Kindheit zurückversetzte. Die Erinnerung an ihre Mutter, die Königin, fuhr der Prinzessin als ein spitzer Schmerz durchs Herz, denn aus der Stimme der Frau sprach die gleiche mütterliche Liebe, und ihre sanft gurrenden Laute waren das Schönste, das Alba seit einer halben Ewigkeit zu hören bekam.
Die junge Frau, die mit dem kleinen Wesen auf einem Diwan lag, schien nicht älter als die Prinzessin zu sein. Sie lächelte entschuldigend. „Hat meine Tochter Euch geweckt? Ich bitte tausendmal um Verzeihung.“
Das ist also meine Cousine. Näher tretend konnte Alba den Blick nicht von dem Kind abwenden, welches ihr, plötzlich still, wie fasziniert entgegenblickte. Das Gesichtchen noch von der Anstrengung des Schreiens gerötet, ballte es die kleinen rundlichen Fäuste.
Der Prinzessin zog sich vor Liebe das Herz zusammen. „Was für ein vollkommenes kleines Geschöpf.“ Damit schlug sie den Schleier zurück, denn diese Gemächer würde kein männliches Wesen, den Herrn des Hauses ausgenommen, je betreten.
Mit wachsamem Blick musterte die Frau Albas Gesicht. „Ich habe Euch noch nie gesehen.“
„Ich weiß.“
„Darf ich fragen, wer Ihr seid?“ Damit setzte sie sich mit dem Kind an der Brust auf.
Alba, die ihren spanischen Vornamen außerhalb des eigenen Gemachs nie verwandte, nannte ihren maurischen. „Ich bin die Prinzessin Zoraida.“
Wie von der Tarantel gestochen schnellte die Konkubine Prinz Ghalibs in die Höhe und verneigte sich. „Prinzessin Zoraida!“, sprach sie ehrfürchtig. Das Kind in ihren Armen zappelte.
„Ich bitte Euch“, wandte Alba ein, „das müsst Ihr doch nicht.“
Die junge Frau schluckte und musterte ihr Gegenüber mit gequältem Blick. „Doch, das muss ich. Prinzessin Zoraida ist die Mittlere der Drillinge, wenn ich nicht irre?“
„So ist es.“
Inzwischen brach der Morgen an, und mattes Tageslicht drang ins Zimmer. Mit angespannter Miene blickte die junge Mutter an Alba vorbei auf den Vorhang. „Wo sind denn Eure Schwestern, Herrin?“
„Die schlafen noch. Ihr könnt ganz ruhig sein.“
Verzagt biss die Konkubine des Prinzen sich auf die Lippe. „Herrin, sicher wird der Sultan, möge Gott ihm ewiges Leben bescheren, Euch nicht bestrafen, weil Ihr den Harem seines Bruders besucht …“
Alba verstand ihre Befürchtungen und schenkte ihr einen wohlwollenden Blick. „Ich lasse kein Wort darüber verlauten, dass ich hier war.“
Doch war die junge Frau nicht gänzlich beruhigt. „Ich danke Euch, Herrin“, hauchte sie mit Angst in der Stimme.
Alba setzte ihre Lampe auf einem Mauervorsprung ab und streckte die Arme nach dem Kind aus, das über ihrem Anblick ganz das Weinen vergessen hatte.
„Darf ich die Kleine einmal halten?“
Zuerst stutzte die Angesprochene, dann aber breitete sich ein frohes Lächeln über ihre hübschen Gesichtszüge. „Natürlich, Herrin. Für gewöhnlich ist Yamina ein gutes Kind; ich weiß gar nicht, was heute früh in sie gefahren ist.“
Sie gab Alba den Säugling. Dieses warme, atmende Bündel, zu...
Erscheint lt. Verlag | 11.7.2023 |
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Reihe/Serie | Historical | Historical |
Übersetzer | Martina Manecke |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
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ISBN-10 | 3-7515-1597-6 / 3751515976 |
ISBN-13 | 978-3-7515-1597-9 / 9783751515979 |
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