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Wie die Nacht entrinnt (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46583-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie die Nacht entrinnt -  Maggie Stiefvater
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Im Krieg zwischen Traum und Wirklichkeit steht jedes Schicksal auf dem Spiel: In »Wie die Nacht entrinnt«, dem 3. Urban-Fantasy-Roman von Maggie Stiefvaters Dreamer-Trilogie, stehen nicht nur die Brüder der Familie Lynch an ihrem ganz persönlichen Abgrund - in ihren Händen liegt auch das Schicksal aller Welten. Declan, der sich als Sohn und als Bruder stets für alles verantwortlich gefühlt hat, muss nun feststellen, dass er seine Familie nicht schützen kann. Ronan hat als Träumer an der Grenze zwischen Traum und Wachen gelebt - doch diese Grenze existiert nicht mehr, und Ronan fällt. Und Matthew, der immer der Sonnenschein der Familie war, rebelliert gegen alles, denn nichts scheint mehr real zu sein. Unsere Welt ist nicht für die Familie Lynch, die Welten erschaffen und zerstören kann, gemacht. Und wenn es den Brüdern nicht gelingt, einander zu retten, sind wir alle dem Untergang geweiht ... Die Dreamer-Trilogie ist ein Spinn-off des Fantasy-Bestsellers »Raven Boys«, kann aber auch unabhängig gelesen werden. Maggie Stiefvaters geheimnisvoll-abenteuerliche Urban-Fantasy-Reihe um Träume, Sehnsüchte, Schicksal und Tod umfasst die folgenden Romane: - »Wie der Falke fliegt« - »Wie Träume bluten« - »Wie die Nacht entrinnt«

Maggie Stiefvater, geboren 1981, wurde mit ihrer Nach dem Sommer-Trilogie sowie dem Roman Rot wie das Meer international bekannt und von der Presse gefeiert. Die Spiegel-Bestsellerautorin lebt mit ihrer Familie in den Bergen Virginias. Zuletzt verzauberte ihre Raven Boys-Reihe tausende Leser*innen.

Maggie Stiefvater, geboren 1981, wurde mit ihrer Nach dem Sommer-Trilogie sowie dem Roman Rot wie das Meer international bekannt und von der Presse gefeiert. Die Spiegel-Bestsellerautorin lebt mit ihrer Familie in den Bergen Virginias. Zuletzt verzauberte ihre Raven Boys-Reihe tausende Leser*innen.

1


 

Früher war Kunstkriminalität mal witzig.

Oder vielleicht eher aberwitzig. Die meisten Verbrechenszweige sind eine Zeit lang in und bald wieder out, Kunstkriminalität dagegen kommt nie aus der Mode. Man sollte meinen, Kunstliebhaber seien die Letzten, die Diebstahl oder Fälschungen tolerieren, in Wirklichkeit aber üben diese Themen gerade auf sie einen ganz besonderen Reiz aus. Es ist wie Kunstgenuss mit eingelegtem Turbo. Kunstgenuss als Gesellschaftsspiel, als Teamsport. Die meisten Leute würden niemals selbst ein Gemälde stehlen oder fälschen, finden es jedoch äußerst interessant, darüber zu hören. Anders als bei einem Handtaschendiebstahl oder einer Kindesentführung drücken erstaunlich viele heimlich dem Täter die Daumen.

Das Risiko schien nicht allzu hoch. Kunst mochte wertvoll sein, allerdings ging es dabei selten um Leben und Tod.

Aber die Welt hatte sich verändert.

Heute hieß ein Kunstwerk zu besitzen, dass jemand anders es nicht besaß.

Und mit einem Schlag ging es doch um Leben und Tod.

Niemand schenkte Bryde Beachtung, als er das Museum of Fine Arts betrat. Ein ganz normaler rötlich blonder Mann in einer grauen, für den Bostoner Winter viel zu dünnen Jacke. Leichtfüßig joggte er die Eingangsstufen hoch, geradezu winzig vor dem imposanten Säulenportal, die Hände in den Taschen vergraben, die Schultern gegen die Kälte hochgezogen. Er sah weder wie jemand aus, der in der näheren Vergangenheit etwas Wertvolles zerstört hatte, noch wie jemand, der in der näheren Zukunft vorhatte, etwas Wertvolles zu stehlen. Und doch traf beides zu.

Not machte eben erfinderisch.

Gerade mal sechsunddreißig Stunden war es her, dass rund um den Globus plötzlich Zehntausende Menschen und Tiere eingeschlafen waren. Alle gleichzeitig, wie auf Kommando. Egal, ob sie gerade die Straße runterspazierten, ihr Kind in die Luft warfen oder Rolltreppe fuhren: Sie schliefen einfach ein. Flugzeuge fielen vom Himmel. Lastwagen rasten von Brücken. Seevögel regneten ins Meer. Egal, ob die Leute in einem Cockpit oder hinter dem Steuer eines Linienbusses saßen, egal, wie laut die Passagiere schrien. Die Schlafenden schliefen weiter. Warum? Das wusste niemand.

Oder, na ja, fast niemand.

Bryde marschierte auf seine gewohnt zielstrebige Art zum Ticketschalter und hauchte sich dabei fröstelnd in die kalten Hände. Sein heller Blick huschte mal hierhin, mal dorthin, und wieder zurück, gerade lange genug, um den Wachmann vor den Toiletten und eine Museumsführerin zu registrieren, die eine Gruppe Besucher von einem Saal in den nächsten führte.

Die junge Frau hinter dem Schalter sah nicht mal von ihrem Monitor hoch. »Tagesticket?«, fragte sie.

Die Experten in den Nachrichten hatten zunächst je nach Forschungsschwerpunkt von ungeklärten Stoffwechselstörungen, Zoonosen oder Giftgasunfällen gesprochen, waren jedoch zusehends ins Schwimmen geraten, als sie versuchten, ihre Erklärungen von den komatösen Menschen und Tieren auf die Hunderte von Windrädern, Autos und sonstigen technischen Geräte auszuweiten, die ebenfalls den Dienst quittiert hatten. Bestand womöglich, so die These des einen, ein Zusammenhang mit den milliardenschweren Fällen von Industriesabotage, die in letzter Zeit die gesamte Ostküste in Atem hielten? Hatte man es etwa mit einem groß angelegten Angriff auf die Wirtschaft zu tun? Vielleicht würde die Regierung am nächsten Morgen ja mehr enthüllen.

Doch auch der nächste Morgen hatte keine neuen Erkenntnisse gebracht.

Niemand bekannte sich zu den Vorfällen. Und die Schlafenden schliefen weiter.

»Einmal die Wien-Ausstellung«, sagte Bryde.

»Die ist ausgebucht bis März«, entgegnete die junge Frau, als hätte sie diesen Satz schon sehr, sehr oft wiederholt. »Aber wenn Sie Ihre E-Mail-Adresse hinterlassen, setze ich Sie gern auf die Warteliste.«

Die einzigartige Wanderausstellung über die Künstler der Wiener Sezession war sofort ausverkauft gewesen. Kein Wunder. Herzstück des Ganzen war schließlich kein geringeres Gemälde als Gustav Klimts Der Kuss, das kaum je sein Heimatland verließ. Der Kuss ist ein atemberaubendes Werk, und fast jeder kennt es, ohne es vielleicht zu wissen. Es zeigt ein Liebespaar, das gleichermaßen in eine vergoldete Decke wie ineinander verschlungen scheint. Der Mann küsst die Frau auf die Wange. Er trägt Efeuranken im Haar und umfasst geradezu andächtig den Kopf der Frau. Die Frau wiederum kniet gleichmütig auf einem Bett aus Blumen; aus ihrem Gesicht spricht die Gewissheit, begehrt zu werden. Wie begehrt? Schwer zu sagen. Andere, weniger berühmte Klimt-Gemälde hatten in der Vergangenheit Preise über hundertfünfzig Millionen Dollar erzielt.

»Ich muss aber heute rein«, sagte Bryde.

»Sir –« Endlich sah die Museumsangestellte zu ihm hoch. Zögerte. Musterte ihn eine Winzigkeit zu lange. Seine Augen. Sein Gesicht.

»Bryde«, flüsterte sie.

Nicht nur das Leben der Schlafenden hatte sich seit dem Tag der vom Himmel fallenden Flugzeuge verändert. Auch die Träumer – von denen es bedeutend weniger gab – konnten plötzlich nichts mehr in die Wirklichkeit holen. Viele hatten es bloß noch nicht gemerkt, weil sie dafür zu selten träumten. Und andere waren schon vor langer Zeit gescheitert (am Träumen, am Leben).

Einige von ihnen hatte Bryde im Schlaf besucht.

»Die Wien-Ausstellung«, wiederholte er ruhig.

Diesmal zögerte die junge Frau nicht. Sie zog sich ihren eigenen Museumspass über den Kopf und reichte ihn Bryde. »Halt das, äh, Foto verdeckt.«

Als er sich im Gehen den Pass umhängte, presste sie sich die Hand vor den Mund und unterdrückte einen leisen Schluchzer.

Manchmal bedeutet es unendlich viel, wenn man erfährt, dass man nicht allein ist.

Ein paar Minuten später pflückte Bryde in aller Seelenruhe den Kuss von der Wand des belebten Ausstellungsraums, mit einer Entschlossenheit und Selbstverständlichkeit, als wäre er von offizieller Stelle damit beauftragt worden. Was wohl auch der Grund war, warum sich zunächst keiner der anderen Museumsbesucher daran störte.

Dann schlug der Gewichtssensor Alarm.

Dieb, Dieb, Dieb, kreischte der durchdringende Elektronikton.

Das blieb nun doch nicht unbemerkt.

Bryde strauchelte unter dem Gewicht des Gemäldes, das immerhin genauso groß war wie er selbst. Schon die Szene an sich war die reinste Kunst: dieser Mann mit den hellen Haaren, der Adlernase und seinen irgendwie stimmigen, gefälligen Proportionen und dieses wunderschöne Gemälde mit seiner ähnlich eleganten Ausgewogenheit.

Eine Ecke des Rahmens krachte zu Boden. Bryde zerrte das Gemälde kurzerhand über das Parkett Richtung Ausgang.

Spätestens jetzt war allen klar, dass Der Kuss gerade gestohlen wurde. So transportierte man doch kein unbezahlbares Meisterwerk!

Trotzdem hielten die Umstehenden Bryde nicht auf; sie sahen einfach zu, wie es eine solch künstlerische Darbietung nun mal erforderte – oder etwa nicht? Sie sahen zu, wie Bryde stehen blieb, etwas aus der Jackentasche holte, das wie ein Papierflieger aussah, und es einem herbeirennenden Museumsführer entgegenschleuderte. Als das Wurfgeschoss den Mann vor die Brust traf, zerschmolz es zu einer schleimigen Substanz, rann zu Boden und klebte ihn dort fest. Eine Kollegin bekam eine Handvoll Glitzerpulver ins Gesicht, das quietschte und Funken sprühte, als es ihre Haut berührte.

Eine dritte Museumsführerin kam schlitternd zum Stehen, nachdem Bryde ihr einen völlig normal aussehenden Tennisball vor die Füße gerollt hatte, der ein Gewirr aus Gras und Brombeerranken aus dem Boden emporschießen ließ.

Bryde kämpfte sich weiter.

Immer mehr Museumsangestellte eilten herbei, und für jeden von ihnen hatte Bryde eine neue Kuriosität aus seinen Jackentaschen parat. Es war, als würde er Stücke aus einer Sammlung unterschiedlichster Kunstwerke auswählen. Die Objekte waren schön, fremdartig, Furcht einflößend, verblüffend, laut, zaghaft, verlegen, fröhlich – alles Geschenke, die Bryde in den letzten sechsunddreißig Stunden von Menschen bekommen hatte, die bis zu seinem Auftauchen geglaubt hatten, sie seien allein. Früher hätte er sich selbst die nötigen Waffen träumen können, um die Leute vom Museum in Schach zu halten, aber die Zeiten waren vorbei. Heute musste er sich mit geschenkten Träumen von vorher begnügen.

Doch damit würde er es nicht bis zum Ausgang schaffen.

Immer mehr krächzende Funkgeräte machten sich bemerkbar, immer mehr Alarmanlagen jaulten, und er hatte noch so viele Treppen vor sich.

Keine Chance.

Man spazierte wohl einfach nicht mal eben in eins der berühmtesten Museen der Welt, schnappte sich einen Klimt von der Wand und trug ihn nach draußen.

Der Plan war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.

»Wollt ihr etwa nicht, dass sie wieder aufwachen?«, fauchte Bryde die anderen Besucher an.

Seine Worte zeigten größere Wirkung als jede der Traumwaffen zuvor. Denn sie riefen den Leuten all jene in Erinnerung, die heute nicht hier waren, all die Schlafenden, die schliefen und schliefen und schliefen. In Gästezimmern. In Kinderzimmern mit hoffnungsvoll offen stehenden Türen, während den Babyfonen langsam, aber sicher der Saft ausging. Auf den Geriatriestationen der Krankenhäuser, wo die vielen Schlafenden lagen, auf die niemand Anspruch erhob.

Ein paar der Umstehenden rannten zu Bryde und halfen ihm beim Tragen.

Spätestens jetzt war das Meisterwerk vollkommen, als Bryde und ein Grüppchen Helfer den Kuss schulterten und an den...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2023
Reihe/Serie Dreamer-Trilogie
Dreamer-Trilogie
Übersetzer Jessika Komina, Sandra Knuffinke
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Adam Parrish • Albträume • All Age Fantasy • Bestseller Autorin • Call Down the Hawk • Call Down the Hawk deutsch • Carmen Farooq-Lane • Declan Lynch • Dreamer Trilogie Band 1 • Dreamer Trilogie Band 2 • Dreamer Trilogie Band 3 • Dreamer Trilogy • Dreamer Trilogy deutsch • Fantasy Bücher Erwachsene • Fantasy Jugendbücher • Fantasy junge Erwachsene • Fantasy LGBTQ Buch • Fantasy Magie • Fantasy Reihe • Fantasy Romane • fantasy romane für erwachsene • Fantasy Romantik • Fantasy Saga • Fantasy Serie • Geträumte • Jägerin • Jordan Hennessy • Kunst • Kunstfälschung • LGBT Fantasy Buch • LGBTQ • LGBTQ Bücher • LGBTQ Fantasy Bücher • LGBTQ Romane • Maggie Stiefvater • Maggie Stiefvater deutsch • Maggie Stiefvater Dreamer Trilogie deutsch • Maggie Stiefvater dreamer trilogy deutsch • Maggie Stiefvater raven boys • Magie • Matthew Lynch • Prophezeiung • Queer • Raven Boys • Romane LGBT • roman magie • Romantische Fantasy • Ronan Lynch • Träume • Träumer • unheimliche und phantastische Geschichten • Untergang der Welt • Urban Fantasy • Vorhersage • Was die Spiegel wissen • Wen der Rabe ruft • Wer die Lilie träumt • Wie Eulen in der Nacht • Wo das Dunkel schläft • young adult fantasy
ISBN-10 3-426-46583-3 / 3426465833
ISBN-13 978-3-426-46583-7 / 9783426465837
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