Straße ins All 46: Welt der Doppelgänger (eBook)
300 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7513-0 (ISBN)
Frascati mal zwei
Miguel de Torres
Das Experiment gelingt – doch wie schon erwartet nicht ohne Komplikationen!
Parallel dazu erlebt Haiko Chan auf dem Mond eine Invasion besonderer Art. Aber das ist längst noch nicht alles...
DIE HAUPTPERSONEN
Lino Frascati: Zwei sind einer zuviel - eindeutig!
Alfonso Volpone: Der ›Pate‹ von MAFIA wähnt sich am Ziel seiner Wünsche. Er weiß ja auch noch längst nicht alles...
Clint Fisher: Der Sicherheitschef fühlt sich zu Höherem berufen und ergreift die Initiative – auf gewohnt hinterhältige Art und Weise.
Jackson ›Jackie‹ Chan: Der ›Schrecken des Sicherheitsdienstes‹ arbeitet an der Befreiung seines Chefs: Viel Glück!
Haiko Chan: Sein von Fisher erzwungener Urlaub neigt sich dem Ende zu – einem Ende mit Schrecken, wahrlich!
1.
»Das ist eine Invasion!«
Haiko Chan, Überlebensspezialist bei Mechanics Inc., nickte betrübt, während er die seltsame Prozession musterte, die soeben, vom Landefeld kommend, den Ankunftsbereich der Mondstation betrat. Sein neuer Bekannter, Don Jaime López de Mendoza Tendilla y Ledesma, hatte nicht Unrecht: Die rund drei Dutzend älteren bis uralten Damen, angetan mit den teuersten Gewändern der neuesten Mode, die für mindestens fünfzig Jahre jüngere Frauen gedacht war und versehen mit den längsten Perlenketten und dem protzigsten Geschmeide, das Haiko Chan jemals gesehen hatte, konnte man gut als ›Invasion‹ bezeichnen. Viele der Damen hatten offensichtlich versucht, durch exzessives Make-up das wettzumachen, was selbst der modernen Schönheitschirurgie nicht mehr gelungen war, mit dem Ergebnis, dass ihre Gesichter starr und wachsbleich wirkten – Jahrtausende alten Mumien ähnlicher als lebenden Menschen.
»Nun, wir sind ja morgen wieder weg«, antwortete Chan und konnte nicht verhindern, dass dabei etwas Wehmut in seiner Stimme mitschwang. Sein vierzehntägiger Urlaub im teuersten und exklusivsten Luxushotel der Welt, dem Luna-Star, das sich genau genommen gar nicht auf ›der Welt‹ befand, sondern auf dem Mond, neigte sich dem Ende zu. Zu verdanken hatte er ihn seinem unmittelbaren Vorgesetzten, Mechanics-Sicherheitschef Clint Fisher, der ihn, nachdem ihn der Überlebensspezialist in einer für Fisher nicht alltäglichen Situation überrascht hatte, zu diesem Urlaub ›verdonnert‹ hatte 1 – und der auch dafür gesorgt hatte, dass der Konzern, der natürlich an dem Hotel beteiligt war, sämtliche anfallende Kosten übernahm. Denn auch das Jahreseinkommen eines Überlebensspezialisten hätte kaum ausgereicht, sich einen einzigen Tag in diesem Etablissement leisten zu können. Dennoch war der überraschende Urlaub für Haiko Chan nach der anfänglichen Aufregung um das Mädchen Mareise, das sich als Agentin von Flibo entpuppt hatte und um ein Haar das Luna-SG gesprengt hätte 2 , nicht nur erholsam, sondern auch teuer. Die überall lauernden Hotelbediensteten waren nämlich horrende Trinkgelder gewohnt und forderten diese gegebenenfalls auch unmissverständlich ein.
Doch morgen früh würde der Urlaub beendet sein – mit dem gleichen Mechanics-Linienraumer PHAETON, der soeben die alten und augenscheinlich schwerreichen Damen gebracht hatte und der einmal pro Woche die Erde mit dem Mond verband, mussten er und sein neuer Bekannter wieder zurückkehren.
»Na, dann werde ich mal meine Koffer packen«, seufzte Chan und Don Jaime López de Mendoza Tendilla y Ledesma, von dem Überlebensspezialisten mit dessen ausdrücklicher Erlaubnis meist nur mit ›Don Jaime‹ angesprochen, nickte wortlos. Der hoch gewachsene Spanier, letzter aber nichtsdestoweniger völlig verarmter Spross eines uralten Adelsgeschlechts, hatte seinen einwöchigen Aufenthalt im Luna-Star in der Lotterie gewonnen. Viel lieber als die Reise anzutreten hätte er sich den Gewinn in Geld auszahlen lassen, von dem er viele Jahre hätte leben können, doch das war zu seinem großen Leidwesen nicht möglich gewesen. So war sein Aufenthalt auf dem Mond bei weitem nicht so unbeschwert verlaufen wie derjenige der meisten anderen Hotelgäste und die Bediensteten machten ihm, der nicht in der Lage war, ein von diesen auch nur annähernd als adäquat erachtetes Trinkgeld zu geben, den ›Urlaub‹ zusätzlich zur Hölle. Zu allem Überfluss hatte er am Tag seiner Abreise von der Erde auch noch eine eingeschriebene E-Mail von der Finanzverwaltung erhalten, in der ihn diese vorsorglich darauf hinwies, dass er seinen Gewinn als geldwerten Vorteil zu versteuern habe, andernfalls man sich gezwungen sähe, für ihn äußerst unangenehme Schritte einzuleiten...
Das ungleiche Paar – der Spanier war mehr als einen Kopf größer als der Mongole – folgte dem ›Kaffeekränzchen der Reichen und Gelangweilten‹, wie Haiko Chan die Damenriege in Gedanken tituliert hatte, auf dem Weg zum Hotel, das am westlichen Rand der gewaltigen Stahlkuppel gelegen war, die die Mondstation umschloss. Um den an Luxus und Extravaganz gewöhnten Hotelgästen einen Ausblick auf die Umgebung des Erdtrabanten zu ermöglichen, waren in die Kuppel an dieser Stelle riesige Fenster aus hoch verdichtetem Spezialglas eingelassen worden.
Da sich sowohl Haiko Chan als auch Don Jaime mittlerweile an die auf dem Mond herrschenden Schwerkraftverhältnisse gewöhnt hatten, schmolz ihr Abstand zu den Damen rasch zusammen. Während sie ihre Schritte, die eher Sprünge waren, verlangsamten, beobachteten sie die alten Damen bei ihren ersten Gehversuchen auf dem Erdtrabanten und konnten sich dabei das Lachen nur schwer verkneifen.
»Ethelgret, sieh mal, ich schwebe!«, stieß eine spindeldürre Mittneunzigerin hervor und ließ den Worten ein mädchenhaftes Kichern folgen, das gar nicht zu ihrer Grabesstimme passen wollte. Erneut stieß sie sich mit Hilfe ihres diamantenbesetzten Elfenbeinstocks vom Boden ab und legte eine Strecke von mehreren Metern in der Luft zurück. Dieses unerwartete Kunststück löste nicht nur allgemeines Gackern, sondern auch den Nachahmungstrieb der anderen Damen aus und so hüpften alsbald alle Neuangekommenen durcheinander, wobei Kollisionen nicht ganz vermieden werden konnten.
»Meine Damen, ich muss doch bitten!«, mahnte der jugendliche Reiseführer, der der Gruppe voranging. Doch seine Worte gingen in dem allgemeinen Trubel unter.
»Ich fühle mich, als wäre ich zwanzig Jahre jünger«, erkannte eine andere Uroma und schwang ihren Gehwagen mit einer Hand durch die Luft.
»Dann wärst du jetzt fünfundachtzig und solltest solche Späße bleibenlassen«, fauchte sie die neben ihr Hüpfende an, die dem herumwirbelnden Gerät gerade noch hatte ausweichen können.
Haiko Chan und Don Jaime warteten noch, bis der am Ende völlig entnervte Reiseleiter alle fünfunddreißig Damen in den Shuttlegleiter verfrachtet hatte und machten sich dann zu Fuß auf den Weg in das wenige hundert Meter entfernte Hotel.
Als sie dort anlangten, hatten sie zunächst Probleme, überhaupt in das Foyer zu gelangen. Einige der Damen hatte es sich auf breiten Ledersesseln und Sofas bequem gemacht und andere standen herum und unterhielten sich oder lasen die Tafeln, auf denen Ausflugsprogramme und andere Gruppenaktivitäten angekündigt waren. Eine vielleicht neunzigjährige Frau mit einem Eulengesicht, das von einer dazu passenden Nase verziert wurde und die noch erstaunlich rüstig schien für ihr Alter, stand vor dem untersetzten Manager des Luxushotels, den sie beinahe um einen Kopf überragte und bohrte ihm gerade einen knochendürren Zeigefinger in die Brust.
»Guter Mann«, schnarrte sie, »können Sie mich vielleicht mal aufklären: Wo ist hier das Meer?«
»D-d-das Meer?«, stotterte der verblüffte Manager. Sein langer Ziegenbart – von den buschigen schwarzen Augenbrauen abgesehen der einzige Haarwuchs auf seinem Schädel – zitterte aufgeregt.
»Das Meer!«, bestätigte die resolute Dame. Sie zog die Hand zurück, legte sie um eine vierreihige Perlenkette, die ihr fast bis auf Nabelhöhe herunterhing und begann, deren untere Hälfte in kreisende Bewegungen zu versetzen. »Ich habe ausdrücklich eine Suite mit Meerblick bestellt! Meine fünf Männer – Gott habe sie selig! – und ich haben das bei jedem Urlaub so gehalten, ganz egal, wohin wir auch gereist sind! Was sollen denn meine Freundinnen von mir denken, wenn ich keine Suite mit Meerblick bekomme?« Sie ließ davon ab, die Perlenkette herum zu schwingen und stieß den Manager wieder vor die Brust. »Also?«
Der Mann – Haiko Chan erinnerte sich, dass sein Name Matt Schuster lautete – kratzte sich nachdenklich am Ohr. »Das Meer... Tja, also...« Seine Augen irrten durch das Foyer, nach einer Rettungsmöglichkeit flehend. Als sie den Überlebensspezialisten streiften, machte dieser mit todernster Miene eine Geste mit dem Kopf in Richtung des Hintergrundes, wo eines der titanischen Fenster der Kuppel sichtbar war. Er musste die Geste noch zweimal wiederholen, bevor der verzweifelte Manager endlich verstand.
»Das Meer...« Plötzlich leuchtete Schusters Gesicht auf. »Gute Frau, Sie werden begeistert sein! Ich kann Ihnen hoch und heilig versichern, dass Sie von Ihrer Suite aus einen phantastischen Ausblick auf das Mare Imbrium haben werden!«
Die Eule kniff ein Auge zusammen. »Sind Sie...
Erscheint lt. Verlag | 14.4.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
ISBN-10 | 3-7389-7513-6 / 3738975136 |
ISBN-13 | 978-3-7389-7513-0 / 9783738975130 |
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