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Jil Sander. Eine Annäherung (eBook)

Die bekannteste Modedesignerin Deutschlands | Über Stil, Nachhaltigkeit und Erfolg | Mit zahlreichen Fotos und Exklusivinterviews mit ehemaligen Weggefährten | Woman Pure!

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
256 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0629-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jil Sander. Eine Annäherung - Maria Wiesner
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ÜBER ENTWÜRFE, DIE NICHT NUR DIE MODEWELT REVOLUTIONIERTEN

Jil Sander ist die bekannteste Modedesignerin Deutschlands. In einer Zeit, in der Frauen nur mit Erlaubnis ihrer Ehemänner ein Konto eröffnen und arbeiten durften, begann sie Mode zu entwerfen, die nichts mehr mit den biederen Rollenbildern der Fünfziger- und Sechzigerjahre gemein hatte. Mit ihren minimalistischen Entwürfen schuf Jil Sander den neuen Look der modernen berufstätigen Frau: lässig, erfolgreich, selbstbewusst.

1989 brachte Jil Sander ihre Firma an die Börse und wurde damit in Deutschland die erste Frau im Vorstand eines Aktienunternehmens. Sie selbst stand immer für die Glaubwürdigkeit ihrer Marke, deren Botschaft sich bis heute trägt. Ihre Entwürfe sind zeitlose Klassiker; Jil Sander selbst beindruckt durch ihre anhaltende Unaufgeregtheit und zielsicheres Understatement. Was können wir von ihr lernen?

Mit Respekt und Bewunderung nähert sich die Journalistin Maria Wiesner Jil Sander und ihrem Lebenswerk. Ein Buch über eine Visionärin, die ihresgleichen sucht.



MARIA WIESNER, aufgewachsen in Brandenburg, studierte Germanistik, Italianistik und Journalistik in Dresden, Leipzig, Florenz und Reggio di Calabria. Sie bereiste Europa, Asien und Afrika und schrieb Reportagen und Essays u.a. für FAZ-Magazin, FAZ, BBC World Service und Deutschlandfunk Kultur. Seit 2016 arbeitet sie als Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.net, wo sie sich mit Mode und Film beschäftigt. Seit 2022 ist sie dort außerdem Koordinatorin für das Ressort »Stil«.

DIE TÜR INS PRIVATE IMMER NUR EINEN SPALT ÖFFNEN

Jil Sander steht nicht gern vor großem Publikum. Wer sie in Frankfurt 2017 bei der Eröffnung ihrer Ausstellung »Präsens« im Museum Angewandte Kunst sah, wie sie vor die anwesenden Presseleute und Fotografen trat, konnte das ahnen. Sander erschien in Frankfurt in ihrer bewundernswert stilsicheren Uniform: in schmalen schwarzen Hosen und einem marineblauen Pullover aus dickem Strick, der ihren Oberkörper wie ein Schutzschild umgab, eine Farb- und Materialkombination, die man von vielen ihrer Presseauftritte in den vergangenen Jahren her kennt. Ihre Augen hatte die Designerin hinter einer dunklen Brille versteckt.

Für die Pressefotos an der Seite von Ausstellungskurator Matthias Wagner K war ein genaues Zeitfenster abgesteckt. Und obwohl die Fotografen sie wie einen Filmstar belagerten, beließ sie es bei kurzem Winken und Nicken. Die Eröffnung ihrer Ausstellung hatte den Sinn, sie als Ausnahmemodemacherin, als Designerin und als Künstlerin zu würdigen, nicht als Medienstar. Jil Sander nahm die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hin, als gehöre sie zu den Pflichten ihres Daseins, nicht zur Kür, in der man schwelgt. Im Rampenlicht zu stehen, das mochte sie nie. Auch bei ihren Modenschauen auf der Mailänder Fashion Week spähte sie immer nur wie zur Vergewisserung am Ende ins Publikum. Wo andere, vor allem männliche, Designer sich gern groß feiern ließen, den ganzen Laufsteg entlangliefen und Promis mit Handschlag begrüßten, winkte Sander kurz und verschwand wieder im Backstage-Bereich, weil es ihr um etwas anderes geht als den Rummel.

In Frankfurt stand sie irgendwann in den Ausstellungsräumen vor der Kamera des ZDF und beantwortete die Fragen der Reporter. Dabei ließ sie kurz durchblicken, wie unangenehm ihr solche Aufmerksamkeit ist: »Mode kann stark machen und hilft in Situationen, in denen man sich vielleicht unwohl fühlt«, sagte Sander den Fernsehreportern, »wie zum Beispiel jetzt, wenn man ein Interview machen muss.« 1 Dabei lachte sie schüchtern, fast entschuldigend.

Zu entschuldigen gibt es aber eigentlich gar nichts, denn Sander kann auf eine Karriere und ein Werk zurückblicken, die in dieser Form in Deutschland einmalig sind. Sie hat mit vierundzwanzig Jahren beschlossen, ihre eigene Boutique zu eröffnen. Sie hat in einer Zeit, als in der Bundesrepublik Frauen nur mit Erlaubnis ihrer Ehemänner ein Konto eröffnen und arbeiten gehen durften, Mode für jene aufstrebenden jungen Frauen entworfen, die mehr wollten, die sich nicht mit den biederen Rollenbildern, die die Fünfziger- und Sechzigerjahre für sie bereithielten, zufriedengeben mochten. Sie hat, als Düfte noch exklusiv aus Frankreich kamen, ihre Marke in Kooperation mit Lancaster um ein Beautysegment erweitert, das in den Achtziger- und Neunzigerjahren aus keinem Badezimmer wegzudenken war (bis heute gilt der Flakon des Parfüms Jil Sander Sun als ikonische Flasche im Stil neuer Sachlichkeit – und ich traf bei meinen Recherchen fast keine Person, die ihn nicht zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Badezimmer stehen hatte. Vor allem aber hat sie eine Mode entworfen, deren Grundlinien und -ideen sie über Jahrzehnte in immer neuen überraschenden und zugleich stimmigen Variationen treu blieb: klare Schnitte, höchste Qualität der Materialien und Verarbeitung und ein Design, das so zeitlos ist, dass man dreißig bis vierzig Jahre alte Kleider aus dieser Werkfülle noch heute tragen kann, ohne darin unzeitgemäß auszusehen. Auch das ist den meisten Interviewpartnern, die in diesem Buch zu Wort kommen, gemein: Sie alle haben noch mindestens ein original Jil-Sander-Lieblingsstück im Schrank hängen, das sie regelmäßig tragen und niemals hergeben würden.

Ein Anhaltspunkt, ein möglicher Schlüssel dieser Erfolgsgeschichte lässt sich in der eingangs erwähnten Schüchternheit finden. Denn sie ist nicht die einzige Designerin, die sich lieber durch Taten als durch repräsentatives Winken zeigt. Ähnlich wie Sander winkten auch ihre Konkurrentinnen von der italienischen Modeminimalistin Miuccia Prada bis zur deutschen Designerin Gabriele Strehle am Ende ihrer Fashion Shows nur kurz ins Publikum. Ist es eine typische weibliche Eigenschaft, sich nicht in den Mittelpunkt zu stellen? Lieber das Werk sprechen zu lassen? Die Lorbeeren bevorzugt in Lobesform der Käuferinnen zu ernten, als im Applaus der Presse zu baden?

Typisch für Sander ist, dass sie bei ihren Geschäftsideen und im Umgang mit ihren Mitarbeitern und Teams keineswegs über Gebühr zurückhaltend oder durchsetzungsschwach war, das erzählen jedenfalls Menschen, die mit ihr im Laufe von mehr als fünfzig Jahren im Modebusiness zusammengearbeitet haben, immer wieder. Im Atelier war sie selbstbewusst, im Umgang mit Schneidern, Stoffhändlern, Designern voller Energie. Sie konnte Menschen mit ihren Ideen mitreißen, forderte ein Höchstmaß an Können und lebte diese Perfektion selbst. Die Mitarbeiter, die sie mit ihren Ideen mitunter regelrecht herausforderte, schätzten diese Energie, die gewiss auch ihre anstrengenden Momente hatte, so sehr, dass sie auch nach Jahren immer wieder mit ihr zusammenarbeiteten.

Joe McKenna, der für Sander in den Neunzigerjahren als Stylist gearbeitet hatte und unter anderem berühmte Kampagnenbilder mit dem Fotografen David Sims gestaltete, kam 2020 noch einmal zu ihr zurück, als die Designerin gerade ihre zweite Kooperation mit dem japanischen Fast-Fashion-Konzern Uniqlo realisierte. Er war auch hier für das Styling der Werbekampagne verantwortlich und stellte nach einigen Anproben, die Sander an den Models persönlich vornahm, fest: »Das ist noch immer die gleiche Exaktheit, die gleiche Disziplin.« 2

So beschreiben es auch ehemalige Mitarbeiter, die die Marke Sander zu ihrer Glanzzeit in den Neunzigerjahren begleiteten. Noch heute schwärmen sie von der beflügelnden Euphorie, die damals herrschte, von der Anziehungskraft dieser Person, die die Umsetzung ihrer Ideen mit angemessen unermüdlichem Perfektionismus verfolgte. Immer wieder fallen in Interviews, die für dieses Buch geführt wurden, die Worte, man sei so vertraut miteinander umgegangen wie »in einer Familie«. Im Umgang mit ihren Models sei sie nett, fast schon mütterlich gewesen. Die jungen Models, die sie in ihren Kleidern auf den Laufsteg schickte, verkörperten das Image, das Sander mit ihren Entwürfen den Frauen mitgeben wollte: stolz, mit gestärktem Rückgrat, auf dem Weg in eine bessere Zukunft, in der niemand ihnen ihren Platz streitig machen könnte.

»Pure« sei ihr Design, so betonte sie immer wieder, geradlinig, rein, nach einem höchsten Maß an Schönheit strebend. Dabei hatte sie ihre ersten Inspirationen aus einer ganz anderen Moderichtung erhalten. In den frühen Siebzigerjahren war sie oft in London und fasziniert von den Punks, die hier das Modephänomen der Stunde waren, bevor sie zur Inspiration einer weltweiten Jugendbewegung wurden. Im Januar 2023 zog Jil Sander selbst eine erstaunliche Modeparallele. In ihrem Nachruf auf die britische Designerin Vivienne Westwood, die Königin der Punk-Mode, schrieb sie: »Im Modedesign war sie das Gegenprojekt zu meiner Aussage, aber in der Motivation habe ich mich ihr verwandt gefühlt.« 3 Beide hätten zu Beginn ihrer Karriere in den Siebzigerjahren nach Authentizität gesucht. »Ich habe nur eine andere Richtung eingeschlagen und bin dafür eingetreten, dass Frauen als sie selbst wahrgenommen werden, nicht als rückständigen Traditionen verhaftetes Phantasma.« 4 Welche Hindernisse eine Frau dabei vor fünfzig Jahren zu überwinden hatte, betont Sander noch einmal, das könne man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Auch um diese Hindernisse soll es in diesem Buch gehen, denn der Blick auf die Person Jil Sander und ihren Lebensweg kann nicht ohne den Blick auf die gesellschaftlichen Umstände erfolgen, in denen und gegen die sie sich durchsetzen musste.

2023 wird Jil Sander achtzig Jahre alt. Ans Aufhören denkt sie bis heute nicht. Wie stark ihr Name mit ihrem Design verbunden ist, was für eine unzerstörbare Attraktivität diese Vision von klaren Linien und zeitloser Schönheit noch immer hat, zeigte zuletzt die erwähnte Kollaboration mit dem japanischen Fast-Fashion-Konzern Uniqlo. Die Kunden rissen sich um die schöne Ware – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Jahr 2020 blieb im Uniqlo-Geschäft in Tokio nicht eine Schaufensterpuppe heil, weil sich japanische Modefans die Entwürfe der deutschen Designerin sichern wollten. Kaschmirpullover lösten Chaos aus. Was genau macht dieses Design aus? In welcher Tradition steht es? Und warum gilt es noch heute als zeitlos? Auch diesen Fragen will das Buch nachgehen.

© F.A.Z-Fotos / Helmut Fricke

Jil Sander bei der Eröffnung ihrer Werkschau »Jil Sander. Präsens« im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am 2. November 2017.

Und da Sander es stets abgelehnt hat, groß vor die Öffentlichkeit zu treten, soll es auch darum gehen, diesen Teil ihrer Person zu respektieren und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die sie mit dem Publikum geteilt hat. Jil Sander ist wahrscheinlich die letzte klassische Unternehmerpersönlichkeit der Kulturwelt im weitesten Wortsinn, die Öffentliches und Privates streng voneinander getrennt hat. Mode ist eine Kunst, aber von Kunstschaffenden erwartet man heute, dass sie für ihr Werk auch an der Klatsch-, Tratsch- und Menschelei-Front werben. Jil Sander hat das keinen Augenblick lang getan. Über ihr Leben, ihre Familie, ihre Hobbys sprach sie fast nie, und wenn, dann nur in...

Erscheint lt. Verlag 24.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte bekannteste deutsche Modedesignerin • Biografie Jil Sander • Börsengang • Buch über Jil Sander • Buch über Leben von Jil Sander • Damenmode für Karrierefrauen • Geschichte von Jil Sander • Hamburg • Hosenanzug • Jil Sander 80. Geburtstag • Jil Sander Milchstraße • jil sander sun • Laufsteg • Modedesign • Modenschau • Parfum • Prada • Queen of Less • Zwiebellook
ISBN-10 3-7499-0629-7 / 3749906297
ISBN-13 978-3-7499-0629-1 / 9783749906291
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