Feels like Christmas (eBook)
256 Seiten
Loewe INTENSE (Verlag)
978-3-7320-2043-0 (ISBN)
Gabriella Santos de Lima, geboren 1997 in São Paulo, studiert Kreatives Schreiben genau wie Gregor. Am liebsten arbeitet sie mit Aussicht auf pulsierende Innenstädte und laut aufgedrehter Musik. Sie war Flugbegleiterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit ihrem Roman Flaming Clouds stand sie auf der Bestsellerliste. Weitere Informationen zur Autorin auf Instagram unter @gabriellasantosdelimaa oder auf TikTok unter @gabriellasantosdelima
Gabriella Santos de Lima, geboren 1997 in São Paulo, studiert Kreatives Schreiben genau wie Gregor. Am liebsten arbeitet sie mit Aussicht auf pulsierende Innenstädte und laut aufgedrehter Musik. Sie war Flugbegleiterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit ihrem Roman Flaming Clouds stand sie auf der Bestsellerliste. Weitere Informationen zur Autorin auf Instagram unter @gabriellasantosdelimaa oder auf TikTok unter @gabriellasantosdelima
So Much Wine
Ich lernte Noel in einem Einkaufszentrum kennen.
Es passierte an einem Freitagnachmittag, um genau zu sein. Doch der Himmel war so stockduster, dass es auch nach Mitternacht hätte sein können.
»Warte, warte«, verlangte Tillie lachend, obwohl ich eigentlich weiterwollte, um nicht zu einer Statue zu gefrieren.
Wir liefen gemeinsam mit ihren Freundinnen über den Weihnachtsmarkt. Ich umklammerte eine lauwarme Glühweintasse, während meine Finger vor Kälte zitterten. Dabei hatten wir gerade erst mit Lucy und Manda angestoßen. Vor drei Sekunden hatte unser überteuerter Glühwein noch gedampft, jetzt war er beinahe kalt. Kurz ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen, vorbei an rustikalen Büdchen und blinkenden Schaugeschäften. Meine dicke Winterjacke knautschte bei jeder Bewegung, während fremde Ärmel mich streiften. Zu sagen, dass der Kölner Weihnachtsmarkt überfüllt sei, wäre die Untertreibung des Jahres. Von links trällerte Wham! seinen größten Hit, während Mariah Carey weiter vorn von ihren allbekannten Weihnachtswünschen sang. In der Luft lag der Geruch von Mandeln mit Zimt und Zucker, von Langos für sieben Euro und karierten Schals, die Schulmädchen mit zu viel Parfum eingesprüht hatten.
»Damit ich das richtig verstehe«, fuhr meine Schwester an ihre Freundin fort. »Gregor Ich-bin-so-künstlerisch Beck hat dir ernsthaft einen kitschigen Adventskalender aus Gedichten gemacht?«
»Du vergisst die Süßigkeiten.« Lucy nippte schelmisch an ihrem Glühwein. »Manchmal sind die Verse sogar an die Schokoladenmarke angepasst. Am zweiten Dezember war der Spruch Und weiter geht’s mit Nummer zwei, lecker Kitkat ist auch dabei.«
»Oh. Mein. Gott.« Tillie schüttelte den Kopf, während ein paar blonde Strähnen unter ihrer Bommelmütze hervorlugten. »Ich kann nicht glauben, dass in Gregor ein romantischer Geist schlummert.«
Lucy zuckte mit den Schultern, doch auf ihren Lippen lag dieses verräterische Lächeln. Sie hatte den Jackpot geknackt. Sie liebte und wurde zurückgeliebt. Bedingungslos. Und das, obwohl wir in einer Welt lebten, in der wir ständig swipten, um uns niemals festlegen zu müssen.
»Hör auf, so überrascht zu klingen«, sagte ich zu Tillie.
»Stimmt«, schaltete Manda sich ein. »Ist ja nicht so, als würdest du dich nicht mit romantischen Männerseelen auskennen. Schau dir Jonathan an.«
Auf der Stelle verfärbten sich Tillies Wangen rot. Würde sie sich jetzt im Spiegel betrachten, würde sie es sicherlich der Kälte zuschreiben, um nicht zugeben zu müssen, was sich in Wahrheit dahinter verbarg. Obwohl … seit sie im Sommer mit Jonathan durch Skandinavien getourt war, hatte sich einiges geändert. Tillie war immer noch Tillie. Matilda Vogt, laut und lauter. Sie hatte eine Stimme und wusste sie einzusetzen, sei es in Seminaren oder auf ihrem Instagram-Kanal. Gemeinsam mit Lucy und Manda veränderte sie auf dem Account @thegirlnextdoor das Leben anderer Mädchen. In verschiedenen Formaten vermittelten die drei ihre feministischen Werte, klärten auf und gaben Halt. Jede Privatnachricht, die sie erhielten, endete mit Danke für eure Arbeit, ich fühle mich so gesehen. Ich war so stolz auf meine Schwester.
»Riechst du das auch, Cleo?« Mit übertrieben gerümpfter Nase wandte Manda sich in meine Richtung. »Hier liegt so viel Liebe in der Luft. Schnell, trink deinen Glühwein, damit wir uns den nächsten holen können!«
Lucy kicherte und Tillie verdrehte die Augen.
Wir wechselten das Gesprächsthema und landeten bei @thegirlnextdoor, während erste Regentropfen auf unsere Köpfe segelten. Keine Ahnung, zum wievielten Mal Wham! das letzte Weihnachtsjahr besang, während gestresste Menschen an uns vorbeizogen. Und trotzdem fand ich es schön. Klar, Schnee wäre mir lieber gewesen. In dem Fall hätten auch die zwei Grad Celsius nichts mehr ausgemacht, weil man dem weißen Anblick seltsamerweise alles verzieh. Taube Finger, spröde Lippen, verspätete Busse und Bahnen. Das alles spielte keine Rolle, wenn der Schnee unter deinen Schuhsohlen knirschte und du drohtest, dich in all dem Weiß zu verirren.
Aber ich verirrte mich nicht gern. Ich wusste, was und wohin ich wollte. Mit meinem abgeschlossenen Lebensmitteltechnologiestudium hätte ich in großen Konzernen arbeiten und richtig Karriere machen können. Stattdessen hatte ich letztes Jahr eine Ausbildung zur Konditorin angefangen, selbst wenn viele das nicht verstanden.
Du hast ein abgeschlossenes Studium, wieso willst du jetzt Kuchen backen?
Genau aus diesem Grund: weil ich es wollte. Und gerade wollte ich meinen lauwarmen Glühwein an einem zu gut besuchten Stand genießen, mir anschließend zu Hause einen weihnachtlichen Tee aufgießen und Phoebe Bridgers’ Weihnachtsalbum genießen. Mehr wollte ich nicht. Ehrlich. Ich war zufrieden.
Und dann traf ich ihn.
Wir verabschiedeten uns von den anderen gegen sechs. Lucy musste noch an einem Essay arbeiten und Manda fuhr über das Wochenende nach Hause. Eigentlich wollten Tillie und ich sofort die Wohnung ansteuern, die wir uns teilten. Siebenundfünfzig Quadratmeter, etliche Lichterketten und noch mehr angefangene Packungen von Mehl. Da blieb sie mitten auf der Straße stehen.
»Hättest du was dagegen, wenn wir noch kurz bei dm vorbeischauen? Dann können wir nach diesem Tee gucken, der nach gebrannten Mandeln und Vanille schmeckt. Der war letztes Mal so lecker.«
Auf dem Weg zum Drogeriemarkt vibrierte mein Handy immerzu. »Was geht da ab auf deinem Handy?« Neugierig nickte Tillie auf mein Display. »Ist das ganze Internet mal wieder in Aufruhr, weil Taylor Swift aus dem Nichts ein Album herausgebracht hat?«
»Wenn es so wäre, hätte Lucy dann nicht schon längst etwas in eure Gruppe geschrieben?«
»Touché.« Meine Schwester stieß die schwere Tür zur Einkaufspassage auf. »Was ist es dann?«
»Meine Kolleginnen hyperventilieren, weil der Sohn unseres Chefs in der Stadt ist. Alle finden ihn heiß.« Ich wackelte übertrieben gespielt mit den Brauen, bevor uns Weihnachtsmusik entgegenblähte. Die Schaufenster waren alle passend geschmückt mit Tannenzweigen und Wichteln. Die Geschäfte warben mit Sales, an denen Tillie uns gekonnt vorbei – und direkt in den Drogeriemarkt lotste. Dort steuerte sie die Teeabteilung an, ich blieb jedoch an meinem Spiegelbild hängen. Keine Ahnung, was das mit mir und dm-Spiegeln war. Sie hatten schon immer eine Faszination auf mich ausgeübt, ganz egal, wie alt ich gewesen war. Mit dreizehn und Lipglossen von Essence zwischen den Fingern. Mit fünfzehn und roséfarbenen Lippenstiftproben auf dem Handrücken, die kaum voneinander zu unterscheiden gewesen waren. Mit siebzehn und silberfarbenen Glitzerpigmenten im Einkaufskorb, damit mein Make-up perfekt mit meinem Paillettenrock auf der Vofi harmonierte, was im Endeffekt niemandem jemals aufgefallen war. Links fragte eine Kundin nach einem bestimmten Abwaschprodukt, während ich mich selbst betrachtete. Im Grunde hatte sich nichts an meinem Aussehen verändert. Seit dem Abi war ich kaum gewachsen, trug meine blonden Haare immer noch lang und kombinierte meine dunklen Leggings im Winter am liebsten mit kniehohen Stiefeln. Tillie war nur ein Jahr und drei Monate jünger als ich, trotzdem ähnelten wir uns kein bisschen. Sie war kleiner, extrovertierter und exzentrischer. Ihr Markenzeichen waren die roten Lippen, ich verwendete meist nur ein durchsichtiges Gloss. Dabei war ich nicht das graue Mäuschen, das sich in einen Schwan verwandeln musste. Ich war einfach ich. Gut so, wie ich war. Ich glaubte daran, dass jeder gut und genug war. Aber ich hatte nie daran geglaubt, dass mir das passieren würde.
Nachdem Tillie bezahlt hatte, liefen wir in Richtung Edeka. Auch eine Etage weiter unten herrschte das absolute Einkaufswinterwunderland. In unmittelbarer Nähe der Rolltreppen war sogar eine Krippe aufgestellt. Joseph, Maria und Jesus, geschmückt mit warm leuchtenden Lichterketten.
»Was hältst du von Wraps für heute Abend?«, wollte Tillie wissen, doch ich überhörte sie.
Hier schallten die Weihnachtshits nicht aus den Lautsprechern, sondern wurden wirklich gespielt. Neugierig landete mein Blick auf dem dunklen Piano. Eine Menschentraube hatte sich darum versammelt, um diesem Typen beim Spielen zuzuhören. Selbst im Sitzen war er groß, während er in seiner Musik versank und dabei die Schultern nach vorn beugte. Nachtschwarze Strähnen fielen ihm in die Stirn. Er trug schlichte Jeans in Kombination mit einem schlichten Hoodie, Letzterer eine Nummer zu groß. Er fiel auf. Ich hatte die Theorie, dass es dabei im Grunde nicht wirklich auf das Aussehen ankam. Wie flach dein Bauch oder wie gerade deine Nase war. Es ging immer um die Art, wie du dich trugst. Um die Weise, wie du dich gabst. Und er gab alles.
»Stopp mal.« Unvermittelt blieb Tillie stehen. »Spielt der Typ da gerade Day After Tomorrow in der Version von Phoebe Bridgers?«
Es war wie in einem meiner Bücher. Er war ein leidenschaftlicher Pianist in einem Einkaufszentrum, der Lieder von Phoebe Bridgers spielte. Ihn umgab diese Aura, die so viele auf Tillies Campus besaßen. Leicht melancholisch, irgendwie anders und gerade deshalb interessant. Keine Ahnung, wieso uns das so faszinierte. Vielleicht, weil Kunst ehrlich war und wir die meiste Zeit über logen. Authentisch sein, sagten sie, aber benutzten Filter, um ihr wahres Gesicht zu verbergen.
Dieser Typ hatte etwas Ehrliches.
Die Art, wie er spielte, war roh und verletzlich.
So schön.
Ein merkwürdiges Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus. Aber vielleicht hatte ich auch bloß zu viele Liebesromane...
Erscheint lt. Verlag | 11.10.2023 |
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Verlagsort | Bindlach |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Adventsgeschichten • Bücher von Alexandra Flint • Bücher von Carolin Wahl • Bücher von Gabriella Santos de Lima • Bücher von Kyra Groh • Bücher von Marina Neumeier • Bücher wie Christmas Kisses • Bücher wie Like Snow We Fall • Bücher wie Make My Wish Come True • Kurzgeschichten über Weihnachten • Liebesroman ab 16 Jahren • Loewe Intense • new adult liebesroman • New Adult Roman • New Adult Romane mit Spice • New Adult Weihnachtsgeschichten • New Adult Weihnachtsroman • romantische jugendbücher • romantische Weihnachtsgeschichten • Spicy Liebesromane ab 16 Jahren • Weihnachten Kurzgeschichten • Weihnachtsgeschenke für Fans von New Adult Romanen • Weihnachtsgeschenke für New Adult Leserinnen • Winterliche Kurzgeschichten |
ISBN-10 | 3-7320-2043-6 / 3732020436 |
ISBN-13 | 978-3-7320-2043-0 / 9783732020430 |
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