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Gottes Plagen (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
576 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-081-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gottes Plagen -  Robert Preis
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Die Geschichte einer unmöglichen Liebe und der Entstehung des Grazer Gottesplagenbildes. 1463: Stjepan Toma?evi?, der letzte Despot Serbiens und König von Bosnien, wird von osmanischen Reitern enthauptet. Seine hochschwangere Frau Helena beobachtet die Ermordung und kann mit einem kleinen Gefolge fliehen. Hilfe erhält sie auch von einem Pilger namens Johannes, der sie Richtung Norden ins sichere Graz des Heiligen Römischen Reiches führen will. Doch die Osmanen sind ihnen dicht auf den Fersen, und in einer Zeit von Krankheiten, Plagen und Kriegen scheint am Ende nur noch ein Bild die Hoffnung auf eine Zukunft zu nähren.

Robert Preis wurde 1972 in Graz geboren. Nach dem Publizistik- und Ethnologiestudium in Wien lebt er heute mit seiner Familie wieder in der Nähe seiner Heimatstadt. Er ist Journalist, Autor zahlreicher Romane und Sachbücher und Initiator des FINE CRIME-Krimifestivals? in Graz. www.robertpreis.com

Robert Preis wurde 1972 in Graz geboren. Nach dem Publizistik- und Ethnologiestudium in Wien lebt er heute mit seiner Familie wieder in der Nähe seiner Heimatstadt. Er ist Journalist, Autor zahlreicher Romane und Sachbücher und Initiator des FINE CRIME-Krimifestivals™ in Graz. www.robertpreis.com

3


Helena schaute sich um: Der Wald war im Lauf des Tages immer näher an den Pfad herangerückt, und es schien, als hätten sie die ganze Welt aufgeschreckt. Ohne auch nur eines von ihnen zu erblicken, hörte sie die Tiere der Wildnis aufgeregt die Flucht ergreifen oder sich zum Angriff bereit machend. Doch sie selbst machten mit den stampfenden Pferden und den scheppernden Waffen so viel Lärm, dass sie die meisten Geräusche wahrscheinlich gar nicht wahrnahm. Sie würden wohl kaum hören, wenn sich ihnen jemand näherte.

Ihr Vater hatte ihr viel von den bosnischen Wäldern erzählt, von den Legenden über Wölfe, die Menschen aufgezogen hatten, die dann fortwährend als Halbwesen durchs Gehölz gestreift waren. Oder von Bären, die jahrelang Winterruhe hielten, um dann als zornige Greise Bauernhöfe zu überfallen, Mensch und Tier töteten und dort bis ans Ende ihrer Tage lebten.

Ein Jagdvogel kreischte, das Schrecken eines Hirsches klang wie Hundegebell, Rehe sprangen wie von Sinnen durchs Blattwerk. Das alles registrierte Helena wachsam, aber es beunruhigte sie nicht weiter. Nur eines gefiel ihr nicht: das Kreischen der Krähen, die sie seit der Königsstadt begleiteten, als wollten sie ihren Fluchtweg markieren.

Als der Tross plötzlich zum Stehen kam, klang ihr das Schnaufen der Pferde und Reiter fast ohrenbetäubend laut.

Anna rief als Königin mit ängstlicher Stimme: »Haris, warum bleiben wir stehen?«

Doch statt zu antworten, hob der gewaltige Krieger nur die Hand. Er zog seinen Säbel und stieg vom Pferd. Von hinten sahen sie seinen massigen Rücken und den vor Schweiß glänzenden Nacken. Seine Schultern hoben und senkten sich unheilvoll. Was immer sich ihm in den Weg stellte, es würde sterben, wenn es sich nicht bald entfernte.

»Was ist denn los, Haris?«, wollte nun auch Helena wissen, doch im Näherkommen erkannte sie, weshalb der Hüne abgestiegen war. Der Weg führte durch das Rinnsal eines kleinen Bachs, hinter dem er sich gabelte. Beide Pfade waren mit Blicken nicht weiter als ein paar Armlängen zu durchdringen und verschwanden sogleich wieder in der Dunkelheit des dichten Laubwalds.

»Wohin sollen wir?«, fragte Haris und sah Anna an.

Die junge Frau hob ihr Haupt, wobei ihr die Kapuze in den Nacken fiel und ihr blasses Gesicht offenbarte. Sie starrte auf ihre Hände, scheu wie ein Reh, und ihre rissigen Lippen formten sich zu einer Entgegnung, doch ihre Stimme versagte, zu sehr nagte die Flucht wohl noch an ihrem Nervenkostüm. So war es einmal mehr Helena, die an ihrer Stelle das Wort ergriff.

»Wir nehmen den linken Pfad, er scheint nach Westen zu führen, der Richtungswechsel könnte unsere Verfolger abschütteln. Gott wird uns lenken. Vielleicht bringt er uns auch noch ans Meer und zu einem Schiff, das uns dann weit fort und in Sicherheit bringt. Wir haben keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Also los, Haris, reite.«

Der Riese blickte zwischen Anna und Helena hin und her und nickte. Ein Zucken der Mundwinkel verriet, dass ihn die Aussicht, doch noch ans Meer zu gelangen, zufrieden stimmte. Sein Pferd trabte ein paar Schritte, drehte sich, und er wollte soeben in den Sattel steigen, wobei er der Weggabelung für einen kurzen Moment den Rücken zuwandte. Sein Ross füllte das Sichtfeld seiner Begleiter so weit aus, dass sie nicht bemerkt hatten, wie sich ihm auf dem dicht umwucherten Pfad etwas genähert hatte. Der Schatten baute sich nun an seinem Rücken auf, und als Haris sich umdrehte – vielleicht weil ihn ein sechster Sinn gewarnt oder weil er doch ein verräterisches Geräusch ausgemacht hatte –, konnte er gerade noch einen Schritt zur Seite machen. Er stolperte über einen Stein, verlor das Gleichgewicht und kam auf dem Hinterteil zum Liegen. Auch sein Schlachtross erschrak. Als er die Zügel im Fallen losgelassen hatte, bäumte es sich auf und wieherte.

Die Gestalt, die ihn so sehr erschreckt hatte, war aus einem der beiden Pfade aus dem Wald gekommen. Ein Mann mit langem Haar, gekleidet in einen schwarzen Umhang, darunter trug er helles Beinkleid und ein Hemd aus grobem, schmutzig erdfarbenem Stoff, über seiner Schulter trug er einen schweren Ledersack. Der Fremde trat auf das Pferd zu und strich dem Tier über den Kopf, um es zu beruhigen.

»Ich wollte Euch nicht erschrecken, mein Herr.« Die Stimme des Fremden war keinesfalls unterwürfig, sie klang im Gegenteil recht selbstbewusst für jemanden, der soeben einen Krieger im Kettenhemd, ohne ihn auch nur zu berühren, zu Boden gestreckt hatte.

»›Mein Herr‹?« Haris lachte zornig auf, tastete nach dem Säbel, den er fallen gelassen hatte, und grunzte: »Er sagt ›mein Herr‹. Glaubt, das würde ihn retten. Aber ich hacke ihm den Kopf ab. Ob höflich oder nicht.«

In einer flüssigen Bewegung stemmte Haris sich auf die Beine und schwang seinen Säbel, dessen gekrümmte Klinge im scheidenden Tageslicht aufblitzte. Die Waffe war jenen, mit der die Akindschi am Morgen ein halbes Dutzend Männer ermordet hatten, sehr ähnlich. Helena erschrak bei dem Anblick, erinnerte sie sich doch an die verstörende Szene auf der Lichtung. An die dem Tod entgegengurgelnden Männer, die hilflos gemeuchelt worden waren, bis schließlich auch Stjepans Kopf getrennt vom Körper über die Wiese gekullert war wie eine vom Baum gefallene Kastanie. Sie blinzelte die Erinnerung fort.

Haris’ Säbel surrte durch die Luft. Der Krieger knurrte dabei wie ein Hund, und Helena konnte aus ihrer Position heraus nicht sehen, was sein Gegenüber unternahm, um sich zu verteidigen. Doch Haris ließ mitten in der Bewegung seine Waffe fallen, kippte erneut um und landete furchtbar fluchend rücklings auf dem Boden.

Helena traute ihren Augen kaum. Haris war der mächtige Leibwächter der Königin, ein Mann, der sein Geschick in vielen, vielen Schlachten bewiesen hatte und dem diese Schlachten auch anzusehen waren. Eine hässliche, niemals gänzlich verheilende Wunde am Oberarm war ein Andenken an die furchtbare Niederlage gegen die Türken auf Kosovo Polje, dem Amselfeld, wo er vor fünfzehn Jahren gemeinsam mit dem ungarischen Heerführer Johann Hunyadi gekämpft hatte. Es war eine Schlacht gewesen, über die er nie gern gesprochen hatte, eine Schlacht, die vom König Ungarns provoziert worden war, die von dessen Vasallen, dem serbischen Despoten, hatte verhindert werden sollen und schließlich vom osmanischen Sultan Murad II. gewonnen worden war.

Manche sagten, Haris habe in den dreißiger Jahren als junger Mann, beinahe noch als Kind, auch in den Hussitenkriegen gekämpft, niemand wusste aber so genau, ob er aufseiten der Reformatoren, verschanzt hinter einer Wagenburg, auf heranpreschende Reiter eingestochen hatte oder ob er ganz im Gegenteil aufseiten der letztlich siegreichen königstreuen Truppen und Gegner von Jan Hus gekämpft hatte. Einerlei für welche Seite, er war dafür belohnt worden – und er hatte auch dafür bezahlt, denn irgendwann in all den Kriegswirren hatte er sein linkes Auge eingebüßt.

All diese Geschichten passten nicht dazu, dass dieser unerschrockene Krieger nun rücklings auf dem Boden lag, niedergestreckt von einem Wanderer ohne Harnisch, ohne geschützte Panzerung, von jemandem, der ganz offensichtlich von niederem Stand war, einem Bauern, Leibeigenen, womöglich sogar einem Vogelfreien, einem Geächteten.

Immerhin rückte der Fremde nun in Helenas Blickfeld. Seine Wangen waren rosig und glänzten, die Füße steckten in geschnürten Lederstiefeln, er trug schmutzige Beinlinge, am Rücken einen Ledersack, aus dem der Griff eines Schwerts ragte, wie Helena nun erkannte, und um seinen Hals baumelte ein mächtiges Kreuz aus Holz. Das wilde Haar des Mannes war zerzaust. Er konnte kaum älter sein als sie selbst. Und doch stand er da und drückte Haris seinen Wanderstab gegen die Brust, um ihn unten zu halten.

Alles war so rasch passiert, dass niemand reagieren konnte, und wieder war es Helena, die am schnellsten die Worte wiederfand und sich zu den Burschen der Stadtwache umdrehte. »Na los, worauf wartet ihr? Beschützt die Königin.«

Sofort war sie umkreist von den fahrigen Kriegern, die kaum imstande waren, unter den nervösen Bewegungen ihrer Pferde ihre Waffen zu ziehen. Einer hatte eine Armbrust, verlor aber das Gleichgewicht, fasste hastig nach den Zügeln, wobei ihm die Waffe beinahe aus der Hand glitt, sich entlud und den Pfeil in einen Ast trieb.

»Die Königin«, zischte Helena. »Ihr sollt die Königin beschützen, nicht mich, ihr tollpatschigen Kerle.«

Da erst verstanden die Männer und machten einen Kreis um die bemitleidenswert erscheinende Anna. Sie saß so verloren auf ihrem hohen Ross, so zerbrechlich und ängstlich, dass sie jeden Augenblick in Tränen auszubrechen schien.

Haris rollte mit den Augen und schnappte unter dem Druck des Wanderstabs nach Luft. »Lass mich. Das ist die Königin. Wenn du leben willst, hilf mir auf, und ich verspreche dir, die Prügel, die du dir einfängst, fallen milder aus, als es angemessen wäre.«

Jetzt näherte sich auch Manderdinger mit seinem klobigen Wagen, dessen klapprige Mähre mit breiten Nüstern schnaufte. Der fette Koch ließ seine Augen auf dem Fremden ruhen wie schwere Gewichte. Ganz offensichtlich hatte er vor, ihn einzuschüchtern. Seine Stimme klang wie grummelnde Gewitterwolken, als er knurrte: »Hilf ihm auf die Beine, Bengel, sonst mach ich aus deinen ein königliches Abendmahl.«

Der Mann, dessen Wanderstab immer noch auf Haris’ Brustkorb ruhte, war groß, fast so groß wie der Söldner, der vor ihm lag. Er wirkte auch mindestens so kräftig wie er.

Er sah unverwandt zu Helena auf. Da war immer noch keine Scheu in ihm auszumachen, keine Unsicherheit. Und das, obwohl doch vieles dagegensprach,...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2023
Reihe/Serie Historischer Kriminalroman
Historischer Roman
Historischer Roman
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte aufregend • Baumkircher-Fehde • Bosnische Könige • Brutal • Dracula • düster • Folter • Friedrich III. • Geschichte Österreich • Graz • hart und realistisch • Historischer Roman • Krieg • Liebesgeschichte • Mittelalter • Österreich • Römisches Reich • schwarze Armee • Steiermark
ISBN-10 3-98707-081-1 / 3987070811
ISBN-13 978-3-98707-081-5 / 9783987070815
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